Kurz vor Weihnachten 2012 geriet eine geplante Reise des Haushaltsausschusses des deutschen Bundestags in die Kritik. Fünf Abgeordnete wollten nach Kuba reisen, unter anderem um dort Kooperationen zwischen dem kubanischen Staat und deutschen Unternehmen auf den Weg zu bringen. "In Kuba ist etwas in Bewegung, und das Beste ist, man setzt sich an die Spitze der Bewegung", konterte der CDU-Abgeordnete Georg Schirmbeck die Kritik an der kostspieligen Reise.
Mit einer Sache hat Schirmbeck zweifellos recht: Kuba ist in Bewegung. Politisch, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich. Seitdem Raúl Castro 2006 seinen Bruder Fidel an der Spitze des Staates abgelöst hat, gab es mehrere kleine Reformschritte, die dem starren Sozialismus einen kapitalistischen Anstrich verpassten. Außerdem lockert die Regierung langsam die Fesseln für die Bevölkerung: Seit Januar 2013 genießen die Kubaner nach fast 50 Jahren wieder Reisefreiheit - zumindest theoretisch. Es liegt keine Revolution in der Luft wie 1959, doch dass sich Veränderungen ankündigen und zum Teil schon stattfinden, ist nicht zu übersehen.
Doch nicht nur wegen seiner spannenden politischen Lage ist Kuba ein faszinierendes Land. Die Hauptstadt Havanna ist vermutlich eine der aufregendsten und schönsten Städte der Welt. Zudem verfügt die größte Karibik-Insel über zahlreiche traumhafte Badestrände (vor allem, aber nicht nur über das Urlauberparadies/-ghetto in Varadero), über beeindruckende Naturschönheit in den unwegsamen Gebirgen im Landesinneren und über eine Bevölkerung, die selbst die schwierigste Versorgungslage mit Lebensfreude und Kreativität meistert. Und dann gibt es natürlich noch die Musik, die auf Kuba ebenso fest im Alltag verankert ist wie Rum, Zigarren und das gemütliche Dominospiel. Aus all diesen Faktoren bezieht die Insel ihren Charme, doch am Anziehendsten ist wohl auch heute noch der Mythos der Revolution: Charaktere wie Che Guevara und Fidel Castro faszinieren selbst Touristen, die mit ihrer Politik überhaupt nichts anfangen können (also die meisten).
Auch ich war Ende 2012 für über drei Wochen in Kuba und hatte das Glück, das Land mit vielen seiner Facetten kennenzulernen. Hier will ich von pulsierenden Städten berichten, von einer Wanderung im tropischen Regenwald, von sozialistischen Slogans auf Hauswänden, von kolonialer Pracht in verschlafenen Kleinstädten und von den zwei Seiten der kubanischen Bevölkerung. Auch eine kritische Betrachtung der "Parallelwelt" für die Urlauber, Varadero, soll Platz finden.
Mein Ziel ist nicht, einen typischen Reiseführer zu schreiben, Sehenswürdigkeiten aufzulisten und coole Insidertipps für die besten Mojitos zu verraten. Dafür gibt es wirklich genügend andere Bücher, und nach nur drei Wochen in dem Land wäre es vermessen, wenn ich mich als Kuba-Kenner bezeichnen würde. Vielmehr will ich all die Eindrücke, die auf mich einprasselten, möglichst originalgetreu wiedergeben - die positiven Erfahrungen wie auch die negativen. Im Optimalfall ist der Leser am Ende genauso fasziniert wie auch ich es war und stimmt mit mir darin überein, dass Kuba wirklich weit mehr zu bieten hat als Oldtimer, Rum und schöne Strände.
Wer den Namen Kuba hört, mag zwar vielleicht sofort an Fidel Castro, Che Guevara und Sozialismus denken, aber wohl eher nicht an weite Strecken. Doch entgegen der Vorstellung vieler Europäer ist Kuba durchaus eine Insel der langen Wege. Von West nach Ost misst das größte Eiland der Antillen und der gesamten Karibik stolze 1250 Kilometer. Wer das Abenteuer auf sich nimmt und über die holprige "Autopista Nacional" von der Hauptstadt Havanna in die zweitgrößte Stadt Santiago de Cuba im Osten fährt, legt 850 Kilometer zurück - mehr als die Strecke zwischen München und Hamburg. Da die Insel aber vergleichsweise schmal ist, hat sie eine längliche und gestreckte Form, die der kubanische Dichter Nicolas Guillén einmal mit einem "grünen Kaiman" verglich.
Entdeckt wurde die Insel vor den Toren Floridas 1492 von Christoph Kolumbus. Wenige Jahrzehnte später erfolgte dann die Besetzung durch die Spanier. Diese rotteten erst einmal die indianische Urbevölkerung aus und bemerkten erst zu spät, dass ihnen dadurch Arbeitskräfte für die Zuckerrohr- und Tabakfelder fehlten. Infolgedessen holten die grausamen "Conquistadores" als Ersatz viele afrikanische Sklaven ins Land. Wegen dieser unrühmlichen Sklavenvergangenheit hat Kuba heute eine stark durchmischte Bevölkerung, in der Rassismus jedoch zum Glück kaum ein Problem darstellt. Die Kubaner teilen sich selbst grob in drei Gruppen ein: Die Weißen, die Mulatten und die "Negros", also die Schwarzen.
Im 19. Jahrhundert begehrten die reich gewordenen Plantagenbesitzer auf Kuba gegen das spanische Mutterland auf. Ein erster Unabhängigkeitskrieg in den 1870er Jahren scheiterte, zwei Jahrzehnte später hatte die Insel aber Erfolg - auch dank des Einschreitens der USA. Nach der Ausrufung der Republik Kuba im Jahr 1902 mischte sich der mächtige Nachbar aus dem Norden jedoch immer öfter in die Belange Kubas ein. US-Millionäre und Mafiabosse feierten in Havanna rauschende Parties, nebenbei wurde auch eine Menge Geld gewaschen und der Staat schlitterte unter wechselnden Regierungen zusehends in die Korruption.
Als sich der Militärgeneral Fulgencio Batista 1952 mit einem Staatsstreich die Macht sicherte, begehrte der junge Anwalt Fidel Castro dagegen auf. Sein Angriff auf die wichtige Moncada-Militärkaserne am 26.07.1953 scheiterte jedoch. Zusammen mit seinen Mitstreitern wanderte Fidel ins Gefängnis. Nach seiner Begnadigung 1955 ging er ins Exil und scharte dort eine neue Truppe von Revolutionären um sich - unter anderem den Arzt Ernesto "Che" Guevara. Im Dezember 1956 landete das Schiff "Granma" im Osten Kubas und die Revolutionäre begannen ihren über zwei Jahre dauernden Guerilla-Krieg gegen das Batista-Regime.
Am 01. Januar 1959 hatten sie den Kampf gewonnen. Batista floh ins Ausland, wenig später zogen Castro und seine Companeros siegreich in Havanna ein. In
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Mark Read
Bildmaterialien: Mark Read
Tag der Veröffentlichung: 27.01.2013
ISBN: 978-3-7309-2284-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch ist Hugo, Eric, Eulises und Luis gewidmet. Vier Kubaner, die stellvertretend für die vielen aufgeschlossenen Leute stehen, die ich auf der Insel kennenlernen durfte. Keine "jineteros", sondern echte Kubaner.