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„Wie immer?“, fragte sie und beobachtete ihn schelmisch von der Seite.
„A point, wie immer!“, grummelte der Dickbäuchige und begutachtete das Rumpsteak in der Bratpfanne. Vier Minuten trennten ihn noch von diesem himmlischen Fleischbrocken und einem gemütlichen Wochenende mit seiner Frau. Wie sehr hatte er diesen Freitagabend herbeigesehnt. Müde fuhr sich Oskar Hess mit der Hand über die ergrauten Bartstoppeln.
„Schatz, das Telefon, gehst du bitte ran?“ Er stapfte ins Wohnzimmer und bellte ins Telefon: „Hess!“
„Hallo Chef, hier Portmann“, kam es zögernd. „Entschuldigen Sie die Störung.“
„Lass die Floskeln Junge, komm zur Sache!“
„Wir bekamen folgende Meldung: Es soll einen Todesfall an einer Geburtstagsparty gegeben haben. In Meggen, Huobmattstrasse 8. Wir sind bereits unterwegs und die Rechtsmedizin ist informiert.“
„Schlaues Kerlchen. Und jetzt soll ich wohl auf mein Rumpsteak verzichten?“


„Herr Hess, es tut …“
„Schon kapiert!“, blaffte der Alte, „bin in fünfzehn Minuten da.“ Hess knallte das Telefon zurück auf die Station und angelte in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel.
„Oskar, dein Rumpsteak ist fertig gebraten, beeil dich“, rief seine Frau aus der Küche, als der Kommissar bereits im Auto nach Meggen sass. Zwölf Minuten später erreichte Hess die Huobmattstrasse 8. Ein feudales Zweifamilienhaus mit grossem Garten. Vor dem Gebäude waren ein Krankenwagen und zwei Polizeifahrzeuge geparkt. Der Kommissar hatte kaum die Autotüre hinter sich zugeknallt, als Portmann bereits auf ihn zu eilte.
„Worum geht’s hier verdammt nochmal?“, knurrte der Dicke.
„Ines Tanner feierte heute ihren 35. Geburtstag", kam es wie aus der Pistole geschossen. „Sie lebte hier zusammen mit ihrem Freund Mario Manzotto. Sie hatte heute ihren Vater, ihre Schwester und ihre beste Freundin zum Grillieren eingeladen. Beim Dessert wurde ihr übel und sie verlor plötzlich das Bewusstsein. Die Angehörigen alarmierten die Rettungssanität, doch es kam jede Hilfe zu spät. Zähringer ist gerade bei der Toten. Graber kümmert sich um die Angehörigen.“ Beim Erwähnen vom Rechtsmediziner Zähringer hellten sich Hess’ Gesichtszüge etwas auf. Zähringer war nicht nur seines Alters wegen sein bester Kumpel, er war auch für seine Effizienz und Genauigkeit bekannt. Der Kommissar hastete schweratmig hinter dem durchtrainierten Beamten ums Haus in den grosszügigen Garten. Das Bild, das sich ihm hier bot, war ihm vertraut: Eine Handvoll Angehöriger: geschockt, hysterisch und verzweifelt. In diesem Zustand würde man aus diesem Mob nichts Gescheites herausbringen. Daher überliess er das Feld den beiden jungen Beamten Portmann und Graber. Er würde sich diese Leute morgen in aller Ruhe vorknöpfen.
Zähringer kniete am Boden neben der Toten.
„Hübsches Mädel, schade drum“, grunzte Hess und betrachtete den zierlichen Körper und die feinen Gesichtszüge. Der hagere Rechtsmediziner richtete sich auf: „Todeszeitpunkt ca. um 19:45 Uhr. Ich habe den Verdacht auf einen anaphylaktischen Schock. Näheres kann ich dir aber erst nach genaueren Untersuchungen sagen.“
„Du meinst, sie ist an einer Allergie gestorben? Was könnte das gewesen sein?“ Zähringer hielt seinem Kollegen ein Stück Kuchen unter die Nase.
"Das ist das Letzte, was die Tote zu sich genommen hat. Ich nehme den Karottenkuchen mit ins Labor. Morgen Mittag hast du meinen Bericht auf dem Tisch.“
„Das will ich hoffen“, brummte der Dicke versöhnlich. Dabei entging ihm nicht, wie sich in der Nachbarswohnung eine Gardine bewegte.
„Ich muss dann mal“, grüsste er und ächzte die Treppe hoch ins zweite Stockwerk. Dem Türschild nach wohnte hier eine Frau Martha Blum. Hess klingelte. Eine gebückte Gestalt mit runzeligem Gesicht und wachen blauen Augen öffnete die Türe.
„Guten Abend! Kriminalkommissar Hess! Darf ich …“, er machte Anstalten einzutreten. Sie musterte ihn erst misstrauisch, trat dann aber einen Schritt zurück: „Bitte!“
Martha Blum bot ihm einen Platz auf dem Sofa an. „Sie sehen hungrig aus. Darf ich Ihnen ein Stück Karottenkuchen anbieten?“ Karottenkuchen konnte zwar lange nicht mit einem Rumpsteak mithalten, doch sein knurrender Magen war in der jetzigen Notlage nicht mehr wählerisch. Hauptsache einen Happen essen. Zufrieden lehnte sich Hess zurück und biss herzhaft in das Kuchenstück, ohne die Seniorin dabei aus den Augen zu lassen. Sie hatte sich ihm gegenüber hingesetzt, nachdem sie ihm auch noch frischen Kaffee gebrüht hatte.
„Fräulein Ines ist tot, oder?“, stellte sie nüchtern fest.
„Kannten Sie sie gut?“, fragte der Dicke zurück.
„Nur vom Sehen, man grüsste sich im Treppenhaus oder sprach hin und wieder übers Wetter. Aber Fräulein Ines und die ganze Familie waren immer sehr freundlich zu mir. Alle bis auf ihren Freund, diesen Manzotto. Den mag ich nicht.“
„Weshalb?“
„Manzotto ist ein arroganter und eingebildeter Pascha. Jawohl! In den letzten Wochen hatte er sich oft mit Fräulein Ines gestritten. Und jetzt ist sie tot. Da sieht man wieder einmal, wohin das führen kann“, die Siebzigjährige seufzte. Indes kam der Kommissar in Genuss eines zweiten Stück Kuchens. Sie plauderten noch eine Weile, bis sie ihm unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie nun Nachtruhe wünschte.

Hess beeilte sich nicht mehr nach Hause zu kommen. Sein Steak war sowieso zäh und seine Frau schlief um diese Zeit. Er machte einen Halt beim Alcatraz-Club und liess den Abend bei einem Drink ausklingen.

Am Samstag Punkt 12:00 Uhr hatte der Kommissar den Bericht Zähringers auf dem Tisch liegen. Er schlug die Mappe auf. Sein Kumpel bestätigte den anaphylaktischen Schock. Auslöser dafür waren die Nüsse im Karottenkuchen gewesen. Warum hatte das Opfer von einem Kuchen gegessen, auf dessen Inhaltsstoffe sie allergisch war? Wer von den Angehörigen hatte von der Allergie gewusst? Eine andere Bemerkung im Bericht machte ihn hellhörig: Ines Tanner soll in der 12. Woche schwanger gewesen sein. Wer wohl darüber im Bilde gewesen war? Ob die Schwangerschaft mit dem Mord zusammenhing? Das waren eindeutig zu viele offene Fragen für seinen Geschmack. Es war Zeit, dass er sich die Angehörigen vornahm. Er beauftragte Graber, alle vier nacheinander aufs Kommissariat zu bestellen. Das erste Verhör wollte er den Vater der Verstorbenen befragen.
Josef Tanner musste mal ein stattlicher Mann gewesen sein. Hess hatte herausbekommen, dass Tanner jahrzehntelang ein Luxushotel geführt hatte. Er musste ein kleines Vermögen gescheffelt haben. Doch davon sah man ihm nichts an. Er wirkte fahl und in sich zusammengefallen. Hess verspürte fast ein bisschen Mitgefühl: „Herr Tanner, mein herzliches Mitgefühl, es tut mir sehr leid, was passiert ist. Ich möchte den Fall schnellstmöglich aufklären und brauche dazu Ihre Hilfe.“ Der Pensionär nickte. Hess fuhr fort: „Wussten Sie, dass Ihre Tochter eine Allergie auf Nüsse hatte?“
„Natürlich! Was denken Sie denn?“, Tanner schüttelte ungeduldig den Kopf. „Alle wussten davon.“
„Auch von der Schwangerschaft?“, Tanner schüttelte abermals den Kopf, als ob er den Sinn dieser Fragen nicht verstehen könnte. „Wir hatten ein sehr enges Verhältnis. Natürlich hatte Ines darüber gesprochen und ich freute mich riesig auf mein zukünftiges Enkelkind. Ich hoffte, bis zur Geburt durchzuhalten und jetzt habe ich meine ganze Familie verloren.“
„Wie meinen Sie das, Sie hätten Angst gehabt nicht bis zur Geburt durchzuhalten?“
Das fahle Männlein seufzte: „Ich bin krebskrank. Im Endstadium. Aufgrund der Metastasen im ganzen Körper gibt man mir nicht mehr lange. Jetzt habe ich keine Blutsverwandte mehr, die ich beerben könnte.“
„Was ist mit Ihrer Tochter Lisa?“
„Ich liebe sie, aber sie ist nicht mein leibliches Kind. Meine Frau und ich hatten sie damals adoptiert, als sie 5 Monate alt war. Nun ja, jetzt wird sie wohl die alleinige Erbin sein.“
Der Kommissar liess sich seine Überraschung nicht anmerken. Diese Lisa Tanner hatte nämlich seinen Beamten gegenüber nichts davon durchblicken lassen. Josef Tanner hatte nichts Interessantes mehr anzufügen, so dass sich Hess die Schwester des Opfers vorknöpfen konnte. Grollend begrüsste er die aufgetakelte junge Frau: „Na so was, die Adoptivtochter Lisa Tanner gibt mir höchstpersönlich die Ehre.“
Sie schaute ihn mit ihren fischig blau-grauen Augen an und schwieg.
„Warum haben Sie gestern Ihre Adoption verschwiegen?“
„Woher sollte ich wissen, ob das wichtig sei?“, trotzte sie. „Sowieso, ich hatte ein derart enges und herzliches Verhältnis zu meiner Schwester, dass ich oftmals vergass, bloss adoptiert zu sein. Ich fühlte mich voll und ganz zugehörig.“
„So zugehörig, dass Sie nun alles Geld Ihres bald sterbenden Vaters erben werden.“, entgegnete ihr der Kommissar sarkastisch. „Als Detailhandelsfrau wird Ihnen das Geld gerade Recht kommen.“
„Was erlauben Sie sich eigentlich? Das Geld ist mir egal, in wenigen Monaten werde ich alleine dastehen, ohne Familie. Kümmern Sie sich besser um Mario Manzotto, den Freund meiner Schwester und ihre beste Freundin, Nadine Frey.“
„Und warum sollte ich das tun?“ „Wenn einer ein Motiv hätte, dann Manzotto: Wussten Sie, dass er gewollt hatte, dass meine Schwester das Kind abtreibt? Und ist Ihnen bekannt, dass sich Nadine Frey seit Jahren verzweifelt Kinder wünscht und extrem mit ihrem Schicksal hadert? Mit denen sollten Sie sich abgeben!“, sagt’s, steht unaufgefordert auf und verlässt das Büro auf mörderisch hohen Absätzen. Kein schlechter Abgang. Auf den Mund gefallen war das Biest nicht. Mal schauen, ob Manzotto ebensoviel Biss zeigt, dachte sich der Kommissar und liess den Freund der Verstorbenen hereinbitten.
„Herr Manzotto!“, Hess lehnte sich zurück, „wie war ihre Beziehung zu Frau Tanner in den letzten Wochen?“
„Warum meinen Sie? Es war alles wie immer.“
„Merkwürdig, man sollte doch meinen, dass eine baldige Vaterschaft die Beziehung verändert.“ Manzotto wurde blass.
„Hab gehört, Sie schwebten nicht gerade auf Wolke sieben, als sie vom Nachwuchs erfuhren.“, holte der Dicke zum Schlag aus.
Dem Maserati-Verkäufer wurde klar, dass ihn da keine Lüge herausholen konnte.
„Ja okay, in unserer Beziehung herrschte eine gewisse Missstimmung. Ines wollte mit dem Kind erzwingen, dass ich sie heirate. Mensch, ich bin nun mal nicht der Familientyp. Ich brauche meine Freiheit. Aber deshalb bringe ich meine Freundin doch nicht um!“
„Ah ja?“, polterte Hess, „und mit dem Karottenkuchen haben Sie also nichts am Hut? Dass ich nicht lache.“
„Es stimmt, ich habe meiner Freundin das Stück Kuchen vom Buffet geholt. Weil es ihr Lieblingskuchen ist. Und weil der Karottenkuchen wie jedes Jahr ohne Nüsse hätte sein sollen. Ich verstehe nicht, wie da Nüsse reingekommen sind.“
„Ich auch nicht.“
Der Italoschweizer setzte ein gönnerhaftes Lächeln auf: „Ich geb Ihnen 'nen Tipp: Die Adoptivschwester ist eine falsche Schlange. Sie arbeitet als Verkäuferin und lebt finanziell jedoch weit über ihre Verhältnisse. Das Erbgeld kommt ihr gerade recht.“ Manzotto stolzierte zur Tür hinaus und Hess hing seinen Gedanken nach.
Jeder Verdächtige lenkte auf Motive von anderen Angehörigen. Es war wirklich zum Davonlaufen. Doch dafür hatte er jetzt keine Zeit. Nicht jetzt. Nadine Frey wartete. Eine hübsche, wenn auch ein bisschen unscheinbare Frau. Schüchtern setzte sie sich auf den Stuhl vor Hess’ Schreibtisch. Der Kommissar kam gleich zur Sache: „Frau Frey, wie war ihre Freundschaft zu Ines Tanner, seit sie von deren Schwangerschaft erfahren haben?“
Sie schluckte schwer: „Es war sehr hart für mich. Schauen Sie mich an: Ledig mit 37. Da sinken die Chancen auf eigene Kinder und der jahrelang unerfüllte Wunsch nach einem Baby quält mich.“ Sie machte eine Pause: „Ich gebe zu, ich war eifersüchtig. Ines hatte einfach alles: einen Freund, Geld und eben Nachwuchs.“
„Nett, dass Sie mir Ihr Motiv gleich in die Hand spielen, gnädige Frau. Eifersucht hat schon oft zu einem Mord geführt.“ Nadine Frey zuckte zusammen und rief verzweifelt: „Bitte, Herr Kommissar, glauben Sie mir! Sie war meine beste Freundin, auch wenn es für mich hart war, ich hätte ihr nie etwas antun können!“ Von dieser theatralischen Leistung beeindruckt glaubte Hess diese These bald selber, wäre da nicht ein pikantes Detail gewesen: „Sie haben den Kuchen gebacken, von dem die Tote gegessen hat.“
„Na und? Es war ihr Lieblingskuchen: Karottenkuchen, wie jedes Jahr zum Geburtstag.“
„Der Kuchen enthielt Nüsse!“
Jetzt wurde die 37jährige wütend: „Enthielt er nicht!“
„Da spricht mein Laborbericht aber eine andere Sprache.“, konterte der Dicke.
„So glauben Sie mir! Ich habe in meinen Kuchen keine Nüsse gemischt. Das muss ein Missverständnis sein!“ Hess hatte genug. Er katapultierte die schimpfende Frau vor die Türe und seufzte. Er hatte geglaubt diesen Fall rasch zu den Akten legen zu können. In der Hoffnung heute Abend sein verpasstes Nachtessen nachzuholen. Er trat auf der Stelle. Daher beschloss er, nochmals an den Tatort zu fahren.

Er parkte sein Auto und stieg aus. Im zweiten Stock öffnete sich ein Fenster und die Nachbarin rief herunter: „Herr Kommissar, kommen Sie zu einem Stück Kuchen vorbei?“, das war weniger eine Frage als ein Befehl und Hess liess sich das nicht zweimal sagen.
Fünf Minuten später sass er mit einem Stück Kuchen in der Hand auf dem Sofa. Auf dem Clubtisch eine dampfende Tasse Kaffee. Die Seniorin beobachtete ihn mit einem zufriedenen Lächeln. Der Kommissar mampfte mit vollem Mund: „Ihr Kuchen ist wirklich köstlich Frau Blum! Sie sind eine richtige Bäckerin!“ Erstaunt blickten ihn die zwei wachen blauen Augen an: „Aber der Kuchen ist doch gar nicht von mir! Fräulein Lisa war so nett und hatte ihn mir gestern während des Fests vorbeigebracht. Sie wollte sich damit für den Lärm entschuldigen.“
Dem Kommissar blieb der letzte Happen im Hals stecken. „Ich muss los!“, krächzte er und stolperte zur Tür.
„Aber Ihr Kaffee?“, rief ihm Frau Blum hinterher.
„Ein andermal …“ Hess eilte zu seinem Fahrzeug und bestellte über Funk seine Jungs Graber und Portmann zum nahegelegenen Einkaufszentrum.
Der Kommissar hatte kaum geparkt, da traf auch schon der Streifenwagen vor dem Einkaufszentrum ein.
„Graber und Portmann: Ihr bleibt im Wagen. Gebt mir drei Minuten und dann kommt nach!“
Hess betrat den Supermarkt und steuerte zielstrebig die Kasse von Lisa Tanner an. „Eine Lucky Strike bitte!“ Sie griff schweigend nach der Zigarettenpackung.
„Ich soll Ihnen Grüsse bestellen von Frau Blum“, er kramte in seinem Geldbeutel. „Sie bedankt sich nochmals recht herzlich für den Karottenkuchen, den Sie ihr am Freitagabend vorbeigebracht haben.“ Lisa Tanner erstarrte. „Ja und? Was wollen Sie von mir? Es ist doch nichts Besonderes, jemandem einen Kuchen zu schenken?“
„Eigentlich nicht, doch eines müssen Sie mir erklären, Frau Tanner: Warum verschenken Sie einen Kuchen, den Sie nicht selber gebacken haben?“
„Wie bitte? “
„Sie wissen genau, was ich meine. Der Kuchen, den sie verschenkten, enthielt keine Nüsse. Während des Grillplausches hatten Sie für ein paar Minuten den Tisch verlassen. Angeblich um auf die Toilette zu gehen. In Wirklichkeit vertauschten Sie in der Küche den Karottenkuchen von Nadine Frey mit einem Selbstgebackenen. Einen mit Mandeln. Den nussfreien Kuchen brachten Sie nach oben zu Frau Blum, als Entschuldigung, dass es beim Fest laut zu und her ginge.“
„Sie sind ja bekloppt, warum sollte ich meine Schwester töten? Hauen Sie ab, ich habe zu tun.“ Sie starrte demonstrativ auf die Warteschlange, die sich hinter dem Kommissar gebildet hatte. Doch der kam erst richtig in Fahrt: „Jetzt stellen Sie sich mal nicht dümmer, als Sie sind. Ihr Motiv ist klar. Als Adoptivtochter standen Sie schon immer hintenan und wenn jetzt ihre Schwester auch noch ein Kind geboren hätte, wäre Ihr Anteil des Erbes auf einen Drittel geschrumpft. Doch Sie brauchten das Geld dringend, schliesslich wollten Sie sich einen gewissen Lebensstandard leisten. Einen Standard, der bei Ihrem Verkäuferinnenlohn nicht drin lag und mit dem Sie sich nie einen reichen Mann hätten angeln können. Da kam Ihnen die Nussallergie Ihrer Schwester gerade recht. Ein Ziel haben Sie damit immerhin erreicht: Vorerst brauchen Sie nicht mehr an der Kasse zu arbeiten. Aber ob Ihnen der Luxusstandard des Gefängnisses behagt, kann ich nicht beurteilen.“ Lisa Tanner durchbohrte ihn mit einem Blick der hätte töten können. Da kamen Graber und Portmann gerade richtig:
„Mitnehmen!“, bellte Hess und stapfte aus dem Laden, ohne noch einmal zurückzuschauen. War er doch gedanklich schon wieder bei seinem verpassten Steak. Mit etwas Glück, konnte er diese Mahlzeit heute Abend nachholen. Er würde gleich seine Frau anrufen, damit Sie das Fleisch bei seinem Lieblingsmetzger holte. Telefonate würde er geflissentlich überhören, damit aus dem à point-Steak nicht wieder ein zäher Happen wurde und er das Zusammensein mit seiner Liebsten geniessen konnte. Das hatte er sich nach dieser harten Nuss redlich verdient.

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Tag der Veröffentlichung: 16.06.2009

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