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Kapitel 1


"Ich brauche dringend deine Hilfe!“ Ich weiß nicht wie oft meine beste Freundin das in den letzten Wochen zu mir gesagt hat und ich aufgesprungen bin und alles andere stehen und liegen lassen hab. „Ist das dein Ernst?“, frage ich sie. Sie sieht mich an. „Mary, du bist mir meine beste Freundin, du MUSST einfach für mich da sein“, entgegnet sie wobei sie das Wort musst auf eine Art und Weise betont die mir gar nicht gefällt. „Ich war in den letzten Wochen jeden einzelnen Tag für dich da, Sam“, erkläre ich ihr und sie zieht eine Schnute. „Eigentlich sogar in den letzten Monaten“, verbessere ich mich. Vorwurfsvoll sieht sie mich an. „Ist das dein Ernst?“ Ich nicke. „Ich bin auch immer für dich da und behaupte jetzt nicht das würde nicht stimmen. In letzter Zeit brauch ich eben besonders oft deine Hilfe, dafür kommen auch wieder Zeiten in denen ich sie nicht so oft brauche.“ Ich seufze. „Süße, du weißt dass ich immer für dich da bin, ich bin sogar gerne für dich da, aber ich bin komplett überfordert.“ Das stimmt. Ich bin überfordert. Ich verstehe ihre Probleme ja. Ihre Eltern trennen sich, ihr Freund hat mit ihr Schluss gemacht und sie wohnt grade bei ihrem dauerbetrunkenen besten Freund. Ich frage mich immer noch warum sie nicht bei mir eingezogen ist, ich habe immerhin seit Januar eine eigene Wohnung. Angeblich weil sie mich nicht belasten wollte, aber das KANN ja nicht stimmen so wie sie sich aufführt. „Weißt du wie oft Joey und ich es nicht mehr getan haben, seit du dauernd Probleme hast?“, beklage ich mich. Hab ich das gerade wirklich gesagt. Ouch, dabei hatte ich doch vorgehabt das vor niemandem zuzugeben. „Es ist nicht meine Schuld, dass dein Sexleben tot ist, Mary, das muss schon an eurer Beziehung liegen.“ Okay, es reicht. Sie bringt mich zum platzen. „Doch ist es“, beschwere ich mich, „Ich hatte gar keine Zeit mehr für ihn, seit du mich alle fünf Minuten anrufst und nicht nur das, ich habe augenringe wie sonst was und seit einer woche keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern!“ Sie schaut mich beleidigt an. Das läuft immer so. Erst wird sie mir erzählen dass das alles NICHT ihre Schuld sei und dass ich eine grausam schlechte beste Freundin sei, wenn ich nicht EINMAL für sie da sein könne. Am Ende wird sie nach Hause gehen und ich werde sie in zehn Minuten anrufen, dass es mir leid tut und dass ich natürlich für sie da bin und dass sie mir ihr Problem erklären soll. „Es ist überhaupt nicht meine Schuld“, fängt sie an zu zetern. Was habe ich gesagt? Und es kommt alles so wie ich es vorausgesagt habe. Ich greife mach meinem Handy. Sollte ich sie anrufen? Natürlich rufe ich sie an. So läuft es immer. Ich rufe sie immer an. Ich wähle ihre Nummer. „Ja“, schnieft ihre Stimme am anderen Ende des Telefons. „Sammy es tut mir leid“, sage ich und versuche möglichst reumütig zu klingen. „Wirklich?“, fragt sie. Nein, du BIST schuld an all diesen Sachen, denke ich. „Natürlich“, sage ich stattdessen. „Komm wieder her und erklär mir dein Problem Süße, ich bin gerne für dich da.“ „Okay“, auf einmal klingt sie gar nicht mehr traurig, „Bin in zehn Minuten bei dir!“
Zehn Minuten später steht sie auch tatsächlich bei mir vor der Tür. „Oh Mary es ist furchtbar“, heult sie, fällt mir in die Arme und klingt fast so elend wie eben grade am Telefon, als sie noch künstlich geheult hat, „Dave ist mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden.“ War ja kein Wunder bei dem Alkoholkonsum, ein unglaubliches Wunder, dass das nicht schon früher passiert ist. Ich sehe sie an und setze ein Miene auf, von der ich hoffe, dass sie mitleidig ist. „Das ist ja schrecklich“, sage ich und lege meine Arme um sie. „Nicht wahr?“, schluchzt sie und plötzlich ist mir auch nach heulen zu Mute. Nicht weil ich ein schlechtes Gewissen hätte oder es so tragisch finde, dass Dave endlich das hat was sein Körper ihm schon zulange verweigert, sondern weil das heißen könnte, dass sie jetzt bei ihm ausziehen und bei mir einziehen will. „Und musst du jetzt bei ihm ausziehen?“, frage ich und in meinem Hals breitet sich ein Kloß aus. Bitte nicht, bitte nicht, denke ich. „Ach quatsch“, winkt sie ab, „Ich kann da wohnen bleiben, wer macht ihm denn den Haushalt, wenn er nicht da ist?“ Wer macht ihm den Haushalt wenn er da ist?, frage ich mich, sage aber nichts, weil das erstens Taktlos wäre und zweitens sie auf dumme Ideen bringen könnte. „Ich muss dann auch wieder los, Liebes“, sagt Sam und schaut mich an, „Mach dich nicht fertig, weil ich dir das erzählt habe, eigentlich ist Dave auch schon über'n Berg.“ Ich nicke. Es ist furchtbar rührend, dass sie mich für eine so mitfühlende Person hält, obwohl sie mich schon so lange kennt.
Kaum hat sie die Wohnung verlassen, lasse ich mich auf die Couch fallen. Das Mädchen macht mich echt fertig. Aber jedesmal wenn ich das denke muss ich auch an die schönen Momente in unserer Freundschaft denken. (Ja davon gab es auch welche!) Dann fällt mir wieder ein warum wir nochmal befreundet sind und ich kann echt nicht mehr sauer sein.
In diesem Moment klingelt mein Handy. Bitte nicht sie, bitte nicht sie, denke ich und hebe ab ohne zu gucken wer es ist. „Hallo?“, frage ich in den Hörer und die Stimme die mir antwortet lässt mich erleichtert aufatmen. „Hey Süße, ich weiß du hast in letzter Zeit nur wenig Zeit wegen Sams ganzen Problemen, aber ich würde jetzt gerne zwei Stunden mit dir verbringen. Nur zwei Stunden?“ Es ist Joey und ich möchte nichts lieber als jetzt zwei Stunden mit Joey zu verbringen und mich ganz entspannt von Samantha erholen. „Ich bin in zwanzig Minuten bei dir mit einer Flasche gutem Wein und guter Musik.“ „Bis gleich“, hauche ich. Er haut mich einfach immer noch um. Ich bin jetzt seit fast sieben Monaten mit Joey zusammen, aber trotzdem habe ich noch dieses Kribbeln im Bauch wenn ich ihn sehe. Joey ist einfach umwerfend. Er ist nicht nur intelligent, witzig, süß und sieht unglaublich gut aus, er hat auch noch das gewisse Etwas, dass man nur einmal bei Hundert Typen findet. Es klingelt an der Tür und ich mache auf. Kaum habe ich die Tür geöffnet bekomme ich auch schon einen leidenschaftlichen Kuss und sie wird hinter Joey wieder geschlossen. Der Wein und die Musik werden wohl warten müssen. Sein Erscheinungsbild wirft mich um. Das habe ich zwar schon erwähnt aber gerade tut es das besonders. Seine braunen Haare sehen aus als wären sie einfach vom Wind verwuschelt worden und seine grünen Augen blitzen. Sein umwerfender, großer, gebräunter Körper sieht heute noch umwerfender, größer und gebräunter aus als sonst. Die Tür ist kaum zu da beginnt er auch schon meinen Hals zu küssen. „Siehst du heute noch besser aus als sonst?“, frage ich und konzentriere mich auf meinen Hals. „Keine Ahnung“, seufzt er, „Aber du bist umwerfend!“ Bei diesen Worten wandern seine Hände unter mein T-shirt. Das ist genau das was ich jetzt brauche. Da klingelt mein Handy. „Vergiss das Telefon“, seufzt er und küsst meinen Hals weiter, aber ich kann mich bei dem scheiß Klingeln nicht entspannen. „Ich muss da ran gehen“, entschuldige ich mich und hebe ab. „Hallo?“ „Süße du MUSST vorbeikommen!“ Oh nein! Nein, nein, nein! Ich werde nicht vorbei kommen. Sam war heute schon hier und ich werde jetzt nicht Joey wieder weg schicken. „Sweety, Joey ist grade hier ich kann jetzt nicht kommen“, sage ich und bete das damit die Diskussion erledigt ist. Mir hätte klar sein müssen, dass dem nicht so ist. “Nein du musst einfach kommen wirklich, ich fühl mich furchtbar ganz alleine in dieser Wohnung“, sagt Sam und ist tatsächlich der Meinung ich lasse für sie einfach meinen Freund sitzen. „Ich würde mich furchtbar fühlen, wenn ich meinen Freund hier einfach so sitzen lassen würde. Du willst doch bestimmt nicht, dass ich mich genauso furchtbar fühle wie du dich oder?“, frage ich zuckersüß, weiß aber, dass dieser Satz sie nicht abwimmeln wird. „Dann vögelt eben zehn Minuten und du kommst dann vorbei!“m, mein Sam und ist schon fast beim Befehlston angekommen. Ich fass es nicht. „Sam!“, sage ich entsetzt und versuche mich irgendwie zu verteidigen, „Bestimmt nicht!“ „Komm schon, ich bin deine beste Freundin“, zieht Sam ihr Totschlagargument. Ich hasse sie! Ich hasse ihr scheiß „Ich bin deine Beste Freundin“ Getue und ich hasse es, dass sie denkt sie wäre wichtiger als alles andere auf der Welt. „Okay ich bin gleich da, aber tu mir schnell einen Gefallen“, meine ich genervt. „Was auch immer du willst Liebes“, sagt sie freudig und es ist klar, dass sie mal wieder künstlich geheult hat. „Fick dich ins Knie!“, sage ich und lege auf. „Tut mir leid Schatz“, wende ich mich an Joey. „Ich muss los.“ Er seufzt entnervt. „Ist das dein Ernst?“, fragt er und sieht mich Vorwurfsvoll an. „Das letzte mal haben wir an unserem halbjährigen was zusammen gemacht und das ist bald drei Wochen her.“ Ich nicke und habe ein schlechtes Gewissen. Er hat ja Recht. In letzter Zeit lasse ich ihn wirklich dauernd stehen und es ist auch immer Sam der Grund dafür, aber Sam ist nun mal wirklich meine beste Freundin. Wir haben beide den Schwur geleistet als wir kleiner waren und an diesen Schwur haben wir uns bis jetzt gehalten. Sie geht vor. Vor jedem Typen! „Es tut mir leid.... wirklich!“, sage ich noch einmal und ich schwöre mir selbst dass ich Sam irgendwann das Leben zur Hölle machen werde, für die letzten zweieinhalb Wochen. „Geh nicht“, sagt Joey und es klingt flehen. Ich fasse es nicht, dass er trotz dieses flehenden Tons noch unglaublich heiß ist. „Ich habs ihr versprochen und sie...“ „...ist deine beste Freundin“, beendet er den Satz für mich. Ich nicke. „Genau“, sage ich, gebe ihm noch einen Kuss und lasse meinen armen Freund in meiner Wohnung zurück.
Den ganzen Weg über denke ich darüber nach welches die beste Metode ist Menschen umzubringen und welche ich wohl bei Sam anwenden werde, wenn das hier nicht bald ein Ende findet. Kaum komme ich an Daves Wohnung an reißt sie mir auch schon die Tür auf. „Mary, du bist die beste Freundin die es gibt!“, sagt sie. „Ich weiß“, seufze ich und versuche nicht die Beherrschung zu verlieren. „Aber du bist auch ganz schön fies“, fährt sie fort und sofort möchte ich ihr wieder eine saftige Ohrfeige verpassen. „Du hast Joey und mich um unseren Sex gebracht!“, werfe ich ihr vor. Sie zeiht eine Augenbraue hoch. „Sag mal redet ihr eigentlich auch oder vögelt ihr nur noch? Wenn ihr nämlich nur vögelt, dann glaube ich nicht, dass eure Beziehung...“ „Es ist mir scheißegal was du über meine Beziehung denkst! Dank dir tun wir übrigens keins mehr von beidem“, fahre ich ihr ins Wort. Sie scheint nicht ernsthaft verletzt, aber dennoch beleidigt zu sein. „Du solltest dich dringend mal lockern“, rät sie mir und mir platzt der Kragen. „Ich wäre sehr locker wenn ich Sex mit Joey gehabt hätte“, fahre ich sie an und sie weicht ein Stück zurück, „Aber du musstest das ja verhindern, indem du mich anrufst! Langsam habe ich das Gefühl du machst das mit Absicht, aber sperr mal die Lauscher auf: Ich bin nicht Schuld, dass Mike dich verlassen hat, aber bald wirst du Schuld sein, dass Joey mich verlassen hat, weil ich nämlich keine Zeit mehr für ihn hatte.“ Völlig erschöpft von meinem Rumgebrülle lehne ich mich an den Türrahmen. Sam sieht mich schuldbewusst an. Ihre Augen glänzen und es ist nur eine Frage von Sekunden bis sie, das erste mal seit Wochen wirklich, in Tränen ausbrechen wird.
Schon heult sie los. „E-es tut mir leid!“, schluchzt sie, „Ich bin eine furchtbare beste Freundin!“ Ich möchte ihr zustimmen, aber wie sie da so vor mir steht wie ein Häufchen Elend tut sie mir ja doch leid. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, bis sie sich wieder beruhigt hat. Zwischendurch heult sie immer wieder wie leid es ihr tut und ich muss ihr bestimmt fünfzig mal erklären, dass ich nicht mehr sauer bin. „Geht's dir jetzt besser?“, frage ich und sie nickt. „Schläfst du heute hier?“ „Mach ich“, seufze ich. Im Moment scheint das wirklich die beste Idee zu sein. Vielleicht können Sam und ich uns dann mal aussprechen oder uns einfach besaufen.
Nur knapp zwei Stunden später stelle ich fest, dass es letzteres ist. Sam öffnet ihre zweite Dose Jack Daniels Cola Mixery. Ich habe bereits die dritte hinter mir. Wenn ich so weitertrinke werde ich in einer halben Stunde besoffen sein. „Ist es nicht schön mal wieder ganz locker was zusammen zu trinken?“, fragt Sam nach ihrer vierten Dose. Ich bin mittlerweile bei der siebten angekommen. „Wie viel von dem Zeugs hat Dave eigentlich im Haus?“ Sie zuckt die Schultern. „Nen Jahresvorrat oder so.“ Ich schaue schräg und nehme einen Schluck. „Ich glaub ich bin betrunken“, meint sie nachdem sie ihre fünfte Dose runtergeext hat. „Geht mir genauso“, stimme ich ihr zu und versuche die achte Dose Jackie zu öffnen. Seit wann ist das so schwer? Sam nimmt einen Schluck von ihrer sechsten Dose. „Wäre es nicht lustig was total lustiges zu machen?“, fragt sie. Was faselt die da? Natürlich wäre es lustig etwas lustiges zu machen. Deswegen ist es ja etwas lustiges. Ha! Ich kann noch klar denken, sage ich mir selbst und tippe mir im nächsten Augenblick selbst ins Auge, weil cih an meiner Nasenspitze vorbei gefasst habe. Blöde Polizeitests! Das kann ja keine Sau! „Ich werde jetzt Mike anrufen“, sagt Sam, um auf die lustige Sache zurück zu kommen, die sie machen will, „Und ihm so richtig die Meinung sagen!“ „Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist“, sage ich und lasse meine Vernunft sprechen. Scheiße, lalle ich etwa schon? „Quatsch“, winkt sie ab und schnappt sich das Telefon. Sie wählt. „Also ich weiß immer noch nicht ob...“ „Pssssssst!“, unterbricht sie mich, „Er ist rangegangen.“ Sie flüstert. „Michael Miller“, ruft sie plötzlich, als mir auffällt, dass sie das Telefon falschrum hält. „Du hältst es falschrum“, weuise ich sie auf ihren Fehler hin. „Oh“, macht sie und dreht den Hörer um. „Michael Miller!“, beginnt sie von vorne, „Du bist ein riesen Arsch! Und ein Idiot.“ Sie nimmt den Hörer kurz vom Ohr und sieht mich an. „Gut so?“ Ich nicke und zeige ihr einen Daumen nach oben. „Jap! Super Ansprache.“ Sie holt das Telefon wieder ans Ohr. Wieder hält sie es falschrum. „Du bist ein Arsch weil du mich verlassen hast!“, saght sie nachdem sie das Telefon wieder umgedreht hat, „Und das hat mich sehr verletzt Michael! Sehr dolle sogar!“ Sie nimmt den Hörer nochmal vom Ohr. „Was soll ich sagen?“, fragt sie und sieht mich hilfesuchend an. Ich zucke nur die Schultern. „Hmmm Okay!“, sagt Sam in den Hörer, da scheint ihr plötzlich ein Geistesblitz zu kommen. „Du denkst wohl du klannst dir alles erleuben“, schimpft sie, „Und das nur weil du gut aussiehst und gut im Bett bist! Aber... Das ist ein großes ABER! Du bist ein Arschloch!“

Ich bekomme den Schock meine Lebens, als ich am nächsten Morgen aufwache und das erste was ich sehe Mikes Gesicht ist. „Oh mein Gott!“, rufe ich aus, als ich bemerke, dass sowohl Mike, als auch ich noch angezogen sind. Ich atme erleichtert aus. Ich ertrage einiges, aber das ist dann doch zu viel für mich. „Guten Morgen Sonnenschein“, sagt er und drückt mir ein Glas Wasser in die Hand. „Was machst du hier Arschloch?“, frage ich und sehe ihn böse an. Er grinst. Mike ist ein Mensch, der in wirklich allen Lebenssituationen ruhig und gelassen bleiben kann. Deswegen war er wahrscheinlich auch mit Sam zusammen. „Also warum bist du hier?“, wiederhole ich meine Frage. „Ich hab Sams Anruf bekommen und mir Sorgen gemacht“, erklärt er. Ich nicke und entscheide ihm kein Wort zu glauben. Ich nehme einen Schluck aus dem Glas und versuche meine Umgebung einzuordnen. Ich bin in Daves Wohnung. Ich liege auf der Couch. Oder sitzliege... irgendwas dazwischen jedenfalls. „Wie geht’s dir?“, fragt er und es klingt als würde er es ehrlich meinen. Scheiße! Ich mochte Mike, er war ein super Kumpel und er scheint zu denken, dass wir immernoch Freunde sind, aber dank meiner Loyalität zu Sam kann ich nicht mit ihm befreundet sein und bin gezwungen ihn wie ein Arschloch zu behandeln. „Mein Schädel brummt“, antworte ich mürrisch und trinke noch einen Schluck. „So betrunken wie ihr gestern wart ist das kein Wunder“, meint Mike und grinst. Erst jetzt bemerke ich die ungefähr zwanzig Jack Daniels Dosen die auf dem Boden liegen. „Das haben doch niemals Sam und ich alleine getrunken“, keuche ich und staune über die Menge Jackie die in mich reingeht ohne dass ich wie Dave im Krankenhaus lande. „Oh doch“, nickt Mike, „Und nicht eine von euch hat gekotzt.“ Irgendwie scheint er stolz zu sein und ich frage mich worauf. „Wo ist Sam?“, frage ich endlich und habe ein kleines schlechtes Gewissen, nicht schon vorher nach ihr gefragt zu haben. „Sie schläft noch“, meint Mike. „Willst du dich niht ausziehen und dich zu ihr legen?“ Wow, meine Ironie ist mein stetiger Begleiter, wundervoll, dass ich selbst mit Kater auf so gute Ideen komme. Mike lacht. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragt er. „Nur wenn du vorhast wieder mit ihr anzubandeln. Aber da es Sam ist würde sie wahrscheinlich behaupten du hast es ausgenutzt, dass sie betrunken ist und dann wäre sie noch saurer.“ Mike schaudert. „Ja, das wäre gruselig.“ Fast muss ich lachen, wenn ich so sehe dass Mike Angst vor Sam hat. Aber dann fällt mir ein, dass ja jeder außer mir Angst vor Sam hat. Irgendwie ist sie eben doch eine Psychopathin. Aber sie ist meine Psychopathin. „Oh mein Gott! Was tust du denn hier Mike???“ Und meine Psychopathin ist gerade aufgewacht und aus dem Schlafzimmer gekommen. „Ich hab auf euch aufgepasst“, erklärt Mike und setzt dieses charmante Lächeln auf, dass er immer drauf hat wenn Sam in der Nähe ist. „Bestimmt“, keift Sam. Mein Kopf macht das bei dem Kater nicht wirklich mit, ein Wunder, dass sie das aushält. „Wirklich“, meint Mike, klingt aber nicht wirklich als würde er sich verteidigen wollen. Mike ist einfach ein Charmeur. Kein Problem, wenn du mit ihm befreundet bist, ein riesiges Problem, wenn er dein fester Freund ist. Er drückt Sam ebenfalls ein Glas Wasser in die Hand. „Du solltest dich setzen“, meint er und drückt sie zu mir auf die Couch. Wieso bekomme ich hier gerade das Gefühl vermittelt, dass Mike und Dsam noch ein Pärchen sind, obwohl ich es besser weiß? So sollte ein Exfreund nicht sein. Wir sind Exen, können aber trotzdem Freunde bleiben ist wie, dein Hund ist tot, aber du darfst ihn tzrotzdem behalten. So läuft das nicht. Mike sollte längst weg sein und irgendein Flittchen bumsen, damit er Sam und somit auch mir Grund gibt sauer auf ihn zu sein. Stattdessen ist er hier und kümmert sich um uns beide, weil wir einen Kater haben. Das sollte nicht so sein. „Ich werde Joey anrufen und ihn fragen, ob er mich abholen kann“, sage ich um das furchtbare Schweigen zu brechen, das momentan in der Luft liegt. „Bloß nicht!“, widerspricht Sam sofort, „Lass mich bloß nicht mit dem alleine!“ Bei dem Wort „dem“ deutet sie auf Mike. „Ich bin hier und gar nicht so furchtbar wie du denkst“, meint Mike und schaut beleidigt. Ich stehe auf. Ich bin ja sowas von weg hier. Bevor die beiden sich noch tief in die Augen sehen oder solcher Scheiß. Normalerweise bin ich nicht gegen Romantik, aber zwischen zwei Exen sollte keine romantische Spannung herrschen! Eine Weile krame ich nach meinem Handy, bis ich es endlich finde. „Du willst mich hier wirklich alleine lassen?“, fragt Sam entgeistert. „Du bist nicht allein“, meint Mike, langsam ernsthaft beleidigt. Ich wähle Joeys Nummer und lasse die beiden streiten. „Hallo?“ Ich bin ja so froh, dass mein wundervoller Freund an sein Handy geht. „Hey Joey“, meine ich und mach immer noch einen auf schlechtes Gewissen. „Hey Schatz“, sagt dieser und scheint absolut nicht sauer zu sein. „Kannst du mich bei Daves Wohnung abholen?“, frage ich. Joey am anderen Ende der Leitung klingt einfach nur begeistert etwas Zeit mit mir zu verbringen. „Kein Problem, Süße“, meint er und ich schmelze beim Klang dieser Worte. „In fünf Minuten bin ich da.“ Ich seufze erleichtert und grinse die beiden an, als wäre heute Weihnachten und das obwohl ich diesen Kater habe. „Geht's dir schon wieder so gut?“, fragt Mike und sieht mich an, In Sams Augen sehe ich das „Bitte bleib hier“ förmlich, aber ich bin einfach zu froh, dass Joey nicht sauer ist und mich von den beiden verrückten Exen wegholen wird, als dass ich dieser Bitte folgen könnte.
„Hör mal zu Sammy“, erkläre ich ihr und die beiden sehen mich gespannt an. Wieso ist Mike der Meinung er müsste mithören, obwohl ich nur mit Sam geredet habe? Na was soll's? „Ich werde hier gleich von Joey abgeholt und dann werde ich mit ihm zu ihm nach Hause fahren und dann werden wir Sex haben! Kapiert?“ Mike grinst nur während Sam mich anstarrt. „Und zwar heißen, wilden und schmutzigen Sex“, fahre ich fort. „Klingt gut“, meint Mike und verkneift sich das Lachen. Wieso können Männer bei solchen Ansprachen eigentlich niemals ernst bleiben? „Okay Mary“, meint Sam bevor ich die Möglichkeit habe weiter zureden, „Du hast genug gesagt, wenn du jetzt weiter redest werde ich Informationen bekommen, die ich niemals haben wollte.“ „Als mich würd's schon interessieren“, grinst Mike. Sam sieht ihn entsetzt an. „Verstehst du was ich meine Mary?“, entrüstet sie sich, „Dieser Typ“, sie zeigt auf Mike, „Ist total pervers! Wer holt sich bitteschön gerne Informationen über anderer Leute Sexleben?“ Ich gehe nicht auf die Frage ein. Es ist schon verwunderlich, dass sie plötzlich wieder so unschuldig tut, wenn Mike in der Nähe ist. Die letzten zwei Wochen hat sie die Infos über mein Sexleben praktisch aus mir rausgesaugt, bis ich eben kein Sexleben mehr hatte und sie mir nur noch erzählte, dass meine Beziehung den Bach runter geht. „Dieser Typ“, meint Mike nun endgültig beleidigt, „Kann dich sehr wohl hören und dieser Typ, hat auf dich aufgepasst als du betrunken warst...“ „Keiner hat dich drum gebeten“, meint Sam schnippisch. Mike starrt sie mit offenem Mund an. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst?“ „Und ob es mein Ernst ist“, entgegnet Sam und ich bekomme langsam das Gefühl einem streitenden Ehepaar zuzuhören. „Hast du eigentlich keinen Funken Dankbarkeit in dir?“, ruft Mike und ist langsam wirklich sauer. „Nicht wenn mein Exfreund ungebeten in meine Wohnung kommt, wenn ich betrunken bin, um das auszunutzen!“ Sam hat wirklich eine verdrehte Fantasie. Also erstens hatte heute Nacht keine von uns Sex mit Mike, sondern er hat darauf aufgepasst, dass wir keine Scheiße bauen und zweitens ist das hier gar nicht ihre Wohnung, sondern Daves. Das selbe scheint Mike auch anzumerken zu haben und ich bin unglaublich froh, dass es an der Tür klingelt und offensichtlich Joey hier ist um mich aus meinem Elend zu befreien. „Ich bin weg“, rufe ich den beiden zu und ohne ein weiteres Wort verschwinde ich zur Tür und aus dieser Wohnung.
„Mein Retter“, seufze ich und falle Joey um den Hals. Joey grinst nur und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Fahren wir?“

Impressum

Texte: Pia Behrens
Bildmaterialien: Manuela Sahl
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2012

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