Xava starrte fasziniert auf den Auswahlmodus, der sich ihr auf der Website der Firma ManCreation bot. Sie konnte nicht nur unter einer Vielzahl von äußerlichen Merkmalen, wie Größe, Haar- und Augenfarbe, Körperbau und der sexuellen Ausstattung ihres Traumpartners wählen; nein, auch Charakter, Intelligenz und Vorlieben boten schier unübersehbare Kombinationsmöglichkeiten.
Davon hatten die Frauen seit Jahrhunderten geträumt, sich den idealen Mann ganz nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.
Und jetzt endlich war es soweit.
Zugegeben kein ganz billiger Spaß, aber ihr verstorbener Mann hatte ihr ein Vermögen hinterlassen.
Da sie keine Kinder hatte, auf die sie Rücksicht nehmen musste, war sie vollkommen frei in ihren Entscheidungen.
Partys und Luxusreisen langweilten sie längst und ihre Liebhaber waren doch nur an ihrem Geld interessiert gewesen.
Fast schon hatte sie den Wunsch, geliebt zu werden, aufgegeben und sich nur noch hingebungsvoll um ihre Kunstsammlung gekümmert.
Nun aber bot sich unerwartet die Chance, noch ein letztes Mal geliebt zu werden.
Sie war nicht mehr jung, nicht mehr begehrenswert, die Schönheitschirurgen waren an die Grenzen des Machbaren gestoßen.
Doch das würde bei diesem Mann keine Rolle spielen. Er würde darauf programmiert sein, sie als das liebenswerteste und attraktivste Geschöpf des Universums zu sehen.
Das garantierte ManCreation und bei dem Preis war das wohl auch zu erwarten.
Außerdem würde er nicht altern, nie schlechte Laune haben, nie krank werden oder pflegebedürftig, er war schließlich ein Roboter.
Äußerlich ganz Mensch und innerlich aus unzerstörbarem Metall und Kunststoffen.
Mit mit einem Feuereifer, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt hatte, machte sie sich an die Arbeit. Es gab vorgefertigte Modelle von beliebten Schauspielern und berühmten Künstlern, großen Wissenschaftlern, ja sogar berüchtigte Verbrecher waren im Sortiment vorhanden.
Eine reizvolle Vorstellung, das Bett mit Alexander dem Großen zu teilen, mit Einstein zu frühstücken oder mit Clark Gable den Abend zu verbringen.
Eine Zeitlang gab sie sich ihren Träumereien hin und blätterte versonnen durch den Katalog.
Nein, sie wollte sich ihren Liebhaber ganz nach eigenen Vorlieben zusammenstellen. Auch ihre geheimsten Wünsche nach hitzigen Nächten in durchwühlten Laken, nach verbotenen Spielchen und gewagten Experimenten sollten jetzt endlich in Erfüllung gehen.
Sie öffnete die Seite mit dem Hohlkörper und begann damit, ihren Idealpartner zu konzipieren. Haarfarbe, Augen, Nase und Mund waren schnell gefunden.
Schwieriger war es mit der Persönlichkeit.
Sollte er verständnisvoll und sensibel sein?
Oder lieber machohaft?
Ein feinsinniger Denker, ein origineller Gesprächspartner, ein geduldiger Zuhörer?
Ein zärtlicher Gespiele oder ein unersättlicher Liebhaber?
Am Besten alles zugleich, aber war das überhaupt möglich?
Sie suchte, kombinierte, verwarf Erschaffenes und begann von Neuem.
Was wollte sie eigentlich wirklich?
Die Angelegenheit ähnelte bald einem Seelenstriptease. Sie begab sich auf die Reise in ihr Innerstes und durchforschte auch die dunkelsten Ecken ihres Seins.
Stunden später war das Werk nahezu vollendet. Erschöpft, aber mit einem tiefen Gefühl der Befriedigung, sank sie auf ihr Bett und zog das kühle Seidenlaken über ihren erhitzten Körper.
An den nächsten sechs Tagen korrigierte sie noch ein wenig an der Feineinstellung. Sie entdeckte noch die ein oder andere Funktion des Kreationsprogramms und perfektionierte ihren neuen Lebenspartner.
Dann betrachtete sie ihr Werk und sah, daß es gut war.
Sie drückte auf den Bestellbutton und kontrollierte die Bestätigungsmail, dann streckte sie die Beine auf ihrer Chaiselongue und ruhte sich aus.
Ihr Blick ging durch die Panoramascheiben ihres Penthouses und glitt über die Häuserschluchten und Strassen der großen Stadt.
Irgendwo dort unten begann ein Fließband zu laufen, Körperteile wurden zusammengefügt, ein Gesicht entstand, ein Hochleistungscomputer wurde nach ihren Vorgaben programmiert.
Auf all das hatte sie jetzt keinen Einfluß mehr, ihre Schöpfung nahm Gestalt an und ihr blieb nichts als Warten.
*
Ein Jahr später fanden schockierte Passanten den zerschmetterten Körper von Xava auf dem Bürgersteig. Sie war von ihrem Dachgarten 20 Stockwerke in die Tiefe gestürzt.
Die Ermittler trafen auf einen erschütterten Lebensgefährten, der glaubhaft versicherte, seine Partnerin geliebt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen zu haben.
Die Akte wurde mit dem Vermerk Selbstmord
geschlossen.
© Pen.the.silea
Tag der Veröffentlichung: 12.06.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen unvollkommenen Männern und deren Partnerinnen gewidmet.