Islam unter christlicher Lupe
– Theorie und Praxis
kompakt dargestellt,
christlich bewertet
Dies ist verkürzte Version!
Sie enthält für jedes Kapitel einige vollständige Themen, andere werden verkürzt wiedergegeben.
Bitte bestellen die aktuelle Vollversion auf unserer Internetseite: www.orientdienst.de
oder bei Amazon als E-Book:
http://www.amazon.de/Islam-unter-christlicher-Lupe-dargestellt-ebook/dp/B00D9DE2M2
Text Copyright © 2015 Orientdienst. Alle Rechte vorbehalten.
Herausgeber: Orientdienst e.V., Ringofenstr. 15, 44287 Dortmund, www.orientdienst.de; 15.09.2015
Autoren: Klaus Mulch und Reinhard Born (Leiter des Orientdienst); weitere Mitarbeiter des Orientdienst: Jürg Heusser, Matthias Knödler, Thomas Kowalzik, Ali Yazar. Dr. Andreas Baumann (Leiter des Christl. Hilfsbund im Orient), Günther Beck, Bärbel Debus, Wolfgang Häde (Martin Bucer Seminar), KR. i.R. Albrecht Hauser (ehemal. Vorsitzender des Islam Arbeitskreis der Deutschen Evangelischen Allianz), Dr. Christine Schirrmacher, Carsten Polanz (Mitarbeiter des Institut für Islamfragen der Evangelischen Allianz), Eberhard Troeger (ehemal. Leiter des Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten).
Vorwort
Seit 1997 schreiben verschiedene Autoren kurze übersichtliche Artikel zu islamischen Themen. Der sogenannte Islam Minikurs erscheint in jeder Ausgabe der Zeitschrift: „Orientierung“, die der Orientdienst e. V. herausgibt. Die christlichen Autoren bemühen sich, den Islam nach seinen Quellen zu verstehen und sein Selbstverständnis treu wieder zu geben. Eine Beurteilung des islamischen Themas aus christlicher Sicht wird bewusst vorgenommen, um den Lesern Orientierung zu bieten.
Für Zitate aus Koran und Bibel haben die Autoren der Minikurse verschiedene Übersetzungen gewählt. In der Regel wird in den einzelnen Minikursen angegeben, welche Übersetzung jeweils benutzt wurde. Für Koranverse empfehlen wir Übersetzungen bei: www.koransuren.de.
In der Schreibweise orientalischer (vor allem arabischer) Begriffe haben wir bewusst auf eine wissenschaftliche Transkription verzichtet, manchmal allerdings die türkische Schreibweise beibehalten. Die eingedeutschte Schreibweise gibt ungefähr die Aussprache in Arabisch oder Türkisch wieder. – Für einzelne arabische Laute gibt es im Deutschen keine Entsprechung, z. B. für das `ayin in `Isa, Da`wah etc. oder das qaf in Quds, lailat-al-qadr usw. (hier wird es z. T. einfach als „k“ wiedergegeben, wie es sich z. B. bei Koran längst eingebürgert hat) . Das Gh oder gh in arabischen Wörtern wird als Rachen-r gesprochen (z. B. in Ghafur – der Vergebende) – im Unterschied zum „rollenden r“, das wir als „R“ oder „r“ schreiben.
Die meisten islamischen, in der Regel arabischen Fachbegriffe werden an Ort und Stelle ihres Vorkommens kurz erklärt. Wenn es zu einem Begriff, der öfter gebraucht wird, einen eigenen Minikurs gibt (z. B. über „Dschinn“ oder „Hadith“), haben wir allerdings nicht bei jedem Vorkommen des Wortes wieder eine kurze Erklärung eingefügt. – Wenn Sie ein Wort nicht aus dem unmittelbaren Zusammenhang verstehen können, schauen Sie also bitte nach, ob es in einem anderen Minikurs ausführlich erklärt wird!
Wir verzichten auf eine Zusammenstellung der zitierten Quellen und auf eine Liste mit weiterführender Literatur; entsprechende Angaben dazu finden sich hier und da in einzelnen Minikursen.
Inhaltsverzeichnis
Unsere Minikurse Islam sind kurz, prägnant, zeigen die Sicht der Muslime auf, und bieten eine christliche Beurteilung des jeweiligen Themas. Falls Sie ein Thema wünschen, das hier noch nicht aufgeführt ist, würden wir uns über Ihre Nachricht freuen. Die Koranverszählungen können abweichen. Am besten suchen Sie online im deutschen Koran unter www.koransuren.de. Für Hadith empfehlen wir englische Referenzseiten wie die folgenden: www.hadithcollection.com; http://ahadith.co.uk; www.searchtruth.com/searchHadith.php.
Leerseite
Im ersten Teil lesen Sie in alphabetischer Reihenfolge Informationen über grundlegende Glaubensauffassungen des Islam. Sie müssen von jedem Muslim geglaubt werden. Oder es handelt sich um Themen, die zumindest gängige Auffassungen von islamischen Theologen enthalten.
Der Koran als Uroffenbarung Gottes
Für die Muslime ist der Koran ein göttliches Buch, in dem kein Irrtum zu finden sei. Nach islamischer Auffassung soll der Koran im Laufe von 23 Jahren verbal inspiriert an Mohammed durch den Erzengel Gabriel übermittelt worden sein. Der Koran wird sozusagen als Uroffenbarung Gottes angesehen, der alle vorherigen heiligen Bücher beurteilt, relativiert und sogar in ihrer Gültigkeit aufhebt. Doch der Koran stellt andererseits fest, dass Allahs Wort unwandelbar ist und nicht verändert werden kann (Sure 6,34; Sure 10,64).
Unveränderlich – Widersprüchlich
Trotzdem wurden bereits zur Zeit Mohammeds, als der Text des Koran noch nicht einheitlich und schriftlich fixiert war, manche Texte und Suren unterschiedlich rezitiert oder gar vergessen. Der Koran selbst macht auf dieses „Problem“ aufmerksam: „Wenn wir einen Vers auch austilgen oder in Vergessenheit geraten lassen, bringen wir einen besseren dafür bei oder einen, der ihm gleichwertig ist. Weißt du denn nicht, dass Allah zu allem die Macht hat?“ (Sure 2,106). In Sure 22, 52 ist sogar zu lesen, dass es Satan gelungen ist, Mohammed einige Verse einzuflüstern, Gott aber selbst die falsche Botschaft ausgelöscht und dann die richtige Offenbarung gegeben hat. Mohammed vertraute darauf, dass Allah ihn recht leitet: „Wir werden dich vortragen lassen, und du wirst nicht vergessen, außer dem was Gott will! Wahrlich er weiß, was offen und was verborgen ist“ (Sure 87,6-7). Offensichtlich muss es unter den Zeitgenossen Mohammeds Diskussionen über das Rezitieren verschiedener Texte gegeben haben (Sure 10,15). Auch nach dem Tode Mohammeds sind diese Auseinandersetzungen um den gültigen und richtigen Text nicht verstummt. Der dritte Kalif, Uthman ibn Affan, veranlasste etwa 16 Jahre nach dem Tode Mohammeds, einen einheitlichen Text des Koran herzustellen, mit der Anordnung, die inzwischen weit verbreiteten Textvariationen zu verbrennen (Hadith Al-Buchari Band 6, Nr. 510).
Auslegungsfragen und die Abrogation
Die Anordnung der Suren ist im Koran nicht in chronologischer Reihenfolge gegeben. In der Koranauslegung spielen jedoch die „Gründe der Offenbarung“ (asbab al nuzul) eine wichtige Rolle, d. h. auch die Frage, ob es sich um eine frühe Sure aus der Zeit in Mekka oder um eine Sure nach der Hidschra (622), also aus der Zeit in Medina handelt. Auch wenn Mohammed nur als Übermittler einer göttlich ewigen Botschaft verstanden wird und daher in den Aussagen des Koran eigentlich keine Widersprüche zu finden sein sollten, hat die muslimische Theologie nie bestritten, dass einzelne Verse des Koran scheinbar gegensätzliche Aussagen machen. Um diesem Problem zu begegnen, hat der Islam das so genannte Prinzip der Abrogation (nasich wa mansuch) entwickelt. Es wird dabei nach der Regel verfahren: wenn eine Koranaussage im Widerspruch mit einer anderen steht, wird der früher offenbarte Text aufgehoben (mansuch) durch eine neue, aufhebende (nasich) Textaussage. Auch wenn im Laufe der Geschichte immer wieder Diskussionen aufgeflammt sind, welche und wie viele Verse durch die Aufhebung betroffen sind und hier keine letztgültige Klärung besteht, gibt es unter den klassischen und auch namhaften Koraninterpreten keinen Zweifel, dass dieses Prinzip selbst im Koran und der „Tradition des Propheten“ verankert ist. Es wird allgemein anerkannt, dass für eine verantwortliche Koranauslegung, wie auch für die Auslegung, was nach islamischem Recht erlaubt oder verboten ist, eine Kenntnis der Abrogationslehre und deren Prinzipien nötig ist. Gleichzeitig besteht unter den islamischen Exegeten keine einheitliche Auffassung darüber, welche Verse der Abrogation unterliegen. Manche Kommentatoren gehen davon aus, dass es gesichert mehr als 260 Verse sind, andere sprechen nur noch von 5 Versen. In der Fachliteratur gibt es ausführliche Listen, welche Verse durch welche aufgehoben und abrogiert wurden.
Beispiele und offene Fragen zur Abrogation
Anfänglich war es den Muslimen zur Zeit Mohammeds scheinbar noch erlaubt, Wein und alkoholische Getränke zu sich zu nehmen (Sure 2,219). Da wohl einige der gläubigen Männer betrunken und benebelt zum Gebet in die Moschee kamen, wurde ihnen befohlen, nüchtern und gewaschen zur Moschee zu kommen, auch wenn Allah ein vergebender und nachsichtiger Gott ist (Sure 4,43). Als aber dann im Jahre 625 beim Kampf am Berg Uhud einige Krieger schon morgens Alkohol tranken und im Kampfe fielen, wurde Alkoholkonsum ganz verboten (Sure 5,90 Paret). Somit ist Sure 5,90 der abrogierende Vers, der Sure 2,219 und Sure 4,43 aufhebt.
Ursprünglich beteten die Muslime, wie die Juden, in Richtung Jerusalem. Doch nach den Konflikten mit den jüdischen Stämmen in Medina erhält Mohammed die Anweisung, ab sofort in Richtung Mekka zu beten. In Sure 2,120–152 wird begründet, warum die Muslime jetzt in Richtung Mekka zu beten haben.
Auch im Erbrecht gab es eine Veränderung. Während in Sure 2,180 ermahnt wurde, wenn es aufs Sterben zugeht, eine rechtliche Verfügung zugunsten der Eltern und der nächsten Verwandten zu veranlassen, wurde in Sure 4,11ff das Ganze präzisiert und das Erbe der weiblichen Angehörigen gegenüber den männlichen Erben halbiert.
Auch wenn unter den Interpreten keine Einigkeit besteht, wie viele Verse des Koran tatsächlich abrogiert sind, bleibt die allgemeine Regel bestehen, dass bei einem Widerspruch im Koran die später offenbarten Suren und Verse mehr Gewicht und Sagen haben als die frühen mekkanischen Suren des Koran, in denen noch von einem friedlichen Umgang mit Juden und Christen die Rede war. Allgemein anerkannt ist, dass Sure 5 die letzte und Sure 9 die zweitletzte Sure in der geschichtlichen Reihenfolge der Koranoffenbarung sind. Namhafte Koraninterpreten betonen daher, dass allein durch den so genannten Schwertvers in Sure 9,5, in dem die Gläubigen zum Kampf gegen die Ungläubigen aufgefordert werden, bis zu 124 Koranverse aus früher offenbarten Suren abrogiert worden seien. Muslime betonen wohl, dass der viel zitierte „Toleranzvers“: „In der Religion gibt es keinen Zwang...“ (Sure 2,256) nicht abrogiert worden sei, auch wenn dies nicht einheitlich so gesehen wird. Denn, ob abrogiert oder nicht, ist dies nur die „halbe Wahrheit“, da es im Islam keine wirkliche Glaubens- und Religionsfreiheit gibt. Aus dem Textzusammenhang wird für Muslime ohnehin deutlich, dass zwar niemand zum rechten Glauben (des Islam) gezwungen werden könne, der rechte Weg aber nur im Islam zu finden sei. Wer diese Einladung zum Islam nicht annehme oder gar diesem Glauben den Rücken kehre, für den seien die Grenzen der Toleranz überschritten.
Die Lehre der Abrogation stärkt daher nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart, den orthodoxen Islam und trägt wohl wesentlich mit dazu bei, sich nicht für einen kritischen Umgang mit der eigenen, zeitbedingten Geschichte zu öffnen.
Viele Muslime kennen sie auswendig und sagen sie regelmäßig auf – die schönsten Namen Allahs. Sie benützen dafür eine Kette aus 33 oder 99 Perlen, die sie durch die Finger gleiten lassen. Bei jeder Perle wird ein Name leise oder laut gesagt. Dieses „Denken an Allah“ spielt in der muslimischen Alltags-Frömmigkeit, aber auch in der islamischen Mystik (Sufismus) eine erhebliche Rolle. Das Aufsagen und Meditieren der Namen gilt als verdienstvolle Handlung.
Einige Koranverse sprechen von diesen „schönsten Namen“, z. B. 59,23-24: „Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt, der König, der Heilige, der Inbegriff des Friedens, der Stifter der Sicherheit, der alles fest in der Hand hat, der Mächtige, der Gewaltige, der Stolze. Preis sei Gott! (er ist erhaben) über das, was sie (ihm) beigesellen. Er ist Gott, der Schöpfer, der Erschaffer, der Bildner. Sein sind die schönsten Namen.“ (Khoury)
Vermutlich richtete sich der Ausdruck „schönste Namen“ ursprünglich polemisch gegen Polytheisten, die solche Namen den Götzen verliehen oder Allah Namen gaben, die nicht zu ihm passten (Khoury). – Die Liste der 99 Namen ist sehr alt, denn sie taucht bereits in einem Mohammed zugeschriebenen Ausspruch auf, der von dem Traditionssammler Tirmidhi auf Abu Hurayra als ersten Gewährsmann zurückgeführt wird.
Die Namen Allahs waren und sind auch für die muslimischen Theologen wichtig. Diese unterscheiden die 99 Namen von dem Namen „Allah“ (als hundertsten Namen), der für sie mehr ist als ein Name. Er bezeichnet für sie das tiefste „Wesen“ Allahs, das dem Verstehen des Menschen letztlich entzogen ist. Die anderen Namen bezeichnen dagegen „Eigenschaften“ Allahs. Über das Verhältnis dieser Eigenschaften zum Wesen Allahs wurde sehr kontrovers diskutiert.
Ein anderes Problem bestand für die Theologen darin, dass die meisten Namen ein personales Wesen umschreiben, z. B. „Der König“. Es wurde deshalb immer hinzugefügt, dass Allah natürlich nicht wie ein irdischer König ist, sondern „ganz anders“. Denn die Frage, ob man sich Allah überhaupt personal vorstellen dürfe, ist bei den Theologen höchst umstritten.
Die „99 schönsten Namen“ sind aus dem Koran und der islamischen Überlieferung entnommen bzw. aus Verben abgeleitet. Manche wirken etwas gekünstelt. Der Ausdruck „schönste Namen“ kann auch so verstanden werden, dass es noch weitere Namen für Allah gibt. Die Reihenfolge der Namen und ihre sprachliche Gestalt im Arabischen haben sich im Lauf der Zeit als einigermaßen feststehend herausgebildet. Bei der Übersetzung in andere Sprachen spielte oft schon eine bestimmte Auslegung eine Rolle. In verkürzter Form handelt es sich um folgende Namen:
(1) Der Barmherzige, (2) Der Erbarmer, (3) Der König, (4) Der Heilige, (5) Der Frieden, (6) Der Sicherheit Gebende, (7) Der Beschützer, (8) Der Würdige, (9) Der Allmächtige, (10) Der Stolze, (11) Der Schöpfer, (12) Der Urheber, (13) Der Gestalter, (14) Der Verzeihende, (15) Der Bezwinger, (16) Der Schenkende, (17) Der Versorger, (18) Der Eroberer, (19) Der Wissende, (20) Der Zupackende, (21) Der Ausbreitende, (22) Der Erniedrigende, (23) Der Emporhebende, (24) Der stark Machende, (25) Der Demütigende, (26) Der Hörende, (27) Der Sehende, (28) Der Richter, (29) Die Gerechtigkeit, (30) Der Freundliche, (31) Der Kundige, (32) Der Sanftmütige, (33) Der Gewaltige, (34) Der Vergebende, (35) Der Dankbare, (36) Der Hohe, (37) Der Große, (38) Der Bewahrer, (39) Der Ernährer, (40) Der Berechnende, (41) Der Majestätische, (42) Der Würdevolle, (43) Der Überwacher, (44) Der Antwortende, (45) Der Umfassende, (46) Der Weise, (47) Der Liebende, (48) Der Prächtige, (49) Der (ins Leben) Sendende, (50) Der Zeuge, (51) Die Wahrheit, (52) Der Anwalt, (53) Der Starke, (54) Der Feste, (55) Der Schutzherr, (56) Der Preiswürdige, (57) Der Rechner, (58) Der Hervorbringende, (59) Der Zurückbringer, (60) Der Lebendigmacher, (61) Der Tötende, (62) Der Lebendige, (63) Der Beständige, (64) Der Finder, (65) Der Ruhmreiche, (66) Der Eine, (67) Der Ewige, (68) Der Mächtige, (69) Der Fähige, (70) Der Vorwärtsbringer, (71) Der Aufhaltende, (72) Der Erste, (73) Der Letzte, (74) Der Äußere, (75) Der Innere, (76) Der Herrscher, (77) Der (hoch) Erhabene, (78) Der Fromme, (79) Der Umkehr Verursachende, (80) Der Rächer, (81) Der Begnadigende, (82) Der Nachsichtige, (83) Der Inhaber der Herrschaft, (84) Der Inhaber von Majestät und Ehre, (85) Der das Rechte Zuteilende, (86) Der (alles) Zusammenfassende, (87) Der Reiche, (88) Der reich Machende, (89) Der Geber, (90) Der Verwehrende, (91) Der Schädigende, (92) Der Nützende, (93) Das Licht, (94) Der (recht) Leitende, (95) Der (neues) Hervorbringende, (96) Der (ewig) Bleibende, (97) Der Erbende, (98) Der Vernünftige und (99) Der Geduldige.
Die Namen lassen sich in fünf Gruppen einteilen. Die erste Gruppe umfasst Namen, die Allahs Einheit, Heiligkeit und Andersartigkeit zum Ausdruck bringen (z. B. Der Heilige, Die Wahrheit, Der Preiswürdige, Der Lebendige, Der Eine, Der Ewige und Das Licht). Die zweite Gruppe umfasst Namen, die seine Schöpfertätigkeit bezeichnen (z. B. Der Schöpfer, Der Urheber und Der Gestalter). Verwandt sind damit drittens die Namen, die Allahs unbeschränkte Macht umschreiben (z. B. Der König, Der Bezwinger und Der Gewaltige), und viertens die vielen Namen, die von ihm als dem Richter sprechen (Der Wissende, Der Demütigende, Der Richter, Der Berechnende, Der Überwacher, Der Zeuge und Der Rächer). Eine fünfte, große Gruppe drückt Allahs Großzügigkeit im Schenken aus, die wiederum mit seiner Macht zusammenhängt (Der Barmherzige, Der Beschützer, Der Verzeihende, Der Versorger, Der Bewahrer, Der Liebende, Der Nachsichtige und Der (recht) Leitende). – Merkwürdigerweise fehlt der durchaus geläufige Name „Herr“.
Viele Namen wirken durchaus biblisch, sind aber aus dem islamischen Zusammenhang heraus zu verstehen. Im Islam sind alle Namen Allahs seiner absoluten Freiheit zugeordnet, die ihn vom Menschen unterscheidet. In der Bibel drücken dagegen die Namen und Eigenschaften Gottes seine Zuwendung zum Menschen in Schöpfung, Gnade und Gericht aus. Gott schuf den Menschen „zu seinem Bild“ (1.Mose 1,27), weil er die Gemeinschaft mit den Menschen sucht. Das kommt gerade in dem Namen „Vater“ zum Ausdruck – bereits im Israel-Bund und erst recht im Jesus-Bund. Es ist sicher nicht zufällig, dass dieser „schönste“ biblische Name für Gott unter den 99 Namen für Allah fehlt.
Die 99 Namen für Allah und der „fehlende 100. Name“ sind für Christen eine gute Möglichkeit, mit Muslimen über das tiefste Wesen Gottes zu sprechen. Wir können bezeugen, dass wir von der liebevollen Zuwendung Gottes in Jesus, seinem „eingeborenen Sohn“, in Zeit und Ewigkeit leben. Um Jesu willen und im Glauben an ihn hat Gott uns zu „Söhnen und Töchtern“ angenommen. Gott ist „unser Vater“, den wir ehren und dem wir vertrauen. Vom Namen „Vater“ her bekommen für uns die Namen, die Gottes Macht, Einheit und Barmherzigkeit ausdrücken, eine Füllung, die viel tiefer ist als es die Namen für Allah im muslimischen Zusammenhang je aussagen könnten.
1. Was bedeuten die Worte „Allah“ und „Gott“?
Das arabische Wort Allah stammt aus dem vorderorientalischen Heidentum und bezeichnete zunächst die Gottheit (al-ilâh). Im Laufe der Jahrhunderte nahm es die Bedeutung Gott an und wurde zu einem Eigennamen. Auch bei dem deutschen Wort Gott müssen wir genau fragen, was gemeint ist. Es war ursprünglich ein heidnisches Wort und wurde im Neutrum gebraucht. Als die Germanen Christen wurden, behielten sie das Wort Gott bei, füllten es aber mit biblischem Inhalt und gebrauchten es jetzt als Maskulin im Sinn von „der eine Gott“. Wenn wir als Christen von Gott reden, ist uns klar, dass wir den Gott Israels, den Vater Jesu Christi, den einen und dreifaltigen Gott meinen. D. h. Gott ist für uns weitgehend ein Eigenname geworden, da wir damit den einen von der Bibel bezeugten Gott meinen, außer dem es keinen Gott gibt.
Seit der Aufklärung ist das Wort Gott zu einer Worthülse geworden, die sehr unterschiedlich gefüllt wird. Muslime können in Deutschland von Gott sprechen und den Allah des Koran meinen. Koranübersetzungen wie die von Rudi Paret geben Allah mit Gott wieder. Deshalb müssen wir immer fragen, was jemand meint, wenn er von Gott bzw. von Allah redet. Wir können die Frage, ob Allah und Gott derselbe sind, nicht einfach mit Hilfe der Namen Allah und Gott beantworten. Wir müssen genauer fragen: Ist der EINE, von dem der Koran spricht, identisch mit dem EINEN, den die Bibel bezeugt? Wir werden sehen, dass dies nicht der Fall ist. Die Vorstellungen von dem EINEN sind sehr unterschiedlich. Es geht letztlich um die Frage: Wer ist der EINE, WAHRE, LEBENDIGE? Wie hat er sich bekannt gemacht? Das ist die entscheidende und umkämpfte Frage…
Der Koran gebraucht für die Umschreibung der Eigenschaften Allahs Vergleiche mit menschlichen Merkmalen. Das war und ist für die muslimischen Theologen ein erhebliches Problem. Wie kann man so „menschlich“ von Allah reden, wo Allah doch von allem Menschlichen geschieden ist? Müssen diese Ausdrücke, die Allah dem Menschen „verähnlichen“, „wörtlich“ oder „übertragen“ (metaphorisch, allegorisch) verstanden werden?
Beispiele aus dem Koran
Nach dem Koran hat Allah ein „Antlitz“. So heißt es in Sure 55,26f. (Zitate nach A. Th. Khoury, Der Koran Arabisch-Deutsch, Gütersloh 2004): „Alle, die auf ihr [der Erde] sind, werden vergehen; bleiben wird nur das Antlitz deines Herrn.“ Die Übersetzung von R. Paret (8.Aufl. 2001) beseitigt den Anstoß durch folgende Wiedergabe: „Dein Herr, der Erhabene und Ehrwürdige, bleibt bestehen.“ – Öfter (2,272; 6,52; 13,22; 18,28; 30,38f; 92,20) heißt es im Koran, dass der Mensch „nach dem Antlitz Gottes suchen“ (Khoury) soll, indem er betet und von seinem Besitz abgibt. – Berühmt ist Sure 2,115: „Gottes ist der Osten und der Westen. Wohin ihr euch auch wenden möget, dort ist das Antlitz Gottes.“ (Khoury).
Ähnlich ist die Rede von Allahs „Augen“. Nach Sure 52,48 tröstet Allah Mohammed mit den Worten: „Sei geduldig, bis dein Herr sein Urteil fällt. Du stehst vor unseren Augen.“ (Khoury). – In Sure 54,14 sagt Allah, dass die Arche Noahs „vor unseren Augen dahinfuhr“ (Khoury). Paret interpretiert jeweils durch die Übersetzung: „unter unserer Obhut“.
Allah hat „Hände“. Nach Sure 5,64 sagt Mohammed von Allah: „Seine Hände sind ausgebreitet, und Er spendet, wie Er will.“ (Khoury, ähnlich Paret). Es geht hier um das reichliche Schenken Allahs, unter anderem in der „Herabsendung“ des Koran.
…
Ein Schwerpunkt der Botschaft des Koran ist die Ankündigung des Gerichtes Gottes über alle Menschen aller Zeiten – und das heißt: auch über die Menschen, die bereits gestorben sind. Als Mohammed anfing, in Mekka über diese Thematik zu predigen, reagierten viele seiner Mitbürger mit Unverständnis und Spott. Ihre Fragen werden im Koran an verschiedenen Stellen erwähnt: „Und sie sagen: ‘Sollen wir, wenn wir (bereits) Knochen geworden und auseinandergefallen sind, wirklich wieder als neue Schöpfung erweckt werden?’“ (Sure 17,49; vgl. auch 50,3; 79,10-12; ähnlich 19,66; 75,3)
Mohammed war jedoch im Unterschied zu seiner heidnischen Umgebung fest davon überzeugt, dass Gott die Toten wieder aus ihren Gräbern herausholen werde. Der „Tag der Auferstehung“ (yaum al-qiyama) wird im Koran etwa 70 Mal erwähnt. Dementsprechend ist der Glaube an die Auferweckung der Toten ein Grunddogma des Islam. Wer „die Rückkehr zu Gott“ leugnet, kann kein wahrer Muslim sein (vgl. etwa Sure 23,15; 30,16).
Die Auferweckung zum Gericht
Eine andere Bezeichnung für den „Tag der Auferstehung“ ist: „Tag des Gerichts“ (yaum ud-din - Sure 1,4). Die Auferweckung der Toten hat im Wesentlichen den Sinn, alle Menschen vor dem Thron Gottes zu versammeln, um mit ihnen abzurechnen über ihr Glauben und Handeln während ihrer Lebenszeit.
Den Vorgang der Auferweckung stellen Muslime sich gewöhnlich folgendermaßen vor: Gott befiehlt dem Engel Israfil, zum ersten Mal in die Posaune zu stoßen. Daraufhin werden alle Menschen, ja, alle Lebewesen überhaupt, sterben. Sure 29,57: „Jeder wird den Tod erleiden. Und dann werdet ihr zu Uns zurückgebracht.“ Die Posaune wird ein zweites Mal ertönen, und alle Verstorbenen werden in einem Augenblick wieder zu neuem Leben erweckt und vor ihren Schöpfer und Richter gestellt.
…
Mohammed soll einmal von dem Engel Gabriel gefragt worden sein, was der islamische Glaube beinhalte. Seine im Hadith überlieferte Antwort war: „Der Glaube ist, dass du an Allah, Seine Engel, Seine Bücher, Seine Gesandten, den Jüngsten Tag und die göttliche Vorsehung, das heißt, dass Allah Gutes und Böses zuvor festgelegt hat, glaubst.“
Für Muslime gehört es zu den sechs grundlegenden, absolut verbindlichen Glaubensverpflichtungen, an die Bücher zu glauben, die Allah durch Seine Propheten zu den Menschen gesandt hat.
Islamische Theologen vertreten die Auffassung, dass Gott zu verschiedenen Zeiten verschiedenen Völkern jeweils in ihrer Sprache eine heilige Schrift habe zukommen lassen. Ursprünglich sei der Inhalt aller heiligen Bücher im Wesentlichen der gleiche gewesen, und jede spätere Schrift habe die vorherige bestätigt. Zugleich habe allerdings auch die neuere Schrift jeweils die ältere ersetzt. – Manche Muslime reagieren deshalb erstaunt, wenn sie erfahren, dass zur Bibel der Christen außer dem Evangelium auch die älteren Schriften von Mose, David und anderen gehören.
Der Sinn der Bücher besteht nach islamischem Verständnis darin, den Menschen den Weg der Rechtleitung zu zeigen und sie vor Irrwegen zu warnen, damit sie im Diesseits und im Jenseits Glück und Wohlergehen erlangen.
Welche heiligen Bücher gibt es?
Der Koran erwähnt „Seiten“ oder „Blätter“ (suhuf) Abrahams (Sure 87,19) und anderer Propheten, die allerdings alle nicht erhalten geblieben sind und über deren Inhalt der Koran auch nichts Näheres mitteilt.
Die Bücher, die im Koran genannt werden und denen nach muslimischen Aussagen große Bedeutung zukommt, sind:
- Die Taurat (Thora) Moses,
- Der Zebur (Psalter) Davids,
- Das Indschil (Evangelium) Jesu und
- Der Koran Mohammeds.
Im Gespräch betonen Muslime gern, dass sie alle Bücher anerkennen, die von Gott offenbart wurden. Sie beziehen sich dabei oft auf Sure 2, 136: „Sprecht: Wir glauben an Gott und an das, was zu uns herabgesandt wurde, und an das, was herabgesandt wurde zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen, und an das, was Mose und Jesus zugekommen ist, und an das, was den (anderen) Propheten von ihrem Herrn zugekommen ist. Wir machen bei keinem von ihnen einen Unterschied. Und wir sind Ihm ergeben.“
…
Nach islamischer Auffassung sind Dschinn (Pluralwort) intelligente Geisteswesen, die weder den Menschen noch den Engeln zuzuordnen sind.
Vorislamischer Glaube
In der Vorstellungswelt der Araber vor Mohammed waren Dschinn Wüstengeister (Nymphen, Satyrn). Aus einigen Koranstellen (Sure 37,158; 6,128; 72,6) lässt sich rückschließen, dass die Mekkaner die Dschinn als Verwandte Gottes sahen, ihnen opferten und von ihnen Hilfe erwarteten.
Koranische Aussagen
Laut Koran wurden die Dschinn von Gott aus Feuer geschaffen (Sure 55,15). Sie werden damit von den aus Ton geschaffenen Menschen und den aus Licht geschaffenen Engeln und Satanen (Dämonen) unterschieden. Die Frage ob der Teufel (Iblis) den Engeln oder den Dschinn zuzuordnen sei, wird im Koran nicht eindeutig beantwortet. In Sure 18,50 wird von ihm behauptet: „Er gehörte zu den Dschinn“. An anderen Stellen (2,34; 7,11ff; 15,28-33 und andere) wird er offensichtlich unter die Engel eingereiht.
Die Dschinn wurden wie die Menschen geschaffen, Gott zu dienen (51,56). Deshalb sendet Gott auch zu ihnen Gesandte „aus ihrer Mitte“, um sie vor dem Gericht zu warnen (6,130). Ausführlich wird in Sure 72 (der Titel dieser Sure ist „Die Dschinn”) geschildert, wie auch eine Schar Dschinn der Verkündigung Mohammeds zuhört und einige von ihnen zu Muslimen werden (vgl. auch 46,29-31).
Laut Koran gibt es also gute und böse, gottlose und fromme Dschinn. Die bösen Dschinn können dem Menschen schaden (114,6). Ein anderer Dschinn hingegen bietet dem König Salomo seine magischen Kräfte zur Hilfe an (27,39; in 27,17 werden die Dschinn zu den „Truppen Salomos“ gezählt).
Dschinn in der islamischen Theologie
…
Arabisch: mala'ika (pl.), malak (sg.)
Der Glaube an die Engel gehört zu den grundlegenden Verpflichtungen der Muslime: „Wer an Gott, seine Engel, seine Schriften, seine Gesandten und den jüngsten Tag nicht glaubt, ist (damit vom rechten Weg) weit abgeirrt.“ (Sure 4,136; eine ähnliche Aufzählung: Sure 2,285)
Den Engeln kommt im Islam eine große Bedeutung zu, weil nur durch sie die göttlichen Offenbarungen den Propheten übermittelt wurden. Ihre Existenz zu leugnen, wäre zugleich die Ablehnung der Propheten, der ihnen überbrachten Bücher und damit auch der von ihnen verkündeten Religion.
Die Engel wurden vor den Menschen erschaffen (Sure 38,71-73) – nach dem Hadith aus göttlichem Licht (Nur). In dieser Gestalt können nur die Propheten sie sehen. Sie können aber nach Gottes Befehl auch Menschengestalt und andere Formen annehmen. Besonders in Menschengestalt sind sie verschiedenen Menschen erschienen, z. B. Abraham, Lot, Zacharias und Maria.
Es gibt unzählig viele Engel. Sie essen, trinken und schlafen nicht und sind weder männlich noch weiblich. Am Tag des Gerichts werden die meisten von ihnen wie die Menschen sterben, nach dem zweiten Posaunenton aber wieder auferweckt, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Sie sind sündlos und ohne Neigung zum Bösen. Sie fürchten ihren Schöpfer (Sure 16,50), preisen ihn unablässig bei Tag und Nacht (Sure 21,20) und vollbringen alles, was ihnen befohlen wird (Sure 66,6). Sie bezeugen wie Gott selber, dass es keinen Gott gibt außer ihm (Sure 3,18). – Als nach der Erschaffung des Menschen Gott zu den Engeln sagte: „Werft euch vor Adam nieder!“, warfen sie sich alle nieder, außer Iblis (dem Satan). Der weigerte sich und war hochmütig. Er gehörte nämlich zu den Ungläubigen. (Sure 2,34; 38,74) – Hier klingt es so, als ob der „Satan“ ursprünglich einer der Engel gewesen sei; es gibt aber Muslime, die bestreiten, dass es im Islam „gefallene Engel“ gebe.
…
Leerseite
Nach islamischer Lehre ist einer der 99 Namen Allahs (29): „Die Gerechtigkeit“ (al-`adl). Allerdings kommt diese Aussage im Koran nicht vor; es finden sich auch keine Verse, die konkret davon reden, dass Allah gerecht sei oder dass seine Taten gerecht seien (außer im Blick auf den Tag des Gerichts). – Womit begründen also Muslime die These, dass Allah gerecht sei, und was ist in diesem Zusammenhang mit „Gerechtigkeit“ gemeint?
Allah fordert Gerechtigkeit
Allah fordert von den Menschen gerechtes Verhalten: Ihr Gläubigen! Steht vor Gott als Zeugen für die Gerechtigkeit ein! Und lasst nicht den Hass anderer Leute euch dazu bringen, dass ihr nicht gerecht seid. Seid gerecht! Das entspricht eher der Gottesfurcht. (Sure 5,9 – vgl. auch 7,29; 16,90 u. öfter) Zur „Gerechtigkeit“ Allahs gehört nach islamischem Verständnis aber nicht unbedingt das Erlassen von Ordnungen, die für alle gleich sind. Wenn Allah z. B. Mohammed „Privilegien“ gewährt (vgl. 33,50-52 mit 4,3), wenn er scheinbar willkürlich Gebote erteilt (Änderung der Gebetsrichtung – 2,142-144), oder Strafen anordnet, die überzogen erscheinen (z. B. Handabhacken bei Diebstahl – 5,41), widerspricht das nicht seiner „Gerechtigkeit“. Als der Allmächtige bestimmt er in völliger Freiheit, was „gerecht“ ist.
Allah richtet gerecht
Die Korantexte über den Tag des Gerichts
vermitteln den Eindruck: die Taten aller Menschen werden ohne
Ansehen der Person gerecht vergolten. In Sure 21,47 spricht Allah:
Und Wir stellen die gerechten Waagen für den Tag der
Auferstehung auf. So wird keiner Seele in irgendetwas Unrecht getan.
Und wäre es auch das Gewicht eines Senfkornes, Wir bringen es
bei. – Auch Sure 4,124 unterstreicht, dass den Gläubigen
nicht ein Dattelgrübchen Unrecht getan wird. Weder etwas
Kleines oder etwas Großes wird ausgelassen (18,49).
Wie
verbreitet und gravierend die menschliche Bosheit ist, wird in Sure
16,61 aufgedeckt: Und wenn Gott die Menschen wegen ihrer
Frevelhaftigkeit belangen würde, würde er auf der Erde
kein Lebewesen übriglassen. Aber er gewährt ihnen auf eine
bestimmte Frist Aufschub. Hier wird der Gerechtigkeit Allahs, der
eigentlich alle Menschen wegen ihrer Sünde vernichten müsste,
unvermittelt seine Geduld und Barmherzigkeit gegenüber
gestellt.
Das gilt ähnlich selbst für den Tag des
Gerichts. So sehr im Islam Allahs gerechtes Richten betont wird: im
Koran kann es auch heißen: Allah vergibt, wem er will –
ohne alle Vorbedingungen (Sure 48,14; 2,284; 5,18). In diesem
Zusammenhang wird letztlich nicht nach seiner Gerechtigkeit gefragt:
ob Allah nicht ungerecht handelt, wenn er Schuld ungestraft lässt
und dem Sünder „einfach so“ vergibt.
Auch die Frage, wie es mit Allahs Gerechtigkeit vereinbar sei, die Umkehr eines Menschen anzunehmen, ohne eine Wiedergutmachung für die Schuld zu fordern, taucht meiner Beobachtung nach nicht auf. In Sure 5,39+40 heißt es: Wenn aber einer, nachdem er gefrevelt hat, umkehrt und sich bessert, wendet Gott sich ihm (gnädig) wieder zu. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben. Als Begründung wird nur genannt: Weißt du denn nicht, dass Gott die Herrschaft über Himmel und Erde hat, und dass er bestraft, wen er will, und vergibt, wem er will? Gott hat zu allem die Macht. – Wie die Gerechtigkeit steht auch die Vergebung letztlich unter Allahs Allmacht und seiner absoluten Freiheit.
…
Der kommende Tag des Gerichts ist für Muslime das entscheidende Ereignis, auf das die gesamte Weltgeschichte zuläuft. Der Glaube an die Auferstehung der Toten und das Gericht Gottes über die Taten der Menschen gehört zu den grundlegenden islamischen Glaubensverpflichtungen. „Wer an Allah und den jüngsten Tag glaubt und Gutes tut, (alle diese) erhalten ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein.“ (Sure 2, 62) Wer den „jüngsten Tag“ leugnet, gehört zu den Ungläubigen.
Besonders in der Anfangszeit seines Auftretens hat Mohammed mit aufrüttelnden Worten das Gericht Gottes angekündigt, vor der „nahen“ Abrechnung (Sure 53,57) gewarnt und seinen Zuhörern Höllenfeuer und Paradies in leuchtenden Farben vor Augen gemalt.
Allerdings finden wir im Koran zwar eine Beschreibung vom Tag des Gerichts und seinen Begleiterscheinungen (vgl. und andere Sure 99 und 101), jedoch keine ausführlichen Prophezeiungen über den Verlauf der endzeitlichen Geschichte. Weit mehr Material zu diesem Thema enthalten die Hadithen, kurze Berichte über Aussagen und Handlungsweisen Mohammeds, die nach seinem Tod weitererzählt und gesammelt wurden. Da jedoch im Islam die Zuverlässigkeit der einzelnen Hadithen umstritten ist, gibt es auch kein einheitliches Bild der „Endzeit“.
Ein Schema über die Reihenfolge der endzeitlichen Geschehnisse bezieht sich auf einen Hadith, der besagt: „Der jüngste Tag wird nicht hereinbrechen, bevor ihr die zehn Zeichen dafür gesehen habt.“ Dort werden dann die folgenden Ereignisse genannt:
1. Duchan: ein großer Rauch wird die ganze Erde überziehen (Sure 44,10+11). Dieses Ereignis wird vierzig Tage lang andauern.
2. Dadschal: ein Betrüger wird sich zum Gott erklären und fast alle Menschen verführen, obwohl er an seiner Stirn die untilgbare Schrift „Kafir“, Ungläubiger, trägt und sein rechtes Auge einer „heraushängenden Weintraube“ gleicht.
3. `Isa (islamischer Name für Jesus) wird wiederkommen. Der Islam lehrt, dass Jesus nicht am Kreuz starb, sondern von Gott zu sich in den Himmel erhoben wurde. Nach dem Koran ist Jesus „ein Erkennungszeichen des Jüngsten Tages“ (Sure 43,61). …
Gibt es im Islam die Gewissheit der Vergebung? Und wie sicher können sich Muslime sein, ins Paradies zu kommen? Dazu existieren sehr widersprüchliche Aussagen. Einerseits verspricht Allah seinen Gläubigen das Paradies (9,72) und dass er dieses Versprechen hält (3,9), andererseits kann sich keiner vor Allahs List sicher fühlen (7,99).
Gute Werke
Laut Koran werden alle Muslime nach ihrem Tod erst einmal in die Hölle kommen: „Und es gibt keinen von euch, der nicht zu ihr hinunterkommen würde.“ (Sure 19,71-72; s.a. 32,13; 7,179). Einige Muslime jedoch glauben, dass sie direkt ins Paradies kommen, wenn sie von ihren bösen Taten umkehren. An ihrer Stelle werden Juden oder Christen in die Hölle verdammt (Hadith Muslim 6665-6668). Ob und nach welcher Zeit unbußfertige Muslime nach einer Art Fegefeuer-Hölle ins Paradies aufgenommen werden (Hadith Al-Buchari 9:542), hängt von ihren guten und bösen Taten ab. Die guten Taten werden in eine Waage gelegt: „Diejenigen, deren Waagschalen schwer sind, das sind die Erfolgreichen. Diejenigen, deren Waagschalen leicht sind, haben sich selbst verloren und werden in der Hölle enden, in der sie ewig bleiben werden.“ (Sure 23,102-103; s.a. 21,47). Zu den guten Werken zählen, dass Muslime an Allah und seinen Propheten glauben, die 5 Pfeiler einhalten (Bekenntnis, rituelles Gebet, Armenabgabe, Fasten, Pilgerfahrt) und Mohammed über alles ehren (Al-Buchari 1:13). Demnach kommt ins Paradies, wer genug gute Werke sammelt: „Wahrlich, diejenigen aber, die glauben und gute Werke tun, sind die besten der Geschöpfe. Ihr Lohn bei ihrem Herrn sind die Gärten von Eden“ (Sure 98,7-8; s.a. 14,23; 5,9; 42,26). Ja, gute Taten können sogar schlechte tilgen: „Die guten Taten heben die bösen auf“ (11,114; s.a. 25,70). Aber ungewiss muss die Paradieserwartung bleiben, da kein Muslim Einblick in sein „Paradies-Konto“ hat und so nie wissen kann, ob seine Werke ausreichen. Außerdem heißt es in einem Hadith im Widerspruch zu obigem Koranvers, dass gute Taten niemand den Eingang zum Paradies verschaffen werden (Al-Buchari 8:474).
Vage Hoffnungen
…
Leerseite
Gegenüber der Meinung, der Islam sei eine „harte Religion“ mit vielen strengen Forderungen, betonen Muslime gern, welch große Rolle Gnade und Barmherzigkeit im Islam spielen. Tatsächlich ist im Koran viel von Gottes Barmherzigkeit und von Erweisen seiner Gnade die Rede.
Gott, der Gnädige und Barmherzige
Der Koran beginnt – wie auch jede einzelne Sure außer der neunten – mit den Worten: „Im Namen Gottes (Allahs), des (All-)Barmherzigen, des Erbarmers.“ „Der Barmherzige“ und „Der Erbarmer“ sind die ersten der „99 schönsten Namen Allahs“. Barmherzigkeit erscheint also als eine wesentliche, wenn nicht die herausragende Eigenschaft Gottes.
Außerdem wird oft auf Sure 6, Vers 12 und 54 hingewiesen: „Er hat sich selbst Barmherzigkeit (als Gesetz) vorgeschrieben“. Liest man jedoch jeweils den Zusammenhang, wird deutlich, dass Barmherzigkeit auch ein „Gegengewicht“ hat. In Sure 6,12 heißt es weiter: „Er wird euch einst am Auferstehungstag (zum Gericht) versammeln; … nur die, welche sich selbst ins Verderben stürzen wollen, glauben es nicht.“ Zudem ist die Barmherzigkeit an Bedingungen geknüpft: „Euer Herr hat sich selbst Barmherzigkeit zum Gesetz vorgeschrieben; wer daher von euch aus Unwissenheit Böses getan hat und bereut es darauf und bessert sich, dem verzeiht er; denn er ist verzeihend und barmherzig.“ (6,54)
Erweise der Gnade Gottes
…
Leerseite
Leerseite
Wer ist der „Heilige Geist“ im Koran?
Der Koran lehnt die Dreieinigkeit Gottes von Vater, Sohn und Heiligem Geist ab (Sure 5,73) und spricht von der Einheit Gottes (112,1-4). Die Bibel spricht auch von der Einheit Gottes (Mk 12,29), aber Gott offenbart sich und sein Wesen in drei Personen und gleichzeitig als ein einziger Gott (vgl. Mt 28,19; Joh 14,26).
Im Koran kommt der Heilige Geist nur an sehr wenigen Stellen vor. Im Folgenden sind alle Stellen aufgelistet:
1. „Ruuh-ul-Qudus“, d. h. Heiliger Geist, z. B. in Sure 16,102: „Sprich: So hat ihn [den Koran] der heilige Geist von deinem Herrn in Wahrheit herab gebracht, die Gläubigen zu stärken, und als eine Leitung und frohe Botschaft für die Moslems“.
2. „Ruuhanaa“, d. h. unser Geist; z. B. 21,91
3. „Ruuhul-'Amiin“ d. h. der aufrichtige/treue Geist; z. B. in Sure 26,193: „und der getreue Geist hat ihn [den Koran] in dein Herz gelegt, damit du predigst in der deutlichen arabischen Sprache“.
…
Leerseite
Im „Lexikon der Islamischen Welt“ (Hrsg. Klaus Kreiser + Rotraud Wieland. Völlig überarbeitete Neuausgabe, Stuttgart, Berlin, Köln 1992) heißt es auf Seite 132 ganz einfach: „Islam bedeutet Hingabe an Gott (Allah).“ Andere Quellen sprechen lieber von „Unterwerfung (unter den Willen Allahs)“, wieder andere von „Gottergebenheit“ – und zitieren dazu Goethe: „Wenn Islam Ergebung in Gottes Willen heißt, im Islam leben und sterben wir alle“.
Etliche Muslime betonen in neuerer Zeit: „Das Wort Islam, ins Deutsche übertragen, bedeutet: Friedenmachen. … Ein Mensch, der dies verwirklichen will, ist Muslim, d.h. „einer, der Frieden macht.“ (www.enfal.de/krieg.htm – Quelle: Islamisches Zentrum München) – Was sagen die Wörterbücher zu diesen Thesen?
Wortbedeutung nach dem Lexikon
In der arabischen Sprache werden die einzelnen Wörter aus Wortwurzeln von (in der Regel) drei Konsonanten abgeleitet. Durch das Einfügen unterschiedlicher Vokale und das Anfügen von Vorsilben etc. können aus einer Wortwurzel bis zu 10 verschiedene „Stämme“ gebildet werden, die Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen ergeben.
Das Wort „Islam“ ist abgeleitet von der Wurzel s-l-m. In der Grundform bedeutet das Verb (salima) „unversehrt, wohlbehalten sein“. Im IV. Stamm (aslama) werden als Bedeutungen angegeben: „1. übergeben, sich ergeben, sich hingeben, verlassen, verraten; 2. sich als Gott ergeben erklären, Muslim werden“. (vgl. Hans Wehr in seinem sehr gründlichen Arabischen Wörterbuch) – „islaam“, das dem IV. Stamm entsprechende Verbalnomen, bedeutet: „Hingabe (an Gott), Ergebung (in Gott)“; mit Artikel „al-islaam“ bezeichnet es „die Religion des Islam, das Zeitalter des Islam, oder die Gesamtheit der Muslime“. Jemand, der „islaam“ praktiziert, ist ein „muslim“.
…
Ist der Koran seit Mohammed völlig unverändert und vertrauenswürdig überliefert worden, wie Muslime heute so fest behaupten? Was sagen islamische Quellen dazu?
Der Koran zur Zeit Mohammeds (610-632 n.Chr.)
Der Koran wurde in arabischer Sprache durch Mohammed innerhalb von 23 Jahren in vielen kurzen Abschnitten offenbart. Nach islamischer Ansicht hatte Mohammed 610 n.Chr. im Alter von 40 Jahren die erste göttliche Mitteilung bekommen. Diese Offenbarungen wurden von verschiedenen Anhängern auswendig gelernt und in unterschiedlichen Dialekten rezitiert. Besonders in der späteren „medinischen Periode“ notierte man Texte auf Schreibmaterial. Darunter waren kleine Steine, Leder, Knochen und Baumrinde.
Seine ersten Offenbarungen waren einprägsame Reime. Offenbarungsverse, die er später weitergab, waren dagegen in Prosa abgefasst. Die Reihe der Offenbarungen ist nicht chronologisch im Koran angeordnet, weil es sich um eine lose Sammlung handelte. Die Verse wurden zur Zeit Mohammeds nicht chronologisiert und nicht gesammelt. Mohammed selbst vergaß sogar Koranverse.
Wie im Hebräischen hatten die altarabischen Schriften keine Vokale (z. B. das Kufische). Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, sie mit Vokalen zu lesen und dadurch Bedeutungsverschiebungen. Deshalb gibt es laut Mohammed sieben Lesarten des Koran mit verschiedenen Worten und Bedeutungen. Heute ist davon aber nur noch eine gängig.
Der Koran zur Zeit des ersten Kalifen Abu Bakr (632-634 n.Chr.)
…
Mohammed versucht in der Stadt Mekka 610 n.Chr. nach einer ersten übernatürlichen Erfahrung seine Botschaft vom Schöpfergott und dem kommenden Gericht Gottes an die Einwohner seiner Stadt weiterzugeben. Doch er stößt dabei auf massiven Widerstand seiner Zuhörer. Diese sind entweder Polytheisten, glauben also an viele Götter, oder Materialisten. Letztere glauben an gar nichts, auch nicht an die Auferstehung oder das Gericht. Mohammed verwendet deshalb im Verlauf seiner Karriere verschiedene Anknüpfungspunkte, um seine Zuhörer zu überzeugen. Er benützt Redewendungen, Gleichnisse, greift auf Schriften der Juden und Christen zurück und übernimmt vorislamische Elemente, die in der Pilgerfahrt, im Gebetsritus, der Gebetsrichtung, dem Almosen ihren Niederschlag finden.
Im Koran fällt eine Reihe von Gleichnissen auf, ca. 40 moralische Minigeschichten, die „amthal“ (Plural von „mathal“: Gleiches, Bild, Beispiel, Gleichnis) genannt werden. Diese koranischen Gleichnisse deuten oft nur Dinge an und erscheinen unfertig. Sie werden im Koran durchweg in Streitgesprächen mit Andersdenkenden angeführt.
Nach muslimischem Verständnis ist der ganze Koran wörtliche Rede Gottes, auch wenn Mohammed oder seine Gegner zitiert werden. Demnach spricht also Allah folgende Worte: „Und wir haben den Menschen in diesem Koran allerlei Gleichnisse angeführt – auf dass sie es bedenken“ (Sure 39,27; A. T. Khoury, 1992) oder „Gott schämt sich nicht, als Gleichnis eine Mücke oder das, was darüber hinausgeht, zu nehmen“. Ziel dieser Erzählungen ist es, Menschen zu ermahnen, nur an den einen Schöpfergott Allah und an Mohammed als Prophet zu glauben. Meist werden in den Vergleichen Phänomene der Natur wie z. B. Unwetter herangezogen, um das plötzlich eintretende Jüngste Gericht und die bevorstehende Katastrophe für die Gottlosen zu beweisen (z. B. ein Fels mit Erdkrume wird zum blanken Fels, wenn der Regenguss ihn blankwäscht: 2,264; s.a. 2,19; 3,117). Das wohl längste Gleichnis ist der Bericht über zwei Männer. Einer bekommt zwei fruchtbare Gärten geschenkt. Er wird überheblich und selbstzufrieden. Der andere Mann dagegen warnt ihn vor der himmlischen Abrechnung besonders in Bezug auf Götzendienst. Die Abrechnung tritt am Ende auch ein: die Gärten werden verwüstet (18,32-43). Man fühlt sich an das biblische Gleichnis vom reichen Kornbauern erinnert (Lk 12,16-21), dem vorgehalten wird, „nicht reich bei Gott zu sein“. Im koranischen Gleichnis geht es um die Vielgötterei und darum, dass man Gott keine Partner beigesellen darf, ein Kernthema im Koran.
…
Der Koran – wie auch die Bibel – spricht vom Menschen immer in seiner Beziehung zu Gott. Der Mensch ist nicht ein Produkt des Zufalls, sondern Geschöpf des Allmächtigen, dem er auch verantwortlich ist. Alle Menschen stammen von einem gemeinsamen Elternpaar ab (Sure 49,13; 4,1) und sind deshalb vor Gott gleich.
Die Erschaffung des Menschen
Gott formte den Menschen aus Ton (15,26) und hauchte dann von Seinem Geist in ihn hinein (15,29). Im Koran finden wir aber nirgends eine Aussage, dass der Schöpfer durch dieses Anhauchen mit Seinem Geist dem Menschen eine besondere Nähe zu Ihm selbst verliehen oder eine persönliche Beziehung zwischen Gott und Mensch hergestellt hat; dass der Mensch „nach dem Bild Gottes“ geschaffen worden sei, kommt im Koran nicht vor.
Das Urteil über den von Gott erschaffenen Menschen kann recht unterschiedlich lauten. Einmal sagt Gott (95,4): „Wir haben den Menschen in bester Form erschaffen.“ Dann heißt es aber auch (4,28): „Der Mensch wurde schwach erschaffen“ und (70,19): „Der Mensch wurde ungeduldig (oder: kleinmütig) erschaffen“. In der Koran-Übersetzung von A. Yusuf Ali wird dazu erklärend angemerkt (übersetzt aus dem Englischen): „Nach Gottes Plan sollte der Mensch in der besten Verfassung sein. Damit er seine hohe Bestimmung erfüllen könne, wurde ihm jedoch in einem eingeschränkten Maß freier Wille gegeben. Der falsche Gebrauch dieses freien Willens macht seine Natur schwach, voreilig oder ... ungeduldig. Das geschieht durch die eigene Handlungsweise des Menschen; es wird aber von ihm gesagt, er sei so erschaffen worden, weil ihm diese Möglichkeiten bei seiner Erschaffung gegeben worden waren.“ – Es bleibt unklar, ob der Mensch wirklich „gut“ geschaffen worden ist.
Die hohe Stellung des Menschen
Der Mensch wird von Gott eingesetzt als Stellvertreter (Khalifa) - als Herrscher über die Schöpfung an Stelle des Herrschers, Gott selber (2,30). Die Engel sagen allerdings im Blick auf den Menschen zu Gott (2,30): „Willst Du auf ihr (der Erde) einen einsetzen, der auf ihr Unheil stiftet und Blut vergießt…?“ – Es erstaunt, dass sie von vornherein dem Menschen nichts Besseres zutrauen. Gott korrigiert ihre Aussage nicht, erklärt aber auch nicht, warum er dennoch dem Menschen die Herrschaft über die Erde anvertraut. Gott befiehlt dann sogar den Engeln, sich vor Adam niederzuwerfen (2,34; 15,29). (Gewöhnlich ist von "niederwerfen" im Zusammenhang mit Anbetung die Rede. Ein anbetendes Niederfallen vor Adam würde aber im Widerspruch zum islamischen Prinzip des Tauhid stehen: dass nur Allah alleine angebetet werden darf. Darum sehen islamische Korankommentatoren im Befehl Allahs an die Engel, sich vor Adam niederzuwerfen, die Ehrung des gerade geschehenen göttlichen Schöpfungsaktes, also eine Ehrung des Schöpfers selbst. Doch hier fragt man sich, warum die Engel sich nicht vor Gott niederwerfen sollen.)
Adams Sündenfall …
Im Koran wird der Anspruch erhoben: „Mohammed ist ... der Gesandte Gottes und das Siegel der Propheten.“ (Sure 33,40) Muslime fragen oft im Gespräch: „Wir Muslime erkennen Jesus Christus als Prophet an. Warum erkennt ihr nicht auch Mohammed an?“ Auf diese Frage wollen wir für Christen eine Antwort suchen, ohne die Absicht, die Gefühle der Muslime zu verletzen.
Sollen wir Mohammed als Prophet anerkennen?
Muslime lesen im Koran von Jesus: „Jesus, ... sagte: O ihr Kinder Israel, wahrlich, ich bin euch ein Gesandter Gottes, bestätigend die Thora, ... und frohe Botschaft bringend von einem Gesandten, der nach mir kommen und dessen Name Ahmed (d. h. Mohammed) sein wird.“ (Sure 61,6).
Es ist nicht grundsätzlich abzulehnen, wenn Muslime an Christen den Anspruch herantragen, dass ihr Prophet ein echter Prophet ist. Denn das Neue Testament zeigt viele Propheten auf, die nach Jesus kommen werden (Mt 23,34; Eph 4,11; Apg 15,32; Offb 11,1-12). Doch wir werden aufgefordert, sie zu prüfen, weil es echte und viele falsche Propheten gibt (1.Joh 4,1).
Was sind nun die Kriterien für echte Propheten? Es braucht immer mindestens ein zweites Zeugnis (Joh 8,17), das die Aussagen des Propheten bestätigt. Von Jesus wissen wir, dass Gott ganz offen vor den Ohren anderer dieses zweite Zeugnis für seinen Sohn vom Himmel aus abgab (Lk 3,21-22; Mk 9,7-8; Joh 12,28-30). Außerdem bestätigte Johannes der Täufer Jesus (Joh 1,29; 5,32-35). Und letztlich waren da die Wunder, die Jesus tat (Joh 5,36; 10,25; 14,11).
…
Mohammed hat sich zu seinen Lebzeiten immer wieder mit Paradies und Hölle beschäftigt. In vielen Koran-Suren werden Gesinnungsgenossen mit der Aussicht auf die Freuden im Paradies angespornt. Gegner, Scheinheilige oder Halbherzige werden mit den furchtbaren Qualen der Hölle gewarnt. Bis heute lassen sich junge Selbstmord-Attentäter und gewaltbereite Kämpfer mit bestimmten Paradieserwartungen locken, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Werden sich ihre Hoffnungen erfüllen?
Der Paradies-Garten und wer hineindarf
Der arabische Begriff für Paradies im Koran, 'dschanna', bedeutet „Garten“. Das verwandte türkische Wort 'cennet' steht auch für Paradies, veraltet für Garten. Das Paradies besteht aus mehreren Gärten (55,46ff.) und wird von Wärtern bewacht (39,73). Schon vor dem Eintritt ins Paradies werden den Gläubigen Häuser oder Gemächer versprochen (39,20; 29,58). Sie werden dort ewig leben und somit ewig vor dem Höllenfeuer verschont (44,56). In den Traditionsschriften wird die unvorstellbare Größe des Paradieses bildhaft beschrieben: „Es gibt einen Baum, in dessen Schatten ein Reiter hundert Jahre lang dahinreiten kann, ohne je den äußeren Rand des Schattens zu erreichen“ (Al-Buchari). Alle diejenigen werden belohnt, die „glauben und tun, was Recht ist“ (2,25), die „Gottesfürchtigen“ (52,17). Das Bild von der Waage spielt für die Beurteilung eine wichtige Rolle. „Wer (aufgrund seiner guten Werke) schwere Waagschalen hat“ (101,6ff.), dem wird in Aussicht gestellt, dem lodernden Feuer zu entgehen. Obwohl die guten Werke wichtig sind, ist der richtige Glaube das Hauptkriterium für Akzeptanz bei Gott. Die wahren Gläubigen dürfen für ewig in das Paradies, in die „Gärten der Wonne“ (56,26) oder in die „Gärten von Eden“ (19,61) eingehen.
Wie sieht es dort aus?
„Es wird lebensfrohe Gesichter geben, die mit dem Eifer, den sie bei ihren (guten) Werken gezeigt haben, zufrieden sind und sich in einem hochgelegenen Garten befinden, in dem sie kein (leeres) Gerede hören, und in dem es eine (ständig) fließende Quelle gibt, und dick gepolsterte (w. erhöhte) Ruhebetten, bereitgestellte Humpen, Kissen eines neben dem andern, und Teppiche, die da und dort (auf dem Boden) ausgelegt sind“ (88,8-16).
„Auf golddurchwirkten Ruhebetten liegen sie (die, die Gott nahe stehen) einander gegenüber, während ewig junge Knaben unter ihnen die Runde machen mit Humpen und Kannen (voll Wein?) und einem Becher (voll) von Quellwasser (zum Beimischen?), von dem sie weder Kopfweh bekommen noch betrunken werden und (mit allerlei) Früchten, was (immer) sie wünschen, und Fleisch von Geflügel, wonach sie Lust haben. Und großäugige Huris (haben sie zu ihrer Verfügung), (in ihrer Schönheit) wohlverwahrten Perlen zu vergleichen“ (56,15-23). „Wir geben ihnen großäugige Huris als Gattinnen“ (52,20).
…
Ist im Islam alles vorherbestimmt? Sind manche Menschen zum Heil (im Islam) und andere zum Unheil vorherbestimmt – und wenn ja, warum besteht dann im Islam die Pflicht zur „Da’wa“, zur Einladung zum Islam? Oder hat der Mensch einen freien Willen, mit dem er sich für oder gegen den Glauben an Allah entscheiden kann? Diese Fragen sind unter muslimischen Theologen schon sehr früh und sehr intensiv diskutiert worden. Grundlage der Diskussion waren einerseits Koranverse zur Allmacht Allahs, denen jedoch andere gegenüberstanden, welche die Menschen zum Erkennen des Schöpfers in der Natur und zur Umkehr mahnen.
Lange neigte die Meinung der islamischen Theologie stärker der Auffassung zu, dass alles von Allah vorherbestimmt sei. Aber es hat auch Verfechter der Willensfreiheit gegeben, die sich stärker auf die Koranverse beriefen, die die Verantwortung des Menschen für sein Tun und seinen Glauben in den Vordergrund stellen.
Der Koran
Dass Allah allmächtig ist, der Herr über Tag und Nacht (Sure 73,20), der Schöpfer jedes Menschen und der ganzen Erde und alles durch ihn geschieht, gehört zu den frühesten und grundlegendsten Aussagen des Koran. Allah ruft jeden Menschen ins Leben und bestimmt den Zeitpunkt seines Todes, wenn sein „Termin“ gekommen ist (Sure 63,11). Er lenkt das Weltgeschehen und er zieht jeden Menschen im Jüngsten Gericht für sein Tun zur Verantwortung. Mohammed wendet sich damit im Koran gegen den Schicksalsglauben der vorislamischen arabischen Stämme, die an die Unabänderlichkeit eines festgelegten Schicksals für den Menschen glaubten.
... einerseits
In Bezug auf die Frage der Willensfreiheit sprechen einerseits zahlreiche Koranverse sehr dezidiert davon, dass Allah selbst der Verursacher aller Dinge ist. Er erweist dem Menschen Gutes, aber er bestimmt auch das Unheil. Alles ist bereits in einem Buch niedergeschrieben: „Kein Unheil geschieht, weder auf der Erde noch bei euch, das nicht in einem Buch wäre, noch ehe wir es erschaffen“ (57,22).
…
Laut islamischer Lehre verpflichtete Gott Adam und seine Kinder, sich ihm zu unterwerfen und ihm allein zu dienen (Sure 36,60-61). Jeder Mensch ist daher von Natur aus Muslim, der Islam die schöpfungsgemäße Religion (vgl. Sure 30,30).
Weil die Menschen dennoch immer wieder vom Weg Gottes abwichen, sandte Gott Propheten. Sie waren Verkündiger seiner Botschaft an ein besonderes Volk oder auch an die ganze Menschheit. Den Propheten wiederum vermittelte der unendlich ferne Gott seine Botschaft durch Engel. So soll der Prophet Mohammed seine Offenbarungen jeweils durch den Erzengel Gabriel erhalten haben.
Der Glaube an alle Propheten gehört zu den fundamentalen Glaubensartikeln des Islam.
Propheten in großer Zahl
Der Islam legt sich nicht darauf fest, wie viele Propheten Gott im Laufe der Menschheitsgeschichte berufen hat. Einige Koranstellen gehen davon aus, dass zu jedem Volk zu irgendeiner Zeit ein Warner gesandt wurde (Sure 13,7b; 35,24). Namentlich werden im Koran 25 Propheten erwähnt. 19 dieser Namen haben eine Entsprechung im Alten oder Neuen Testament: Adam, Noah, Abraham, Ismael, Isaak, Lot, Jakob, Josef, Moses, Aaron, David, Salomo, Elia, Elisa, Jona, Hiob, Zacharias, Johannes der Täufer und Jesus.
Als letzter Prophet und Bote Gottes für die ganze Welt gilt Mohammed. Er wird als das „Siegel der Propheten“ bezeichnet. Damit wird behauptet, dass er alle Prophetien der Vergangenheit bestätigt, vollendet und abgeschlossen habe.
Das arabische Wort für „Prophet“ ist „nabi“, was wörtlich „Verkünder“ bedeutet. Einige der Boten Gottes werden jedoch auch als „rasul“ (Gesandter) bezeichnet. Manche theologische Schulen des Islam sehen beide Titel als gleichbedeutend. Laut anderer Theologen wird als „rasul“ nur ein solcher Prophet bezeichnet, dem von Gott ein Buch oder ein neues Gesetz offenbart wurde.
Botschaft
Die Botschaften der Propheten können in den Einzelheiten voneinander abweichen – je nach dem Volk, zu dem ein Prophet gesandt wurde und je nach den Besonderheiten der kulturellen und geschichtlichen Situation. Die Grundaussage ihrer Verkündigung ist jedoch immer die gleiche: Der Ruf zur Umkehr von den Götzen zu dem einzigen Gott angesichts des herannahenden Gerichtes Gottes (Sure 21,25).
…
Die Frage, aus welchen Quellen der Koran entspringt, stellt sich den Muslimen nicht. Sie gehen davon aus, dass die „Mutter des Buches“, der ewige Koran, im Monat Ramadan auf die unterste Stufe des Himmels herab gesandt wurde. Durch Vermittlung des Engels Gabriel soll er von dort Wort für Wort an Mohammed weitergegeben worden sein. Auch für ein Gespräch mit Muslimen werden die im Folgenden aufgeführten Fakten wohl kaum dienlich sein. Für uns als Christen können sie allerdings hilfreich aufzeigen, woher Mohammed vermutlich sein Wissen hatte. Viele Lehren und Erkenntnisse Mohammeds finden sich in nachfolgenden sechs Quellen wieder. Das legt nahe, dass Mohammed auf diese Quellen zurückgriff. Hier werden aus Platzgründen nur einige wenige Beispiele angeführt.
1. Quelle der heidnisch-arabischen Vergangenheit
a) Allah: Der Gottesname „Allah“ war schon vor Mohammed bekannt, und war keine Neuschöpfung. Mohammeds Vater hieß z. B. Abd-ullah (Sklave Allahs).
b) Kaaba: Die Kaaba wurde 60 v.Chr. von Deodorus Sicolus als Ort der Anbetung beschrieben. Bereits vor Mohammed war die Kaaba als Tempel für viele Gottheiten benutzt worden.
c) Hadsch: Die durch und durch heidnischen Wallfahrtspraktiken der Pilgerreise wurden von Mohammed eins zu eins übernommen, einschließlich dem Küssen des schwarzen Steins, dem Besuch von Safa und Marwa und dem Rennen zwischen den zwei Hügeln, ebenso das Steinewerfen gegen Steinsäulen, die den Teufel symbolisieren im Wadi Mina und das Schächten von Tieropfern in Mina.
d) Namaz-Gebet: Das ausgestorbene Volk der Sabäer, das vorher auf der arabischen Halbinsel lebte, hatte täglich sieben feste Gebetszeiten. Mohammed übernahm fünf davon einschließlich deren Namen. Die Sabäer beteten für die Toten, Muslime heute ebenso.
e) Ramadan: Die Sabäer fasteten jährlich 30 Tage und feierten ein Fastenbrechen am Ende dieser Tage, genau wie die Muslime heute.
2. Quelle des Jüdischen Talmud
a) Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. flohen einige jüdische Stämme auf die arabische Halbinsel und überlebten. Viele von ihnen hörten mehr auf Legenden (z.B. Hagadda) und den Talmud als auf das Alte Testament. Diese Juden damals und manche Juden heute glauben, dass Gott den Talmud den Zehn Geboten beigefügt habe und dass beide Duplikate der originalen himmlischen Bücher seien. Mohammed konnte diesem Denken gemäß den Koran hinzufügen. Verschiedene jüdische Traditionen und Gedankengut wurden in den Koran hinein gewoben.
…
Fragt man einen Muslim nach dem Kern des Islam, wird er in der Regel mit der 112. Sure (Die Aufrichtigkeit, „al-ichlas”) antworten: „Sprich: ‚Er ist Gott, ein Einziger, Gott, der Absolute, Er zeugte nicht und wurde nicht gezeugt, und keiner ist ihm ebenbürtig.‘“
Diese Einzigkeit Gottes ist zunächst gegen die Vielgötterei, dann aber auch gegen den dreieinigen Gott der Christen gerichtet (Sure 4,171; 5,76; 5,119). Jeder, der an diese Einheit Gottes nicht glaubt, begeht Schirk, die größte Sünde im Islam. „Wer Gott ein anderes Wesen zur Seite setzt, dem verzeiht er nicht“ (4,116). Die Einzigkeit Gottes hat außerdem weitreichende Auswirkungen auf jeden Bereich islamischen Glaubens und Lebens. Die Lehre des „Tauhid” (Einheit oder Einzigkeit) wird als das Proprium des Islam angesehen. Gott habe allen Propheten eine besondere Botschaft gegeben: Abraham die Botschaft, dass es nur einen Gott gibt, Mose die Botschaft des Lebens auf dem geraden Weg in den Geboten, Jesus die Botschaft der Liebe, und dem „Siegel der Propheten“ (Mohammed) eben die Botschaft des Tauhid. Diese Botschaft der Einheit ist es, die alle vorhergehenden Offenbarungen abschließt und zusammenfassend vereint. Wenn Jesus sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, zeigt das nach islamischem Verständnis, dass seine Botschaft nicht vollständig war. Das Reich des Islam ist diese Welt und die jenseitige, die sichtbare und unsichtbare Welt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, also ganzheitlich. Der Slogan der sogenannten Islamisten „Der Islam ist die Lösung” findet bei den meisten Muslimen Resonanz, ist er doch Ausdruck des Tauhid: Nicht viele Lösungen für viele Probleme, sondern eine Lösung für alles! Außerdem sei ein Gott logischer als drei in einem. So beschreibt Yusuf Ali in einer Koranausgabe mit englischer Übersetzung und Erklärungen, herausgegeben vom Islamic Center in Washington, dass das Problem der Menschheit darin liege, dass sie von der Einheit Gottes gefallen sei, was Disharmonie, viele Nationen, Sprachen und Gebräuche zur Folge hatte. Doch der Islam habe der Menschheit die Einheit und Harmonie wiedergebracht durch die Botschaft von dem einen Gott.
Am einfachsten lässt sich die Lehre des Tauhid an den 5 Säulen des Islam illustrieren:
Das Bekenntnis (schahada):
„Ich bezeuge, es ist kein Gott außer Gott und Mohammed ist der Prophet Gottes” wiederholt nicht nur im Wortlaut den monotheistischen Gedanken und den der Einzigartigkeit Mohammeds (der Prophet, nicht „ein Prophet”), sondern durch die Praxis der Schahada identifiziert sich die Umma, das Volk des Islam. Wer sie spricht, gehört dazu, wer nicht, eben nicht. Alle Muslime sprechen sie in ein und denselben Worten, in derselben Sprache, und selbst wer nicht mehr sprechen kann, erhebt den rechten Zeigefinger (der auf Arabisch „Zeuge“ heißt).
Das Gebet (salah):
Das Gebet zu den festgesetzten Tageszeiten beginnt immer mit dem Bekenntnis zu dem einen Gott und drückt in seinem Vollzug die Einheit der Umma im Gottesdienst aus. Man betet eben nicht irgendwie, irgendwo und irgendwas, sondern auf der ganzen Welt, unabhängig von der Landessprache betet man mit den exakt gleichen Worten, den exakt gleichen Bewegungen, den Verneigungen in eine Richtung (der Kaaba) zur (abhängig vom Sonnenstand) exakt gleichen Zeit, nachdem man die gleichen Waschungen durchgeführt hat. Auch der Umstand, dass der Imam (Vorbeter) nicht über den Gläubigen steht, sondern sich gleichzeitig mit den Gläubigen vor dem einen Gott neigt, drückt den Tauhid in der Anbetung aus, und erfüllt Muslime mit Stolz darüber, dass ihr System dem christlichen mit seiner (vermeintlichen) Hierarchie der Geistlichen überlegen sei.
…
Zu den „99 schönsten Namen Allahs” gehören auch: Al-Ghaffar (der viel Vergebende – 93-mal im Koran) und Al-Ghafur (der Vergebende – 91-mal im Koran). „Vergebung“ ist ein wichtiges Thema im Koran. Dabei werden die gleichen Begriffe benutzt wie in der arabischen Bibel. Wenn man allerdings den Zusammenhang beachtet, in dem sie jeweils stehen, treten deutliche Unterschiede im Verständnis von Vergebung zutage.
Vergebung für die Gläubigen
Zunächst scheint nach dem Koran das Verhalten des Menschen entscheidend zu sein: Denn auf Allahs Vergebung hoffen können die Gläubigen (Sure 57,28), die Frommen, Wahrhaftigen, Geduldigen und Demütigen (33,35). Wer glaubt und das Gute tut, erhält Vergebung (29,7). Den Ungläubigen vergibt Allah nicht (47,34; 9,80; 4,168f). Vergebung oder die Verweigerung von Vergebung erscheint demnach als ein Aspekt des vergeltenden, d. h. belohnenden oder bestrafenden Handelns Gottes.
Dass Gott die Sünder liebt und von Seiner Seite aus eine „Vorleistung“ erbringt, um sie von ihrer Schuld zu befreien, wie das die Bibel (z. B. in Röm 5,8) bezeugt, ist im Islam undenkbar. Denn: „Gott liebt die Ungläubigen nicht“ (Sure 3,32).
Vergebung - „wenn Gott will”
So sehr im Islam Gottes vergeltendes Handeln betont wird: im Zusammenhang von Schuld und Vergebung wird jedoch letztlich nicht nach Gottes Gerechtigkeit gefragt: ob es etwa mit Seiner Gerechtigkeit vereinbar sei, wenn Er Schuld ungestraft lässt. Er kann vergeben, wenn Er will. So kann es im Koran heißen: „Allah vergibt, wem er will“ – ohne alle Vorbedingungen (Sure 48,14; 2,284; 5,18). Die Vergebung steht letztlich unter Gottes Allmacht.
Dem gegenüber betont die Bibel, dass die Schuld wirklich beseitigt wurde (1. Petr 2,24), indem Jesus Christus stellvertretend für alle Menschen die Strafe für die Sünde, den Tod, erduldet hat (Jes 53,5; 1.Kor 15,3) – und dass Gott „treu und gerecht“ ist, wenn Er auf dieser Grundlage demjenigen vergibt, der seine Schuld bekennt (1.Joh 1,9).
Gewissheit der Vergebung?
….
Leerseite
Im zweiten Teil geht es um Pflichten, die jeder Muslim erfüllen muss. Es handelt sich also um die Ausübung der religiösen Praxis.
Wortbedeutung
Das arabische „as-sadschda „ (türk. „secde“) heißt wörtlich Niederwerfung, Anbetung. Ein weiteres Wort „`ibadah“ stammt vom Arabischen „abd“, was „Sklave“ oder „Diener“ bedeutet. `Ibadah (türk. ibadet) ist demnach Dienst oder Knechtschaft. Es geht darum, sich Allah zu unterwerfen und ihm allein zu dienen: Gottesdienst. „Dir dienen wir, und dich bitten wir um Hilfe“ (Sure 1,5) wird auch mit „Dich beten wir an“ übersetzt. Der andere Aspekt ist, sich Hilfe zu erbitten. Man erwartet alle Hilfe von dem, den man anruft, Gott allein (Sure 6,162-163). Das rituelle Gebet (arab. salah, türk. salat) ist die höchste Form der islamischen Anbetung.
Was umfasst Anbetung im Islam?
Anbetung bedeutet nicht nur rituell zu beten, sondern meint auch totalen Gehorsam, Knechtschaft, Unterwerfung unter Allah. Ihn anzubeten heißt, seinen Befehlen im Koran und dem Propheten Mohammed zu gehorchen. Darin ist sowohl der Glaube an die islamischen Glaubensartikel enthalten (an Allah, die Bücher, die Propheten, den letzten Tag, die Engel) als auch die Umsetzung der Pflichten (Pflichtgebet, Fasten, Almosen, gute Werke… Sure 2,177). Islamische Anbetung oder Gottesdienst beinhaltet, alles zu tun und zu sagen, was Allah liebt, und alles zu lassen, was er nicht will. Alle Aspekte und Aktivitäten des Lebens sind davon betroffen und sollen eine Anbetung Allahs sein, also auch nichtrituelle Bereiche wie z. B. die normale Arbeit (– vgl. auch Röm 12,1).
Zur Geschichte der Anbetung im Islam
In der vorislamischen Zeit beteten Araber ihre verschiedenen Gottheiten in Mekka an. Sie vollzogen eine Wallfahrt mit Opferriten und vorformulierten Gebeten zu verschiedenen Göttern. – Das Freitagsgebet wurde von Mohammed als Zentrum der Anbetung gesehen, doch er erlebte, wie ihn seine Anhänger aus geschäftlichen Gründen freitags alleine ließen und nicht zum Freitagsgebet erschienen (Sure 62,9-11). Unzählige Male weist Mohammed auf dieses Zentrum der islamischen Praxis hin, das rituelle Gebet, um seine Nachfolger an sein Verständnis der Anbetung Gottes zu binden. Nur die Hadithen geben Muslimen detailliert Aufschluss, wie sie anbeten sollen. – Vielen Muslimen ist heute die Wiederholung derselben Worte und Bewegungen eine nichtssagende Routine und müßige Pflicht. Es ist eine Anbetung, die nach Auffassung mancher Muslime notfalls auch mit Gewalt eingefordert werden kann, so z. B. mit Stockhieben auf die Fußsohle und Gefängnisstrafe (Hanefiten) oder deren Unterlassung laut einiger Lehrschulen sogar zum Todesurteil führt (nach wiederholter Aufforderung zum Gebet und Unterlassung bei den Malekiten, Schafiten und Hanbaliten). Obwohl anfangs Mohammed sich und seinen Anhängern große Leidensbereitschaft und Toleranz Andersgläubigen gegenüber abverlangte, zwang er später unter Gewaltandrohung Vertreter der Vielgötterei zu seiner Art der Eingottanbetung (Sure 9,5 = zweitletzte offenbarte Sure). Polytheisten wurde Anbetung und selbst das Betreten der Moschee um die Kaaba verboten (Sure 9,28).
Voraussetzungen für Anbetung
Das rituelle Gebet als Zentrum der Anbetung Allahs ist nur „gültig“, wenn vorausgehend die rituelle Reinigung stattfindet, die Gebetsrichtung nach Mekka stimmt, die Absicht zum Gebet ausgesprochen wird und die richtigen Bewegungen simultan zur arabischen Rezitation stattfinden. Wenn aber ein Esel, ein Hund oder eine Frau vor dem Beter vorbeigeht, ist das Gebet „ungültig“. – Es wird also auf das Äußere bei Anbetung sehr geachtet – mehr als auf das Innere?
Anbetung Allahs allein
Nur Allah allein darf angebetet werden und keine anderen Götter neben ihm (Sure 12,106; vgl. auch 2.Mose 20,3). Tauhid ist das Konzept des einzigen Gottes, der das Zentrum der richtigen Gottesverehrung ausmacht: „Diese eure Religion ist die einzig wahrhaftige, und ich bin euer Herr; darum verehrt nur mich“ (Sure 21,92). Demnach soll niemand angerufen, zu niemand gebetet, für niemand gefastet, für niemand auf die Wallfahrt gegangen werden als nur für Allah. Selbst Vermittler und Helfershelfer, die dazu beitragen sollen, zu Gott zu kommen, sind laut Koran verboten (Sure 39,3).
Die Kaaba gilt als zentraler Ort der Anbetung, auf den sich alles ausrichtet. Sie ist der Ort, an dem Muslime aus allen Völkern in der gleichen Kleidung mit einer Stimme in einer Sprache (Arabisch) Allah anbeten wollen. Interessant ist, dass der Koran die Anbetung von Steinen bzw. das Opfern für Steine verbietet (Sure 5,90). Doch Mohammed selbst küsste und berührte den schwarzen Stein an der Ecke der Kaaba während seiner Wallfahrt (Hadith: Al-Buchari, Band 2, Buch 26, Nr. 673+680). Einer der Nachfolger Mohammeds war über diesen Akt des Götzendienstes schockiert (Hadith: Al-Buchari, Band 2, Buch 26, Nr.667+675+679).
Anbetung von Adam?
Obwohl nur Allah angebetet werden darf, befiehlt Allah den Engeln, sich vor Adam niederzuwerfen. Alle Engel warfen sich vor Adam nieder außer Satan, was dessen eigentliche Sünde ausmachte, so der Koran (Sure 2,34; 7,11-13; 15,28-33; 17,61; 20,116). Doch nicht nur vor Adam fallen Geschöpfe nieder, sondern auch die Eltern vor Joseph in Ägypten (Sure 12,99-100). Eine Geste, die eigentlich ausschließlich Gott vorbehalten ist. (Etliche Muslime sehen allerdings einen Unterschied zwischen der Form der Niederwerfung, die sich auch in der Huldigung vor einem König finden kann, und der Anbetung, die nur Gott zusteht.) Man muss sich jedoch fragen, warum die Engel sich vor einem Geschöpf niederwerfen, anstatt direkt Gott anzubeten. Das ist ein seltsamer Vorgang und ein Ansatz für ein evangelistisches Gespräch über den zweiten Adam, vor dem sich alle Welt beugen wird (Röm 5,18; 1.Kor 15,45; Phil 2,10).
Sufis und Anbetung
Muslime beten nicht im christlichen Sinne Allah aus Dankbarkeit an und weil sie Gewissheit für die ewige Erlösung fanden, sondern aus Pflichtgefühl in einer mehr oder weniger äußeren Form. Sufis, also muslimische Mystiker, die viele christliche und hinduistische Elemente aufgenommen haben, versuchen teilweise, Gott um seiner selbst willen anzubeten. Mit Musikinstrumenten meditieren sie über einer Art Mantra, das sie unzählige Male vor sich hersagen, um sich mit Gott zu vereinen. Dschalaluddin Rumi (1207-1273) ist bekannt für seine Poesie mit dem Ziel der Anbetung Allahs und einer Art Stufenislam, den er einführte, der immer näher zu Gott führen soll. Bekannt sind die sich im Tanz drehenden Derwische (Mevlana) Rumis. Unter Dhikr (arabisch „Gedenken“; auch Dhikrullah, „Gedenken an Allah“) versteht man im Islam die intensive laute oder leise Anbetung Allahs in der Regel als Zeremonie der Sufi-Orden. Gegenstand dieser Anbetung und Anrufung Gottes sind meist die 99 schönsten Namen bzw. Attribute Allahs. Die am meisten verwendeten Formeln sind Ya Allah („Oh Allah“), Ya Hu (etwa: „Oh Er“) und Ya Hayy („Oh Lebendigkeit“). Darüber hinaus wird sehr oft gemeinschaftlich die Schahada (das islamische Glaubensbekenntnis) gesprochen: La ilaha illa Allah („Es gibt keinen Gott außer Allah“). Aus solchen Praktiken entstehen tranceartige Zustände, die sich ähnlich auch bei schiitischen Glaubensrichtungen finden.
Mohammeds Problem mit der Anbetung Jesu
Der Koran betont wiederholt, Allah habe keinen Sohn (Sure 9,30f; 18,4; 23,91). Allah scheint Mohammed die Worte förmlich in den Mund gelegt zu haben „Sprich: So der Allbarmherzige einen Sohn hätte, so wäre ich der Erste, der ihn verehrte“ (Sure 43,81). Da niemand außer Gott angebetet werden darf, argumentiert Mohammed gegenüber Christen, dass ein Prophet niemals sagen würde: „Betet mich an der Stelle Gottes an“(Sure 3,79). Diese Aussage wäre durchaus richtig, wenn Christus zu einem zweiten Gott neben Gott erklärt würde (die schlimmste mögliche Sünde für Muslime, der „Schirk“). Denn keine Partner an Gottes Seite sind erlaubt (Sure 3,64), auch nicht Jesus Christus, der nach islamischer Lehre nur ein Mensch, wenn auch Prophet war (Sure 3,79-80). Christen werden gerügt, weil sie Christus als den Sohn Gottes und Mensch gewordenen lebendigen Gott anbeten (Sure 9,30-31). Der Koran lässt Jesus sogar sagen, dass er niemals befahl, ihn selbst und seine Mutter Maria anzubeten (Sure 5,116-118). In der sechstletzten offenbarten Sure 109,1-6 distanziert sich Mohammed endgültig von Nichtmuslimen in der Anbetung Gottes: „Ich werde auch nie verehren das, was ihr verehrt, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.“ Das widerspricht früheren Suren die besagen, dass Christen, Juden und Polytheisten denselben Gott wie Mohammed anbeten (Sure 2,62+139; Sure 10,104; 40,66: Polytheisten, die außer den anderen Göttern auch Allah dienten).
Bewertung aus christlicher Sicht
Über äußere Gebetsformen gibt die Bibel keine Anweisungen. Es wurde stehend, sitzend und kniend gebetet. Es wurden beim Beten wohl die Hände empor gestreckt oder auch nicht. In 2.Mose 3,12.18 sehen wir angekündigt, wie das Volk Israel auf dem Berg Sinai den lebendigen Gott in Wahrheit anbeten wird, nachdem er sie aus Ägypten auf herrliche Weise gerettet haben wird. Nach erlebter Erlösung aus der Knechtschaft folgt ganz natürlich Dank und wahre Anbetung Gottes, der in seinem Wesen treu und zuverlässig ist. Wenn aber keine Gewissheit auf Erlösung vorhanden ist (im Islam nur eine vage Hoffnung, Sure 28,67), kann Gott auch nicht auf diese Weise angebetet werden. Außerdem sehen wir in 2.Mose 3,18, dass Anbetung mit Opfer zu tun hat (s.a. erste Erwähnung von „anbeten“ in der Bibel in 1.Mose 22,5: Isaaks Opferung durch Abraham), letztendlich mit dem ultimativen Opfer Jesu, dem Vergießen des Blutes Gottes (Apg 20,28), was im Islam abgelehnt wird. Das ist ein weiterer Hinweis auf die fehlende „wahre Anbetung“ in Wahrheit und im Geist im Islam.
Christus sagt klar: „… (dass) alle den Sohn ebenso ehren wie den Vater. Doch wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat“ (Joh 5,23). Wer dem Sohn die Ehre verwehrt, verweigert sie auch Gott, dem Vater. Unsere Anbetung und Ehre gehört dem Vater und dem Sohn (Joh 8,49; 15,23; Phil 2,10f; Hebr 1,6; 1.Joh 2,23). Weil Jesus der Weg und die Wahrheit und das Leben ist, es keinen anderen Weg der Rettung aus Sünde und ewigem Tod gibt, deshalb wird ein Mensch, der diesen Christus nicht anbetet, das himmlische Ziel nicht erreichen. Am Ende der Zeit wird Christus von einer unzählbaren Zahl von Engeln als das Lamm angebetet und alle Geschöpfe beten den, der auf dem Thron sitzt und das Lamm an. (Offb 5,12-14). Gott erwartet unsere Anbetung, aber er erzwingt sie nicht. Bei Gott kommt falsche Anbetung nicht an. Echte Anbetung kommt aus unserem Inneren aufgrund von Dankbarkeit und Erkenntnis Gottes.
Vorkommen und Gebrauch
1. Als erste der fünf Säulen des Islams finden wir das muslimische Glaubensbekenntnis (arab. schahada), das aus zwei Teilen besteht: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Gott gibt, und bezeuge dass Mohammed der Gesandte Gottes ist“ (arab.: „aschhadu an la ilaha illa llah, aschhadu anna Mohammadan rasulu llah“).
Mit diesem Bekenntnis in Gegenwart von zwei Zeugen wird ein Nichtmuslim in die islamische Gemeinschaft aufgenommen. Es folgt noch die Beschneidung des männlichen Konvertiten. Diese Konversion kann man nicht mehr rückgängig machen, ohne Kopf und Kragen zu riskieren: „Wer seinen Glauben ändert, den sollt ihr töten.“ (Hadith: Al-Buchari Nr. 2794).
Gott wird nach islamischer Auffassung alle Sünden vergeben bis auf die Sünde der Beigesellung (Schirk), den Götzendienst, bei dem neben Gott noch andere Götter anbetet werden.
2. Im weiteren Sinne ist die Schahada das Zeugnis, das man dadurch ablegt, dass man für den Islam mit den Waffen kämpft, und vor allem dadurch, dass man für ihn im Dschihad stirbt. Den Muslim, der in der Schlacht fällt, nennt man Schahid, d. h. Zeuge, Märtyrer. In der Türkei werden die für das Vaterland gefallenen Soldaten Schehit (Şehit) genannt.
3. Im bürgerlichen und gesetzlichen Sinne kann man als Zeuge aussagen, z. B. als Trauzeuge oder im Falle eines Ehebruchs.
Entwicklung der Schahada
…
Das Fasten im Monat Ramadan gehört zu den „5 Säulen“ des Islam. Es ist für jeden erwachsenen Muslim „unbedingt geboten“. Allen, die das Fastengebot bewusst übertreten, wird Strafe angedroht – sofern sie nicht eine der im Koran genannten Ausnahmeregelungen für sich in Anspruch nehmen können.
Das arabische Wort „sawm“ hat die Grundbedeutung: „sich enthalten“ – z. B. vom Reden, Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr.
Schon vor dem Auftreten Mohammeds war auf der arabischen Halbinsel das Fasten als religiöse Praxis bekannt. Mohammed selber hat sich bereits vor seiner Berufung zum „Propheten“ zu Fasten und Meditation in die Wüste zurückgezogen.
Als Pflicht für die Muslime wurde das Fasten erst in Medina eingeführt. Dort kamen Mohammed und seine Anhänger in Kontakt mit Juden; Mohammed war sehr interessiert an einem Bündnis mit ihnen gegen die Mekkaner. Um die Juden zu gewinnen, hielten er und die Muslime und andere mit ihnen das Aschura-Fasten (das Fasten am Versöhnungstag – vgl. 3. Mose 16) ein. Die Juden ließen sich jedoch nicht für ein Bündnis gewinnen. Nach der Schlacht bei Badr, in der Mohammed einen entscheidenden Sieg über die Mekkaner errungen hatte, brauchte er die Juden nicht mehr; das Fasten wurde nun bezogen auf die Herabsendung des Koran (Sure 2,185).
Der Fastenmonat Ramadan
In der 27. Nacht des Monats Ramadan (lailat al-qadr – „Nacht der Macht“; vgl. Sure 97 und 44,3) soll Mohammed seine erste Offenbarung (Sure 96,1-5) durch den Engel Gabriel empfangen haben. So wurde der Monat Ramadan, der 9. Monat des muslimischen Mondjahres, zur vorgeschriebenen Fastenzeit.
Das Fasten beginnt mit dem Tag, an dem die Mondsichel neu am Himmel erscheint; nach etwa 30 Tage, mit erneutem Sichtbarwerden der Mondsichel, ist der Fastenmonat zu Ende. Es folgt das Fest des Fastenbrechens (`id al-fitr, auch „kleines Fest“ oder „Zucker-Fest“ – Türkisch: Şeker Bayramı). – Da die Mondmonate kürzer sind als die Monate im Sonnenjahr, wandert der Ramadan in 34 Jahren einmal durch alle Jahreszeiten.
Fastenpraxis im Monat Ramadan
…
Im Islam gibt es verschiedene Arten von Gebeten.
Das Pflichtgebet
Das rituelle Gebet (salat) wird fünfmal täglich verrichtet. Im Koran sind nur drei Gebetszeiten aufgeführt und der Ablauf der Gebete wird nicht beschrieben. Erst im „Hadith“ (Reden und Leben Mohammeds) finden wir genauere Ausführungen.
Voraussetzung für das „salat“ ist die rituelle Reinigung, eine geeignete Kleidung (umstritten ist, wie viel bedeckt sein soll), ein Ort, der für das Gebet bestimmt wird (sutra), die Gebetsrichtung Mekka und die „Absichtserklärung“ der betenden Person, jetzt beten zu wollen. Das „salat“ wird ausschließlich in Arabisch gesprochen und mit bis ins Detail vorgeschriebenen Bewegungen ausgeführt, wobei sich die Abläufe und Gebetsrezitationen mehrfach wiederholen.
Das „salat“ ist ein Pflichtgebet, das Gott den Menschen auferlegt haben soll. Mohammed konnte dieses Pflichtgebet bei Gott von 50 vorgeschriebenen täglichen Gebeten auf fünf Gebete herunterhandeln (Hadith Al-Buchari 5,227).
Dieses Gebet hat eine stark ordnende und einende Wirkung im Islam, damals wie heute. Überall auf der ganzen Welt wird ein und dasselbe „salat“ auf Arabisch gesprochen. Dieses Pflichtgebet ist so wichtig, dass es bei Versäumen nachgeholt werden muss. Grundsätzlich ist jeder für sein „salat“ selbst verantwortlich und erhält bei Unterlassung einen mehr oder weniger großen Schuldeintrag im „himmlischen Konto“. Doch bei absichtlichem Unterlassen des „salat“ wird man auch mit Strafe durch andere Muslime bedroht, im Extremfall bis zum Todesurteil.
Freiwillige Gebete
1. Es gibt drei weitere freiwillige Gebete zusätzlich zu den fünf täglichen Pflichtgebeten. Sie werden zwischen die Pflichtgebete eingeschoben und laufen gleich ab.
2. Lange vorformulierte Gebete, die „hizb“ bzw. „wird“ genannt werden. Angehörige religiöser Bruderschaften rezitieren sie mit besonderem Eifer. Man findet sie in ihren Gebetsbüchern. Die „hizb“-Gebete nehmen sich Gebete von islamischen Führern zum Vorbild und beinhalten Koranstellen. Lob- und Bittgebete und mitunter auch Sündenbekenntnisse.
3. Kurze Ausrufe …
Die Hadsch ist die fünftägige islamische Pilgerfahrt nach Mekka in Saudi-Arabien. Sie ist die fünfte Säule des Islam und findet durch den Mondkalender verschoben jährlich zu einer anderen Zeit statt. Jeder freie volljährige Muslim (Frauen nur in Begleitung), der es sich leisten kann, ist verpflichtet, mindestens einmal im Leben nach Mekka zu pilgern (Sure 3,97). Eine solche Person erhält den Ehrentitel „Hadschi„. Die kleine Wallfahrt, die „Umra“, die zu jeder Jahreszeit möglich ist, stellt eine verkürzte Version der Hadsch dar, kann sie aber nicht ersetzen. Oft wird die Umra mit der Hadsch kombiniert. Von Saudi-Arabien werden für jedes Land Pilgerkontingente zugeordnet, damit die Teilnehmer (ca. 2 Millionen) zu bewältigen sind. Muslime erleben auf der Hadsch ein starkes Gemeinschaftsgefühl mit Muslimen aus allen Völkern und Rassen.
Geschichte und religiöser Hintergrund der Hadsch
Bereits vor der islamischen Zeit war die Hadsch ein heidnischer Brauch, bei dem eine große Anzahl von Göttern, besonders der Gestirne verehrt wurden, unter anderem der Mondgott Hubal mit dem schwarzen Stein. Dieser Stein ist heute weltweit die Gebetsorientierung für alle Muslime. Ihn zu küssen war für bedeutende Mitkämpfer Mohammeds, z. B. Omar, ein großes Problem. Sie ließen sich nur durch eine weitere Offenbarung Mohammeds überzeugen. Der schwarze Stein befindet sich in der südlichen Ecke der leeren „Kaaba“ (arab. für „Würfel“), welche eine Seitenlänge von ca. 15 Metern aufweist und mit einem goldbestickten schwarzen Tuch jährlich neu eingehüllt wird. Nach islamischer Auffassung soll bereits Adam die Kaaba gebaut haben. Während Noahs Flut soll sie zerstört worden sein. Anschließend habe Abraham mit seinem Sohn Ismael sie nach göttlicher Offenbarung wieder aufgebaut („Als Abraham und Ismael den Grund zu diesem Hause legten, da flehten sie: O Herr, nimm es gnädig von uns an. Zeige uns unsere heiligen Gebräuche“, Sure 2,127-128). Auch das Opfern eines Tieres während der Hadsch geschieht in Andenken an Abraham, der seinen Sohn verschonte (Sure 37,107). Mohammed soll die Hadsch nach erneutem Missbrauch wieder richtig eingesetzt haben.
Ab 400 n.Chr. lässt sich der Kaaba-Bau historisch belegen. Die Kaaba wurde mehrfach in der Geschichte durch Fluten und Angriffe beschädigt. Die ismaelitische Sekte der Qaramitah (Karmaten) raubte 930 n.Chr. sogar den schwarzen Stein aus Mekka, spaltete ihn in mehrere Teile und verübte unter den Pilgern ein Massaker.
Ablauf der Hadsch
Bei dem sehr komplizierten Ritual kann in der Praxis viel falsch gemacht werden und damit ist die Hadsch ungültig und muss wiederholt werden. So müssen bestimmte arabische Gebete und Lobpreis an bestimmten Stellen dargebracht und die Geschwindigkeit des Gehens richtig angepasst werden.
…
Immer wieder einmal protestieren Muslime gegen christliche „Missionierung“ – und weisen in diesem Zusammenhang oft darauf hin, der Islam sei tolerant gegenüber anderen Religionen und „missioniere“ nicht. In der Art der Ausbreitung bestehen tatsächlich große Unterschiede zwischen Islam und christlichem Glauben. Natürlich gibt es auch Ähnlichkeiten: beide verbreiten ihre Schriften, laden zu Informationsveranstaltungen ein, führen Gespräche mit Interessierten…
Sicherlich längst nicht alle Muslime, aber doch einige führende Personen und islamische Organisationen arbeiten intensiv daran, den Einfluss des Islam zu intensivieren – auch in Gebieten, die nicht traditionell islamisch sind. Dazu wird, je nach Situation, eine ganze Palette von Mitteln angewandt. Vieles davon dient zunächst einmal hauptsächlich dazu, dass Muslime entsprechend den Vorschriften ihrer Religion leben können; es hat aber zugleich Auswirkungen auf die übrige Gesellschaft.
Wenn hier einige Methoden skizziert werden, die Muslime einsetzen, um den Islam zum Thema zu machen und eine Gesellschaft islamisch zu beeinflussen, behaupten wir damit nicht, dass Christen sich nicht ähnlich verhalten können. Wir wollen auch nicht Muslimen das Recht absprechen, ihre Religion auszubreiten, oder alle angewandten Methoden von vornherein als unlauter verdächtigen. Menschen in Europa sollten einfach informiert sein, dass sehr wohl an der Ausbreitung des Islam gearbeitet wird und wie das geschieht. Neben den unterschiedlichen Informationsveranstaltungen, wozu auch der „Tag der offenen Moschee“ zu rechnen ist, werden folgende Mittel eingesetzt:
Der Bau von Moscheen dient natürlich dem Gebet und der Unterweisung im Islam durch Freitagspredigt und Koranunterricht. Zugleich „sprechen“ vor allem die repräsentativen Moscheebauten von der Anwesenheit des Islam und sind Orte, wo interessierte Nichtmuslime über den Islam informiert werden können. Welche Bedeutung dem von muslimischer Seite zugemessen wird, ist ablesbar an der Tatsache, dass christlichen Gemeinden in vielen islamischen Ländern große Schwierigkeiten gemacht werden, in ähnlicher Weise Kirchen zu bauen.
…
Muslime reden in der Regel nicht gern von islamischer „Mission“, denn Gesandte (= Missionare) Gottes sind eigentlich nur einige der wichtigsten Propheten. Mit der Sendung Mohammeds, des „Siegels der Propheten“ (Sure 33,40) und der Herabsendung des Koran ist die göttliche Mission zum Abschluss gekommen.
Dennoch ist der Islam in dem Sinne eine „missionarische“ Religion, dass er auf Ausbreitung angelegt ist. Er beansprucht universale Gültigkeit (Sure 34,28). Sein Ziel ist die Aufrichtung der islamischen Ordnung bzw. Herrschaft über die ganze Welt und über alle Lebensbereiche aller Menschen.
Diesem Ziel dienen die verschiedenen Formen oder Stufen des „Dschihad“, der Anstrengung für die Sache Allahs. Dschihad kann passiver Widerstand oder sogar nur innere, gedankliche Verurteilung einer unislamischen Handlungsweise sein, aber auch verbale Angriffe gegen andere, als verkehrt angesehene Religionen bis hin zum bewaffneten Kampf umfassen.
„Da`wah“ ist eine Form des Dschihad. Sie kann von Muslimen als „Dschihad mit Worten“ bezeichnet werden (Ömer Öngüt, Islam, Istanbul 1996, S. 334f).
Die Grundbedeutung des arabischen Wortes „da`wah“ ist: Ruf. Es kann außerdem Aufruf, Aufforderung, Einladung, Propaganda etc. bedeuten. Im Kontext des islamischen Rechts ist „Da`wah“ der Ruf oder die Einladung an Einzelne oder Gruppen von Menschen, den Islam anzunehmen bzw. sich Allah zu unterwerfen. Dabei werden sie nach islamischem Verständnis aufgefordert, zum Islam zurückzukehren, da ja alle Menschen eigentlich als Muslime geboren werden.
Als koranische Grundlage für die Da`wah wird oft Sure 16,125 zitiert: „Rufe zum Weg deines Herrn mit Wahrheit und guter Ermahnung und streite mit ihnen auf die beste Art...“
Unterschiede zwischen biblischer „Mission“ und islamischer „Da`wah“
Aus der Tatsache, dass der Islam innerweltlich die Herrschaft Allahs aufrichten und ausweiten will und keine strikte Trennung von Religion und Staat kennt, ergeben sich grundlegende Unterschiede zwischen der islamischen „Da`wah“ und dem biblischen Missionsverständnis:
1. Nach biblischem Verständnis kann die Gemeinde Jesu Christi nur durch „Mission“ aufgebaut und ausgebreitet werden.
…
Das „Opferfest“ (arab.: 'id al-adha, türk.: Kurban Bayramı ) wird auch „das Große Fest“ genannt, da es im Vergleich mit dem „kleinen Fest“ des Fastenbrechens als das bedeutendere gilt. Das Fest beginnt immer am 10. Tag des islamischen Monats Dhu l-Hidschdscha und dauert zwei bis vier Tage. Da das islamische Jahr ein Mondjahr ist und nur 354 oder 355 Tage umfasst, verschieben sich die Feste in Bezug auf unsere Jahreseinteilung jedes Jahr um 10 oder 11 Tage nach rückwärts.
Die Opferung ist eines der Rituale während der Pilgerfahrt der Muslime nach Mekka. Im Tal von Mina bei Mekka werden dabei am festgesetzten Tag Hunderttausende von Tieren geschlachtet. Gleichzeitig wird dieses Opfer und das anschließende Fest auch von Muslimen in der ganzen Welt vollzogen. Gemäß der „Sunna“ (der vorbildlichen Lebensweise des Propheten Mohammed) ist das Opfer verbindlich für jeden freien Muslim, der es sich leisten kann.
Geopfert wird meist ein männliches Schaf, möglich sind aber auch Ziegen, Kühe, Kamele. In der Regel schlachtet der Familienvater das Tier für seine ganze Familie. Die Tiere müssen fehlerfrei sein. Die Opferungshandlung wird nach einem festgesetzten Ritus vollzogen. Dabei wird das Opfertier mit dem Kopf Richtung Mekka gelegt. Der Vater oder derjenige, der an seiner Stelle schlachtet, spricht verschiedene Gebetsformeln, zerschneidet dann die Halsschlagader des Tieres und lässt es ausbluten. Als Regel gilt manchmal: ein Drittel des Fleisches verzehrt der Vater mit seiner Familie, der Rest wird verschenkt – idealer Weise an ärmere Leute in der Umgebung. (s. http://islam-auf-deutsch.de/islam-praxis/66-opfergabe-und-opferfest/1203-verteilung-und-verzehrung-des-opferfleisches)
Beim Schächten wird die Formel gesprochen: „Im Namen Gottes. Gott ist groß. Herr Gott, in deinem Namen, durch dich und für dich. Nimm es von mir an, wie du es von deinem Freund Abraham angenommen hast.“ Das Opferfest ist das „Fest Abrahams“. Obwohl die Opfer auf vorislamische Bräuche während der Pilgerfahrt zurückgehen, verbindet die islamische Überlieferung sie mit Abraham, der auf Befehl Gottes bereit gewesen sein soll, im Tal Mina seinen Sohn Ismael (nicht Isaak! - im Koran selbst wird allerdings gar kein Name erwähnt) zu opfern. Gott habe dann Ismael „mit einem großes Schlachtopfer“ (Sure 37, 106 – hier ähnelt die koranische Darstellung dem biblischen Bericht) ausgelöst. Der Engel Gabriel bringt als Ersatz für das Menschenopfer einen Hammel als Opfertier.
Welche Bedeutung verbinden Muslime mit dem Opfer? Im Koran wird betont, dass sich Abraham und sein Sohn „ergeben gezeigt“ hätten (37, 103). Die Opferbereitschaft Abrahams und auch das Opfer der Muslime soll also Ausdruck der unbedingten Hingabe, des bedingungslosen Gehorsams des Menschen an Gott sein. Der Gläubige, der das Opfer vollzieht, stellt damit sein ganzes Leben Gott zur Verfügung. „Wenn einer die Opfertiere Gott hochhält, ist es ein Ausdruck der Frömmigkeit des Herzens.“ (Sure 22, 32)
…
Schlägt man das Wort „Zakāt“ in einem arabischen Wörterbuch nach, findet man neben „Almosen“ und „Armensteuer“ auch „Reinheit“ und „Gerechtigkeit“ als mögliche Bedeutungen angegeben. (Das „Z“ von Zakāt wird wie ein stimmhaftes „S“ ausgesprochen.) Zakāt ist abgeleitet von einem Verb, das sowohl „gedeihen, wachsen“ als auch „rein, gerecht, gut sein“ bedeuten kann. So wird dem Geben von Zakāt die Wirkung zugeschrieben, das Vermögen zu reinigen und segensreich zu vermehren – wie in einem Brunnen reines Wasser nachfließt, nachdem Wasser heraufgezogen wurde, und wie die Reben, die beschnitten werden, mehr Trauben hervorbringen.
Zakāt wird im Koran an verschiedenen Stellen als eine der grundlegenden religiösen Pflichten erwähnt – oft in Verbindung mit dem Gebet (Sure 2,110). – Nach Sure 2,177 besteht wahre Frömmigkeit darin, Verwandten, Waisen, Bedürftigen, Reisenden und Bettlern Geld zukommen zu lassen und es für den Loskauf von Sklaven und Gefangenen auszugeben. In Sure 2,277 wird denen, die Zakāt entrichten, Gottes Lohn versprochen. – Auch Jesus waren laut Koran (Sure 19,31) Gebet und Almosen (Zakāt) von Gott anbefohlen worden.
Schon zu Lebzeiten Mohammeds wurde Zakāt in der islamischen Gemeinschaft eine förmliche Steuer. Grundprinzipien ihrer Verwendung werden in Sure 9,58-60 genannt. Die islamischen Rechtsgelehrten fixierten später genau, unter welchen Voraussetzungen Zakāt zu geben war, und legten die Beträge, die zu entrichten waren, im Einzelnen fest.
Zakāt ist eine der „fünf Säulen“ des Islam und deshalb für Muslime – wie Glaubensbekenntnis, rituelles Gebet, Fasten und Pilgerfahrt – unbedingt geboten. Regelmäßig einmal pro Jahr ist diese Abgabe zu entrichten. – Im Zusammenhang mit Zakāt ist es angemessener, nicht von „Almosen“ zu sprechen, sondern wegen ihres offiziellen und verpflichtenden Charakters eher von „Armensteuer“ (obwohl nicht nur Arme davon profitieren können), bzw. von „Sozial-“ oder „Pflichtabgabe“. – Zakāt wird auch in Deutschland von Muslimen entrichtet, die Kontakt zur Moschee haben.
Neben der absolut gebotenen Zakāt gibt es auch noch das „Almosen des Fastenbrechens“, das zum Fest am Ende des Ramadan weitergegeben werden soll; dieses wird als „Pflicht“ bezeichnet, aber nicht als „unbedingt geboten“. – Als verdienstvoll gelten außerdem freiwillige „Almosen“ (sadaka); ein solches Almosen kann auch der Erlass von Schulden sein (2,280). Die freiwilligen Spenden sind an keine Zeit gebunden.
Dass für alle Muslime Zakāt eine unbedingte Pflicht ist, bedeutet allerdings nicht, dass alle Muslime auch tatsächlich Zakāt entrichten müssen. Voraussetzung dafür ist, dass jemand Vermögen hat, das nach Abzug von Schulden und sogenannten „Grundbedürfnissen“ ein bestimmtes Mindestmaß (Nisab) übersteigt, und dass dieses seit einem vollen Jahr in seinem Besitz ist. Für einzelne Vermögenskategorien (Vieh, Edelmetalle etc.) wurden von den Rechtsgelehrten Mindestbeträge festgelegt, von denen ab (im Rahmen einer islamisch organisierten Gemeinschaft) Zakāt zu entrichten sei. Zakāt ist zu entrichten für Gold, Silber, Bargeld, Handelswaren, Haustiere, Getreide und Früchte.
Beträge
…
Leerseite
Wie entstand der Islam? Welche theologischen Entwicklungen lassen sich aus der Geschichte des Islam erkennen? Welche Gruppen gibt es und worin unterscheiden sie sich?
Aischa war die dritte und jüngste der Frauen des islamischen Propheten Mohammed. Sie gehört damit zu den zwölf „Müttern der Gläubigen“, die als die größten Vorbilder für die muslimischen Frauen gelten. Nach islamischen Quellen ergibt sich in groben Zügen folgendes Bild ihres Lebens und ihrer Persönlichkeit:
Ihre Herkunft
Der Name Aischa bedeutet „die Lebende“. Sie war die Tochter Abu Bakrs aus dem Stamm Quraisch. Abu Bakr war der erste erwachsene Mann, der Muslim wurde. Er war Geschäftsmann und wegen seines guten Charakters und seiner Hilfsbereitschaft hoch geachtet. – Aischa wurde im Jahr 613 oder 614 in Mekka geboren und starb 678 in Medina. Sie war von Geburt an eine Muslima, da ihre Eltern schon zuvor den Islam angenommen hatten.
Der Zeitpunkt der Eheschließung
Über das Heiratsalter Aischas sind Muslime sich nicht einig. Einige versuchen zu beweisen, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mindestens 14 Jahre alt gewesen sein müsse, andere dass sie sogar 19 oder 20 Jahre alt gewesen sei.
Die gängige Meinung ist allerdings: der Prophet hat sich noch in Mekka mit Aischa verlobt, als sie sechs oder sieben Jahre alt war. (Sie war zuvor schon Gubair, Sohn des Al Mutamm, versprochen gewesen.) Die Hochzeit und der Vollzug der Ehe fanden drei Jahre später nach der Schlacht von Badr in Medina statt – als sie 9 Jahre alt war.
Diese Eheschließung in frühem Alter wird von Muslimen mit folgenden Gründen erklärt und gerechtfertigt:
1. Unter Berufung auf Hadithe wird gesagt, diese Ehe sei Mohammed von Allah befohlen worden.
2. Mit 9 Jahren sei ein Mädchen damals auf der Arabischen Halbinsel körperlich in der Lage gewesen zu heiraten.
3. Die Heirat im frühen Alter war damals üblich. Safiya bint Hu’ai bint al-Akhtab z. B. war, bevor der Prophet sie heiratete, schon einmal mit 11 Jahren verheiratet gewesen.
4. Die mekkanischen Polytheisten hassten den Propheten. Wäre diese Heirat damals eine Schande gewesen, hätten sie ihn mit Sicherheit deswegen angegriffen. (Allerdings sind nur diejenigen Aussagen der Gegner Mohammeds erhalten geblieben, die von Muslimen überliefert wurden.)
5. Der Prophet wollte Abu Bakr belohnen, indem er Aischa, eine seiner Töchter, heiratete. – Auch andere Ehen Mohammeds dienten dazu, seine Beziehungen zu seinen Anhängern zu stärken.
6. In der Zeit nach der Hidschra wurde Mohammed das islamische Gesetz eingegeben. Deshalb war es notwendig, dass eine junge Frau mit dem Propheten zusammenlebte, die in der Lage wäre, viel von der Scharia mitzubekommen, um dieses Wissen später an die Muslime weitergeben zu können.
…
Wer in westlichen Großstädten auf einen Büchertisch mit „missionierenden“ Muslimen trifft, hat es dort sehr häufig mit „Ahmadis“ zu tun, den Anhängern der „Ahmadiyya Muslim Jamaat“ (Jamaat = Gemeinde). Mit Eifer, bunten Broschüren und auf den Westen zugeschnittenen Parolen versuchen Ahmadis, die eigene Vorstellung vom Islam auch in christlichen Ländern zu propagieren. So rief der 3. Kalif der Bewegung bei einer Rede in London aus: „Kommt her und nehmt den Islam an,..., denn darin liegt all Euer eigenes Gutes und das Gute Eurer zukünftigen Generationen...“
Geschichte
Der Begründer der Ahmadiyya-Gemeinde, Hazrat Mirza Ghulam Ahmad wird 1835 in Qadian in Nordindien geboren. Aufgrund angeblicher Offenbarungen Allahs erklärt er sich zum „Auserwählten Gottes“, später zum Propheten. Ghulam Ahmad beansprucht, die Erfüllung von Verheißungen verschiedener Religionen zu sein. In ihm ist der Messias Jesus, der verheißene Krischna und der Imam Mahdi, den die Schiiten erwarten, gekommen.
Seine Aufgabe sieht Ghulam Ahmad darin, den Islam zu reinigen, wiederzubeleben und weltweit auszubreiten. Er verheißt seinen Anhängern, „innerhalb von 300 Jahren nach ihrer Entstehung werde die Gemeinde nahezu die ganze Welt umfassen, so dass die Erde in die Bruderschaft des Islams eintreten wird.“
1889 gründet Ahmad die „Ahmadiyya Muslim Jamaat“ und beginnt eine rege Missionstätigkeit, die nach seinem Tod im Jahre 1908 von seinen Nachfolgern (Kalifen) weltweit fortgesetzt wird. 1913 schickt man den ersten Missionar nach England, 1920 nach Amerika, 1923 nach Deutschland.
Seit Beginn einer systematischen Verfolgung der Ahmadiyya durch sunnitische Muslime in Pakistan kamen viele pakistanische Ahmadis als Asylbewerber nach Deutschland. Nach Angaben der Bewegung gab es 1994 20.000 Anhänger in Deutschland, davon vermutlich nur ca. 200 Deutsche. Weltweit soll die Ahmadiyya 12 Millionen Mitglieder haben. Sie ist besonders stark in Westafrika verbreitet. In Gambia gab es in den sechziger Jahren sogar schon einmal einen Ahmadi als Staatsoberhaupt. Führer der weltweiten Gemeinde ist Mirza Masroor Ahmad als fünfter Khalif mit dem Titel Khalifatul Masih V.
Sind Ahmadis Muslime?
Das pakistanische Parlament verabschiedete im Jahr 1974 eine Resolution, in der alle Ahmadis zu Nicht-Muslimen erklärt wurden, ebenso die muslimische Weltliga (http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya). Dabei verstand sich Mirzat Ghulam Ahmad, der Gründer der Ahmadiyya, ja als Reiniger des Islam. Die üblichen Lehren und Pflichten des Islam werden bis heute von jedem Ahmadi akzeptiert.
Stein des Anstoßes ist für die anderen Muslime vor allem die Lehre von den Propheten. Nach ihnen war Mohammed der letzte Gesandte Gottes, das „Siegel der Propheten“. Zwar erkennen Ahmadis Mohammed als letzten gesetzgebenden Propheten an. Nach ihm habe es jedoch immer wieder sogenannte „Schattenpropheten“ gegeben, zu denen auch Ghulam Ahmad gehört habe. Auch diese Mohammed untergeordneten Männer, hören Gottes Stimme und geben seinen Willen weiter.
Unterschiede zur islamischen Orthodoxie gibt es auch in der Darstellung der Geschichte Jesu. Die meisten islamischen Theologen lehren, Gott habe einen anderen an Jesu Stelle kreuzigen lassen. Jesus sei leibhaftig in den Himmel aufgenommen worden. Der Gründer der Ahmadiyya behauptete dagegen, Jesus sei gekreuzigt worden, aber nur scheintot gewesen. Seine Jünger hätten ihn gepflegt, bis er stark genug gewesen sei, nach Kaschmir im heutigen Indien auszuwandern. Dort habe er den verlorenen Stämmen Israels gepredigt und sei im Alter von 120 Jahren eines natürlichen Todes gestorben. So abenteuerlich diese Geschichte auch ist – sie hat selbst in nicht-muslimischen Kreisen Resonanz gefunden.
Pluspunkte können Ahmadis im Westen dadurch verbuchen, dass sie bei der Ausbreitung des Islam Gewalt ablehnen. In der Auseinandersetzung um den Schriftsteller Rushdie beispielsweise hoben sie sich damit vom fundamentalistischen Islam ab. „Dschihad“ (heiliger Krieg) ist für sie die Ausbreitung des Islam mit friedlichen geistigen Mitteln.
Christen und Ahmadis
Eine besondere Herausforderung für Jünger Jesu stellt die Ahmadiyya-Gemeinde insofern dar, als sie sich in ihren Missionsbemühungen offensiv an die christliche Welt wendet. So wurde z. B. auf dem Frankfurter Kirchentag 1987 von Ahmadis ein „Offener Brief an die Christenheit“ verteilt. Ahmadiyya- Missionare versuchen, mit Bibelzitaten und logischen Schlüssen zu beweisen, dass Jesus nicht Gott war, dass er nur scheintot war oder dass Mohammed schon in der Bibel verheißen wurde.
Christen werden sich im Gespräch mit Ahmadis auf argumentativ geführte Diskussionen einzustellen haben und dabei ihre Bibel gut kennen müssen.
Auch wenn Ahmadis die Ausbreitung des Glaubens mit Gewalt ablehnen und stärker als andere Muslime geistige Werte betonen: Die Ahmadiyya lehnt, wie der orthodoxe Islam, gerade die entscheidenden Heilstatsachen ab: die Gottessohnschaft Jesu und seinen stellvertretenden Tod am Kreuz. Daher stellt auch die Ahmadiyya eine anti-christliche Lehre dar. Ihr Gründer Mirzat Ghulam Ahmad, der sich als wiedergekommenen Messias bezeichnete, fällt unter das Urteil Jesu: „Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen.“ (Mt. 24,23-24a)
Während die Mehrheit der türkischen Bevölkerung dem sunnitisch-orthodoxen Islam angehört, sind nach Schätzungen bis zu 30% Aleviten. Unter den Menschen türkischer Herkunft in Deutschland liegt dieser Anteil vermutlich sogar noch höher. Viele Kurden aus der Türkei sind Aleviten. Es gibt jedoch auch sunnitische Kurden und alevitische Türken.
Aleviten führen sich auf Ali, den Schwiegersohn Mohammeds zurück. In der Verehrung Alis stimmen sie mit einer großen Hauptrichtung im Islam, der Schia, überein. Eine weitere Quelle des Alevismus ist der Batinismus, eine Bewegung, die schon in der Frühgeschichte des Islam für eine mystische und gesetzeslose Beziehung zu Allah warb.
Seine besondere Prägung erhielt der alevitische Glaube allerdings erst unter den Türken in Anatolien. Einige der türkischen Stämme, die ab dem 11. Jahrhundert von der mongolischen Steppe her nach Anatolien einfielen, lernten auf ihrem Weg den Islam in seiner batinistisch-gesetzeslosen Form kennen. Im Laufe der Zeit wurden mit diesem Glauben Elemente des Schamanismus der Turkvölker verschmolzen. Die herausragende Figur des anotolischen Alevismus wurde Hadschi Bektasch Veli (ca. 1248 - 1337), dem in der Überlieferung große Gelehrsamkeit und Wunderkräfte zugeschrieben werden. Bektaschismus und Alevismus sind seitdem fast gleichzusetzen.
Laut alevitischer Lehre ist Gott nicht fern. Er lebt im sogenannten „perfekten Menschen“ – besonders war das der Fall bei Ali, aber auch bei Jesus, Mohammed und anderen. Der „perfekte Mensch“ wird als geradezu göttlich angesehen. Weil er selbst Gut und Böse erkennen kann, sind äußere Gesetze oder religiöse Bücher unbedeutend. Da Gott im Menschen ist, besteht Gebet in erster Linie im Nachdenken über sich selbst. Statt ritueller Gebete in der Moschee trifft man sich zu Gemeinschaftsversammlungen (Dschem), bei denen Tanz, Musik und religiöse Erzählungen im Vordergrund stehen. Männer und Frauen nehmen gleichberechtigt daran teil.
Aleviten haben im osmanischen Reich eine sehr wechselhafte Rolle gespielt. Oft erlebten sie jedoch Feindschaft und Unterdrückung seitens der sunnitisch-orthodoxen Muslime. So ist es zu verstehen, dass Aleviten die Politik Atatürks begrüßten, der nach dem ersten Weltkrieg die Verwestlichung der Türkei auf Kosten des Islam einleitete. Als Reaktion auf das Erstarken des Islam nach Atatürks Tod, wandten sich viele junge Aleviten sozialistischen Parteien zu. Erst nach dem Zerbruch des russischen Sozialismus und dem Aufkommen des fundamentalistischen Islam besinnen sich Aleviten wieder stärker auf ihre religiösen Wurzeln. Für die meisten ist jedoch das Alevitentum heute mehr eine Lebensphilosophie als eine Religion.
Die schlimmen Erfahrungen mit sunnitischen Muslimen und die eigene religiöse Leere führen dazu, dass manche Aleviten in Deutschland sich dem Christentum, besonders dem weniger gesetzesbetonten Glauben der Protestanten, nahe fühlen. Die Betonung der Liebe, Jesu Erbarmen auch gegenüber Armen und Geringen sprechen sie an. Sie werden in der Regel schnell bejahen, dass der Mensch nicht durch Gesetzeserfüllung, sondern durch eine vertraute Beziehung Gott nahe kommt.
Auch wenn wir bei alevitischen Freunden also weniger negative Vorurteile über das Evangelium erwarten müssen als bei Sunniten, wäre es ein Irrtum anzunehmen, der Schritt zur Erlösung sei für sie natürlich. Dass Gott heilig ist und ein Recht hätte, uns für unsere Sünden zu strafen, ist der alevitischen Glaubensvorstellung fern. Manche Aleviten können leicht „Ja zu Jesus“ sagen. Weil sie ihre Erlösungsbedürftigkeit nicht sehen, fällt es ihnen jedoch schwer, Jesus als den einzigen Weg zu Gott zu akzeptieren.
So sind wir auch bei Aleviten auf ein tiefgehendes Wirken des Heiligen Geistes angewiesen, der sie von ihrer Sündhaftigkeit überzeugt und ihnen die Herrlichkeit Jesu zeigt.
Übersicht über Mohammeds Ehen
Während Muslime maximal mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein dürfen (Sure 4,3), war es Mohammed erlaubt, beliebig viele Frauen zu heiraten (Sure 33,50). Zu einem anderen Zeitpunkt wurde dieses Zugeständnis jedoch offenbar zurückgenommen und ihm dann doch verboten, weitere Frauen zu heiraten (Sure 33,52).
Islamische Quellen geben die Zahl der Ehefrauen Mohammeds unterschiedlich an. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass es zusammen dreizehn Frauen waren. Zwei von diesen starben vor seinem Tod, und zwei weitere heiratete er zwar, vollzog aber mit ihnen nicht die Ehe. Zudem hatte Mohammed zwei Sklavinnen, mit denen er ehelichen Verkehr pflegte, die aber als Konkubinen nicht die gleichen Rechte genossen wie seine Ehefrauen. Diese beiden Sklaven-Ehen waren bi-religiöse Ehen, die unten ausführlicher dargestellt werden.
Bireligiöse Ehen Mohammeds
Mohammeds erste Frau Chadidscha war in jeder Hinsicht eine Ausnahme. Sie heiratete Mohammed und nicht Mohammed sie. Die Aktivität ging von ihr aus. Sie war 15 Jahre älter als Mohammed. Mit ihr lebte er bis zu ihrem Tod monogam. Alle Frauen Mohammeds überlebten Mohammed außer Chadidscha und Zainab bint Khuzaimah. – Waraqqa ibn Naufal, ein älterer gebildeter Mann und Cousin von Chadidscha, war Christ geworden und hatte Chadidscha stark christlich beeinflusst, allerdings nicht unbedingt im Sinne eines biblischen Christentums. Deshalb war die erste Frau Mohammeds vermutlich keine Anbeterin der mekkanischen Götter. Wäre sie es gewesen, hätte Mohammed eine Götzendienerin geheiratet. War sie Christin, wäre seine erste Ehe der Prototyp für die islamische bireligiöse Ehe. Sicher ist jedenfalls, dass sie zu den ersten Anhängern Mohammeds gehörte, also Muslima wurde.
Die islamischen Quellen berichten ganz offen von zwei Frauen, die nicht dem muslimischen Glauben anhingen und zu den Ehefrauen Mohammeds zählten.
Die Christin „Mariya al Qibitiyya“ (Maria die Koptin):
…
Der Name Medina (vorislamisch: Yathrib) heißt übersetzt „die Stadt“. Mit 1,7 Millionen Einwohnern (2010) liegt sie im Gegensatz zu Mekka in einem fruchtbaren Tal. Nach Mekka gilt Medina als zweitwichtigste Stadt für Muslime. Sie ist die Urzelle der islamischen Gemeinschaft. Die Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Medina ist der Beginn der islamischen Zeitrechnung. In Medina ändern sich Mohammeds Verhalten und die Aussagen des Koran gravierend.
Geschichte der Stadt Medina
Vom römischen Kaiser Hadrian um 135 n. Chr. verfolgte jüdische Stämme flüchten von Israel auf die Arabische Halbinsel: die Stämme Qainuqa, Nadir und Quraiza ziehen nach Yathrib. Blutige Auseinandersetzungen mit den später zugezogenen arabischen Stämmen der Aus und
Chazradsch führen zu deren Vorherrschaft. Die Juden müssen sich an die Stadtränder zurückziehen und bauen ihre Häuser zu kleinen Festungen aus. Eine Serie von Kriegen folgt. Die Situation bleibt sehr explosiv.
Mohammed vor der Auswanderung (Hidschra)
Mohammeds Beschützer Chadidscha (seine erste Frau) und Abu Talib (sein Onkel und Führer der Sippe Haschim) sterben 620 n. Chr. Die Mekkaner verfolgen die Muslime. Jetzt scheint es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch Mohammed töten. Deshalb ist er auf der Suche nach neuen Beschützern. Abgesandte der Chazradsch kommen während einer Pilgerfahrt 620 n. Chr. auf ihn zu. Sie bitten ihn, als Streitschlichter in ihrer hoffnungslosen Situation zu vermitteln. Vielleicht liegt es auch an der Vorhersage der Juden in Medina, die einen Propheten ankündigten, der Frieden schaffen wird. 621 verpflichten sich 12 und 622 weitere 70 Araber aus Medina, Mohammed mit ihrem Leben beizustehen (Erste und zweite Huldigung von Aqaba). Mohammed findet damit seinen neuen Schutz.
622 gehen 70 Konvertiten von Mekka nach Yathrib voraus, um Mohammeds Ankunft vorzubereiten. Die muslimischen Konvertiten aus Yathrib heißen Ansar (Helfer), die Konvertiten aus MekkaMuhadschirun (Auswanderer).
Die Flucht, der Umzug (Hidschra)
Am 24. September 622 n. Chr. flüchten Abu Bakr und Mohammed heimlich in 12 Tagesreisen (ca. 430 km) von Mekka nach Medina. Noch in Mekka heiratet Mohammed seine zweite Frau Sauda und in Medina heiratet er das sechsjährige Mädchen Aischa, die Tochter von Abu Bakr, dem späteren ersten Kalifen. Er ist zeitweise mit bis zu neun Frauen gleichzeitig verheiratet.
Der Vertrag von Medina
…
Vorbemerkungen
Muslime glauben normalerweise, dass der Araber Mohammed Ben Abdullah im Alter von ca. 40 Jahren, d. h. etwa im Jahr 610 n. Chr., in einer bestimmten Nacht des Monats Ramadan („Nacht der Bestimmung“, Sure 97,1) in einer Höhle in der Nähe seiner Heimatstadt Mekka zum Propheten und Gesandten Allahs berufen worden sei. Er sei das „Siegel der Propheten“ (Sure 33,40), der eine lange Reihe von vorausgehenden Propheten und Gesandten abschließt.
Diese muslimische Überzeugung hat von christlicher Seite immer Widerspruch erfahren. Da Jesus Christus der endzeitliche und abschließende Erlöser ist (Hebr.1,1-4), können Christen Mohammed nicht als Gesandten Gottes anerkennen.
Was geschah bei der „Berufung Mohammeds“, sofern es sich dabei überhaupt um ein geschichtliches Ereignis handelt? Darüber gibt es verständlicherweise nur muslimische Quellen. Zunächst sind die Aussagen des Koran heranzuziehen. Diese werden aber nur verständlich, wenn man sie in Beziehung zu einer „Biographie Mohammeds“ setzt, wie sie von den islamischen Traditionen (Hadith) erzählt wird. Die großen Hadith-Sammlungen sind die zweite Quelle, wenn es um die Berufung Mohammeds geht, aber sie sind in ihrem historischen Wert mehr als fragwürdig und widersprechen teilweise erheblich den koranischen Texten. Jede Darstellung der Berufung Mohammeds bewegt sich deshalb auf „schwankendem Boden“. Dennoch hat sich im Islam im Laufe der Geschichte folgende Darstellung durchgesetzt, wie sie sich z. B. in dem zeitgenössischen Lehrbuch von Mohammed Hamidullah (2. Aufl. Köln 2003, S.9) findet: „Im fünften Jahre seiner jährlichen Zurückgezogenheit wurde er vierzig Jahre alt. Gegen Ende des Monats erhielt er während der Nacht den Besuch eines Engels. Dieser teilte ihm mit, dass Gott ihn zu seinem Boten auserwählt und zu den Menschen gesandt habe; er lehrte ihn die rituelle Waschung, die Art und Weise Gott anzubeten und das Gebet und teilte ihm den göttlichen Auftrag mit folgenden Worten mit...“ (es folgt Sure 96,1-5)
Die koranischen Andeutungen über prophetische Hörerlebnisse
Der Koran erzählt keine Berufung Mohammeds. Er spricht in vielen Variationen und immer recht vage davon, dass eine von Allah angeredete fiktive Person – die nicht mit Namen genannt wird – göttliche Worte empfangen habe. Einen „Erstempfang“, also eine eigentliche Berufung zum Propheten, kann man nur mit Hilfe der Tradition konstruieren. So wird Sure 97,1-5 von den Übersetzern auf den Erstempfang bezogen, obwohl hier im Wortlaut weder von einem Offenbarungstext noch von einem Empfänger die Rede ist: „Wir haben ihn (d. h. den Koran) in der Nacht der Bestimmung hinabgesandt. Aber wie kannst du wissen, was die Nacht der Bestimmung ist? Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate. Die Engel und der Geist kommen in ihr mit der Erlaubnis ihres Herrn hinab, lauter Logos(wesen). Sie ist (voller) Heil (und Segen), bis die Morgenröte sichtbar wird“ (Koran nach Paret, 8. Aufl. 2001). Die Parallelstelle 16,2 sagt ganz allgemein: „Er lässt die Engel mit dem Geist von seinem Logos herabkommen, auf wen von seinen Dienern er will…“.
In der islamischen Tradition wird oft Sure 96 als erster Offenbarungstext genannt, weil der Empfänger in V.1 und V.3 aufgefordert wird zu rezitieren (vorzutragen). Der Text gibt aber keinen Hinweis darauf, dass es sich um die Berufungsoffenbarung handelt.
…
570 n.Chr. Geburt von Mohammed in Mekka (arab. Halbinsel) im Stamm der Quraisch. Sein Vater stirbt vor seiner Geburt. Er wächst auf in einem polytheistischen (Vielgötterglaube) Umfeld und nimmt am Kult teil (Wallfahrten ...). 576 Mohammed wird mit 6 Jahren Vollwaise und von seinem Großvater, später von seinem Onkel Abu Talib aufgezogen. Er wird Hirte, darf aber eine Handelsreise mitmachen. Vereinzelt nur gibt es Christen, vor allem als Mönche, einige jüdische Stämme und Gottessucher (Hanifen), die sich weder dem Christentum noch dem Judentum anschließen. Vermutlich existieren keine arabischen Bibelteile.
595 Mohammed heiratet mit 25 Jahren die 15 Jahre ältere, einflussreiche Kaufmannswitwe Chadidscha in Mekka, nachdem er vorher erfolgreich für sie gearbeitet hatte. Mohammed lebt in der Einehe mit ihr, bis sie nach 25 Jahren Ehe im Jahr 619 stirbt. Mohammed zeugt mit ihr 2 Söhne (die im Kindesalter sterben) und 4 Töchter. Eine Tochter, Fatima, wird Frau des späteren 4. Kalifen Ali.
610 Mit 40 Jahren hat Mohammed seine erste Offenbarung (Sure 96,1-5) in der Hava-Höhle bei Mekka. Ein Engel befiehlt ihm zu wiederholen, was er vorsagt. Angst und Unsicherheit, ob diese Offenbarung dämonischen Ursprungs sei, werden von Chadidscha zerstreut. Trotzdem folgt über 4 Monate ein entmutigendes Ausbleiben weiterer Offenbarungen, in denen er sogar an Selbstmord denkt.
613 Beginn der ersten öffentlichen Predigten Mohammeds und damit Ablehnung durch die Mekkaner, die durch seinen neuen Eingottglauben um ihren lukrativen Wallfahrtshandel fürchteten. Begrenzter Erfolg Mohammeds: ca. 80 Anhänger, darunter seine Frau Chadidscha, sein junger Cousin Ali, sein Adoptivsohn Zaid, sein Schwiegervater Abu Bakr (später 1. Kalif) werden Muslime.
615 Flucht einer ersten Gruppe von Anhängern Mohammeds ins christliche Abessinien (Äthiopien).
616-619 Boykott der Mekkaner gegen die Banu Hasim, den Klan Mohammeds, wegen seiner Botschaft.
619/620 10 Jahre nach der ersten Offenbarung sterben sein Onkel und Verteidiger Abu Talib, der nie Moslem wurde, und seine erste Frau Chadidscha. Er heiratet bald eine Anhängerin und die 7-jährige Tochter seines Freundes Abu Bakr, Aischa.
620-622 Vorbereitung der Trennung und Abwanderung der Anhänger Mohammeds zur 400 km nördlich gelegenen Stadt Yathrib (später wurde sie Medina genannt: „Stadt des Propheten“). Erste „Bekehrungen“ in Medina. 622 noch in Mekka: nach 13 Jahren Misserfolg in Mekka die Vision seiner Himmelfahrt von Jerusalem aus, die ihn tröstet.
622 Mohammeds Auswanderung (arab. hijra) im Stil einer Flucht nach Medina mit seinen Anhängern. Die Hälfte der Stadt besteht aus drei jüdischen Stämmen. Deshalb gibt es eine große Offenheit gegenüber dem Eingottglauben. Dort gründet er das erste muslimische Gemeinwesen. Beginn der islamischen Zeitrechnung.
623 Aufbau einer islamischen und politischen Gemeinschaft in Medina, erfolgreicher Bündnisvertrag in Medina mit einigen zerstrittenen Parteien. Zunehmende Ablehnung Mohammeds durch die jüdischen Stämme in Medina. Tolerante Koranverse gegen Juden und Christen werden zunehmend durch bittere Verurteilungen ersetzt. Mohammed ändert die Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka.
624 Die Schlacht von Badr; Sieg der Muslime über die Mekkaner. Gewaltanwendung wird mit Koranversen legitimiert. Beuteaufteilung. Spottverse auf Mohammed durch Juden. Ermordung einzelner Juden. Vertreibung des jüdischen Stammes der Banu Qaynuqa aus Medina. Regelmäßige Überfälle auf Karawanen (vor allem die der Mekkaner), um seine wachsende Anhängerschaft zu versorgen.
625 Niederlage von Uhud für die Muslime; Vertreibung des jüdischen Stammes der Banu Nadir. Beuteaufteilung.
627 Der „Grabenkrieg“: Vergebliche Belagerung der Muslime durch die Mekkaner in Medina; Ausrottung des jüdischen Stammes der Banu Qurayza. 800 Männer werden hingerichtet, ihre Frauen und Kinder versklavt. Keine Juden verbleiben somit in Medina.
628 Abkommen von Hudaybiya, ein 10-Jahres-Friedensvertrag mit den Mekkanern (den er nach 2 Jahren bricht): die Muslime dürfen demnach erstmals unangetastet zur Pilgerfahrt (629) nach Mekka.
629 Niederlage gegen eine christlich byzantinische Übermacht bei Mu´ta (damaliges Syrien in der Nähe des Toten Meeres).
630 Mohammed kann mit seinen Anhängern in Mekka einziehen. Weitgehend gewaltlose Eroberung Mekkas. Spottliederdichter auf Mohammed werden aber hingerichtet. Es folgt eine Offenbarung, Gewalt für eine Bekehrung einsetzen zu dürfen: Sure 9,5 (ersetzt 2,257). Kriegszüge und Belagerung der Stadt Ta´if (polytheistische Widerständler) und Tabuk. „Jahr der Abordnungen“ (April 630 - April 631), in dem Mohammed alle ihm bekannten Völker per Brief aufruft, den Islam anzunehmen.
630-632 Schlachten in Dawmat al Jandal und Hunayn. Unterwerfung fast aller Stämme (darunter Beduinen) auf der arabischen Halbinsel. 23 Jahre empfängt Mohammed seine Offenbarungen. Mohammed hat 13 Frauen offiziell geheiratet, wobei er zu einer Zeit 9 gleichzeitig hatte. Daneben standen Mohammed Sklavinnen und andere Frauen zur Verfügung, deren Männer in der Schlacht gegen ihn ums Leben kamen.
632 Mohammeds letzte Wallfahrt nach Mekka und sein Tod am 8. Juni. Seine Nachfolge ist ungeklärt, was zur Spaltung Schiiten-Sunniten führt. Erst der 4. Kalif der Sunniten (nach Abu Bakr, Omar und Uthman), Mohammeds Schwiegersohn Ali wird von den Schiiten als erster rechtmäßiger Nachfolger anerkannt. Omar, Uthman und Ali wurden ermordet.
Mohammed trat in seiner Heimatstadt Mekka als Prophet und Verkündiger des Glaubens an den einen wahren Gott auf (610 - 622 n. Chr.). Dadurch wuchs seine Gegnerschaft beständig. Unter anderem fürchteten die Händler, die gut von den Wallfahrten und der Vielgötterei lebten, um ihr Geschäft. Mohammed und seine Anhänger wurden gedemütigt, ihre Geschäfte boykottiert und es kam zu Mord und gewalttätigen Übergriffen. Die Zustände in Mekka wurden für Mohammed und seine junge Gemeinde unerträglich, so dass es im Jahr 622 n. Chr. zur Übersiedlung (Hidschra) nach Yathrib (späterer Name: Medina) kam. Es soll zuvor Begegnungen Mohammeds mit Männern aus Yathrib gegeben haben, die von seiner Lehre fasziniert waren. Zudem soll die Familie seiner Mutter aus Yathrib stammen. In Yathrib gelang es Mohammed, als Vermittler bei Streitigkeiten verschiedener Clans aufzutreten und so seine politischen und religiösen Ziele miteinander zu vereinen. Trotz einer wachsenden Anhängerschaft hatte er jedoch auch in Medina eine Reihe Gegner, und selbst unter den Konvertiten zum Islam gab es Heuchler (Sure 2,8-24).
Umgang mit den Mekkanern
Nach seiner Auswanderung nach Medina versuchte Mohammed, den Widerstand der Mekkaner durch Gewalt zu brechen (Sure 8,38-40). In der Folgezeit kam es zu mehreren kleineren und größeren Beutezügen und Kriegen. Von wesentlicher Bedeutung für dem Islam und Mohammed waren die folgenden drei Schlachten: 624 n. Chr. Schlacht von Badr. Ein dem mekkanischen Heer an Erfahrung und Zahl (1.000) weit unterlegenes muslimisches Heer (300) trug den Sieg davon. Der Gedanke, dass Allah auf der Seite der Standhaften kämpft (Sure 8,65+66), und die Verheißung, der Märtyrertod werde mit dem Paradies belohnt, ließen das Unmögliche wahr werden. Der islamischen Überlieferung zu Folge soll Mohammed die gefangenen Mekkaner nicht versklavt sondern dazu verpflichtet haben, zehn Muslimen das Lesen und Schreiben zu lehren. In dieser Schlacht soll der jüdische Stamm Banu Qaynuqa die Mekkaner unterstützt haben. Als Strafe wurde er im August 625 n. Chr. von Mohammed aus Medina vertrieben. In der Schlacht bei dem Berg Uhud 625 n. Chr. gelang den Mekkanern der Sieg gegen das muslimische Heer. Mohammed wurde verwundet. Im Jahr 627 n. Chr. standen die Mekkaner (10.000) vor den Toren Medinas. Es kam zum so genannten Grabenkrieg, in dem das muslimische Heer (3.000) durch Kriegstaktik und List den Sieg davontrug. Im Jahr 628 n. Chr. brach Mohammed mit seinen Anhängern zu einer Pilgerfahrt nach Mekka auf. Die noch polytheistischen Mekkaner (Anhänger vieler Götter) fürchteten das muslimische Pilger-Heer (1.000). Es kam zu Verhandlungen, und im Vertrag von Hudaibiya wurde ein Frieden für zehn Jahre vereinbart. Doch bereits zwei Jahre später stand Mohammed (angeblich nach einem Vertragsbruch der Mekkaner) mit einem Heer von 10.000 Mann vor den Toren Mekkas. Siegreich und ohne Widerstand zog er in Mekka ein. Dort erwies er sich denen gegenüber gnädig, die den Islam „freiwillig“ annahmen. An einigen mekkanischen Spöttern soll er Rache genommen haben. Für Juden und Christen bedeutete sein Sieg, dass sie in Zukunft die Kopfsteuer zahlen mussten, bzw. später von der arabischen Halbinsel vertrieben wurden.
Umgang mit den Juden
…
Muslimische Autoren malen gerne ein makelloses Bild ihres Propheten Mohammed, wie duldsam und großzügig er gewesen sein soll, selbst seinen Feinden gegenüber. Wie sind die Fakten? Mohammed erfuhr in Mekka seit Beginn seiner islamischen Predigt (610 n.Chr.) massiven Widerstand. Die Gründe dafür lassen sich im Koran und den Hadith-Sammlungen nachlesen: Mohammed musste sich ständig mit den Vorwürfen auseinandersetzen, dass er nur Märchen aus alter Zeit ausgrabe (z. B. Sure 21,5), dass er nur die Lehren anderer kopiere (16,103), dass er lüge (3,184), dass er zaubere (54,2) und dass er besessen sei (68,2).
Ablehnung durch die Araber
Die Bewohner der arabischen Halbinsel, die vielen Göttern anhingen (vgl. z. B. Sure 7,70), lehnten seine Lehre vom einzigen Gott ab. Vielgötterei war ein einträgliches Geschäft für eine Oasenstadt, die kaum Einnahmequellen besaß. Der Götzendienst zog viele Stämme an und warf für die ortsansässigen Familien durch Wallfahrten, Opferdienste und Handel einen beträchtlichen Gewinn ab. All dies wurde durch Mohammeds Predigt gefährdet. – Die wenigen Anhänger Mohammeds wurden manchmal am Gebet gehindert, erniedrigt und manche sogar getötet. Mohammeds Situation wurde unhaltbar, und er musste im Jahr 622 nach Christus von Mekka nach Medina auswandern.
In der späteren Zeit von Mohammeds Verkündigung, insbesondere in den medinischen Suren ab 622 n. Chr., wird deutlich, dass auch die Juden und Christen, die sogenannten Schriftbesitzer, seine Lehre ablehnten.
Ablehnung durch jüdische Stämme
Mohammeds Lehre widersprach den Aussagen des jüdischen Alten Testamentes. Er erwähnte zwar viele alttestamentliche Propheten wie Abraham, Hiob, Mose, David und andere. Jedoch portraitierte er sie nur ansatzweise, und es entsteht der Eindruck, dass ihre Geschichten seine eigene Berufung als Prophet untermauern sollten. Die Juden merkten, dass Mohammed außerbiblische Sagen aufnahm, wie z. B. Salomos Fähigkeit, die Sprache der Vögel und Dämonen/Engel zu beherrschen (27,16ff). – Mohammed aß Kamelfleisch und andere Speisen, die den Juden als unrein galten (3.Mose 11,4); deshalb konnte er nach ihrem Verständnis der Bibel kein Prophet Gottes sein.
Außerdem lehnten die Juden nach der Zerstörung Jerusalems (Bar-Kochba-Aufstand 132-135 n. Chr.) einen weiteren „politischen Messias“ ab. Denn solche Aufstände hatten schließlich zur Zerstörung der letzten Reste eines größeren geschlossenen jüdischen Siedlungsgebiets geführt. Deshalb begannen ab 624 n. Chr. die Juden, Mohammed öffentlich zu entlarven, zu verspotten und feindselig zu behandeln. Mohammed versuchte zwar, sie zu gewinnen, indem er ihnen Zugeständnisse machte, wie die anfängliche Gebetsrichtung der Muslime nach Jerusalem und das Aschura-Fasten, das an den jüdischen Versöhnungstag erinnert. Doch die jüdische Ablehnung blieb endgültig.
Ablehnung durch Christen
…
Die Geschichte mit dem Stock und der Linie auf der Erde haben wir in Gesprächen mit Muslimen einige Male gehört – eine nette Geschichte, wie es scheint, voller Toleranz und Harmonie. Um des Zusammenhangs willen müssen wir aber ein wenig ausholen:
Ibn Ishaq (Das Leben des Propheten, Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von Gernot Rotter, Stuttgart 1988) erzählt in seiner Beschreibung des Lebens Mohammeds: Mohammed musste mit ansehen, wie die junge muslimische Gemeinde in Mekka immer stärker werdenden Widerstand erfuhr und besonders von den Stammesangehörigen Mohammeds, den Quraisch, verfolgt wurde. Während Mohammed selber durch seinen Onkel Abu Talib geschützt wurde, gerieten einige seiner Anhänger unter unerträglichen Druck. Darum riet ihnen Mohammed, für eine Zeit in das christliche Abessinien auszuwandern und sich unter den Schutz des dortigen Königs, des Negus, zu stellen. 83 Männer mit ihren Familien folgten diesem Rat und begaben sich im Jahr 615 nach Abessinien.
Sie wurden dort freundlich aufgenommen und durften auch ihre Religion frei ausüben. Die Quraisch schickten jedoch zwei Gesandte mit Geschenken nach Abessinien. Sie sollten zuerst mit den Feldherren des Königs sprechen, um diese für ihren Plan zu gewinnen: Die Feldherren sollten sich vor dem König dafür einsetzen, auf die Bitte der Gesandten hin die Flüchtlinge nach Mekka zurückzuschicken, ohne die Muslime selber vorher anzuhören. Ihre Anschuldigungen richteten sich vor allem gegen die Religion der Schutzsuchenden. Der Negus weigerte sich allerdings, Menschen, die sich seinem Schutz anvertraut hatten, auszuweisen, ohne sie selber angehört zu haben.
Vor dem Negus und seinen Bischöfen erklärten die Muslime, wie sie früher in Unwissenheit, Götzendienst und vielen moralischen Verfehlungen gelebt hätten, bis Mohammed kam, sie aufrief, die Einheit Gottes zu bekennen, Ihm allein zu dienen, für verboten zu achten, was Gott verbietet, und für erlaubt, was Er ihnen erlaubte. Unter anderem rezitierten sie Texte aus der 19. Sure (Maryam), in der sehr viel Positives über Jesus gesagt wird – z. B. dass er schon als Säugling zu den Menschen geredet habe (19,27-33). Der Negus und die abessinischen Bischöfe waren davon sehr berührt und meinten: „Diese Worte entspringen der Quelle, der die Worte unseres Herrn Jesus Christus entsprangen.“ (zitiert nach Mohammed Hussain Haikal, Das Leben Mohammeds (s.a.s), Seite 106) Die Muslime den Mekkanern auszuliefern, kam deshalb für die Abessinier nicht in Frage.
…
„Viyana kapilarina dayandik“ (türk.: „Wir stemmten uns gegen die Pforten Wiens“) ist ein oft gehörter Satz in der heutigen Türkei, mit dem sich der Durchschnittstürke die glorreiche Vergangenheit des Osmanischen Reiches in Erinnerung ruft und dadurch die oft weniger rühmliche Gegenwart erträglicher werden lässt. Das größte Hindernis zur Evangelisierung der Türkei ist nicht der Islam sondern Nationalstolz. Die meisten Türken sehen die sechs Jahrhunderte dauernde Herrschaft der Osmanen im Nahen Osten und auf dem Balkan als eine Blütezeit des Islam an, die Dutzenden von Völkern, von Ungarn bis in den Jemen, von Tunesien bis Aserbaidschan eine segensreiche „Pax Ottomana“ beschert habe. Umso unverständlicher ist es für die heutigen Türken, dass das Image ihrer Vorfahren sowohl in den arabischen Ländern als auch besonders auf dem Balkan durchaus nicht das Beste ist. Begriffe wie Türkengefahr, Türkenplage, Unterdrückung, Zwangsbekehrungen, „the unspeakable Turk“ und „der kranke Mann am Bosporus“ werden auf dem Balkan wohl eher mit der osmanischen Vergangenheit assoziiert als Glanz und Glorie.
Man kann sich heutzutage kaum vorstellen, welch große Rolle die Türkei noch bis zum ersten Weltkrieg in der europäischen Politik spielte. Während nur drei Prozent der heutigen Türkei in Europa liegen, waren früher die Besitzungen auf dem Balkan die ertragreichsten, wohlhabendsten und fortschrittlichsten Provinzen des Osmanischen Reiches. Hier ein kurzer geschichtlicher Überblick.
Die Anfänge des Osmanischen Reiches
Das Osmanische Reich begann sehr bescheiden als ein kleines Fürstentum im Westen Anatoliens. Es war einer von mehreren Pufferstaaten, die die Seldschuken, die damaligen Beherrscher der islamischen Welt, gegen das Byzantinische Reich aufgebaut hatten. Der Fürst Osman (1258-1326) hatte der Legende zufolge einen Traum, in dem er einen riesigen Baum aus seinen Lenden aufragen sah, und tatsächlich saß bis zum Ende des Osmanischen Reiches im Jahre 1922 in ununterbrochener dynastischer Folge stets einer seiner Nachkommen auf dem Sultansthron.
Osman eroberte die Stadt Bursa von den Byzantinern und machte sie zur Hauptstadt seines neuen Staates. Sein Sohn Orhan konnte fast ganz Westanatolien unter seine Herrschaft bringen. Wichtiger jedoch war, dass der byzantinische Kaiser ihm erlaubte, die Meeresenge der Dardanellen zu überqueren (ca. 1354), um anschließend in einer erfolgreichen Schlacht nach der anderen den gesamten Balkanraum einzunehmen. Dies war eine politische Fehlentscheidung von enormer geschichtlicher Tragweite. Der Grund war die Bedrohung durch ein wieder erstarktes Bulgarenreich, das ganz offen die byzantinische Kaiserkrone begehrte. So führte die Uneinigkeit zweier christlicher Reiche letztendlich für beide zum Untergang. Gemeinsam hätten sie ohne weiteres die Osmanen besiegen und so die „Türkengefahr“ im Keim ersticken können.
Die Türken vor Wien
In den folgenden 180 Jahren fielen die Balkanländer wie Dominosteine: 1365 Adrianopel (Edirne), 1389 Serbien (Schlacht auf dem Amselfeld), 1396 Bulgarien, 1453 Konstantinopel, 1460 Griechenland, 1463 Bosnien, 1478 Albanien, 1498 Montenegro, 1526 Ungarn. 1529 kam es dann zur ersten Belagerung Wiens unter Süleyman dem Prächtigen, die aber wegen eines frühen Wintereinbruchs aufgegeben werden musste.
Wien war damals nicht die Hauptstadt Österreichs, sondern eine Bastion des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und das erste Ziel der Osmanen auf dem Weg zum Rhein, ja, zur völligen Eroberung des christlichen Abendlandes. Die treibende Kraft hinter ihren militärischen Erfolgen war die Elitetruppe der Janitscharen. Die Soldaten dieser Truppe wurden schon als Jugendliche meist aus christlichen Familien verschleppt und zum Islam zwangskonvertiert. Während ihrer Dienstzeit durften sie nicht heiraten und waren so ganz und gar dem Sultan unterstellt. Diese „Knabenlese“ hat sich tief in die Psyche der Balkanvölker eingegraben und ist bis heute ein Grund zur Verbitterung.
…
Ausgangssituation
Nachdem Mohammed unerwartet rasch am 8. Juni 632 nach Christus gestorben war, ohne eine Nachfolgeregelung getroffen zu haben, bildeten sich in der jungen muslimischen Gemeinde hierzu unterschiedliche Positionen heraus. Daraus folgte die geschichtlich und theologisch folgenschwerste Spaltung des Islams: „Sunniten“ und „Schiiten. Mit „Schiiten“ sind die Anhänger Alis (schi'at Ali = „Partei“ des Ali), des Cousins und Schwiegersohns Mohammeds gemeint, die als Nachfolger Mohammeds einen direkten Abkömmling des Propheten forderten, während die sunnitische Mehrheit zwar auch einen Nachfolger aus Mohammeds Stamm, den Quraisch verlangte, aber gleichzeitig dessen Wahl durch einen Rat (arab. schura) und seine öffentliche Huldigung (arab. bay'a) forderte.
Ringen um die Macht
Nach Meinung der Schiiten konnte nur auf einem Verwandten Mohammeds die Segenskraft des Propheten liegen. Außerdem, so argumentierten die Schiiten, habe Gott selbst Ali zum Nachfolger auserwählt und dies Mohammed vor seinem Tod mitgeteilt, eine Ansicht, die Sunniten nicht teilten. Da alle leiblichen Söhne Mohammeds bereits vor ihm verstorben waren, wären die nächsten leiblichen Verwandten Mohammeds seine Enkel al-Hasan und al-Husain gewesen, die allerdings beim Tod Mohammeds noch Kinder im Alter von etwa 6 und 8 Jahren waren. Daher bestimmten die Schiiten Mohammeds Schwiegersohn Ali zum Anwärter auf das Kalifat.
Ali konnte sich jedoch nicht durchsetzen. In seiner Abwesenheit wurde noch 632 Abu Bakr zum ersten Kalifen (regierte 632-634 n. Chr.) gewählt, danach folgten Umar (634-644) und Uthman (644-656). Erst im Jahr 656 kam Ali (656-661) an die Macht. Nach schiitischer Auffassung waren die drei ersten Kalifen „unrechtmäßige“ Kalifen und ihre Wahl eine schwere Sünde. Daher nahm die Schia von Anfang an eine ablehnende Haltung gegenüber den sunnitischen Kalifen-Dynastien der Umayyaden und Abbasiden ein. Die ersten drei Kalifen werden bei schiitischen Feierlichkeiten verflucht.
Geschichte des Leidens
Nachdem Ali 661 ermordet worden war, versuchten die Schiiten erneut, die Macht an sich zu reißen. Der Prophetenenkel al-Hasan erklärte jedoch seinen Verzicht auf das Kalifat, und al-Husain fiel im Jahr 680 in der berühmten Schlacht von Kerbela im heutigen Irak, womit alle direkten männlichen Nachfahren Mohammeds ausgelöscht waren. Al-Husain wurde zum Prototyp des schiitischen Märtyrers. Im Gedenken an Kerbela begehen die Schiiten am 10. Tag des Monats Muharram, dem Aschura-Tag, umfangreiche Trauerfeierlichkeiten mit Prozessionen und Geißlergruppen. Wer bei den Passionsspielen und Umzügen Tränen für al-Husain vergießt, erhält Teil an seiner Erlösung, die er durch sein Leiden und seine Fürbitte für die Gläubigen im Gericht erwirkt.
Leiden wird in der Geschichte der Schia zum Leitmotiv, das nach Alis und al-Husains Tod im – wie Schiiten meinen – Märtyrertod aller schiitischen Imame (Leiter der islamischen Gemeinschaft) in der Geschichte seine Fortsetzung findet. Die Gräber von Ali, al-Hasan und al-Husain sind im schiitischen Volksislam für viele bedeutendere Wallfahrtsorte geworden als Mekka.
Endzeithoffnung
…
Meist wird der Islam als eine typische Buch- und Gesetzesreligion betrachtet. Wie in allen Religionen gibt es allerdings auch im Islam eine mystische Bewegung, die als „Sufismus“ bezeichnet wird. Ihr Anliegen war es von Anfang an, die bloße Befolgung der Vorschriften des Islam durch tiefere Dimensionen des Glaubens zu erweitern.
Geschichte des Sufismus
Schon früh hatten einige Muslime das Bedürfnis, den Islam in einer stärker verinnerlichten Form zu leben. Über die Glaubenspflichten des Islam hinaus versuchten sie, den verborgenen Sinn des Koran durch Übung von Armut (pers. darwisch – der Arme) und Askese zu ergründen. Diese frühen Asketen im Islam wurden „Sufis“ genannt, vermutlich weil sie damals meist Gewänder aus grober Wolle (arab. suf) trugen. Die Sufis selbst führen ihre Tradition direkt auf Mohammed zurück, den sie als den ersten Sufi-Scheich verstehen. Die westliche Forschung weist meist auf das 8./9. Jahrhundert für eine frühe asketische Bewegung vor allem im Gebiet des heutigen Irak hin. Es ist möglich, dass der Sufismus durch Wechselwirkungen mit christlich-asketischem Mönchstum oder durch Einflüsse von östlichen Religionen zustande kam. Besondere Bedeutung in der geschichtlichen Entwicklung des Sufismus kommt Mohammed al-Ghazali (gest. 1111) zu. Als Gelehrter trug er entscheidend dazu bei, dass der (gemäßigte) Sufismus mit der orthodox-islamischen Theologie zusammen gedacht werden konnte und so für viele Muslime akzeptabel wurde. Eine Skepsis gegenüber dem Sufismus ist jedoch nach wie vor weit verbreitet. Von vielen Muslimen wird er als ein Irrweg und als Abfall vom reinen Islam entschieden abgelehnt.
Sufi-Orden
Im engeren Sinne bezeichnet das Wort „Sufi“ eigentlich das Mitglied eines der vielen verschiedenen Sufi-Orden. Ab dem 12. Jahrhundert entstanden solche Orden überall in der islamischen Welt. Meist wurden sie nach ihren Gründern benannt, wie etwa der Mevlevi-Orden (Tanzende Derwische) nach Mevlana Rumi (gest. 1273) oder die Naqschbandiyya nach Baha'uddin Naqschband (gest. 1389). Die großen Sufis werden als Heilige verehrt und ihre Grabstätten sind deshalb wichtige Wallfahrtsstätten. Zwischen den einzelnen Orden gibt es gewaltige Unterschiede; jeder hat seine eigenen Traditionen: diese reichen von gemäßigten Formen bis hin zu stark ekstatischen Trance-ähnlichen Meditationsformen. Geleitet werden die Orden auch heute noch von einem spirituellen Führer (Scheich), der die Mitglieder des Ordens auf ihrem Weg zur „Schau Gottes“ unterweist und begleitet. Ein eintretendes Mitglied schwört ihm unbedingten Gehorsam, weswegen der Einfluss dieser geistlichen Führer sehr groß ist.
Der Weg des Sufismus
…
Entstehung
Nach Mohammeds unerwartetem Tod am 8. Juni 632 in Medina stand die islamische Gemeinschaft unvermittelt vor der Frage, wer religiöser wie politischer Führer der „Umma“, der muslimischen Gemeinde, werden sollte. Diese Frage führte unter den Anhängern Mohammeds zu einem tiefgreifenden Konflikt und schließlich zu einer Spaltung in mehrere Gruppierungen.
Eine kleinere Gruppierung, die später als „Schiiten“ (schia = Partei) bezeichnet wurde, forderte einen direkten Verwandten oder Nachfahren Mohammeds, da nur auf ihm die Segenskraft des Propheten ruhe. Allerdings war am Todestag Mohammeds keiner seiner Söhne mehr am Leben und seine beiden männlichen Enkel al-Hasan und al-Husain waren noch Kinder.
Eine zweite Gruppe bildeten die Charidschiten (die Ausziehenden). Sie vertraten die gegenteilige Auffassung, nämlich, dass der Nachfolger Mohammeds nur mehr der fähigste Mann der Gemeinschaft sein sollte, ganz unabhängig von seiner Herkunft und Abstammung. Die dritte und weitaus stärkste Gruppierung, die der Sunniten (die Leute der Tradition), verfocht, dass ein Mitglied des Stammes Mohammeds Kalif (Nachfolger) werden sollte – also ein Quraisch – der aber zugleich durch einen Rat gewählt und durch einen Treueeid bestätigt werden sollte, also Führungsstärke und Abstammung miteinander verband.
Die Sunniten konnten sich im Kampf um die Nachfolge Mohammeds durchsetzen und stellten die ersten drei Kalifen, die weltliche und geistliche Herrscher zugleich waren: Abu Bakr (regierte 632-634), 'Umar (634-644) und 'Uthman (644-656). Erst danach konnten die Schiiten kurzzeitig einen ihrer Leute, 'Ali ibn Abi Talib (656-661), den Neffen und Schwiegersohn Mohammeds, als vierten Kalifen in Position bringen. Nach seiner Ermordung jedoch sicherten sich die Sunniten das Kalifat dauerhaft und machten es für die Dynastien der Umayyaden (661-749) und der Abbasiden (750-1258) für Jahrhunderte erblich. Die Schiiten wurden politisch und religiös in eine Minderheitenposition abgedrängt und von der sunnitischen Mehrheit als „Abtrünnige“ häufig diskriminiert oder sogar hart verfolgt, weshalb sie die Lehre von der „Taqiya“ (Vorsicht, Geheimhaltung) entwickelten.
Theologie und Herrschaft
…
Die Einwanderung der Türken aus Zentralasien nach Anatolien
Die ursprüngliche Heimat der Turkvölker liegt in Zentralasien im Gebiet des Altai Gebirges.
Bedingt durch das Vordringen der Mongolen wanderten Nomadenstämme aus Zentralasien nach Westen ab. So kam es Mitte des 11. Jahrhunderts zur Einwanderung der muslimischen Seldschuken nach Anatolien. Dort trafen sie auf das Oströmische Reich Byzanz.
Alp-Arslan brachte in der Schlacht von Mantzikert (1071) dem Byzantinischen Reich eine verheerende Niederlage bei. In der Folge kam es im 12. Jahrhundert zur ungehinderten Landnahme weiterer Nomadenstämme in Kleinasien. Konya (Ikonium) wurde zur Hauptstadt des Reiches. Nach dem Sieg der Mongolen 1243 über die Seldschuken zerfiel das Reich in einzelne Fürstentümer.
Das Osmanische Reich (1299-1923)
Um 1299 gründete ein türkischer Stamm unter seinem Anführer Osman ein kleines Fürstentum und machte 1326 Bursa (Brussa) zur Hauptstadt. Nach und nach dehnte er seinen Einfluss und seine Macht aus. Die zweitgrößte Stadt des Byzantinischen Reiches, Edirne (Adrianopel), fiel 1362 an die Osmanen. Mazedonien wurde 1371 erobert.
Die Elitetruppe der Janitscharen wurde 1330 gegründet. Ab 1438 wurde sie systematisch durch die so genannte Knabenlese auf dem Balkan rekrutiert. Je nach Bedarf wurden von den christlichen Völkern bis zu jedem 5. Jungen im Alter von 7 – 14 Jahren ausgewählt. Diese Jungen waren dem Zölibat unterworfen, dem Sultan zu absolutem Gehorsam verpflichtet und wurden unter strenger Disziplin zu muslimischen Soldaten ausgebildet.
In der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo) 1389 besiegte Murad I. die verbündeten christlichen Fürsten aus Serbien, Bosnien, Bulgarien und Albanien. Damit fand das Großserbische Reich sein Ende und große Teile des Balkans blieben 500 Jahre unter osmanischer Herrschaft. Nach dem Sieg über die Ungarn 1448 bereitete Mehmed II. (der Eroberer) die Einnahme Konstantinopels vor. Die Stadt fiel am 29. Mai 1453 nach 54-tägiger Belagerung. Die Kirche „Zur Heiligen Weisheit“ (Hagia Sophia) wurde in eine Moschee umgewandelt. Die alte Bevölkerung aus Griechen, Armeniern und Juden wurde zum Bleiben aufgerufen. Als letzter Rest des byzantinischen Staates wurde 1460 das Kaiserreich Trapezunt (Trapzon) am Schwarzen Meer unterworfen.
Selim gelang 1514 ein Sieg gegen die Safawiden in Persien. Schließlich wurde 1516/1517 das Mamelukkenreich in Ägypten besiegt. Damit wurde das Osmanische Reich auch der Hüter der Heiligen Stätten des Islam. Seit 1517 führten die osmanischen Sultane den Titel des Kalifen. Die Ära von Süleyman I. (1520-1566) bildete den Höhepunkt der Macht des Osmanischen Reiches. Die Osmanen verdankten ihren Erfolg vor allem ihrer Armee (stehendes Heer) und ihrer gut strukturierten Verwaltung. Bauern, Händler und Handwerker hatten eine vergleichsweise geringe Steuerlast zu tragen.
…
Nach türkischen Überlieferungen liegt das Ursprungsland der Türken im Altai-Gebirge. Das Altai-Gebirge befindet sich im Westen der Mongolei und im Osten von Kasachstan. Da die Türken später als manche anderen Völker lesen und schreiben lernten, gibt es über ihre sehr frühen Entwicklungen kaum wissenschaftlich verwertbare Unterlagen. Türkische Völker gibt es heute verstreut über ganz Asien. Das östlichste Turkvolk war und sind die Uiguren in West-China. Diverse Turk-Völker wohnten und wohnen in Sibirien. Andere Turk-Völker leben in Zentralasien, z. B. Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan, Kasachstan, ebenso im Kaukasus, z. B. Aserbaidschan. Die vorherrschende Religion der Turkvölker waren ursprünglich der Animismus und das Schamanentum.
Auf Grund der Klimaveränderungen und Überweidung in manchen Teilen Asiens breiteten sich die Wüsten immer mehr aus. Weideland und Wasser wurden knapp. Um neuen Lebensraum zu finden, zogen türkische Stämme westwärts, über Afghanistan und Nord-Persien Richtung Anatolien. In der Zeit dieser Völkerwanderung, die mehrere Jahrhunderte dauerte, wurden manche Turkvölker vom Christentum erreicht. So gab es etwa große türkische Kirchen im heutigen Aserbaidschan. Ein türkischer Stamm, die Gagawusen, bekehrte sich ganzheitlich zum Christentum. Diese türkisch-sprachigen Christen leben bis heute hauptsächlich in Moldawien.
Im siebenten Jahrhundert entstand auf der arabischen Halbinsel der Islam, der sich von dort aus schnell ausbreitete. Ab dem 9. Jahrhundert wird von einer größeren Zahl von Türken berichtet, die den Islam annahmen und zusammen mit den Arabern für die Festigung und Ausbreitung der Herrschaft des Islam kämpften. Die Islamisierung der Turkvölker dauerte bis weit ins 11. Jahrhundert. Heute sind mit Ausnahme der Gagawusen und einiger Stämme in Sibirien fast alle Türken Muslime.
Etwa ab dem Jahr 1000 n. Chr. waren die Türken militärisch den arabischen Muslimen überlegen. So kam es, dass vor allem die Türken durch Eroberungen das Herrschaftsgebiet des Islam vergrößerten. Bald waren die Türken auch Herrscher über manche arabische Völker. So wurde ein türkischer Stamm im Jahr 1055 Schutzmacht für Bagdad. Während die arabischen und später auch die persischen Muslime in der religiösen und kulturellen Entwicklung des Islam führten, waren die Türken die militärischen Machthaber. Die Übernahme der Macht durch die Türken haben manche Araber schlecht verdaut. Bis heute gibt es zwischen Arabern und Türken wenig Herzlichkeit.
Die nach Westen vordringenden Türken wurden natürlich von den bisherigen Bewohnern nicht immer willkommen geheißen. Mehrheitlich waren die Gegner der vorrückenden Türken christliche Völker. Deshalb betrachten die Türken bis heute die Christen mit Argwohn. Historisch gesehen waren die Christen immer die Feinde der Türken. In Anatolien herrschten damals die Byzantiner; sie waren Griechen und hatten ihr kirchliches Zentrum in Byzanz oder Konstantinopel, wie man die Stadt später nannte. Im Jahr 1071 kam es zur ersten größeren Schlacht zwischen Türken und Byzantinern in Ostanatolien. Die Türken siegten. Eine Provinz nach der anderen kam unter die Herrschaft eines türkischen Sultans. Die neu unter türkischer Herrschaft lebenden Einwohner der Türkei waren außer den Griechen Armenier, Kurden, Lasen, Araber, Assyrer und auch zahlreiche Juden. Die Türken herrschten zwar bald über weite Gebiete und erhoben Steuern, gewährten aber den dort wohnenden Völkern weitgehende Selbstverwaltung.
Türke sein heißt Soldat sein
1389 kamen Serbien und Kosovo unter osmanische Herrschaft.
1453 fiel nach einer sehr langen Schlacht Konstantinopel, das heutige Istanbul, an die Türken. Danach gingen die türkischen Feldzüge weiter nach Westen, aber auch nach Norden und nach Südosten. Für sehr viele Türken war der Krieg, das Soldat-Sein der Beruf, während die Nicht-Türken ihr Leben mit Handwerk, Landwirtschaft oder Handel verdienten.
…
Entwicklung des islamischen Rechts
Mohammed war im Jahr 622 n. Chr. wegen des zunehmenden Widerstands der Araber gegen die Botschaft des Islam von Mekka nach Medina emigriert. Dort konnte er sich zunächst als Schiedsrichter verfeindeter Gruppierungen, dann auch als Heerführer gegen Araber und Juden und schließlich als Gesetzgeber seiner muslimischen Gemeinde (arab. umma) etablieren. Besonders aus der medinischen Zeit sind daher im Koran die rechtlichen Regelungen einiger praktischer Alltagsfragen überliefert, deren Schwerpunkt auf dem Ehe- und Familienrecht sowie auf dem Strafrecht liegt.
Der Koran enthält an keiner Stelle eine systematische Behandlung juristischer Belange, ja, nur rund 10% des Korantextes thematisieren überhaupt Rechtsfragen. Es geht in den rechtsrelevanten Texten vor allem um Betrug beim Handel, Vertragsbruch, Veruntreuung, Diebstahl, Mord und Totschlag, sowie im Eherecht um Ehebruch, Kindschaftssorgerecht und am Rand um das Zeugen- und Erbrecht. Außerhalb des Koran finden sich weitere rechtliche Regelungen in der Überlieferung (arab. hadith).
Als Mohammed 632 n. Chr. starb, existierte also noch kein schriftlich niedergelegtes islamisches Gesetz. Der Koran war wie die Überlieferung schriftlich höchstens teilweise fixiert. Aber schon in den ersten Jahrzehnten nach Mohammeds Tod schritt die islamische Expansion rasch fort, und in diesen neueroberten Gebieten musste eine islamische Verwaltung und auch ein Rechtssystem etabliert werden.
Die Prophetengefährten, Gelehrte und Juristen begannen nun zu erörtern, wie die überlieferten Entscheidungen Mohammeds und die rechtlichen Regelungen des Koran auf die Zeit nach Mohammed anzuwenden wären und welche Quellen zur Rechtsfindung – zur Beurteilung neu entstehender Fragen also – anerkannt werden sollten. Aus diesen Gelehrtenzirkeln der ersten Jahrzehnte entwickelten sich die Rechtsschulen.
Die sunnitischen Rechtsschulen
Der sunnitische Islam anerkennt heute vier Rechtsschulen (arab. madhahib, Pl. von madhab = Weg, Lehre, Schule), die im 8. Jahrhundert n. Chr. in den Zentren der islamischen Gelehrsamkeit entstanden. Die Rechtsschulen erkennen sich gegenseitig an, unterscheiden sich aber in einigen Lehrfragen, der Auslegung von Rechtsbestimmungen wie auch in Teilbereichen der religiösen Pflichtenlehre. Insgesamt sind die theologischen Differenzen aber nicht sehr groß. Alle Muslime gehören einer der Schulen an und befolgen die religiösen Vorschriften nach deren Tradition.
Die schafiitische Schule
…
Wie denken Muslime über biblische Glaubenswahrheiten, und worin unterscheiden sich christlicher Glaube und Islam? Wie sollten Muslime über Christen denken und wie sich ihnen gegenüber verhalten?
Im Koran werden biblische Prophetengeschichten in 412 Versen nacherzählt. Manchmal ähneln sie stark der biblischen Darstellung – und doch enthalten sie deutliche Verzerrungen. Woran liegt das?
Art und Weise der Übernahme der Texte
Meist setzen koranische Geschichten, die wir aus der Bibel kennen, ein Vorwissen des Zuhörers voraus. Sie werden nur kurz angerissen. Einleitend heißt es dann zum Beispiel „gedenket“ oder „zu Ohren gekommen“ (Sure 20,9). Im Koran werden fast alle Orts- und Zeitangaben, viele Namen und historische Daten unterschlagen. Die 419 Bibelverse der Josefsgeschichte werden im Koran auf 111 Verse, also auf ein Viertel, reduziert. Die Sure 12 ist eine spätmekkanische Sure und stammt aus der Zeit, in der Mohammed in Mekka die stärkste Opposition bis hin zu Morddrohungen erdulden musste. Durch diese Geschichte will der Koranautor den Mekkanern klar machen, dass sie Mohammed doch noch anerkennen werden, wie Josef am Ende ja auch anerkannt wurde (Josef ist ein „Zeichen“ auf Mohammed hin – Sure 12,7). Die ersten drei und der letzte Vers der Sure 12 behaupten, die Geschichte sei eine schöne Erzählung, die in arabischer Sprache die biblische Handlung bestätigen soll. - Tut sie das?
Einige der Widersprüche
Der erste Traum Josefs von den Getreide-Garben der Brüder und Eltern, die sich vor der Garbe Josefs verneigen, wird in Sure 12 weggelassen. Die Sure erwähnt nur den zweiten Traum von den 11 Sternen, Sonne und Mond, die sich vor Josef verbeugen. Josef erzählt diesen auch nicht seinen Brüdern, sondern nur seinem Vater, der ihm verbietet, den Traum vor seinen Brüdern zu erwähnen. Dieser andere, freundlichere, ermutigende und sorgende Charakter Jakobs findet sich in jüdischen Midraschtexten, die 1.Mose 37,11 auslegen. – Josef erhält in der Zisterne, in die ihn die Brüder geworfen hatten, eine Offenbarung, dass er diese Ungerechtigkeit seinen Brüdern noch einmal vorhalten würde, wobei sie ihn dabei nicht erkennen würden (12,15). Diese koranische Behauptung soll ihn als Propheten bestätigen. Im Gegensatz zur Bibel lehnt es Jakob im Koran ab, an Josefs Tod zu glauben (37,35; 12,18). Auch Jakobs unerhört lange Trauer (37,34f) wird nicht erwähnt, da dies zu einem Propheten nicht passen würde.
Josef in Ägypten
Ein Namenloser kauft Josef irgendwo in Ägypten. Entgegen dem biblischen Bericht will der Namenlose Josef sogar als Kind adoptieren (12,21). Im Koran wird die Schuld von Josefs Bruder Juda mit seiner Schwiegertochter Tamar in Genesis 38 ausgelassen. Solche Sünden passen erstens nicht zu Propheten und zweitens ist der Koranautor nicht an den Brüdern oder Israel interessiert. – Im Gegensatz zur Bibel begehrt Josef im Koran die Ehefrau (Potifars) ebenso wie diese ihn (12,24; 39,8.10). Aber Gott bewahrt ihn, indem er ihn ein übernatürliches Zeichen vom Herrn sehen lässt (12,24). Dieser einvernehmliche sexuelle Wunsch und das Zeichen finden sich auch in der Midraschauslegung zu 1.Mo 39,11. Das unterschiedliche Sündenverständnis von Bibel und Koran zeigt sich in Josefs Aussage in 1. Mose 39,9b: „Wie sollte ich dieses große Unrecht tun und gegen Gott sündigen?“ Der eigentliche Verführungsvorgang mit der Flucht Josefs, bei der er sein Gewand verliert (39,12), wird im Koran so dargestellt, dass beide zur Tür rennen und die Frau Josefs Gewand von hinten einreißt, was dem Ehemann ihre Schuld beweist, weil Josef offenbar flüchtete (12,28). Jetzt folgt ein koranischer Einschub (12,30-35), der wieder im Midrasch zu finden ist. Demnach bringt die Verführerin das Gerede der reichen Frauen über sie zum Verstummen, indem sie ihnen Josef vorführt und diese sich vor hingerissenem Staunen mit den Obstmessern in die Finger schneiden. Im Gefängnis landet er, aber nicht wegen vermeintlichem Ehebruch wie in der Bibel (39,19-20), sondern eben zur Sicherheitsverwahrung vor sexuellem Missbrauch, der von den Frauen ausgeht (12,35). – Der Dialog über die Träume von „Mundschenk“ und „oberstem Bäcker“ wird auf „zwei junge Männer“ reduziert. Es folgt eine Islampredigt Josefs gegen den Götzendienst, wie Mohammed sie nicht besser gehalten hätte (12,37-40). Der eine der jungen Männer wird im Koran gekreuzigt statt aufgehängt (40,22; 12,41). Josef gibt nun auf Empfehlung des Mundschenks die Deutung von Pharaos Traum noch aus dem Gefängnis. Als der König Josef zu sich ruft, lehnt Josef unverständlicherweise ab und will zuerst wissen, wie es den nach ihm süchtigen Frauen geht, die sich damals in die Finger schnitten. Unlogisch bleibt, wie er sich als Gefängnisinsasse dem Befehl des mächtigen Pharao widersetzen kann (12,50). Auf die Befragung durch den Pharao hin gibt die Ehefrau (Potifars) Josef die Ehre und bekennt, dass sie ihn verführen wollte (12,51). Josef hält als eine Moral aus der Geschichte eine Art islamische Kurzpredigt über Gottes Vergebung und die Bosheit der Frauen/Menschen (12,52-53). Das alles wirkt sehr gekünstelt und verbogen. Josef wird vom König auserwählt und schlägt plötzlich dem König vor, ihn selbst als Finanzminister über die Vorratskammern zu bestellen (12,55). Diese Eigenmächtigkeit kommt dem König indes gar nicht ungebührlich vor. Es folgt eine weitere islamische Kurzpredigt über Gottes Barmherzigkeit und den Lohn der Rechtschaffenen (12,56-57). Dass Josef sogar Stellvertreter Pharaos wird und riesige Mengen Getreide sammelt, eine heidnische Ägypterin heiratet, Kinder bekommt und in den Hungerjahren Getreide an alle Länder verkauft, fehlt im Koran (1.Mo 41,47-57).
Josef begegnet seinen Brüdern
Die misstrauischen Fragen Josefs bei der ersten Begegnung mit seinen Brüdern, die Spionagevorwürfe Josefs ihnen gegenüber, die drei Tage Gefängnis für die Brüder und die Festnahme Simeons als Pfand sucht man im Koran vergeblich (1.Mo 42,7-24; ab 12,58). Diese ungerechtfertigten Vorwürfe und Beugehaft würden einem Propheten im Koran nicht anstehen. Nein, im Koran preist sich Josef als guter Gastgeber (12,59).
Der Ausgang der Geschichte bleibt für den koranischen Jakob absehbar. Der Koran ergänzt den Bericht, dass Jakob seinen Kindern befiehlt, bei ihrer zweiten Reise in die ägyptische Stadt Josefs durch verschiedene Tore einzutreten. Vermutlich geht es darum, dass nicht alle zugleich umkommen, falls es zu einem Angriff des Verwalters (Josef) kommen sollte (12,67). Dieses hinzugefügte Detail stammt aus dem jüdischen Midrasch.
Das berauschende Festmahl wird unterschlagen, da dort Wein im Spiel ist (1.Mo 43,34). Dass Josef den Trinkbecher hinterlistig in die Tasche eines Bruders steckte (12,70), wird als List Gottes für Josef gerechtfertigt (12,76). Der Prophet muss immer gerecht dastehen. Als die Brüder auf der 3. Reise (Bibel: 2.) wieder vor Josef erscheinen, gibt dieser sich nun endlich zu erkennen (12,89-90). Jetzt folgt ein weiterer koranischer Einschub mit der Aufforderung Josefs an seine Brüder, ein Hemd von sich auf den erblindeten Vater Jakob zu legen, der dann sehend wird (12,93.96). Sofort will der koranische Jakob den Triumph wegen seines Vorwissens über die Errettung Josefs genießen (12,94-96; Bibel: Unglaube Jakobs: 1.Mose 45,26). Der Prophet darf sich nicht täuschen. Logischerweise fehlt die direkte Anrede Gottes an Jakob, in der Gott ihn ermutigt, nach Ägypten zu gehen und ihm verspricht, dass er seine Nachkommen eines Tages wieder nach Kanaan zurückbringen wird (1.Mo 46,1-4).
Im Koran lässt Josef seine Eltern auf dem Thron sitzen, die sich aber doch vor ihm niederwerfen (12,100). Der Koran unterschlägt das Gespräch zwischen Pharao und Jakob, sein Alter (130 Jahre) und seine Berufsbezeichnung (Hirte). Es folgt eine Hymne auf den mächtigen Schöpfer (12,101-102) und eine Islampredigt vom Feinsten, die Mohammed genauso an die Mekkaner gerichtet haben mag (12,103-110). Sie warnt vor dem Götzendienst und dem folgenden Gericht. Jakobs Segen und Tod, sowie auch Josefs Tod und seine letzten Worte (1.Mose 48-50) kommen im Koran nicht vor.
Fazit
Während die Josefsgeschichte in der Bibel ein wichtiges Glied in der Vätergeschichte ist (Abraham – Isaak – Jakob – Josef – Mose; der Umzug nach Ägypten eine Erfüllung der Prophetie Gottes an Abraham in 1.Mo 15,13: „400 Jahre“ in Ägypten) und damit nicht vernachlässigt werden kann, wird die Geschichte im Koran völlig aus ihrem Kontext gelöst. Die Bibel betont die geographische, historisch nachvollziehbare und theologische Seite, während der Koran nur seine islamisch-theologische Seite darstellt. Dementsprechend benützt der Koran die Bibeltexte, lässt Ereignisse wegfallen und nimmt Inhalte aus anderen Quellen auf (die Jesus Christus ablehnt: z. B. Mt 15,3.6). Viele koranische Abweichungen zur biblischen Geschichte lassen sich auf die jüdische Mischna (erste Niederschrift der mündlichen Thora; die Mischna bildet die Grundlage für den Talmud) und den Midrasch (jüdische Schriftauslegung) zurückführen. Damit wird aber im Koran die biblische Geschichte nicht bestätigt, sondern letztlich verfälscht.
Während Jesus im Koran zwar als großer Prophet beschrieben wird, verurteilt der Koran den christlichen Glauben an seine Gottessohnschaft und seinen stellvertretenden Tod am Kreuz scharf. Obwohl Jesus in Sure 3,45 als Messias bezeichnet wird, bleibt dieser Titel ohne jede Einordnung in die alttestamentliche Erwartung eines gesalbten Retters. In derselben Stelle wird Jesus als ein „Wort von Gott“ beschrieben, ohne dass damit das ewige Fleisch gewordene Wort Gottes aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums gemeint ist. Wenn es im Koran heißt, dass Jesus „ein Geist von Gott“ ist, wird damit nicht seine göttliche Identität bestätigt, sondern lediglich seine übernatürliche Zeugung beschrieben. Aber dennoch enthalten die koranischen Beschreibungen des Lebens und Wirkens Jesu zahlreiche Besonderheiten, die Jesus unter allen anderen Propheten herausragen lassen und nicht wenige Muslime zum weiteren Nachdenken über ihn anregen.
Ein Gesandter der Zeichen und Wunder
In Sure 3,45-49 verkündigen Engel der Jungfrau Maria, dass Gott Jesus die Schrift, die Weisheit, die Thora und das Evangelium lehren wird und ihn als Gesandten zu den Kindern Israels schicken wird. Jesus wird durch ein Wort Gottes gezeugt. Die übernatürliche Geburt von Jesus soll nach Aussage der Engel ein Wunderzeichen und eine Barmherzigkeit für die Menschen sein. Muslime staunen zudem darüber, wie Jesus selbst bereits als Säugling in der Wiege seine Mutter gegen die aufkommenden Vorwürfe der Unzucht verteidigt (siehe Sure 19,24ff.). Weiter bezeugt der Koran, dass Jesus auch später gestärkt vom Heiligen Geist viele Wunder getan hat. Der Koran berichtet in offensichtlicher Anknüpfung an apokryphische Schriften, wie Jesus einen Vogel aus Ton formt und zum Fliegen bringt (Sure 3,49). Außerdem heilt er Blinde und Aussätzige (Sure 3,49), versorgt seine Zeichen fordernden Jünger auf wunderbare Weise mit Essen aus dem Himmel (Sure 5,112-115) und erweckt Tote zu neuem Leben (Sure 3,49). Jesus soll nach koranischem Zeugnis mithilfe seiner Wunderzeichen das bestätigen, was schon aus der Thora bekannt ist und einen Teil von dem erlauben, was zuvor verboten war.
In Sure 3,46 beschreibt Jesus die Botschaft hinter den Wunderzeichen: „Ich komme zu euch mit einem Zeichen von eurem Herrn; fürchtet Gott und horchet auf mich. Wahrlich, Gott ist mein Herr und euer Herr, so verehret ihn. Dies ist der rechte Weg.“ Als Mohammed jedoch behauptete, dieselbe Botschaft wie Jesus und die anderen Propheten vor ihm zu bringen, verlangten sowohl die heidnischen Araber als auch die Juden und Christen im Umfeld Mohammeds die entsprechende Bestätigung seiner Sendung durch Zeichen und Wunder. Mohammed wies diese Forderungen als Unglauben ab und verwies, wie die islamische Theologie nach ihm, auf die Einzigartigkeit des Koran als größtes Wunder. Der Koran berichtet von keinerlei Wundern, Heilungen oder Dämonenaustreibungen Mohammeds, während sich in den islamischen Überlieferungen einige Wunderberichte finden, deren Glaubwürdigkeit selbst unter Muslimen umstritten ist.
Ein Mann der Güte und Barmherzigkeit
Muslimische Gelehrte haben immer wieder mit Verweis auf Sure 61,6 versucht darzulegen, dass Jesus in Johannes 14 nicht den Heiligen Geist, sondern das Kommen Mohammeds angekündigt habe. Neben den exegetischen Schwierigkeiten bei einer solchen Auslegung spricht gerade die völlig unterschiedliche Vorstellung von der Durchsetzung der Herrschaft Gottes gegen eine Kontinuität zwischen Jesus und Mohammed. Ausführlich beschreiben Koran und Überlieferung die Kriege Mohammeds zur Durchsetzung des islamischen Machtanspruchs und sein gewalttätiges Vorgehen gegen seine persönlichen Feinde und Widersacher. Auch wenn der Koran Jesu Gebot der Feindesliebe nicht überliefert, findet sich hier kein einziges Wort zu einer Ausübung oder Androhung von Zwang gegenüber seinen Nachfolgern oder einer gewalttätigen Einstellung gegenüber seinen Widersachern. Nach Sure 5,46 war in seiner Botschaft vielmehr Führung und Licht und eine Ermahnung für die Gottesfürchtigen. Nach Sure 19,34 ist er das „Wort der Wahrheit“. In Sure 57,27 heißt es, dass Güte bzw. Mitleid und Barmherzigkeit in die Herzen derer gelegt wurden, die Jesus folgten.
Ein sündloser und gewaltloser Prophet
Während Mohammed als Gesandter Allahs nicht nur bei der Zahl seiner Ehefrauen Sonderrechte für sich in Anspruch nahm, wird dies von Jesus nicht berichtet. Erstaunlicherweise beschreibt der Koran zudem anders als die islamische Theologie später, dass Mohammed um Vergebung seiner Sünden beten musste (siehe Sure 40,55; 47,19; 48,2), während Jesus weder im Koran noch in der islamischen Überlieferung einer einzigen Sünde bezichtigt wird und nach Sure 3,45 im Diesseits und im Jenseits angesehen ist. In der islamischen Mystik erscheint er als großer Weisheitslehrer und Vorbild für Armut und Askese. Vor allem der bereits im Koran durchschimmernde Kontrast zwischen Mohammed und Jesus in ihrer Einstellung zu den Feinden stimmt viele Muslime nachdenklich und weckt nicht selten das Interesse für die Evangelienberichte. Biblische Berichte wie die Begebenheit, als Jesus bei seiner Gefangennahme das Ohr eines Knechtes des Hohenpriesters heilte und Petrus für den Einsatz von Gewalt gegen seine Widersacher tadelte, haben schon viele Muslime wie den ägyptischen Konvertiten und ehemaligen al-Azhar-Gelehrten Mark Gabriel von der Einzigartigkeit von Jesus, seiner Botschaft und der Art seiner Verkündigung überzeugt.
Das Wort vom Kreuz
Diese stellenweise im Koran nahegelegte Einzigartigkeit Jesu steht jedoch der wiederholten Klarstellung gegenüber, dass Jesus nicht der Sohn Gottes, sondern ein gewöhnlicher Mensch wie alle anderen Propheten gewesen und auch nicht am Kreuz stellvertretend für die Sünde der Menschen gestorben sei. Sure 4,157-159 legt die Mehrheit der muslimischen Theologen so aus, dass Judas, der Verräter, oder ein anderer an der Stelle Jesu gekreuzigt wurde. Gott hat Jesus direkt zu sich in den Himmel erhoben, was ihn ebenfalls deutlich von Mohammed unterscheidet, der einen natürlichen Tod stirbt. Mohammed selbst soll eine tiefe Abneigung gegen das christliche Symbol des Kreuzes gehegt haben. Die Kreuzigung erscheint muslimischen Augen als eine eindeutige Schmach und eine undenkbare Niederlage für einen Gesandten Gottes. Der Gedanke, dass ein Unschuldiger für die Sünde eines anderen stirbt, ist dem Koran ebenso fremd wie das oben beschriebene Gebot der Feindesliebe. Die Botschaft vom Kreuz widerspricht dem zentralen Inhalt des Koran, dass der Mensch von Natur aus zum Guten fähig ist und die Gnade Gottes lediglich in der koranischen Rechtleitung darüber besteht, was ihm erlaubt und verboten ist. Die geschenkte Vergebung steht im Widerspruch zur islamischen Werkgerechtigkeit, das Symbol der Waage für die Abrechnung guter und schlechter Taten im Kontrast zum Kreuz, an dem nach biblischer Offenbarung der heilige und gerechte Gott selbst den teuersten Preis für seine Retterliebe zu dem verlorenen Sünder bezahlt hat.
Christlicher und islamischer Glaube haben auf den ersten Blick starke Ähnlichkeiten. Beide sind monotheistisch (Sure 2,255; 5.Mo 32,39), kennen ähnliche Propheten, ähnliche Schriften und erwarten die Auferstehung der Toten und ein Endgericht. Beide haben eine Gemeinschaft der Gläubigen. Doch beim näheren Hinsehen entdecken wir gravierende Unterschiede. Wir nennen hier nur einige der wichtigsten.
Gott
Im Koran ist Gott der unnahbare Schöpfer (Sure 55,1-78; 6,10-101). Gott ist nicht dreieinig (4,171; 5,17.72.75.76.116). Er hat sich nicht selbst offenbart und kann nicht in Raum und Zeit eintreten (7,156; 35,15). Er bindet sich nicht an sein Wort und bleibt unerforschlich. Gott liebt den Sünder nicht (4,107). Er will die Hölle mit Menschen füllen (32,13; 11,119).
In der Bibel schuf der einzige Gott den Menschen zu seinem Ebenbild (1. Mose 1,26f), zur persönlichen Gemeinschaft mit seinem Schöpfer. Er offenbart seinen Charakter in Jesus Christus (Hebr 1,3). Gott ist ein einziger dreieiniger Gott (Mt 28,18-20), der Liebe ist (1.Joh 4,8). Gott sucht die Beziehung zu uns sündigen Menschen und wurde deshalb Mensch.
Jesus Christus
Im Koran hat Gott keine Kinder. Jesus ist nicht der Sohn Gottes (9,30). Die Sohnschaft wird physisch verstanden, als hätte Gott mit Maria ehelichen Verkehr gehabt. Jesus darf nicht als Gott angebetet werden (25,2; 19,35). Jesus ist nicht die zweite Person der Dreieinigkeit (5,17. 72-75; 4,171-172).
In der Bibel ist Jesus Christus von Ewigkeit her der vom Vater geliebte Sohn (Mk 1,11). Er ist nicht Sohn Gottes durch körperliche Zeugung, sondern der Erbe des Vaters, dem alle Macht in Himmel und auf Erden übertragen wurde (Mt 28,18). In Christus wurde Gott Mensch (Joh 1,1.14). Wer die Sohnschaft Jesu leugnet, spricht aus dem Geist des Widersachers Gottes (1.Joh 2,22f).
Im Koran ist der größte Prophet Mohammed (33,40; 61,6) und Jesus ein Prophet unter ihm. Mohammed soll in der Bibel angekündigt worden sein (2,67ff; 7,157).
In der Bibel ist Jesus der Retter und Erlöser der Welt, der höchste Prophet, Priester und König, der Sohn Gottes, der im Alten Testament angekündigt wurde. Jesus hat den Heiligen Geist versprochen (Joh 14,16). Jesus hat Mohammeds Kommen nicht vorhergesagt.
…
Einen anderen Glauben zu tolerieren heißt nicht, diesen als wahr zu akzeptieren, wohl aber, dass man Andersgläubige respektiert und ihnen die Freiheit gibt zu glauben, was ihrer Überzeugung entspricht. Wenn wir verstehen wollen, was Muslime meinen, wenn sie den Islam als „tolerant“ bezeichnen, müssen wir das Leben ihres Propheten Mohammed betrachten. Denn Muslime sollen sich in jedem Detail an seinem Vorbild ausrichten (Sure 33,21.36).
1. Glaubens-Toleranz im Leben Mohammeds
Aus der Anfangszeit des Wirkens Mohammeds in Mekka finden wir in Sure 43,88-89 den an ihn gerichteten Befehl, Nichtmuslime nicht zu behelligen: „Er (Mohammed) spricht: O mein Herr, es sind ungläubige Menschen. Gott aber antwortet: Trenne dich von ihnen, und sprich: Friede…“ Als Mohammed als Warner auftrat und mit seiner kleinen Gruppe von Nachfolgern viel Spott und Leid ertragen musste, finden wir im Koran die tolerante Aussage an die Adresse seiner Gegner: „Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige“ (109,6). Die Mekkaner sahen durch die Predigt Mohammeds von dem einen Gott ihre wirtschaftliche Existenz als Wallfahrtsort mit der Verehrung vieler Götter in Gefahr (9,28). Einige der ersten Muslime waren Sklaven und wurden von ihren Herren wegen ihres neuen islamischen Glaubens misshandelt oder sogar getötet. Daraufhin flüchteten einige von Mohammeds Anhängern auf das Gebiet des heutigen Äthiopiens, wo sie bei orthodoxen Christen Zuflucht fanden. – Auch noch in der ersten Zeit in Medina, als Mohammed sich als Politiker und später als Feldherr betätigte, finden wir die Aussage: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“ (2,256). Er hoffte noch, die Juden der Stadt durch Argumente für den Islam gewinnen zu können. Ähnliche Aussagen Mohammeds gibt es in den Hadith-Sammlungen.
2. Aufforderung zur Gewaltanwendung als Verteidigung und zur Ausbreitung des Islam
Nach der Auswanderung in die Stadt Medina hatten die Nachfolger Mohammeds dort keine direkte physische Gewalt durch Nichtmuslime zu erwarten. Sie konnten zahlenmäßig stark wachsen. Trotzdem finden wir in Sure 2 bereits die Erlaubnis und Aufforderung zur Gewaltanwendung: „Tötet für den Weg Gottes die, so euch töten wollen, jedoch beginnt nicht ihr die Feindseligkeit …Tötet sie, wo ihr sie auch trefft, vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben … Wenn sie sich aber bessern, dann ist Gott versöhnend …Bekämpft sie, bis die Versuchung aufgehört und die Gottesreligion gesiegt hat…“ (Ausschnitte aus 2,190-194; s.a. 22,39-41; 4,91). Mohammed hatte mekkanische Karawanen überfallen und fand sich dem militärischen Widerstand der noch animistischen Mekkaner gegenüber. Ebenso spürte Mohammed den Spott einiger Mitglieder der drei jüdischen Stämme in Medina, die in ihm einen falschen Propheten sahen.
3. Offensive Kriegsführung um des islamischen Glaubens willen
…
Der große Rahmen der Weltgeschichte scheint in Koran und Bibel gleich zu sein: Gott steht als der Schöpfer am Anfang der Geschichte und Er wird als der Richter auch an ihrem Ende (an der Schwelle zur jenseitigen Ewigkeit) stehen. Ebenso lehren Christentum und Islam gemeinsam, dass Gott immer wieder in die Geschichte eingreift und durch Propheten zu den Menschen geredet hat. – Reichen diese Übereinstimmungen aus, um den Schluss zu ziehen, dass Islam und Christentum das gleiche Geschichtsbild haben?
Das Zentrum der Geschichte
Im Mittelpunkt des biblischen Geschichtsbildes steht Gottes Rettungsaktion: Er hat Jesus Christus gesandt, damit dieser durch sein stellvertretendes Leiden und Sterben am Kreuz die Schuld aller Menschen wegtragen und sie von der Macht der Sünde befreien sollte. Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments ist also das Gericht über die Sünde schon vollzogen. Auf dieser Grundlage bietet Gott allen Menschen Vergebung, Versöhnung und Gotteskindschaft an durch den Glauben an Jesus Christus. – Geschichte in biblischem Sinn ist damit „Heilsgeschichte“. Gott handelt, damit alles wieder heil werden kann.
Im Koran findet sich kein vergleichbares zentrales Heilsereignis. Kreuz und Auferstehung Jesu Christi als Zentrum der biblischen Heilsgeschichte werden geleugnet. Im Grunde kennt der Islam also keine „Heilsgeschichte“.
Der Anfang der Menschheitsgeschichte
Dem entspricht auch, was der Koran über die Anfänge der Geschichte zu sagen weiß: Von der Erschaffung des Menschen ist oft die Rede; von einer Bestimmung des Menschen zum „Bild Gottes“ (1. Mose 1, 26+27) und zu einer persönlichen Beziehung zu Gott sagt der Koran jedoch nichts. – Die Geschichte vom Sündenfall kommt in verschiedenen Varianten vor. Aber Adams Sünde war, wie alle Sünden, eine Einzeltat (vgl. Johan Bouman, Christentum und Islam im Vergleich, Das Leben gestalten – den Tod überwinden, Brunnen Verlag, Gießen 1982, S. 45f), kein Sündenfall im biblischen Sinn: Es wird nirgends davon geredet, dass durch die Sünde die Beziehung des Menschen zu Gott so grundlegend gestört ist, dass Versöhnung nötig ist. Der Islam will auch nichts davon wissen, dass Adam selber und alle seine Nachkommen unter die Macht der Sünde geraten sind. Im Islam gibt es keine Erbsünde. Jeder Mensch ist mit seinen Stärken und Schwächen das Werk Allahs; er hat sich immer wieder zwischen dem Willen Allahs und den Einflüsterungen Satans zu entscheiden. Er ist nicht „unter die Sünde verkauft“ (Röm. 7,14) und auf Gottes erlösendes Eingreifen angewiesen.
So fehlt im Islam nicht nur die Mitte der biblischen Heilsgeschichte. Es fehlt ebenfalls das Wissen um die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, und folglich wird auch gar keine Notwendigkeit einer „Heilsgeschichte“, eines rettenden Eingreifens Gottes, gesehen.
„Prophetengeschichte“
…
„Jesus Christus ... geboren von der Jungfrau Maria“ – diese Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses unterstreicht der Koran in seinen Aussagen über die Geburt Jesu ganz deutlich.
In Sure 3,45-49 sowie in Sure 19,16-21 lesen wir, wie der Koran die Ankündigung der Geburt Jesu darstellt; was er über die Geburt selber zu sagen weiß, finden wir in Sure 19,22-35. – In unserer Darstellung folgen wir Sure 19,16-35.
Sohn der Jungfrau Maria
Maria hat sich von ihrer Familie zurückgezogen; da sendet Gott einen Engel (wörtlich: „unseren Geist"; in Sure 3,45 sind es mehrere Engel) zu ihr in Gestalt eines Mannes, der sich ihr als Gesandter Gottes vorstellt und ihr die Geburt eines „lauteren Jungen“ ankündigt. Ähnlich wie im Neuen Testament fragt Maria: „Wie sollte ich einen Jungen bekommen, wo mich kein Mann berührt hat?“ Sie erhält die Antwort: „Dein Herr sagt: Es fällt mir leicht“ – Wenn Gott etwas beschlossen hat, kann er es auch ausführen.
Jesus wird im Koran als „Sohn der Maria“ bezeichnet, um zu betonen, dass er keinen menschlichen Vater hat, sondern einem Wunder Gottes sein Leben verdankt.
Geschöpf Gottes
In Sure 3,47 wird das noch deutlicher ausgedrückt: „Das ist Gottes Art. Er schafft, was er will. Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie.“ – Durch das Wort des allmächtigen Schöpfers wird in Maria ein menschliches Wesen geschaffen. Sure 3,59 betont, dass es sich mit Jesus ähnlich verhält wie mit Adam; auch zu diesem sagte Gott nur: „Sei!“ und da war er.
Die Jungfrauengeburt ist nach dem Koran lediglich eine Demonstration der Macht Gottes. Sie ist nicht ein zeichenhafter Hinweis auf einen besonderen, für menschliche Sinne nicht wahrnehmbaren Vorgang von heilsgeschichtlicher Bedeutung: dass das ewige Wort Gottes „Fleisch“ wird (Joh 1,14); dass der Sohn Gottes, der von Ewigkeit her in göttlicher Gestalt war, menschliche Gestalt annimmt (Phil 2,6+7).
„An einem fernen Ort“
Vor der Geburt zieht Maria sich „an einen fernen Ort“ (Sure 19,16) zurück. Näheres wird nicht darüber gesagt, wo Jesus zur Welt kam. Für den Koran spielt Bethlehem als „Stadt Davids“ (Lk 2,11) und als Ort der göttlichen Verheißung (Mt 2,5f und Micha 5,1) keine Rolle.
Hilfe für Maria
…
Bei der Beurteilung der Kreuzigung Jesu ergeben sich zwischen Islam und christlichem Glauben besonders große Differenzen. Während die Bibel Kreuzigung und Auferstehung, also das Erlösungs- und Versöhnungswerk Jesu, als Zentrum des christlichen Glaubens auffasst (siehe etwa 1.Kor 15,12ff.), spielt das Ereignis im Koran nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Koran enthält nur einen einzigen Vers zur Kreuzigung, der zudem sehr schwer zu deuten ist und daher von muslimischen Theologen unterschiedlich ausgelegt wurde. Bei allen Differenzen ist sich die muslimische Theologie jedoch darin einig, dass die Kreuzigung Jesu, so wie die Evangelien sie berichten, keinesfalls stattgefunden haben kann.
Der Koran über die Kreuzigung
Sure 4,157+158 sagt über die Juden (Die Texte in Klammern sind Hinzufügungen des Übersetzers R. Paret): „... und (weil sie) sagten: 'Wir haben Christus Jesus, den Sohn der Maria und Gesandten Gottes, getötet.' – Aber sie haben ihn (in Wirklichkeit) nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen (ein anderer) ähnlich (so dass sie ihn mit Jesus verwechselten und töteten) ... Und sie haben ihn nicht mit Gewissheit getötet (d. h. sie können nicht mit Gewissheit sagen, dass sie ihn getötet haben). Nein, Gott hat ihn zu sich (in den Himmel) erhoben“.
Interessanterweise geht der Koran auf die Bedeutung der Kreuzigung als Erlösungstat überhaupt nicht ein.
Der Vers in Sure 4,157-158 ist nun im Arabischen so vieldeutig, dass muslimische Theologen – vor allem ab dem 19. Jahrhundert – mehrere Auslegungen erwogen haben:
1. Niemand wurde gekreuzigt: Dann würde der Vers bedeuten, dass die Juden zwar planten, Jesus zu kreuzigen, aber „es erschien ihnen nur so, als ob“ eine Kreuzigung Jesu stattgefunden hätte. Manche muslimischen Ausleger haben mit Rückgriff auf die historisch-kritische Bibelauslegung vertreten, dass Jesus aufgrund der in der Bibel berichteten Finsternis und des Erdbebens der Hinrichtung entging und von Gott rechtzeitig in den Himmel erhoben wurde.
2. Jesus wurde zwar gekreuzigt, aber auf Gottes Ratschluss hin, nicht aufgrund der Pläne der Juden: Man könnte vom Wortlaut auch annehmen, dass Jesus zwar gekreuzigt wurde, aber nicht, weil die Juden dies beabsichtigten, sondern letzten Endes, weil Gott es so beschlossen hatte. Die Betonung wäre dann: „Sie haben ihn nicht getötet“ (sondern Gott war der Verursacher seines Todes). Allerdings ist diese Meinung in der muslimischen Theologie heute eine Außenseiterposition.
3. Ein anderer wurde an Jesu Stelle gekreuzigt: Dann würde man auslegen: „Er, Jesus, erschien ihnen so, als ob er gekreuzigt wurde,“ was bedeutete, dass Jesus selbst nicht gekreuzigt wurde, sondern ein anderer entweder unabsichtlich mit Jesus verwechselt wurde (so etwa Mohammed Taufîq Sidqî oder der schiitische Theologe Mohammed Husain Tabâtabâ'î) oder dass Gott einen anderen Menschen in Jesus verwandelte, der dann an seiner Stelle gekreuzigt wurde.
…
Der Koran verleiht Jesus einige hohe Titel. In ihnen klingen zum Teil biblische Wendungen an. Bei einer genaueren Untersuchung zeigt sich jedoch, wie wenig wir ein gemeinsames Verständnis voraussetzen können, selbst wenn im Koran Begriffe gebraucht werden, die den christlichen entsprechen. Vieles müssen wir Muslimen von der Bibel her erklären, wenn wir ihnen bezeugen wollen, wer Jesus Christus wirklich ist.
In Sure 4,171+172 werden – in einer Auseinandersetzung Mohammeds mit den „Leuten des Buches“ – die wichtigsten Würdenamen genannt, die der Koran Jesus beilegt:
„O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in eurer Religion und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von Ihm. So glaubt an Gott und seine Gesandten. Und sagt nicht: Drei. Hört auf, das ist besser für euch. Gott ist doch ein einziger Gott. Gepriesen sei Er und erhaben darüber, dass Er ein Kind habe... Christus wird es sicher nicht aus Widerwillen ablehnen, Diener Gottes zu sein...“
1. Christus (al-masih): Der Koran geht an keiner Stelle auf die Bedeutung des Titels Al-Masih (Messias) ein. Zum Teil wird er wie ein Namensbestandteil ohne weiteren Inhalt behandelt, manchmal einfach anstelle von „Jesus“ gebraucht (z. B. Sure 5,72). Einzelne Koranausleger kennen durchaus die Bedeutung „der Gesalbte“. Sie legen diesen Begriff unterschiedlich aus: Jesus sei mit dem Segen Gottes gesalbt; seine Salbung bedeute seine Sündlosigkeit oder seine Berufung zum Propheten. – Der Koran kennt Jesus aber nicht als den im Alten Testament verheißenen „Gesalbten“, der seinem Volk Heil und Erlösung bringt.
2. Sohn der Maria (ibn maryam): Die Nennung eines Sohnes nach der Mutter hat in der Regel einen negativen Beiklang, denn sie kommt nur vor, wo der Vater unbekannt ist. Der Koran betont jedoch die Unbescholtenheit Marias (21,89) und bestätigt die biblische Lehre der Jungfrauengeburt (3,47). Dabei wird allerdings hervorgehoben, dass Jesus und seine Mutter nichts anderes als Menschen waren: „Beide pflegten Speise zu essen.“ (5,75) – Einerseits bezeugt also auch der Koran die Einzigartigkeit der Geburt Jesu. Andererseits verneint er aber, dass damit ein zeichenhafter Hinweis auf einen besonderen Auftrag Jesu oder gar auf seine Gottessohnschaft verbunden sei.
3. Gesandter Gottes (rasul allah): Mit der Aussage, dass Jesus „nur“ der Gesandte Gottes sei, bekämpft der Koran die „Übertreibung“ der Christen, die in ihm etwas Höheres als Mohammed sehen wollen. Der Islam meint, Jesus mit dem Titel „Gesandter Gottes“ oder auch „Prophet“ (19,30) hoch zu ehren. Ihm wird jedoch nur eine begrenzte Sendung (zu den 12 Stämmen Israels) zuerkannt. Teil seines Auftrags war es, den letzten Gesandten Mohammed anzukündigen.
…
Gewährt der Islam Glaubensfreiheit? Ja und nein. In der Regel betrachten Muslime ebenso wie Vertreter der islamischen Theologie die Hinwendung eines Menschen zum Islam als wünschenswert, während sein Abfall vom Islam meist sehr negativ beurteilt wird. Das gilt umso mehr, wenn sich der „Apostat“ einer anderen Religion zuwendet, wie etwa dem christlichen Glauben. Das hat mehrere Gründe:
Zwar sagt der Koran: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“ (Sure 2,256). Auch haben muslimische Theologen im Laufe der Geschichte der Koranauslegung häufig betont, dass niemand zur Konversion zum Islam gezwungen werden dürfe. Das spiegelt sich auch mindestens in Teilen der islamischen Eroberungsgeschichte wider, in der Christen und Juden in den von Muslimen eroberten Gebieten in der Regel ihren Glauben und ihre religiöse Autonomie behalten durften und nicht konvertieren mussten, dafür aber „Schutzbefohlene“ (dhimmis) und Unterworfene wurden, die Sondersteuern entrichten mussten. Sure 2,256 bedeutet aber nicht, dass der Islam für Religionsfreiheit im umfassenden Sinne oder die Gleichheit aller Religionen eintreten würde. So waren Juden und Christen im islamisch eroberten Gebiet Geduldete, Bürger zweiter Klasse und rechtlich Benachteiligte, da sie einer durch den Islam überholten – und durch die Abweichungen vom Islam als verfälscht beurteilten – Religion anhingen.
In der Tatsache, dass schon der Koran das Juden- und Christentum als minderwertige Religionen ansieht, liegt ein Grund, warum eine Konversion zum Christentum als grundlegend falsch gilt, denn sie scheint ein Rückschritt zu einem überholten Glauben zu sein, der aus Sicht des Islam durch das Kommen des Islam und Mohammed, das „Siegel der Propheten“ (Sure 33,40), abgelöst wurde. Zudem gilt das Christentum als „westliche“ Religion, als Religion der Kreuzfahrer und der Kolonialherren und wird oft mit westlich-politischer Dominanz verknüpft.
Ein weiterer Grund für die Ablehnung des freien Religionswechsels liegt in der Tatsache, dass viele Muslime die Abwendung vom Islam nicht als Privatangelegenheit eines Menschen betrachten, sondern als Schande für die ganze Familie, ja, manchmal wird eine Konversion als politisches Handeln begriffen, als Aufruhr, Unruhestiftung oder Kriegserklärung an die muslimische Gemeinschaft. Weil sich nach Mohammeds Tod im Jahr 632 mehrere Stämme auf der Arabischen Halbinsel, die den Islam zunächst angenommen hatten, wieder von ihm abwandten, bekämpfte Abu Bakr, der erste Kalif nach Mohammed, diese Stämme in den sogenannten ridda-Kriegen (Abfall-Kriegen) und schlug ihren Aufstand erfolgreich nieder. Daher ist der Abfall vom Islam im kollektiven Gedächtnis der muslimischen Gemeinschaft von diesem Zeitpunkt an mit politischem Aufruhr und Verrat verknüpft.
Koran, Überlieferung und Theologie über den Abfall vom Islam und die Konversion
Der Koran spricht einerseits vom Unglauben der Menschen und vom „Abirren“ (2,108), dem der „Zorn Gottes“ (9,74) sowie die Strafe der Hölle (4,115) droht, definiert andererseits aber kein Strafmaß und benennt kein Verfahren zur einwandfreien Feststellung der Apostasie. Einige Verse scheinen sogar die freie Religionswahl nahezulegen (z. B. 3,20), während andere, wie etwa Sure 4,88-89, Muslime ermahnen, die zu „greifen und zu töten“, die sich abwenden. Ein vieldeutiger Textbefund also, der von einigen muslimischen Theologen so ausgelegt wird, dass der Koran volle Religionsfreiheit befürwortet.
…
Maria, die Mutter Jesu, spielt im Islam eine besondere Rolle. In der arabischen Form „Maryam“ ist ihr Name der einzige Frauenname, der im Koran vorkommt. Sonst werden Frauen immer nur erwähnt als „die Frau des ...“ – Ihr Name wird 34-mal genannt (Jesus nur 25-mal). Eine ganze Sure (Nr. 19) trägt ihren Namen.
Auch auf andere Weise wird sie hervorgehoben. In einem Hadith nach Al-Buchari heißt es: „Der Satan berührt jeden Nachkommen Adams an dem Tag, an dem er zur Welt kommt. Nur bei Maryam und ihrem Sohn Isa war es nicht so; der Satan berührte sie nicht.“
Grundlage für das islamische Bild von Maria sind die zum Teil recht knappen Erzählungen und Andeutungen im Koran (z. B. Sure 3,35-37.42-47; 4,156; 19,16-34; 21,91; 66,12), die ergänzt werden durch neutestamentliche Aussagen und außerbiblische frühchristliche (z. B. koptische) Geschichten, wie sie von Korankommentatoren aufgenommen wurden. (Hinweise auf solche Quellen sowie einzelne Zitate daraus finden sich in dem Buch „The Sources of Islam“ von Rev. W. St Clair-Tisdall.) – So wird im Islam zum Teil mehr und anderes über Maria ausgesagt, als wir aufgrund des Neuen Testaments erfahren.
Die Geburt der Maria
Der Vater Marias trägt nach dem Koran den Namen Imran, der dem Namen Amram in 2. Mose 6,20 entspricht. Die Frau Imrans – manche islamische Lehrer geben ihren Namen aufgrund altkirchlicher Traditionen als Hanna (Anna) an – war kinderlos und schon alt, als sie beobachtete, wie ein Vogel sein Junges fütterte. In ihr erwachte ein sehnlicher Wunsch nach einem Kind, und sie bat Gott, ihr einen Knaben zu schenken; dabei versprach sie, dieses Kind dem Dienst Gottes zu weihen. Als sie im Gegensatz zu ihrer Erwartung eine Tochter zur Welt brachte, gab sie ihr den Namen Maria und vertraute sie dem Schutz Gottes an (Sure 3,35+36).
„Schwester Aarons"?
Die Tatsache, dass Maria im Koran als „Schwester Aarons“ (Sure 19,28+29) und Tochter Imrans (66,12) bezeichnet wird, legt die Vermutung nahe, dass Mohammed die neutestamentliche Maria mit der alttestamentlichen Mirjam (2. Mose 15,20) verwechselt haben könnte. Maria ist ja die griechische Form des hebräischen Namens Mirjam.
Muslime erklären diesen Tatbestand gewöhnlich so: Maria stammte wie auch ihre Kusine Elisabeth aus einer priesterlichen Familie; deshalb waren sie in übertragenem Sinne Schwestern Aarons. Man sollte dann jedoch eher die Formulierung „Tochter Aarons“ erwarten, da Aaron als der erste in der Reihe der levitischen Priester sozusagen der „Vater“ des priesterlichen Geschlechtes war.
Maria im Tempel
…
Muslime rühmen oft die Toleranz des Islam und berufen sich dabei auf Sure 2, 256: „In der Religion gibt es keinen Zwang.“
In der Tat: wenn muslimische Heere Gebiete eroberten, in denen Christen, Juden oder Zarathustra-Anhänger lebten, wurden diese nicht gezwungen, den Islam anzunehmen, sondern konnten auch unter islamischer Herrschaft ihre Religion beibehalten.
Allerdings haben diese religiösen Gruppen nach traditionellem islamischem Recht in einem islamischen Staat nicht die gleichen Rechte wie die Muslime. Sie gelten als „Schutzbefohlene“ oder „Schutzberechtigte“ (Ahlu-dh-Dhimma), d. h. dass Muslime ihnen unter bestimmten Bedingungen Schutz für ihr Leben und ihren Besitz garantieren und gewisse Freiheiten gewähren dürfen. Auf islamischer Seite ist nur der jeweilige Herrscher berechtigt, den entsprechenden Schutzvertrag abzuschließen.
Der Koranvers, auf den sich diese Regelung im Wesentlichen stützt, steht in Sure 9,29: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – bis sie, sich erniedrigend, Tribut entrichten.“ Gegen die Götzendiener (Polytheisten) sollen die Muslime nach Sure 9,5 allerdings so lange kämpfen, bis jene getötet werden oder sich zum Islam bekehren.
Erniedrigung
Solange die „Schutzbefohlenen“ nicht bereit sind, den Islam, die beste Religion (Sure 3,19 und 3,110) anzunehmen, muss ihnen ihre Unterlegenheit und die Minderwertigkeit ihres Glaubens immer wieder vor Augen geführt werden. Den Nichtmuslimen soll ein Leben im Rahmen der islamischen Gesellschaft ermöglicht werden, damit sie schließlich die Vorzüge der Scharia erkennen und sich zum Islam bekehren.
Weder aus dem Koran noch aus dem Beispiel Mohammeds oder der ersten Kalifen lassen sich völlig einheitliche Bestimmungen für den Umgang mit den „Schutzbefohlenen“ ableiten. Deshalb können hier nur einige Regeln skizziert werden, die je nach Situation und Land stark abgewandelt werden konnten.
Der „Schutzvertrag“ soll für die ganze Lebenszeit gelten. „Schutzbefohlener“ (Dhimmi) kann jeder erwachsene, freie Angehörige einer Buchreligion sein, der Verstand besitzt, zum Kampf fähig ist und die Kopfsteuer (Dschisya) zu zahlen vermag. Kinder, Frauen, arbeitsunfähige Männer und Personen, die kein Einkommen haben, brauchen keine Kopfsteuer zu bezahlen. Die Kopfsteuer war je nach Epoche oder Gebiet unterschiedlich hoch. Sie konnte allerdings zu manchen Zeiten als so belastend empfunden werden, dass „Schutzbefohlene“ es vorzogen, den Islam anzunehmen, um von der Kopfsteuer befreit zu werden.
…
Die Sache ist verworren – fast von Anfang an:
A – Der Koran bestätigt Thora und Evangelium
Mohammed empfängt Offenbarungen. Er kommt zu der Überzeugung, dass der Engel Gabriel ihm Worte von demselben Gott übermittelt, an den auch Juden und Christen glauben. Das wird ihm auch so gesagt:
1) Der Koran bestätigt die früheren Offenbarungen: „Dieser Koran ist … eine Bestätigung dessen, was (an Offenbarung) vor ihm da war…“ (Sure 10,37 – Es finden sich erstaunlich viele Stellen, die besagen, dass der Koran die früheren Schriften bestätigen soll. Vgl. zum Beispiel Sure 2,97 / 3,2 / 6,92 / 12,111 / 35,31 / 37,37 / 46,12.30)
2) Wer die Offenbarungen Mohammeds anzweifelt, soll nur die „Schriftbesitzer“ fragen: „Fragt doch die Leute der (früheren) Mahnung (d.h. Angehörige der früheren Offenbarungsreligionen), wenn ihr nicht Bescheid wisst!“ (Sure 16,43) – Sogar Mohammed selber wird dazu aufgefordert. (10,94-95)
3) Die Schriftbesitzer selber sollen sich nach den Offenbarungen richten, die sie empfangen haben: „Sag: Ihr Leute der Schrift! Ihr entbehrt (in euren Glaubensanschauungen) der Grundlage, solange ihr nicht die Thora und das Evangelium, und was (sonst noch) von eurem Herrn (als Offenbarung) zu euch herabgesandt worden ist, haltet.“ (5,68; s. auch 5,46f)
4) Die Gläubigen (d.h. die Muslime) sollen auch an die Schrift glauben, die schon früher offenbart worden war: „Ihr Gläubigen! Glaubt an Gott und seinen Gesandten und die Schrift, die er auf seinen Gesandten herabgeschickt hat, und die Schrift die er (schon) früher herabgeschickt hat! Wer an Gott, seine Engel, seine Schriften, seine Gesandten und den jüngsten Tag nicht glaubt, ist (damit vom rechten Weg) weit abgeirrt.“ (4,136)
5) Denn ganz generell gilt: Gottes Wort kann nicht verändert werden: „Die Worte Gottes kann man nicht abändern (w. <gegen etwas anderes> austauschen).“ (10,64 ; ähnlich 6,34 und 50,29)
So weit ist nach den Aussagen des Koran alles klar: Gott ändert sein Wort nicht ab – und kein Mensch könnte es abändern. Der Koran bestätigt in arabischer Sprache, was Gott auch vorher schon Adam, Abraham, Mose, David und vielen anderen Propheten geoffenbart hatte (vgl. 46,12).
B – Woher kommen die Widersprüche?
Doch wer die „früheren Schriften“ kennt, wird bei der Koranlektüre schnell feststellen, dass die Offenbarungen Mohammeds an vielen, sogar zentralen Stellen, dem biblischen Zeugnis widersprechen. Deshalb erstaunt es auch nicht, dass nur wenige Juden und Christen die Botschaft Mohammeds annahmen, während die große Mehrheit ihn als Propheten ablehnte.
Nun finden sich im Koran (konsequenterweise!) keine generellen Behauptungen, dass die Texte der biblischen Bücher verfälscht worden seien. Denn das würde ja allen oben zitierten Aussagen widersprechen. In Sure 3,78 werden zwar einige von den „Leuten der Schrift“ beschuldigt, den Wortlaut der Schrift zu verdrehen, „damit ihr meint, es (d. h. das, was sie sagen) stamme aus der Schrift, während es (in Wirklichkeit) nicht daraus stammt, und sagen, es stamme von Gott, während es (in Wirklichkeit) nicht von ihm stammt.“ Einigen wird vorgeworfen, die Schrift mit Lug und Trug zu verheimlichen (3,71).
…
Bei einem kritischen Lesen des Koran wird man feststellen, dass dieser stellenweise widersprüchlich ist. Ein Beispiel sind die Aussagen über die Christen. Einerseits gibt es Koranverse, die sich positiv und lobend über Christen äußern. Muslime respektieren Christen wegen ihrer Gottesfurcht. Andererseits gibt es aber auch solche Textstellen, die sich negativ über Christen oder Menschen anderer Glaubensüberzeugung äußern. Allgemein kann gesagt werden, dass Muslime Christen eher akzeptieren und tolerieren als Polytheisten (Anhänger von vielen Göttern). Denn sowohl Christen als auch Juden werden aufgrund „ihrer heiligen Bücher“ als „Völker des Buches“ bezeichnet.
Warum aber gibt es Widersprüche im Koran und wie lassen sich diese erklären? Sicherlich gibt es dafür verschiedene Erklärungen. Ich möchte mich auf zwei, meiner Meinung nach wesentliche beschränken: 1) Muslime glauben, dass es sich bei den 114 Koransuren um die Wiedergabe von Offenbarungen handelt, die Mohammed im Laufe von 21 Jahren entweder in Mekka oder Medina erhielt. Während der mekkanischen Periode lud Mohammed die Menschen durch Predigten zum Islam ein. In der medinensischen Periode scheute er auch nicht davor zurück, seine Überzeugungen mit dem Schwert zu verbreiten. 2) Zum anderen gibt es bei der Interpretation des Koran das Prinzip des Nasich (Wortbedeutung „aufhebend“) bzw. Mansuch (Wortbedeutung „aufgehoben“). Dieses Prinzip kommt dann zur Anwendung, wenn es bei einem Sachverhalt zwei Koranverse mit unterschiedlichen Aussagen gibt. Die Aufgabe von islamischen Gelehrten ist es, zu entscheiden, welcher Vers mansuch und damit für heute nicht mehr relevant ist. In der Regel lösen die neuen Offenbarungen die älteren ab.
Im Folgenden werden einige Koranaussagen, die sich mit der Beziehung der Muslime zu Christen beschäftigen, kurz genannt und untersucht. Zunächst eine Auswahl an Versen, die sich eher positiv oder liberal äußern:
Sure 2, 62 (Die Kuh, geoffenbart zu Medina): Christen und Juden haben für ihren Glauben und ihre Taten ihren Lohn bei Gott.
Sure 2, 109: Menschen vom „Volk der Schrift“ werden versuchen, Muslime vom rechten Glauben abzubringen. Darum sollen Muslime sie zwar meiden, ihnen aber trotzdem vergeben.
Sure 2,256: Es gibt keinen Zwang in der Religion.
Sure 5, 82 (Der Tisch, Medina): Muslime sollen Christen wegen ihres Glaubens und ihrer Demut schätzen.
Sure 5, 105: Muslime sollen sich um Andersgläubige nicht kümmern.
Raum zu einer eher aggressiven Auslegung geben folgende Koranverse:
Sure 4,47 (Die Weiber, Medina): Zwang und Gewaltausübung in der Religion sind eindeutig erlaubt. Es wird sogar dazu aufgerufen.
Sure 4,89 Muslime sollen soziale Interaktionen mit Ungläubigen vermeiden und keine Freundschaft mit ihnen pflegen.
Sure 8, 39 (Die Beute, Medina): Kampf gegen all jene, die den Islam ablehnen, bis sie bereit sind, Allah anzubeten.
Sure 8,55-60: Ungläubige sind keine menschlichen Wesen. Gewalt ihnen gegenüber ist ein legitimes Mittel.
…
Wie äußert sich der Islam in den ganz praktischen Fragen des Alltags?
In modernen islamischen „Menschenrechtserklärungen“ ist unter anderem von Religionsfreiheit die Rede. Bedeutet das aber, dass einem Muslim das Recht eingeräumt wird, sich vom Islam abzuwenden, um religionslos zu leben oder eine andere Religion anzunehmen? – Im traditionellen Islam wird einem Muslim dieses Recht bestritten.
Im Koran
Verschiedene Koranstellen beziehen sich auf den Abfall vom Islam, z. B. Sure 88, 23+24: „Wer sich aber abkehrt und ungläubig bleibt, den peinigt Gott mit der größten Pein.“ (vgl. außerdem S 16,106-109; 3,86-91; 4,137; 2,217) Hier wird Menschen, die Muslime waren und sich dann wieder vom Islam abgewandt haben, das Strafgericht Gottes angekündigt. Darüber, wie die muslimische Gemeinschaft mit einem Abgefallenen verfahren solle, wird nichts gesagt. Viele Korankommentatoren haben allerdings aus diesen Versen herausgelesen, dass jemand, der vom Islam abfällt, getötet werden solle. (Sure 4,88+89 spricht davon, dass „Heuchler“ bekämpft und getötet werden sollen, die allerdings wohl für die Muslime in Medina eine politische Gefahr darstellten.)
Im Hadith
Im Hadith finden sich Berichte, dass Mohammed die Hinrichtung von Personen, die sich vom Islam abgewandt hatten, befohlen habe und dass er gesagt habe: „Das Blut eines Muslims darf nur in drei Fällen legitimer weise vergossen werden: wenn es um einen älteren Ehebrecher geht, als Strafe für einen Mord und bei demjenigen, der von seiner Religion abfällt und seine Gemeinschaft verlässt.“ (Al-Buchari und Muslim – nach Adel Theodor Khoury, Der Koran, S. 549) – Zur Frage, ob einem Abgefallenen noch eine Frist eingeräumt werden müsse, den Islam wieder anzunehmen, gibt es unterschiedliche Aussagen in den Hadithen.
In den islamischen Rechtsschulen
Ausgehend von Koran und Hadith und ihrer Auslegung wurde das islamische Recht entwickelt. Die vier sunnitischen Rechtsschulen und das schiitische Recht sind sich im Wesentlichen darin einig, dass ein Muslim, der vom Islam abfällt, getötet werden müsse. – Als Abfall vom Islam wird gewöhnlich angesehen, wenn ein Muslim das islamische Glaubensbekenntnis leugnet oder auch, wenn er grundlegende islamische Verpflichtungen oder Verbote ablehnt bzw. den Koran schändet.
Die Ehe eines Abgefallenen wird als aufgelöst erklärt und sein Besitz enteignet. – Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Fragen, ob weibliche Abgefallene ebenfalls getötet oder lebenslänglich gefangen gehalten (und evtl. häufig gezüchtigt) werden sollten und ob der Hinrichtung eines Abgefallenen eine Frist, in der Regel von drei Tagen, vorausgehen müsse, in der ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, zum Islam zurückzukehren. – Geisteskranke gelten als nicht verantwortlich für ihre Tat.
Rechtfertigung der Tötung
Bis in die heutige Zeit rechtfertigen muslimische Gelehrte die Auffassung, dass Abgefallene vom Islam getötet werden müssten. In der Regel begründen sie dies mit dem Hinweis, dass in allen gesunden Staaten Hochverrat und Rebellion mit dem Tod bestraft würden. Der Islam ist nicht lediglich eine persönliche religiöse Auffassung, sondern ein politisch rechtliches System, das alle Lebensbereiche umfasst. Deshalb sei Abfall vom Islam nicht nur ein rein privater Religionswechsel, sondern Auflehnung gegen die islamische Ordnung – und damit zugleich Rebellion gegen die Verwirklichung der Herrschaft Gottes auf der Erde. Auf solchen Verrat könne die islamische Gemeinschaft nur mit härtesten Strafen antworten.
Die gegenwärtige Praxis
In islamischen Staaten werden gegenwärtig nur selten Menschen offiziell wegen „Abfall vom Islam“ zum Tode verurteilt. Manche werden wegen anderer Vergehen angeklagt und hingerichtet, z. B. Bahai-Anhänger im Iran wegen „Verrat“ oder „Spionage für Israel“. Einzelne Konvertiten (wie Mehdi Dibaj im Iran) wurden jahrelang inhaftiert, dann freigelassen – und einige Zeit später ermordet aufgefunden.
Auch in islamischen Ländern, deren Gesetze keine Strafen für den Abfall vom Islam vorsehen, geschieht es hier und da, dass Muslime, die einen anderen Glauben annehmen, von ihren Angehörigen oder anderen Mitgliedern der Gemeinschaft getötet werden. Es gibt allerdings auch Länder, in denen Muslime ohne staatliche Bedrohung und gesellschaftlichen Druck sich vom Islam abwenden können – und Familien, die ihren Angehörigen einen gewissen Schutz gewähren. Von „Sicherheit“ für Abgefallene kann jedoch fast nirgends die Rede sein. In muslimischer Umgebung leben sie in einem Status von Rechtsunsicherheit oder Rechtlosigkeit.
Neues Nachdenken?
In der islamischen Welt gibt es vereinzelte Stimmen, die sich dafür aussprechen, über die Frage des Abfalls vom Islam noch einmal neu nachzudenken. Sie weisen darauf hin, dass es einen Unterschied gebe zwischen einem Religionswechsel aus persönlicher Überzeugung und einem Abfall vom Islam, der mit politischen Angriffen auf die islamische Gemeinschaft verknüpft werde. – Es wäre sehr zu wünschen, dass diese Unterscheidung in das islamische Recht eingeführt würde – auch um all derer willen, die wegen ihres Glaubens an Jesus Christus den Islam verlassen haben, ohne deshalb Feinde ihrer muslimischen Mitbürger zu werden oder ihrem Staat die Loyalität aufzukündigen.
Solange das islamische Recht jeden Muslim, der aus Gründen persönlicher Überzeugung sich vom Islam abwendet, mit dem Tod bedroht, wird jedenfalls der Islam nicht zu Recht den Anspruch erheben können, eine tolerante Religion zu sein.
Der offizielle Glaube der Muslime ist weitgehend bekannt. Es gibt dazu verschiedenste Veröffentlichungen, selbst in deutschen Schulen befassen sich Schüler mit der Religion Islam. Auf den inoffiziellen Glauben, den Volksislam und reale Ängste der Muslime stößt man im Alltag. Die Eigenarten und Ausdrucksformen des Volksislams sind sehr unterschiedlich. Orte von toten Heiligen genießen besonderen Zulauf. Bei Erfolg wird ein Tieropfer gebracht oder sonst ein gutes Werk im Namen des „Heiligen“.
Vielfältige Angstauslöser
Wenn größere Probleme des alltäglichen Lebens auftauchen, wie Krankheit, Hochwasser, Dürre, Missernte, Unfall und Krieg wird Hilfe an Orten oder bei Personen besonderer Kraft gesucht. Das Leben bringt natürlich noch eine Reihe anderer Probleme mit sich, die Ängste auslösen können, wie z. B. die Angst vor bösen Geistern.
Hilfe im Animismus?
Sehr entscheidend ist nun die Frage, wo der Betroffene Hilfe sucht und welche Antworten er auf seine Angst findet. Vielfach ist festzustellen, dass gerade hier das animistische und nicht orthodox muslimische Denken zum Vorschein kommt. Denn Gott ist ja weit entfernt und Hilfe nur bei jemand zu finden, der selber Mensch ist oder war. Das ist dann oft nicht ein Theologe oder Gebildeter, sondern ein Mensch, der durch übernatürliche Machterweise Autorität genießt. Wie stark das animistische Denken im Alltag verankert ist, zeigt sich daran, welche Mittel zur Angstbewältigung eingesetzt werden: Reicht das Eingreifen eines Heiligen, das Aussprechen bestimmter Schwüre oder ist der Einsatz von Magie nötig?
Übliche Ängste und „Hilfsmittel“
Der böse Blick wird als Ursache für Krankheit gesehen. Wobei es verboten ist, jemand direkt des bösen Blicks zu beschuldigen. Eine Person, die z. B. blaue Augen und langes blondes Haar hat, kann die Ursache für ein Unglück sein, weil durch sie böse Geister auf etwas Wertvolles aufmerksam werden, was die Geister dann zerstören wollen. Gegen diesen bösen Blick wird das „Nasar Bondschuu“ (türk. „Nazar Boncuğu“) eingesetzt, eine blaue Glaskugel am Auto, in der Auslage im Geschäft oder an der Kleidung eines Kleinkinds. Wenn es zerbricht, soll es einen bösen Blick auf sich gelenkt haben. Die Schönheit von Kleinkindern sollte nicht gelobt werden, weil dadurch wiederum die bösen Geister aufmerksam werden und ihm schaden würden. An Stelle dessen wird gerne das Wort „Maschallah“ ausgerufen, das den Namen Gottes enthält. Aus Angst vor Schaden werden Amulette oder Glücksbringer getragen, die Schutz gewähren sollen. Vor den Dschinn (Geistern) herrscht Angst, sie können in der Gestalt von Tieren, Menschen oder Steinen auftreten. Ihr Ziel ist es, auf die Welt der Menschen und Kreaturen überzugreifen und sie in ihre eigenen Launen und Wünsche zu verwickeln.
…
Nach islamischem Verständnis hat der eine wahre Gott, Allah, sein Wort dem Propheten Mohammed in arabischer Sprache offenbart. Möglicherweise war Mohammed zunächst der Meinung, er habe lediglich seinen Landsleuten ein heiliges Buch in klarer arabischer Sprache zu bringen (vgl. dazu Sure 42,7) – so wie Juden und Christen schon heilige Bücher in ihren Sprachen besaßen (vgl. Sure 46,12). Später äußerte er aber die Überzeugung, ein Gesandter für die gesamte Menschheit zu sein (Sure 34,28). Nach muslimischer Vorstellung ist der Koran die wörtliche Wiedergabe einer im Himmel aufbewahrten Urschrift (umm al-kitab: „Mutter des Buches“). Schon diese Urschrift sei in arabischer Sprache verfasst und mit arabischen Buchstaben geschrieben.
Arabisch – die Sprache Gottes
Angesichts der zentralen Bedeutung des Koran für die Muslime wird verständlich, dass auch der arabischen Sprache im Islam eine große Bedeutung zukommt. Arabisch kann als die Sprache Gottes bezeichnet werden. Das rituelle Gebet ist in Arabisch zu sprechen. Persönliche Bittgebete können aber auch in der Muttersprache an Gott gerichtet werden. Koranrezitationen werden in Arabisch vorgetragen. Auch das persönliche Lesen von Korantexten geschieht in Arabisch. Übersetzungen gelten nicht als der Koran, sondern geben nur seine ungefähre Bedeutung wieder. Deshalb lernen Kinder in der Koranschule, den Koran in Arabisch zu lesen (evtl. mit Hilfe einer Umschrift als Notlösung) und auswendig aufzusagen.
Muslime, die nicht Arabisch als Muttersprache haben, verstehen oft nicht viel von dem, was sie lesen, und wissen nur ungefähr, was sie beten. Dieser Mangel kann bewirken, dass die rituelle Glaubenspraxis als sehr stark vom Alltag abgehoben empfunden wird, je nach persönlicher Prägung teils als besonders „feierlich“, teils als leer und ohne innere Beteiligung.
Muslime, deren Muttersprache Arabisch ist oder die Arabisch gelernt haben, sprechen in der Regel mit großer Faszination von der Schönheit dieser Sprache und besonders von der unnachahmlichen Erhabenheit des Koran.
Wer sich intensiver mit dem Islam befassen will ob als Muslim oder Religionswissenschaftler, muss Arabisch lernen. Die wichtigsten Quellentexte, Koran und Hadithen, sind in Arabisch geschrieben. Die meisten Korankommentare wurden in Arabisch verfasst. Arabisch ist auch die Sprache des islamischen Rechts.
Arabisch = islamisch?
…
Der Koran schreibt keine Beschneidung vor. Trotzdem ist in der ganzen islamischen Welt die Bescheidung für Jungen (das Entfernen der Vorhaut am männlichen Glied) verpflichtend. Woher kommt das? In den Traditionen (Hadith) finden sich bei Sahih Al-Buchari die Worte:
Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: „Zur Schöpfung (Fitra) gehören fünf Dinge: Die Beschneidung, das Abrasieren der Schamhaare, das Kurzschneiden des Schnurrbarts, das Schneiden der (Finger- und Fuß-) Nägel und das Auszupfen der Achselhaare“ (Hadith Nr. 5890). Weil Muslime Mohammed zum Vorbild nehmen sollen (Sure 33,21; 59,7; 4,59), gehört die Beschneidung zum Islam.
Zum Beispiel werden unbeschnittene Türken und Pakistanis in ihren Ländern als schmutzig angesehen und verfolgt. Wenn es sich beim Waschen einer Leiche herausstellt, dass der Verstorbene nicht beschnitten war, gibt es immer wieder empörte Zeitungsberichte in der Türkei. Religiöse türkische Parteien sponsern Massenbeschneidungen von Jungen in ärmeren Stadtvierteln türkischer Großstädte als eine Art gutes Werk. Muslimische Frauen in der Türkei finden die Vorstellung, mit einem unbeschnittenen Mann sexuellen Verkehr zu haben, Ekel erregend.
War Mohammed beschnitten?
Dazu gibt es drei verschiedene Haltungen unter islamischen Gelehrten: 1. Er war bereits ohne Vorhaut geboren. 2. Der Engel Gabriel hat ihn beschnitten, als er ihm die Brust öffnete. 3. Sein Großvater 'Abd al-Muttaalib beschnitt ihn nach alter arabischer Tradition. Moderne islamische Theologen nehmen eher die dritte Option an, doch letzte Gewissheit gibt es bei dieser Frage nicht.
Beschneidung bei Jungen
Manche Muslime zitieren Sure 2,138 als Begründung für die Beschneidung: „… Nehmt an das Kennzeichen (wörtlich Salbung, Färbung, Farbzeichen) Gottes. Und wer hat ein schöneres Kennzeichen als Gott?“ (Khoury). Es ist sehr zweifelhaft, ob hier die Beschneidung gemeint ist. In der Hadith-Sammlung von Abu Dawud (Buch 41, Nr. 5251) heißt es: „Eine Frau betätigte sich als Beschneiderin in Medina. Der Prophet sagte zu ihr: „Schneide nicht zu stark, das ist besser für die Frau und mehr wünschenswert für einen Ehemann.“
Andere Stellen besagen: „gültiger Geschlechtsverkehr tritt dann ein, wenn die beschnittenen Geschlechtsteile sich berühren“ (Sahih Muslim, Buch 003, Nr. 0684). „Wenn die beschnittenen Geschlechtsteile sich berühren, ist die rituelle Ganzkörperwaschung zwingende Pflicht.“ (ebd. Buch 2, Nr. 2.19.73; ebenso 74; 75). „Was die islamische Pilgerfahrt Hadsch oder Umra (kleine Wallfahrt) ungültig macht und dazu führt, ein Tier opfern zu müssen und die Hadsch zu wiederholen ist, wenn zwei beschnittene Geschlechtsteile sich berühren, auch wenn es zu keinem Samenerguss kommt.“ (ebd. Buch 20; 20.46.161).
…
Ähnlich wie im Alten und Neuen Testament spielt im Koran der Gedanke der „Umkehr“ eine wichtige Rolle. Menschen schlagen verkehrte Wege ein und werden aufgefordert, ihre Richtung zu ändern. Generell wird dabei im Koran die Freiheit und Fähigkeit des Menschen umzukehren vorausgesetzt.
Im Arabischen wird für diese Thematik vor allem eine Wortgruppe verwendet, die aus einer Wurzel mit den drei Konsonanten t-w-b abgeleitet wird. Das Substantiv, „tauba“ (manchmal auch „tawbah“ geschrieben; türk. „tövbe“), bedeutet: Buße, Umkehr, Reue. Die Bedeutung des Verbs wird angegeben mit: „bereuen, Reue empfinden; Buße tun; sich von etwas abwenden; sich bekehren“; die Grundbedeutung ist wohl: „umkehren“. Dieses Verb kann auch Gott als Subjekt haben und bedeutet dann: „wieder seine Gnade zuwenden, verzeihen“.
In Sure 4,16-18 kommt diese Wortwurzel in verschiedenen Abwandlungen vor: „Und wenn zwei von euch (Männern) es <d. h. etwas Abscheuliches – s. V. 15> begehen, dann züchtigt sie …! Wenn sie (daraufhin) umkehren und sich bessern, dann wendet euch von ihnen ab (und setzt ihnen nicht weiter zu)! Gott ist gnädig <wörtlich: oft umkehrend> und barmherzig. Nur diejenigen haben bei Gott Vergebung <w.: Umkehr> zu erwarten, die in Unwissenheit Böses tun und hierauf beizeiten umkehren. Diesen wendet sich Gott (gnädig) wieder zu. … Diejenigen aber haben keine Vergebung <w.: Umkehr> zu erwarten, die schlechte Taten begehen (und darin verharren), so dass einer erst, wenn er zum Sterben kommt, sagt: ‚Jetzt kehre ich um’.“ (Koranzitate hier und im Folgenden nach der Übersetzung von Rudi Paret; Hervorhebungen: Autor)
Um was es bei der Buße geht, wird beschrieben in Sure 3,135f: „Diejenigen, die, wenn sie etwas Abscheuliches getan oder (durch sündigen Lebenswandel) gegen sich selber gefrevelt haben, Gottes gedenken und (ihn) um Vergebung für ihre Schuld bitten – und wer könnte … Schuld vergeben, außer Gott? – und (die) in dem, was sie (an Sünde) getan haben, nicht beharren, wo sie doch wissen (dass es Sünde ist), deren Lohn besteht in Vergebung von ihrem Herrn und in Gärten, in deren Niederungen … Bäche fließen …“ (Hervorhebungen: Autor)
Der Appell zur Umkehr richtet sich im Koran an unterschiedliche Gruppen von Menschen. Hier seien nur einige Beispiele genannt:
…
Islamische Ehen werden auch heute noch überwiegend von den Eltern arrangiert. Nur in den großen Städten suchen sich junge Leute heute ihren Ehepartner selbst aus. Traditionell wird eine arrangierte Ehe mit „Anstand“ und „Ehrbarkeit“ assoziiert, eine „Liebesheirat“ nicht selten mit „Unmoral“ und „westlicher Lebensart“. Eine Ehe innerhalb der erweiterten Familie wird als vorteilhaft betrachtet, da man den Cousin und seine Eltern kennt und das Risiko für ein Scheitern der Ehe leichter abschätzen kann als bei einem „Fremden“. Außerdem ist die im Islam geforderte „Gleichwertigkeit“ der Ehepartner hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft, Bildung, Religion und Charakter so eher gewährleistet. Auch in einem späteren Konfliktfall zwischen den Eheleuten wird die Familie der Braut eher auf einen Verwandten einwirken können als auf einen Außenstehenden, um die Ehe zu retten.
Eine islamische Eheschließung unterscheidet sich stark von einer christlichen. Zu einer islamischen Eheschließung gehört immer ein Ehevertrag, der von seinem Charakter her ein zivilrechtlicher Vertrag ist, d. h., er regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Ehepartner. Im Hintergrund des Ehevertrags steht die Auffassung von der traditionellen Aufgabenverteilung: Der Mann ist für den Lebensunterhalt zuständig, die Ehefrau für Haus und Familie. Davon abweichende Regelungen müssen im Ehevertrag ausdrücklich genannt werden. Es ist für die Frau kaum möglich, später Rechte einzufordern, die das islamische Eherecht für sie nicht vorsieht und die sie nicht ausdrücklich in den Ehevertrag aufgenommen hat.
So lassen z. B. moderne Frauen mit guter Schulbildung in ihren Ehevertrag aufnehmen, dass ihr Ehemann ihr nach der Heirat erlauben wird, ihre Ausbildung oder ihr Studium zu beenden oder berufstätig zu sein. Eine solche Zusatzklausel wird nur verständlich vor dem Hintergrund des zweiten Grundpfeilers der islamischen Ehe – neben der Verpflichtung zum Gelderwerb für den Mann – nämlich die Gehorsamspflicht der Ehefrau. Verbietet ihr Mann ihr andernfalls nach der Hochzeit plötzlich den Universitätsbesuch, weil er eine solche außerhäusliche Tätigkeit für seine Frau nicht schicklich findet, ist sie ihm zum Gehorsam verpflichtet und kann sich dagegen praktisch nicht durchsetzen.
Die religiös-traditionelle Eheschließung findet vor einem Imam (Vorbeter einer Moschee bzw. religiöse Persönlichkeit) statt, in der Stadt werden Eheschließungen auch staatlich registriert. Der Bräutigam und die zwei erforderlichen Zeugen unterzeichnen den Ehevertrag. Die Braut muss nicht anwesend sein, sie kann den Vertrag auch von ihrem Vormund (arab. wali) unterzeichnen lassen. Der Ehevertrag regelt als wichtigste Klausel die Höhe der Morgen- bzw. Abendgabe. Die Morgengabe ist der erste Teil der Brautgabe (Kleidung, Möbel, Schmuck, Geld), die die Frau mit der Hochzeit von der Familie des Mannes erhält. Die Abendgabe ist der zweite Teil der Brautgabe, der der Frau für den Fall der Scheidung für ihre Absicherung zusteht, da der Mann nach einer Scheidung für seine Frau nur drei Monate unterhaltspflichtig ist bzw. solange, bis ein ungeborenes Kind zur Welt gekommen ist.
…
Das Konzept von „Ehre“ und „Schande“ ist im Bereich der nahöstlichen Tradition und des Volksislam anzusiedeln und weniger mit dem Koran zu begründen. Der Koran nennt zwar den Begriff der „Ehre“ an einigen wenigen Stellen (3,26-27; 49,13; 70,23-35), aber es geht in diesem Zusammenhang um die Ehre, die Allah dem rechten Gläubigen gibt, vor allem dadurch, dass er ihm nach seinem Tod Zugang zum Paradies gewährt. Weder der Koran noch die islamische Überlieferung sprechen in dem Sinn von Ehre, wie er vor allem im ländlichen Bereich, dem von Stammesdenken und Stammesstrukturen geprägten islamischen Umfeld gelebt wird.
Die Auffassung davon, was „Ehre“ (im Türkischen oft „namus“ oder „onur“) und was „Schande“ ist, wird also vor allem durch die Tradition bestimmt, sowie durch die Werte, die innerhalb der Stämme und Familienclans gelebt werden. Seit seiner Entstehungszeit ist der Islam mit Stammesstrukturen verbunden, denn die Arabische Halbinsel war zu Lebzeiten Mohammeds von arabischen Stämmen besiedelt. Besonders im ländlichen Bereich, wo die Familienbande durch Heiraten und gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten stark und die Großfamilien vielfach intakt bleiben, sind die Auffassungen von Ehre und Schande noch heute sehr lebendig. In der Stadt lösen sich diese Strukturen stärker auf, Frauen gehen zur Arbeit, anstatt wie im traditionellen Bereich zu Hause zu bleiben, und die gegenseitige Kontrolle und die Verteidigung der Ehre verliert an Bedeutung.
Zwei Ehrauffassungen und ihre Bedeutung
Eigentlich gibt es zwei Auffassungen von Ehre. Die Ehre, die ein Mann besitzt, der gastfrei, höflich und respektvoll gegen jedermann ist, den Armen hilft und sein Wort hält (arab. „scharaf“, türk. „şeref“). Ein jähzorniges, der Gemeinschaft gegenüber verschlossenes Familienoberhaupt wird dagegen nicht mit Ehre in Verbindung gebracht werden. Er hat unter Umständen in seinem Umfeld mancherlei Nachteile in Kauf zu nehmen und kann seinerseits an die Gemeinschaft kaum Forderungen stellen oder Hilfeleistungen erwarten.
Die „andere“ Ehre (arab. „’ird“) betrifft das Verhältnis der Geschlechter zueinander und kann sich im Leben des einzelnen – vor allem einer Frau – viel dramatischer auswirken. Die Bedeutung dieser Art von Ehre kann kaum überschätzt werden. Ehre zu besitzen, ist für jede Frau und jede Familie lebensnotwendig, ja im Konfliktfall steht ihr Wert höher als das Leben eines Menschen. Ein Mädchen kann nur verheiratet werden, wenn es seinen guten Ruf (seine Ehre) bewahrt hat; wird es als ehrlos betrachtet, wird es keine Ehe schließen können.
Auch ein Vater, der seine Tochter sehr liebt, wird sich unter gewissen Umständen dazu entschließen, ihr Leben zu opfern, um die Familienehre wiederherzustellen, da er ohne Ehre – und so wird er andernfalls in den Augen seiner Umwelt betrachtet werden – nicht leben kann. Ist die Ehre der Familie gefährdet oder verloren, scheint es für die Familie unmöglich zu sein, einen Ausweg zu finden, also die Ehre zurückzuerhalten und gleichzeitig das Leben der betroffenen Frau zu erhalten. Sie könnte sich ihrem sicheren Tod allenfalls durch Flucht entziehen, denn die Ehre muss unter allen Umständen wiederhergestellt werden.
Die Frau als Trägerin der Ehre
…
Koran
Im Koran tauchen die Begriffe Ehre und Schande nur vereinzelt auf. Gott selber wird als der Ehrwürdige bezeichnet (Sure 55,78). Ganz allgemein kann gesagt werden, dass Gott die Söhne Adams geehrt hat – indem er sie zum Beispiel vor vielen anderen Geschöpfen sichtlich ausgezeichnet hat (17,70-71). Außerdem geht es vor allem um die Ehre, die Allah den rechten Gläubigen dadurch erweist, dass er sie nach dem Tod ins Paradies einlässt (70,35). Sie „werden ehrenvoll aufgenommen in den Gärten der Wonne“ (37,42-43). Ein äußerer Ausdruck für die Ehre, die ihnen zuteil wird, sind unter anderem die kostbaren Gewänder, die sie tragen (76,21). – Was im Alltag im zwischenmenschlichen Bereich unter Ehre und Schande verstanden wird, ist im Vorderen Orient viel mehr durch Traditionen bestimmt, die innerhalb der Familien gelebt werden.
Gott ehrt den, der richtig glaubt, Pflichten einhält und sich für Allah einsetzt: Das Jenseits, die paradiesischen Gärten, zu erreichen, ist an Bedingungen gebunden: Gebet, Almosen, Glauben, keinen außerehelichen Sexualverkehr ... (70,22-35). Zum richtigen Glauben gehört auch der nötige Eifer. Bereits im diesseitigen Leben werden Gläubige dafür reichlich bedacht und erhalten im jenseitigen Leben noch höhere Ehre. Wer nicht auf den von Mohammed verkündigten einen Gott vertraut, hat mit Tadel und Ausgrenzung zu rechnen (17,19-22).
Gott ehren heißt im Islam: auf Mohammed hören und ihm kompromisslos dienen. Wohlergehen wird denen versprochen, die an Mohammed glauben, ihn ehren und unterstützen „und dem Licht folgen, das mit ihm herab gesandt worden ist“ (7,157). Willkürlich kann Gott über Macht und Ehre verfügen: er verleiht Ehre und erniedrigt, wie es ihm beliebt (3,26). Wer nur an einen Teil der Schrift glaubt, verdient „Schande im diesseitigen Leben. Am Tag der Auferstehung werden sie der schwersten Strafe zugewiesen werden“ (2,85).
Gott ehrt die Menschen und verleiht denen gewaltigen Lohn, die „mit ihrem Vermögen und mit ihrer eigenen Person Krieg führen, gegenüber denjenigen, die daheim bleiben“ 4,95) und zeichnet sie mit besonderen Rangstufen aus (4,96; ähnlich 9,20).
Die Gläubigen sollen Gott und Menschen ehren durch maßvolle Freigebigkeit gegenüber anderen Gläubigen: Freigebigkeit wird als Ehrerweis gesehen. Es kann eine Prüfung Gottes sein, wenn er einem Menschen Ehre und Wohltaten erweist – oder sie ihm wieder entzieht. Die Menschen müssen sich aber vorwerfen lassen, dass sie die Waisen nicht ehren und nicht für die Armen sorgen (89,15-20). „Ehren“ erscheint hier auch als materielle Fürsorge. Der Gläubige soll mit Gaben (an Verwandte, Arme, Reisende, an in Not geratene Gläubige) nicht knausern, als wäre „seine Hand an den Hals gebunden“, er soll aber auch nicht hemmungslos Geschenke austeilen – „damit du (schließlich) nicht getadelt und (aller Mittel) entblößt dasitzt!“ (17,29). Wer maßlos bzw. knauserig ist, wer unberechtigt tötet, wer Unzucht begeht: „Ihm wird die Strafe verdoppelt werden und erniedrigt (verachtet) wird er der Strafe ausgesetzt bleiben“ (25,68-69).
Hadithen
…
Fatwa (Mz. Fatwas oder nach dem Arabischen eigentlich fatawa) ist der arabische Begriff für ein durch einen Mufti (Rechtsgelehrten) erstelltes Rechtsgutachten zu religiös-rechtlichen Fragen. Um solch ein Gutachten kann jeder Muslim bitten (heute auch im Internet online abfragbar), der im praktischen Alltag eine zuverlässige Antwort für glaubensgemäße Lebensführung sucht. Ratsuchende vertrauen, dass die Antworten mit den Aussagen des Koran, der islamischen Überlieferung oder des islamischen Gesetzes (der Scharia) vereinbar sind.
Dr. Christine Schirrmacher sagt dazu: „Die Fatwas der Dozenten der al-Azhar und insbesondere der Vorsitzenden des Rechtsgutachterrates (arab. dar al-ifta) genießen bei Sunniten besondere Beachtung, die in ihrer Tragweite am ehesten den offiziellen Verlautbarungen der christlichen Kirchen gleicht, obwohl auch die Fatwas der al-Azhar keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, sondern letztlich Privatäußerungen des betreffenden Gelehrten darstellen.“
Eine Fatwa besteht in der Regel aus zwei Teilen: 1) der Schilderung eines Sachverhalts, die mit der Frage des Ratsuchenden abschließt – und 2) der Antwort des Mufti, die aus einer einfachen Zustimmung (Ja) oder Ablehnung (Nein) bestehen kann. Bei schwierigeren Fragen wird die Antwort oft vom Mufti begründet, zum Teil unter Angabe der Quellen, auf die er seine Entscheidung stützt. Es reicht nicht aus, wenn ein Mufti das Problem nur erörtert oder auf kontroverse Stellungnahmen von Rechtsgelehrten hinweist; er muss eine Entscheidung fällen.
Wie entstanden die ersten Fatwas?
Im Koran steht: „Sie fragen dich, was man spenden soll/ob es erlaubt ist, im heiligen Monat zu kämpfen... Sag: …“ So wurde der Prophet befragt, und so gab er im Auftrag Allahs Antworten (Sure 2,215; 217). Gott und Mohammed sind die Instanzen, an die sich die Muslime der medinensischen Gemeinde bei Problemen und Auseinandersetzungen zu wenden hatten: „Ihr Gläubigen! Gehorcht Gott und dem Gesandten und denen unter euch, die zu befehlen haben (oder: zuständig sind)!“ Sure 4,59
Wer ist autorisiert?
Ein Mufti heute kann ein Rechtsgutachten im Sinne der Rechtsschule erteilen, der er angehört. Eine bestimmte Ausbildung für ihn ist nicht vorgeschrieben; meist hat er ein offizielles Amt inne. Der Mufti muss allerdings Muslim sein und einen gutem Ruf haben, er soll Arabisch beherrschen und das islamische Recht gut kennen, um eine ausgewogene Antwort geben zu können. Die Antwort kann ein Verbot für eine beabsichtigte Handlung enthalten oder eine Erlaubnis wegen Unbedenklichkeit.
Sind Fatwas bindend?
…
Im islamischen Festkalender sind sowohl Spuren der jüdisch-christlichen als auch der arabisch-heidnischen Tradition erkennbar. Die meisten Feste und Gedenktage aber haben rein islamischen Charakter. Sie werden auf Mohammed zurückgeführt, sind allerdings erst im Laufe der Zeit nach ihm ausgeformt worden. Das Festjahr richtet sich nach dem Mondkalender. Deshalb verschieben sich die Feste jährlich jeweils um 10 bis 11 Tage gegenüber dem Sonnenjahr.
Das Opferfest
Als das „große Fest“ gilt das „Opferfest“ (arabisch: al-`id al-kabir oder `id al-adha; türkisch: Kurban Bayramı), das zur Erinnerung an Abrahams Bereitschaft gefeiert wird, seinen Sohn zu opfern. Da der Sohn durch einen Widder ausgelöst wurde, werden in der ganzen islamischen Welt Schafe oder andere Tiere geschlachtet und gemeinsam verzehrt. Es gilt als verdienstlich, vom Fleisch armen Menschen abzugeben oder sie zum Essen einzuladen.
Das Opferfest wird am 10. Tag des Wallfahrtsmonats und an den folgenden Tagen gefeiert, also zugleich mit den Pilgern, die an diesem Tag in Mina bei Mekka Tiere schlachten und verzehren. Die Muslime weltweit nehmen gewissermaßen symbolisch an der Pilgerfahrt teil. Das Fest beginnt mit einem besonderen Festgebet, das in der Morgenfrühe in den Moscheen oder auf besonderen Gebetsplätzen im Freien gehalten wird.
An den Festtagen besuchen sich Familien und Bekannte gegenseitig. Besondere Festspeisen werden angeboten. Kinder bekommen neue Kleider, und die Erwachsenen ziehen sich festlich an. Man trifft sich in Parks, in denen besondere Vergnügungen angeboten werden. Viele Menschen suchen aber auch die Friedhöfe auf und erwarten davon besonderen Segen. In Europa nehmen sich viele Muslime Urlaubstage, um das Fest feiern zu können.
Abweichend vom biblischen Bericht hat sich im Islam die Meinung durchgesetzt, dass Ismael und nicht Isaak hätte geopfert werden sollen, da für den Islam der ältere Sohn Ismael wichtiger ist als Isaak, der „Sohn der Verheißung und des Glaubens“. Es spielt im Islam keine Rolle, dass Ismael von Abraham eigenmächtig gezeugt wurde. – Es ist nicht zufällig, dass das wichtigste islamische Fest an Abraham erinnert. Da er vor Mose und vor Jesus lebte und trotzdem ein frommer Verehrer des einen Gottes war, gilt er als Beweis dafür, dann man nicht Jude oder Christ werden müsse, um Allah in rechter Weise zu verehren und zu dienen. Insofern ist das Opferfest auch eine bewusste Abgrenzung gegenüber Judentum und Christentum.
Das Fest des Fastenbrechens
Als das „kleine Fest“ gilt das Fest zur Beendigung des Fastenmonats Ramadan (arabisch: al-`id as-saghir oder `id al-fitr; türkisch: Şeker Bayramı, d. h. „Zuckerfest“). Es wird ebenso ausgiebig wie das Opferfest gefeiert, da es im Bewusstsein der Menschen nach den Entbehrungen des Fastens fast noch wichtiger ist als das Opferfest. Es beginnt ebenfalls am frühen Morgen mit einem besonderen Festgebet, an dem in erster Linie Männer und einige ältere Frauen teilnehmen. Gefeiert wird dann in ähnlicher Weise wie beim Opferfest.
…
Muslimische Apologeten (Verteidiger ihres Glaubens) betonen, dass Mann und Frau vor Gott gleich seien, denn er habe sie „aus einer einzigen Seele“ (Sure 4,1) erschaffen, als „Freunde“ oder „Beschützer“ (9,72). Gott hat zwischen ihnen „Zuneigung und Barmherzigkeit“ (30,21) gesetzt. Dennoch, so führen muslimische Theologen aus, habe Gott der Frau andere Aufgaben gegeben als dem Mann (vgl. 4,34). Während die Frau für Haus und Familie zuständig sei, sei der Mann zum Gelderwerb verpflichtet und ihm sei der öffentliche Bereich außerhalb des Hauses zugewiesen. Es sei daher trotz der ebenbürtigen Erschaffung von Mann und Frau legitim, „Ungleiches ungleich“ zu behandeln und zwischen Frauen und Männern im gesellschaftlichen wie rechtlichen Bereich Unterschiede zu machen.
Der religiöse Bereich
Der Islam stellt Mann und Frau das Paradies in Aussicht und fordert von beiden gleichermaßen die Einhaltung der Fünf Säulen (Bekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten, Wallfahrt), von der die Frau nur zur Zeit ihrer Unreinheit (Menstruation, Wochenbett) ausgeschlossen ist. Nur der Mann ist jedoch zur Teilnahme am Freitagsgebet verpflichtet. Frauen beten ggf. in der Moschee abgesondert im Ober- oder Kellergeschoss.
Der familiär-gesellschaftliche Bereich
Im Islam wird sehr geschlechtsspezifisch erzogen. Besonders Söhne entwickeln eine enge emotionale Beziehung zur Mutter, während der Vater zuallererst Respektsperson ist. Während ein Sohn nach seiner Beschneidung (mit etwa vier bis neun Jahren) vom Vater mehr und mehr in die Welt der Männer hineingenommen wird, wird die Tochter traditionell von der Mutter in alle Haushaltspflichten eingewiesen. Die islamische Gesellschaft ist stark von der Geschlechtertrennung geprägt.
Der rechtliche Bereich
Das islamische Ehe- und Familienrecht benachteiligt die Frau im Erb-, Zeugen- und Eherecht: Im Erbrecht, weil Frauen stets die Hälfte von dem Erbteil eines Mannes erben, im Zeugenrecht, weil das Zeugnis einer Frau stets nur die Hälfte des Zeugnisses eines Mannes gilt und im Eherecht, weil der Koran Männern die Vielehe erlaubt, die Scheidung traditionell für ihn viel einfacher ist und im Falle der Scheidung immer dem Mann die Kinder gehören.
Fazit
Zwar empfiehlt die islamische Tradition Ehemännern, ihre Frauen gut zu behandeln. Die Überlieferung „Das Paradies liegt zu Füßen der Mütter“ wird häufig zitiert. Die Gestaltung der Lebensumstände einer Frau liegt jedoch nur begrenzt in ihren eigenen Händen, sondern vor allem in den Händen ihres Vaters, ihres Ehemanns und der Gesellschaft, in der sie lebt: In den Händen des Vaters, weil er wesentlich über Schulausbildung, Bewegungsfreiheit und Heirat entscheidet, in den Händen des Ehemanns, weil er ihr gebieten oder sie sogar strafen kann, wenn er befürchtet, sie könne die Familienehre gefährden, und in den Händen der Gesellschaft, weil sie das Verhalten der Frau ständig kontrolliert. Gerade für muslimische Frauen ist die Botschaft von der Liebe Gottes besonders kostbar.
In der „Islamischen Charta“, die der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ 2002 veröffentlicht hat, heißt es: „Der Islam ist die Religion des Friedens“. Moderne, westlich geprägte Muslime betonen gern: „Islam“ bedeutet Friede. – Im Blick auf das arabische Wort „Islam“ ist diese Aussage jedoch nicht korrekt; zwar sind „Salam“ (Friede) und „Islam“ von der gleichen Wortwurzel abgeleitet; „Islam“ bedeutet aber nicht „Friede“, sondern „Hingabe, Unterwerfung“. - Was sagt der Koran zum Thema Frieden?
1. Die Hoffnung auf ewigen Frieden
Sure 19,61: (Sie werden in) die Gärten von Eden (eingehen), die der Barmherzige seinen Dienern ... versprochen hat... 62 Sie hören darin kein (leeres) Gerede, sondern nur (das Grußwort), Heil! = Friede (salam) - Im Koran findet sich eine ganze Reihe ähnlicher Stellen (Sure 7,46; 10,10; 14,23; 35,58). – Der Herausgeber einer erläuterten Koranübersetzung, Yusuf Ali, erklärt zu den zitierten Versen, das Wort „Salam“ habe eine sehr weite Bedeutung: außer dem Aspekt der Sicherheit umfasse es auch Gesundheit, Befreiung, Harmonie mit unserer Umgebung und Zufriedenheit. „All diese Bedeutungsnuancen sind in dem Wort ‚Islam‘ enthalten. Der Himmel ist deshalb die Vervollkommnung des Islam.“ – In diesem Sinn können wir sicherlich sagen, dass auch der Islam auf Frieden hofft und letztlich Frieden will.
Friede wird demjenigen zugesagt, der der Leitung Gottes folgt (20,47). „Friede“ sprechen die Engel den Sterbenden zu, wenn sie Gott fürchten und sich in ihrem Erdenleben gut verhalten haben (16,32). Das heißt Frieden findet der Mensch für sich persönlich durch den Islam, wenn ihm als Muslim am Tag des Gerichts der Zugang ins Paradies eröffnet wird. Ob er dieses Ziel tatsächlich erreicht, kann er allerdings während seines Erdenlebens nicht wissen.
2. Friede und Krieg im Koran und im Leben Mohammeds
Was sagt der Islam nun zum Frieden auf Erden, und wie soll dieser Friede zustande kommen? – Viele Aussagen des Koran über Frieden und den Gegensatz dazu, Kampf und Krieg, sind Offenbarungen, die Mohammed in konkreten Situationen empfangen haben soll.
Nach seiner Berufung begann Mohammed, seine Mitbürger in Mekka aufzurufen, den Glauben an eine Vielzahl von Göttern aufzugeben und sich dem einen wahren Gott, Allah, zuzuwenden. Er stieß aber bei der Mehrheit auf Ablehnung und immer stärker werdende Anfeindungen. Zunächst erhielt er den Rat, die Angelegenheit Gott zu überlassen (43,89): Sei nun nachsichtig gegen sie und sag: ‚Heil!‘ (oder: Friede!). – Was er äußern sollte, klingt recht tolerant (109,1): Sag: Ihr Ungläubigen! 2 Ich verehre nicht, was ihr verehrt, 3 und ihr verehrt nicht, was ich verehre... 6 Ihr habt eure Religion, und ich die meine. – Einige Muslime berufen sich im Gespräch mit Christen auf solche und ähnliche Verse; vor allem zitieren sie oft Sure 2,256: In der Religion gibt es keinen Zwang.
…
In welcher Weise Freunde oder Fremde als Gäste aufgenommen werden, ist ein wichtiges Thema in vielen Kulturen. Im Orient hat Gastfreundschaft eine lange Tradition, wie wir es z. B. aus biblischen Berichten des Alten Testaments wissen.
Gastfreundschaft der Beduinen
Auch auf der Arabischen Halbinsel spielte Gastfreundschaft zur Zeit Mohammeds eine wichtige Rolle. Besonders unter den Beduinen in den Wüstenregionen galt es als eine „heilige Pflicht“, Gastfreundschaft zu gewähren. Als Gast aufgenommen, beherbergt, mit Nahrung und vor allem mit Wasser versorgt und evtl. auch vor Feinden geschützt zu werden, konnte überlebensnotwendig sein. – Aus diesem Lebenskontext stammt wohl ein arabisches Sprichwort, das etwa Folgendes bedeutet: „Du kannst (zur Not) im Blick auf alles (worum du gebeten wirst) ‚Nein’ sagen, nur nicht im Blick auf Wasser.“
Abrahams Gastfreundschaft
Diese Wertschätzung der Gastfreundschaft als Verpflichtung, aber ebenso als Recht, spiegelt sich auch in Koran und Hadithen. Zum Teil wird dabei Bezug genommen auf biblische Berichte. In einem Hadith von Al-Muwatta (Hadith Nummer 49.4) wird Abraham bezeichnet als „der Erste, der dem Gast Gastfreundschaft gewährte“. – Sure 51,24-30 (ähnlich Sure 11,69-73 und 15,51-56) meint wohl das gleiche Ereignis, das in 1. Mose 18,1-15 geschildert wird: Drei Gäste kommen zu Abraham; er beeilt sich, ein gemästetes Kalb für sie zubereiten zu lassen – doch (anders als in der Bibel – V. 8) die Gäste greifen nicht zu. In einer Anmerkung zu dieser Stelle (Sure 51,26f) erläutert A. Yusuf Ali in seiner Koranausgabe: „Entsprechend den Gesetzen der Gastfreundschaft steht ein Fremder unter deinem Dach unter deinem Schutz, aber wenn er es ablehnt zu essen, lehnt er deine Gastfreundschaft ab und hält sich selber frei von allen Bindungen zwischen Gast und Gastgeber.“ Angebotenes Essen nicht anzurühren, löst zumindest Fragen aus, warum wohl ein Gast sich so ablehnend verhält, evtl. sogar Befürchtungen, dass er mit bösen Absichten gekommen sein könnte. – Da Abrahams Gäste Engel waren, konnten sie nach islamischer Auffassung nicht bei ihm essen, doch sie beruhigten ihn: „Fürchte dich nicht“ und kündigten ihm die Geburt eines Sohnes an.
Hier wird deutlich, dass Gastfreundschaft, besonders Bewirtung oder gemeinsames Essen, nicht nur ein Versorgen mit Nahrung bedeutet, sondern eine wechselseitige Beziehung begründet. Angebotenes Essen oder Trinken völlig abzulehnen – weil man gerade weder Hunger noch Durst hat, das Angebotene nicht mag … – bewirkt beim Gastgeber in der Regel ein ungutes Gefühl. Denn er empfindet, dass dadurch auch die menschliche Gemeinschaft und das Eingehen einer Beziehung verweigert werden. Empfangene und angenommene Gastfreundschaft kann auch eine gewisse Verpflichtung einschließen, sich entsprechend „erkenntlich zu zeigen“. Ein älterer marokkanischer Mann bewirtete einen Gast freundlich mit Essen, bevor er ihn bat, einige Papiere für ihn auszufüllen. – Nach traditionellem orientalischem, nicht nur islamischem Verständnis verpflichten sich Gast und Gastgeber auch über die Zeit des Besuchs hinaus, einander beizustehen und einander zu schützen, jedenfalls einander keinen Schaden zuzufügen.
Gastfreundschaft als Pflicht
…
Immer wieder einmal kann man die Aussage hören, der Islam sei eine Religion der Werkgerechtigkeit, und ein Muslim müsse sich durch gute Taten den Himmel verdienen.
Eine oberflächliche Betrachtung scheint zunächst diese Beurteilung zu bestätigen. Im Blick auf das endgültige Gericht Gottes über die Menschen wird im Koran wiederholt das Bild der Waage gebraucht: Und Wir stellen die gerechten Waagen für den Tag der Auferstehung auf. So wird keiner Seele in irgendetwas Unrecht getan. Und wäre es auch das Gewicht eines Senfkornes, Wir bringen es bei. Und Wir genügen für die Abrechnung (Sure 21,47; vgl. auch Sure 13,102+103). Solche Verse vermitteln den Eindruck: am Tag des Gerichts wird Gott die Menschen ohne Ansehen der Person entsprechend ihrer Taten gerecht belohnen oder bestrafen.
Was sind „gute Werke“ im Islam?
In islamischen Lehrbüchern werden die Taten oft nach dem Gesichtspunkt klassifiziert, ob sie Strafe oder Lohn nach sich ziehen, ob sie eigentlich verdienstvolle Taten wieder zunichtemachen bzw. neutral sind und weder Strafe noch Lohn bewirken. Die wichtigsten Werke sind die „unbedingt gebotenen“, die am höchsten positiv angerechnet werden und deren Unterlassung die Höllenstrafe nach sich zieht. Es fällt auf, dass es sich dabei im Wesentlichen um rituelle, auf Gott ausgerichtete Handlungen (Gebet, Wallfahrt, Fasten etc.) handelt, die allerdings zum Teil auch eine soziale, mitmenschliche Dimension haben (Armensteuer). Zu den „unbedingt verbotenen“ Taten gehören: Wein zu trinken, dem Vater und der Mutter ungehorsam zu sein, einen Menschen zu töten. Wer so etwas tut und nicht bereut, wird dafür in der Hölle bestraft.
Die Bedeutung der Absicht
Bei weiterem Nachforschen stößt man schnell auf die Tatsache, dass es nicht nur auf die Taten ankommt, sondern auch auf die dahinterstehende Motivation. In einem Hadith heißt es: Die Taten werden nach den Absichten beurteilt. Wer nun ausgewandert ist in der Suche nach Gott und seinem Gesandten, dessen Auswanderung gilt als zu Gott und seinem Gesandten. Wer aber in der Suche nach irdischen Interessen oder wegen einer Frau, die er heiraten möchte, ausgewandert ist, dessen Auswanderung gilt als eben zu dem, zu dem er ausgewandert ist. (Khoury, Der Koran, S. 507f: „auswandern“ bezieht sich auf die Auswanderung Mohammeds mit seinen Anhängern von Mekka nach Medina) – Das kann sogar einen Märtyrer betreffen, dem eigentlich der Zugang ins Paradies zugesichert wird: Der erste unter den Menschen, über den das Urteil am Tag der Auferstehung gefällt wird, ist ein Mann, der als Märtyrer gestorben ist. Er wird gebracht. Er (Gott) lässt ihn seine Gnaden erkennen, und er erkennt sie. Er sagt: Was hast du dafür getan? Er sagt: Ich habe um deinetwillen gekämpft, bis ich als Märtyrer starb. Er sagt: Du lügst. Du hast vielmehr gekämpft, damit man sagt: Siehe, ein Mutiger! Und man hat es auch gesagt. Dann ergeht ein Befehl über ihn, und er wird auf seinem Gesicht geschleppt und ins Höllenfeuer geworfen. (Khoury, Der Koran, S. 554)
Die Bewertung der guten Werke im Islam
…
Das arabische Wort „Hadith“ (im Singular: der Hadith, Plural: die Hadithen) bedeutet allgemein: Rede, Gespräch, Erzählung, Bericht. Im Zusammenhang mit der islamischen Religion erhielt es die Spezialbedeutung: Überlieferung (die auf Mohammed zurückgeht), Tradition.
Schon zu Lebzeiten Mohammeds wurden Berichte über Aussagen oder Taten des „Propheten“ in mündlicher Form weitergegeben. Nach seinem Tod wuchs das Interesse an solchen meist kurzen, anekdotenhaften Erzählungen stark an. Die Überlieferung der Hadithen ist zunächst sicherlich Ausdruck für die Verehrung Mohammeds – die Erinnerung an ihn sollte wachgehalten werden – und Antwort auf das Informationsbedürfnis von Menschen, die mehr über den Islam und seinen Propheten wissen wollten. Dabei hatten die Hadithen schon früh eine starke prägende Bedeutung für das Leben der einzelnen Muslime und die islamische Gemeinschaft.
Denn der Koran, der Muslimen als das eigentliche Wort Gottes gilt, enthält für viele Fragen der religiösen Praxis und des Alttagslebens keine eindeutigen und detaillierten Anordnungen. Für den Islam ist es aber sehr wichtig, dass Menschen, die Gott gefallen wollen, sich in allen Einzelheiten vom Gesetz Gottes leiten lassen. Solange Mohammed lebte, konnten die Gläubigen sich nach seinem Vorbild richten oder ihn selber fragen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollten. Nach seinem Tod wurden diejenigen befragt, die ihn persönlich gekannt hatten und sagen konnten, was der Prophet in konkreten Lebenssituationen getan, gesagt, verurteilt oder auch stillschweigend geduldet hatte. Daraus konnte man ableiten, welche Entscheidungen am ehesten dem Vorbild Mohammeds (und damit, nach muslimischem Verständnis, dem Willen Gottes) entsprechen.
So wurde die aus den Hadithen ablesbare Gewohnheit (Sunna) des Propheten neben dem Koran die Hauptquelle für den „Islam“ (= die richtige Form der Unterwerfung unter den Willen Gottes). Da der Islam nicht nur persönliche Gottesverehrung, sondern immer auch Politik und verbindliches Recht ist, werden aus Koran und Hadith die Rechtsnormen des islamischen Gesetzes abgeleitet. (In der Praxis wird auch heute ein Hodscha, wenn er in konkreten Angelegenheiten um Rat gefragt wird, öfter mit Hadith-Texten als mit Koranversen antworten.)
Mit der Zeit versuchten unterschiedliche politische und religiöse Richtungen innerhalb der islamischen Gemeinschaft, ihre jeweiligen Ansichten und Praktiken durch Hadithe zu untermauern. Es kam im 7. und 8. Jahrhundert eine große Zahl von gefälschten Hadithen in Umlauf. Das ließ es notwendig erscheinen, die verschiedenen Hadithen zu sammeln und kritisch zu sichten.
Die entstehende islamische Hadith-Wissenschaft konzentrierte sich dabei vor allem auf den Überlieferungsweg: es wurde versucht zurückzuverfolgen, wer den jeweiligen Bericht von wem gehört hatte – bis hin zu den direkten Augen- und Ohrenzeugen aus der Umgebung Mohammeds. Diese Überlieferer-Kette (Isnad) wurde dem eigentlichen Bericht über eine Aussage oder Handlungsweise Mohammeds (oder zum Teil auch seiner engsten Gefährten) vorangestellt. Die Lebensläufe der Überlieferer wurden aufgezeichnet und die Zuverlässigkeit der jeweiligen Personen kritisch beleuchtet. Entsprechend der Vollständigkeit der Überlieferungs-Kette und der Zuverlässigkeit der Gewährsleute wurden die Hadithen in drei Kategorien eingeteilt:
1. sahih – echt, authentisch;
2. hasan – gut, aber nicht einwandfrei zuverlässig;
3. dha`if – schwach, bedenklich. …
Nach islamischer Auffassung hat Gott als Schöpfer und Herr der Welt den Islam, wie Mohammed ihn gelehrt und praktiziert hat, als die eine, wahre und unverfälschte Religion anerkannt (Sure 3,19; 5,3). Der Islam ist die ursprüngliche, schöpfungsgemäße Religion der ganzen Menschheit (Sure 30,30). Folglich soll der Islam über den Bereich der ganzen Welt ausgebreitet werden.
Das Grundmodell
Die traditionelle islamische Lehre teilt daher die Bevölkerung der Erde in zwei große Blöcke auf: einerseits das „Haus des Islam“ (dar al-islam), in dem die koranische Offenbarung anerkannt und das islamische Recht praktiziert wird, und andererseits das „Haus des Krieges“ (dar al-harb), in dem die islamische Ordnung erst aufgerichtet werden muss. Dies soll geschehen – und geschah auch in der Anfangszeit der islamischen Ausbreitung – durch „Dschihad“, Anstrengung auf dem Weg Allahs, in der Regel gleichbedeutend mit militärischer Eroberung (vgl. dazu Sure 9,29). Das bedeutet nicht, dass alle Bewohner der eroberten Gebiete gezwungen wurden, Muslime zu werden. Juden und Christen konnten ihre Religion beibehalten und sie im Rahmen der islamischen Ordnung auch in einem gewissen Maß praktizieren.
Außerdem gab es auch noch das „Haus des Vertrages“ oder „Haus des Bundes” (dar al-`ahd), Gebiete, mit denen die islamische Umma zeitlich befristete Verträge abgeschlossen hatte. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass nach der Sicht des traditionellen islamischen Rechts das „Haus des Islam“ und die übrige Welt einander grundsätzlich feindlich gegenüberstanden und die Scharia eigentlich nur ein „einseitiges Kriegsvölkerrecht (mit Regeln für die »Kampfpausen«)” kannte (Erwin Gräf und Hilmar Krüger, Artikel „Völkerrecht“ in: Lexikon der islamischen Welt, Stuttgart Berlin Köln 1992, S. 276f). „Im klassischen Islam gibt es also nur islamische Normen für das Verhältnis des islamischen Staates zu nichtislamischen Individuen und Staaten mit dem Ziel ihrer Unterwerfung und ihrer An- bzw. Eingliederung in die umma.“ (a.a.O., S. 276)
Geschichtliche Entwicklungen
Im Verlauf der Geschichte wurde eine Reihe von Verträgen zwischen der islamischen Gemeinschaft als ganzer oder einzelnen Teilgebieten mit nicht-islamischen Staaten geschlossen, die nicht nur als zeitlich befristete Waffenstillstandsregelungen zu verstehen sind. Andererseits gab es schon lange vor der Abschaffung des osmanischen Kalifats durch Atatürk im Jahre 1924 kein einheitliches „dar al-islam“ mehr.
Lebendigkeit der traditionellen Vorstellungen
Der alte Gedanke, dass die Völkerwelt in „dar al-islam” und „dar al-harb“ zerspalten sei, ist jedoch bei vielen Muslimen weiterhin erstaunlich lebendig. Der Konflikt zwischen Serben und Albanern im Kosovo z. B. wurde von vielen nicht als ethnischer Konflikt sondern als „christlicher” Angriff gegen „den Islam“ angesehen. Die Politik nicht-islamischer Staaten wird schnell verdächtigt, in ihrer Zielsetzung islam-feindlich zu sein und den Muslimen Schaden zufügen zu wollen.
…
Es ist unmöglich, in einem „Minikurs“ das Thema „Kinder im Islam“ zu umreißen. Dazu ist es viel zu komplex, und dazu sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, sozialen Gruppen und geschichtlichen Epochen zu groß. Deshalb beschränken wir uns hier auf einige Aussagen des Koran zu diesem Thema (Koran-Zitate hier nach der Übersetzung von Rudi Paret).
Gegen die im Heidentum praktizierte Tötung von Kindern
Eine Reihe von Koranversen wendet sich vehement gegen die im vorislamischen Heidentum (altarabischen Polytheismus) praktizierte Tötung von Kindern. Der unmittelbare Anlass für diese Praxis war wohl die Furcht, nicht alle Kinder, die geboren wurden, ausreichend ernähren zu können oder wegen der großen Zahl der Kinder zu verarmen. Dagegen sagt Sure 17,31: „Und tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung! Wir (d. h. Gott) bescheren ihnen und euch (den Lebensunterhalt). Sie zu töten ist eine schwere Verfehlung.“ (ähnlich Sure 6,151, ebenfalls mit dem Hinwies auf die Fürsorge Gottes)
Als Hintergrund für die Praxis der Kindertötung wird in Sure 6,137 angedeutet, dass die Götzen selber ihre Verehrer zu einem solchen verwerflichen Tun verführten; sie haben es ihnen „im schönsten Licht erscheinen lassen, dass sie ihre Kinder töten. Sie wollten sie damit ins Verderben stürzen und ihnen ihre Religion verdunkeln.“
Wenn zur Zeit Mohammeds Frauen den Islam annehmen wollten, mussten sie neben der Zusicherung, Allah keine anderen Götter zur Seite zu stellen, sich und andere ebenso verpflichten, keine Kinder zu töten (Sure 60,12) – was allerdings auch generell für alle Muslime gilt (Sure 6,151).
Kinder als Geschenk und Gefährdung
Gott selbst bestimmt, ob einem Ehepaar Kinder geboren werden und welches Geschlecht sie haben sollen: „Gott hat die Herrschaft über Himmel und Erde. Er schafft, was er will, indem er nach Belieben dem einen weibliche und dem andern männliche (Nachkommen) schenkt, oder sie zu Paaren macht (so dass ein und derselbe) männliche und weibliche (Kinder bekommt), oder (w. und) nach Belieben jemand unfruchtbar macht (so dass er überhaupt keine Kinder bekommt). Er weiß und kann (alles).“ (Sure 42,49+50)
Sehr oft (z. B. Sure 3,10.116; 8,28; 9,55.69.85; 17,6.64; 18,39.46; 19,77; 23,55 und öfter) werden im Koran Kinder in Verbindung mit Vermögen genannt. Eine große Schar von Kindern, vor allem Söhnen zu haben, konnte Macht, Einfluss, Ehre und – aufgrund von Arbeitskraft und Fähigkeiten – auch materiellen Reichtum bedeuten.
…
Normalerweise wünscht sich jedes muslimische Ehepaar Kinder. Sie gelten als Zeichen einer guten Ehe. Wird ein Kind in einer muslimischen Familie geboren, herrscht große Freude, die noch größer ist, wenn das Neugeborene ein Junge ist. Dem Kind wird schon bald nach der Geburt das islamische Glaubensbekenntnis ins rechte Ohr gesprochen: „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“
Religiöse Erziehung
Wer in eine muslimische Familie hineingeboren wurde, gilt als Muslim. Dazu ist keine spätere „Bekehrung“, kein Bekenntnis oder eine ausdrückliche Erklärung des Kindes nötig. Es gibt auch keinen formellen Beitrittsakt zur islamischen Gemeinschaft, der etwa mit der christlichen Taufe vergleichbar wäre.
Muslime gehen davon aus, dass der Islam die „natürlich Religion” eines jeden Menschen sei. In der muslimischen Familie geht es also „nur“ darum, den als Muslim Geborenen nun auch als Muslim aufwachsen zu lassen. Dazu gehört die – für traditionell geprägte Muslime selbstverständliche – religiöse Unterweisung des Kindes in der Familie und manchmal auch in der Koranschule.
Religiöse Erziehung geschieht indirekt dadurch, dass das Kind mit islamischen Festen und Feiertagen, aber auch mit Speise- und Reinigungsvorschriften, mit der Trennung der Geschlechter und den vom Islam vorgegebenen Moralauffassungen aufwächst. Der Sohn wird vom Vater, die Tochter von der Mutter religiös unterwiesen, indem das Kind allmählich in die Glaubenspflichten des Islam (fünf Säulen) eingeführt wird.
Dazu gehört vor allem das fünfmal täglich gesprochene rituelle Gebet. Man geht davon aus, dass ein Kind etwa mit sieben Jahren beginnen sollte, das Gebet zu verrichten. Mit zehn Jahren sollte es das Gebet beherrschen und auch vollziehen – natürlich in Abhängigkeit davon, wie streng die Familie selbst der Gebetspflicht nachkommt. Die Befolgung der fünf Säulen des Islam und insbesondere die Einhaltung der Gebete gelten für Männer und für Frauen als absolut verpflichtend. Das Gebet absichtlich zu versäumen, ist im Islam eine der schwersten Sünden. Und so verlangen muslimische Theologen, Kinder zur Not mit Schlägen zur Einhaltung der Gebetspflicht zu zwingen.
Auch in das 30-tägige Fasten im Monat Ramadan wird das Kind Schritt für Schritt eingeführt. Beim ersten Mal fastet es vielleicht nur zwei bis drei Tage, beim nächsten Mal eine Woche. Ungefähr mit der Pubertät sollte es die ganze Fastenzeit einhalten.
Besucht das Kind, frühestens ab etwa vier Jahre, die Koranschule, wird es dort vor allen Dingen den Koran auf Arabisch auswendig lernen. Es kommt vor, dass Kinder schon mit etwa 10-12 Jahren den gesamten Koran auswendig können, womit sie meist für ein theologisches Studium als prädestiniert gelten.
„Säkulare“ Schulbildung
…
Nach dem Koran hat Gott Mann und Frau „gleichwertig“ geschaffen (Sure 53,45; 4,1). Beide sind, obwohl von Natur aus schwach, ungeduldig und unbeständig (Sure 4,28; 30,36; 21,37; 16,4; 12,53), aufgerufen Gutes zu tun und erhalten dafür eine Belohnung hier und im zukünftigen Leben unabhängig von ihrem Geschlecht (Sure 16,97; 40,40). Im Paradies werden gläubigen männlichen Muslimen im Gegensatz zu muslimischen Frauen weltliche Freuden wie die Erfüllung sexueller Begierden verheißen (Sure 78,33; 55,56 im Gegensatz zu Mt 22,30). Laut Hadith hängt es von der Einwilligung der Ehemänner ab, ob ihre Ehefrauen ins Paradies eingehen dürfen.
Jungen wie Mädchen werden nach islamischer Auffassung bereits als Muslime geboren (Hadith: Sahih Al-Buchari, Band 2, Buch 23, Nummer 441). Jungen sind als Träger des Familiennamens erwünschter als Mädchen und werten den Stand ihrer Mutter auf. Die Beschneidung wird meist im Alter zwischen sieben und zehn Jahren durchgeführt und ist für Männer Pflicht. Sie bestimmt in vielen Ländern den Eintritt ins Mannesalter (z.B. Hadith Sahih Al-Buchari, Nr. 7.777). Nur Männer waren nach dem islamischen Verständnis Propheten (im Gegensatz zu 2.Mose 15,20; Ri 4,4; 2.Kö 22,14; Neh 6,14; Jes 8,3; Lk 2,36; Apg 21,9). Als Kind wird der Sohn in aller Regel verwöhnt. Er muss nur wenige Einschränkungen hinnehmen und wird als derjenige erzogen, der später Anweisungen erteilt. Jungen – später Männer – respektieren zwar die Frauen ihrer Familie und verteidigen ihre Ehre und ihren Ruf, kontrollieren aber auch deren Bewegungsspielraum und Verhalten in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Anstandsregeln. Auf der moralischen Ebene sind sie mitverantwortlich für die Bewahrung der Keuschheit der Schwestern, denn auf den Frauen der Familie ruht die Familienehre, die die männlichen Mitglieder wahren und verteidigen müssen (was allerdings nicht koranisch, sondern kulturell bedingt ist). Von den Söhnen wird spätestens mit dem Ende der Schul- oder Studienzeit ein Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie erwartet. Die Autorität des ältesten Sohnes, obwohl noch ein Kind, ist in der Familie festgeschrieben. Er übernimmt die Leitung der Familie in Abwesenheit des Vaters. Männer dürfen sich nicht wie Frauen kleiden, z. B. kein Gold oder Seide tragen. Alkohol ist ihnen verboten (Sure 5,90-91).
Männlichkeit und Stärke sind von großer Bedeutung und werden im Ernstfall auch unter Zuhilfenahme von Machtmitteln unter Beweis gestellt. Es herrscht ein gewisser Zwang, diese Stärke zu demonstrieren und bei Normüberschreitungen Druck oder sogar Gewalt anzuwenden. Die Familienehre kann z. B. wieder herstellt werden, indem das verdächtigte Mädchen oder die Frau eingesperrt, geschlagen oder sogar getötet wird. Wer als Mann diese drastischen Handlungen verweigert, verliert sein Gesicht, er gilt als schwach und wird verachtet. Muslimische Männer, die durch finanziellen oder persönlichen Einsatz um Gottes Willen Krieg führen, sind Muslimen überlegen, die das nicht tun. Erstere werden mit einem gewaltigen Lohn ausgezeichnet (Sure 4,95).
Religiöse Pflichten kann der Mann im Gegensatz zur Frau ohne Einschränkungen erfüllen. Frauen sind während ihrer „Menstruations-Unreinheit“ vom rituellen Gebet, Koranlesen, der Pilgerfahrt und dem Fasten ausgeschlossen (Parallele: 3.Mose 12,2-5; 15,19-20; doch Lk 18,1). Männer können ihren Frauen die Erlaubnis erteilen, ausgefallene Gebetszeiten oder Fasten nachzuholen, oder dies verweigern, da der Mann in Bezug auf Essenszeiten und Beischlaf davon betroffen ist. Der muslimische Ehemann oder männliche Vormund bei Alleinstehenden bestimmt, ob seine Frau(en) freitags in die Moschee gehen, das Haus verlassen, eine Besuchsreise oder die Pilgerreise machen dürfen. Obwohl der Koran für Unzucht bei unverheirateten Männern und Frauen gleichermaßen ohne Ausnahme 100 Peitschenhiebe verlangt (Sure 24,2), wird in der Praxis die größere Schuld der Frau zugeschrieben. Der Mann ist nach islamischem Verständnis immer das Opfer von verführerischen Frauen. Im Gegensatz dazu liegt in der Bibel die Betonung der Verantwortung bei den Männern selbst, was für Frauen eine größere Freiheit ohne Verschleierungspflicht zur Folge hat: Hiob 31,1; Mt 5,27-30.
Ehe- und Familienrecht
…
Wer die Medienberichte verfolgt, hat sie vor Augen: Selbstmordattentäter, die ihr Leben für ein vermeintlich höheres Ziel opfern und andere Menschen mit in den Tod reißen. Wie schade, dass sie ihre besten Jahre und ihre ganze Lebenszeit nicht dafür einsetzen, was wirklich zum Frieden führt! Was geht in Menschen vor, die ihrem meist noch jungem Leben auf solch mörderische Weise ein Ende setzen? Sind es die Paradiesversprechen, die besonders bei jungen Männern die sinnliche Phantasie anregen? Tragen nicht ihre Führer, teilweise ihre eigenen Angehörigen und nicht zuletzt menschenverachtende Medien eine erhebliche Mitverantwortung für dieses Unrecht?
Die Wortbedeutung
Wie das arabische Wort schahid bedeutet auch das entsprechende griechische Wort martys Zeuge, martyrein Zeugnis ablegen, bezeugen. Mit Märtyrer werden heute Christen wie Andersgläubige bezeichnet, die bereit sind, für ihre Glaubensüberzeugung Verfolgung, Leiden und sogar den Tod auf sich zu nehmen. Der Christ als Märtyrer lässt sich Leid zufügen ohne selbst andern Leid zuzufügen. Als Märtyrer im Islam gilt dagegen, wer im Kampf gegen die Ungläubigen oder das Böse den Tod findet, dazu zählen für Islamisten auch Selbstmordattentäter.
Drei Gruppen von Märtyrern
Das Märtyrertum besitzt im Islam einen hohen Stellenwert. Als Märtyrer gelten alle diejenigen, die auf dem Wege Gottes ihr Leben lassen. Den Büchern des Fiqh (der islamischen Rechtswissenschaft) zufolge gibt es drei Gruppen von Märtyrern: 1. Muslime, die bei einem Krieg oder bei einem Überfall von Wegelagerern zu Tode kommen. 2. Muslime, die beim Schutz ihres Eigentums, ihres Lebens, ihres Gewissens oder ihrer Ehre ums Leben kommen oder bei dem Versuch sterben, andere Muslime oder unter dem Schutz von Muslimen stehende Nichtmuslime zu verteidigen. Märtyrer, die diesen beiden Kategorien zuzuordnen sind, werden nur mit einem Totengebet beerdigt. Ihre blutige Kleidung behalten sie am Körper, die Totenwaschung wird bei ihnen nicht durchgeführt. 3. Märtyrer, die am Krieg teilgenommen oder gegen Terroristen gekämpft haben, aber erst später, nicht an den unmittelbaren Folgen dieser Kämpfe, sterben. Auch Muslime, die durch Ertrinken, Verbrennen oder Gebären zu Tode kommen und in der Fremde oder beim Erlernen einer Wissenschaft gestorbene Muslime werden dieser Kategorie zugerechnet; sogar Händler, die aufrichtig Handel treiben und Menschen, die ihre Familien versorgen und dabei umkommen.
Nicht zu Märtyrern zu zählen sind laut einer Hadith folgende Menschen: Allahs Gesandter (Mohammed) sagte: Das Blut eines Muslim (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben (Blutrache), und der seinen Glauben Verlassende, von seiner Gemeinschaft Getrennte. Dies berichten Al-Buchari und Muslim.
Und die Selbstmordattentate?
…
Die Suren 113 und 114 (die beiden letzten im Koran) sind sich sehr ähnlich. Sie sprechen von Angst, Finsternis, Hexen, Zauberknoten, die angeblasen oder bespuckt werden, und von Neid.
„Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn… vor dem Übel dessen, was Er erschaffen hat, vor dem Übel der Dunkelheit, vor dem Übel der Knotenanbläserinnen und vor dem Übel eines jeden Neiders, wenn er neidet.“ (Sure 113, Übersetzung: M. A. Rassoul)
„Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn… vor dem Übel des Einflüsterers… sei dieser von den Dschinn oder den Menschen.“ (Sure 114, Übersetzung: M. A. Rassoul)
Nach islamischer Überlieferung erhielt Mohammed diese beiden letzten Suren des Koran, als er krank war und Halluzinationen hatte. Das rührte von einem Fluch her. Er dachte, er hätte ehelichen Umgang mit seinen Frauen, was in Wirklichkeit nicht geschehen war. Eines Tages hatte Mohammed einen Traum mit zwei Engeln, die über ihn und seine Krankheit diskutierten:
„Zwei Männer kamen zu mir und einer setzte sich zu meinem Kopf, der andere zu meinen Füßen. Der an meinem Kopf fragte den anderen: „Was ist das Problem mit diesem Mann?“ Der erwiderte: „Er leidet unter Magie.“ Der erste fragte: „Wer hat die Magie über ihm ausgesprochen?“ Er antwortete: „'Labid bin Al-A'sam, ein Mann vom Stamm Zuraiq, der ein Heuchler ist und mit den Juden kooperiert.“ Der erste fragte weiter: „Was für ein Material wurde benützt?“ Der andere sprach: „Ein Kamm mit seinen Haaren.“ Der erste fragte wieder: „Wo ist es?“ Der andere erwiderte: „In einer Haut des Fruchtstandes der männlichen Dattelpalme unter einem Stein in der Quelle von Dharwan.“ Mohammed reiste zu der Quelle beim Stamm der Zuraiq. Er ließ die Quelle leeren und den Fluchgegenstand beseitigen. Später berichtete er seiner Lieblingsfrau Aischa, dass die Dattelpalmen wie die Köpfe von Teufeln aussahen und das Wasser der Quelle so rot wie Henna gewesen sei (Hadith Al-Buchari Nr. 7660). Demnach soll Mohammed geheilt worden sein, als er den Kamm mit den Haaren beseitigte, um den ein Seil mit 11 Knoten gebunden war, an dem wiederum eine Wachspuppe hing, die von Nadeln durchstochen war. Der Engel Gabriel soll Mohammed angewiesen haben, an der Quelle die beiden Suren 113 und 114 auszusprechen, worauf sich bei jedem Vers ein Knoten löste und die Nadeln abfielen (Maududi in ALIM <islsoftware.com>). Der Fluch über Mohammed wurde von seinen Gegnern in den Jahren 610-612 n.Chr. noch in Mekka veranlasst. Manche Koranausleger meinen, dass es nicht Labid bin Al-A'sam selbst war, der den Fluch aussprach, sondern seine auf diesem Gebiet versierteren Schwestern.
Mohammed faltete von diesem Zeitpunkt ab immer abends die Hände, blies in sie hinein, sprach die Suren 113 und 114 aus und rieb mit den Händen über jede Stelle seine Körpers, die erreichbar war. Auch die Gläubigen wies er an, dies zu tun. Als er das am Ende seines Lebens wegen Krankheit nicht mehr konnte, blies und rieb seine Frau Aischa für ihn. Mohammed lehnte es ab, die Voodoo-Puppe (Puppe, die den Menschen symbolisiert, an dem Magie verübt werden soll) zu zeigen, weil er befürchtete, dass Muslime diese Praktik nachahmen würden (Hadith Al-Buchari Nr. 8.89; 7.658, 7.661).
In der Auslegung des Koran von Seyyid Kutup, die der türkischen Tageszeitung Zaman entnommen ist (letztere steht dem Islamprediger Fethullah Gülen nahe), werden okkulte Phänomene abgelehnt. Hexerei habe keinen realen Hintergrund, sondern basiere nur auf Betrug. Mohammed sei nicht besessen gewesen. Die Suren werden mit Telepathie, Hypnose und unsichtbaren Auswirkungen von Neid erklärt. Andererseits werden Geistwesen wie Dschinn nicht bestritten. Sie sollen durch Eingebungen in die Gedanken Menschen zu Bösem veranlassen. Doch wenn Muslime bei Gott Zuflucht suchen, fliehen die bösen Geister, heißt es.
…
Herkunft der Moschee
Das arabische Wort für Moschee „masdschid“ bedeutet „Ort, wo man sich niederwirft“. Die Haupt-Moschee blieb für Mohammed immer das Heiligtum in Mekka (Sure 2,144). Gegner der islamischen Religion wurden vom Besuch der Haupt-Moschee ausgeschlossen (Sure 9,17.18: im 9. Jahr nach der Hidschra).
Die „Salat“-Gebete, die für Muslime fünfmal täglich vorgeschrieben sind, wurden anfangs in Privathäusern bzw. im Freien verrichtet, bis Mohammed in Medina an die Macht kam. Hier kam es zur Gründung der ersten Moschee. Nach der Tradition soll Mohammed auf einem Kamel reitend nach Medina gekommen sein; das Kamel habe nach eigenem Willen auf einem Grundstück angehalten. Mohammed kaufte daraufhin das Grundstück und errichtete sein Haus darauf, das auch eine Gebetsstätte enthielt, die erste Moschee.
Die arabische Kultur kannte keine herausragende Architektur. Selbst das Götterheiligtum in Mekka war im 7. Jh. nur aus Holz und Stein recht unansehnlich gebaut. Der Islam übernahm von den unterworfenen Völkern Elemente ihrer Kunst für den Moscheebau. Aber der einfache Grundriss mit dem offenen Hof und den überdachten Gebetshallen, die auf das Haus Mohammeds in Medina zurückgehen, änderte sich im Laufe der Geschichte nie. Deshalb finden wir auch keine Einrichtungsgegenstände, außer einem Schränkchen für den Koran und andere Bücher. Details und Verzierungen wurden im Laufe der Jahre hinzugefügt, besonders aber eine Neuerung, das Minarett, das ursprünglich nicht vorhanden war. Mohammed ließ noch von einem höheren Dach eines Hauses den Gebetsruf ertönen. Viele Kirchen, Synagogen und Tempel unterworfener Gebiete wurden zu Moscheen umfunktioniert, d. h. die Bilder überstrichen und eine Wand in Richtung Mekka als Gebetsrichtung benutzt. Es gibt verschiedene Arten von Moscheen, darunter offene Moscheen, Kuppelmoscheen, Grabmoscheen (im Hadith umstritten) mit Reliquienkult, persische Moschee-Medressen. Die berühmtesten Moscheen neben dem Heiligtum in Mekka sind die Moschee in Medina, die Große Moschee in Damaskus, und schließlich in Jerusalem auf dem Tempelberg die: „Al-Masdschid al-aksa“ (691 n. Chr.; Sure 17,1).
Verwendung einer Moschee
Viele Hadith-Traditionen bezeugen, dass es in Moscheen nicht gerade „heilig“ zuging. Heute gelten allgemein einige Anstandsregeln. Dazu gehört, nicht laut zu rufen und sich zum Freitagsgottesdienst (Pflicht für männliche Muslime) zu parfümieren. Weiter müssen Frauen ein Kopftuch tragen und außerhalb der Blickweite der Männer beten. Außerdem werden Tote nicht in der Moschee, sondern vor der Freitagsmoschee aufgebahrt. Da sich im Islam Religion und Politik nicht trennen lassen, wurde die Moschee auch immer als soziales und politisches Zentrum verwendet, in dem man Geschäfte abwickelte und sich zum Gericht und zu Verhandlungen traf. Theologisch wurde sie als Platz für Koranrezitationen, als Lehrstelle, wissenschaftliche Institution und Bibliothek gebraucht. Sie wurde aber auch als Hospital verwendet, als Wohnung für durchreisende und obdachlose Muslime, als Ort des Ausruhens und des Gesprächs. Städtische Händler und Handwerker sitzen in den Läden des Basars im Zentrum einer Stadt, die meist an die Große Moschee angelagert sind.
Teile einer Moschee
….
Islam und Nationalismus treten in Geschichte und Gegenwart häufig gemeinsam auf. Worte wie islamistischer Nationalismus und Panturkismus oder Panarabismus gemischt mit Panislamismus versuchen diese Verbindung zu beschreiben. Es ist uns unmöglich, in Kürze in jedem einzelnen Land die Entwicklungen bis heute darzustellen. Deshalb begrenzen wir uns hier auf einige Grundlinien und Ausschnitte.
Ursprünge
Beim Betrachten der Entstehung des islamischen Staates fällt auf, dass Mohammed als Gründer der islamischen Gemeinschaft sowohl religiöses als auch staatliches Oberhaupt war. Mohammed baute an einem einzigen islamisch-arabischen Staatswesen auf der arabischen Halbinsel und kämpfte darum, die rivalisierenden Nomadenstämme und zersplitterten Völker der arabischen Halbinsel zu einer Einheit unter dem Banner des Islam zu verbinden. Nach seinem Vorbild strebten viele spätere islamische Ideologen als Ideal einen einzigen weltumspannenden islamischen Staat an.
Im Koran wird andererseits anerkannt, dass Allah viele Nationen mit ihren Eigenheiten geschaffen hat (Sure 49,13), er jedem Volk einen Botschafter sandte (10,47; 4,64; 43,6) und sich jedes Volk vor ihm verantworten muss (45,28; 18,47). Doch mit der Aussage, das Beste aller Völker sei das islamische Volk (3,110), wird ein panislamisches Volk eingeführt, dessen islamische Religion über alle anderen Religionen siegen muss (9,33; 61,9).
In den Hadithen gibt es Hinweise, dass Mohammed das Stammesdenken und den Nationalismus bekämpfte, da sie ihm für die Ausbreitung des Islams hinderlich schienen.
Großislamische Reiche und ihre Zerschlagung
Da Mohammed selbst Araber war und auch seine ersten vier Nachfolger („die rechtgeleiteten Kalifen“ 632-661 n. Chr.) aus dem mekkanischen Araberstamm der Quraisch hervorgingen, führte das zu einer Vorherrschaft des Arabertums innerhalb des Islam.
Großislamische Folgereiche herrschten dann als islamische Dynastien über das Erbe Mohammeds: die Umayyaden Kalifen (661-750); die Abbasiden Kalifen (750-1258), die Fatimiden Sultane und Kalifen in Nordafrika (930-1171), die Seldschuken Sultane in Bagdad und Konya (1055-1307) und schließlich die Dynastie der türkischen Osmanen (1288-1922). Diese vereinten einmal mehr, einmal weniger religiöse und weltliche Macht in einem Amt, bestanden zeitweilig nebeneinander und umfassten unterschiedlich große Bereiche der gesamten islamischen Umma. 1924 wurde der letzte islamische Kalif durch Atatürk abgesetzt und das Kalifat abgeschafft.
Obwohl Nationalismus von einzelnen muslimischen Staaten mit dem Islam nicht vereinbar scheint, gab es geschichtlich häufig einen nationalistischen, manchmal sogar einen rassistischen Islam. So kommt es, dass es innerhalb der arabischen Völker starke Abneigungen untereinander gibt, ebenso zwischen Arabern und Iranern und zwischen Türken und Arabern. Letzteres lässt sich zum Teil auf die Ausbeutung der Araber durch die osmanischen Türken zurückführen. Dazu kommt die Überzeugung der Araber, ein Kalif solle aus ihrem Volk kommen, insbesondere dem Stamm Mohammeds, den Quraisch. …
Bedeutung
In manchen sunnitischen Moscheen und auf dem Videoportal youtube predigen islamische Gelehrte das „Recht des Mitknechts“ (türkisch: kul hakkı; kul = Knecht; hak = Recht). Der Muslim versteht sich als Knecht (oder Sklave) Allahs, und den Mit-Muslim als Mitknecht. Einfach ausgedrückt besagt diese Lehre: Gott mischt sich nicht ein, wenn ein Mensch gegen einen anderen sündigt. Der Schuldige muss sich selber bemühen, seine Schuld zu tilgen, sei es durch Wiedergutmachung oder die Bitte um Vergebung. Wenn ihm das nicht gelingt, wird diese Schuld im letzten Gericht beglichen. Dem Verursacher werden einige seiner guten Werke abgezogen und dem von ihm Geschädigten gutgeschrieben. Falls der Verursacher nicht ausreichend gute Werke dafür vorweisen kann, muss er vom Geschädigten, entsprechend seiner Schuld, etwas von dessen Schlechten Werken übernehmen. Letzteres führt zur Bestrafung in einem zeitlich begrenzten Aufenthalt im Höllenfeuer. – Dieses Konzept vom Recht des Mitknechts ist nachweislich im sunnitischen Islam der Türkei, Marokkos, Sudans und Pakistans bekannt.
Geltungsumfang und Ziel der Lehre
Im Islam gibt es zweierlei Sünden:
1) Sünden direkt gegen Gott, die er leicht vergeben kann, wenn er will,
2) Sünden gegen Mitmenschen. Von diesen befreit zu werden, gilt für Muslime als besonders schwierig. Denn hier hängt die Vergebung von der Entscheidung des Mitmenschen ab. Das gilt laut Diyanet, dem türkischen Religionspräsidium, auch, wenn die Rechte von Nichtmuslimen verletzt werden. Sogar diejenigen, die im Kampf für Allahs Sache (Heiliger Krieg) umkommen, werden zwar von allen Sünden freigesprochen, nicht aber von der Sünde gegen die Rechte des Mitknechts. Allah warnt Muslime davor, dass sie von ihm keine Vergebung erwarten können, wenn sie gegen Mitmenschen gesündigt und von diesen noch keine Vergebung empfangen haben. Wer noch unvergebene Verletzungen der Rechte des Mitknechts aufzuweisen hat, kommt nicht ins Paradies, bis diese beglichen sind.
Die türkische Diyanet beschreibt das gepredigte Recht des Mitknechts als förderlich für das Miteinander der Menschen. Sie werden dadurch ermutigt, gerecht und barmherzig mit anderen umzugehen. Weil dem Muslim mit Sicherheit für eine Verletzung der Rechte des Mitknechts Strafe droht, verhält er sich vielleicht anders, so die Hoffnung. Das Recht des Mitknechts bezieht sich auf alle Gebiete des Lebens. Es wird aufgeteilt in materielle Rechte, Rechte der physischen Unversehrtheit, des guten Rufs (Leumund), der Familie und religiöse Rechte (z. B. wenn andere falsch belehrt werden). Es können auch durch eine einzige Tat Rechte von vielen Mitmenschen verletzt werden, z. B. durch Umweltverschmutzung. All dies soll durch die Lehre vom Recht des Mitknechts eingedämmt werden.
Ursprung und Herleitung der Lehre
Im Koran wird nicht von der Möglichkeit der Verrechnung oder Übertragung von Sünden auf andere gesprochen. Dort wird vielmehr wiederholt betont: „Ein jeder wird seine eigene Last tragen.“ (Sure 6,164) Die Lehre vom Recht des Mitknechts beruht im Grunde auf einem einzigen als vertrauenswürdig erachteten Hadith, der in verschiedenen Fassungen überliefert wird:
….
„Scharia“ ist heute eines der meistgebrauchten Schlagwörter, wenn über den Islam diskutiert wird. Islamisten fordern in ihren jeweiligen Heimatländern, die Scharia zur Grundlage der staatlichen Gesetzgebung zu machen. Kritiker des Islam warnen vor der Grausamkeit der Scharia, wie sie sich in einigen Strafen äußere (Handabhacken bei Dieben, Steinigung von Ehebrecherinnen). Gleichzeitig ist jedoch „Scharia“ einer der am wenigsten klar definierten Begriffe innerhalb des Islam. Auch wenn der Begriff schon für Gesetzessammlungen islamischer Staaten angewandt wurde, ist die Scharia eigentlich mehr: Sie ist kein real vorliegenden Gesetzbuch, das man ohne weiteres und plötzlich zum Gesetz eines Staates machen könnte. Vielmehr ist „Scharia“ eine Idealvorstellung vom göttlichen Gesetz, das alle Lebensbereiche des Muslims regeln soll.
Quellen der Scharia
Ursprünglich meint der arabische Begriff „Scharia“ den Pfad in der Wüste, der zur Wasserquelle führt. Die Scharia ist der Wegweiser, der den Menschen zu Gott, seiner Quelle führen soll. Im Koran selbst kommt der Begriff nur einmal vor (Sure 45,18) und heißt dort so viel wie „Ritus“.
Unbestritten gilt dem sunnitischen Islam der Koran als die Quelle der Scharia. Der Koran enthält jedoch nur einzelne Anweisungen, die direkt zur Grundlage einer Gesetzgebung zu machen sind. Schon früh in der islamischen Geschichte trat daher neben den Koran als Quelle des Rechtes die „Sunna“, das vorbildliche Handeln und Reden des Propheten Mohammed. Die Berichte über Verhalten und Worte Mohammeds wurden in den sogenannten „Hadithen“ gesammelt. Später filterten islamische Theologen aus der unüberschaubaren Fülle dieser Hadithen nach bestimmten Regeln die als echt anzuerkennenden Überlieferungen heraus. Es entstanden die weitgehend noch heute anerkannten Hadith-Sammlungen.
Entstehung des islamischen Rechts
In den ersten Jahrhunderten islamischer Zeitrechnung schufen dann auf Grundlage von Koran und Hadith islamische Rechtsgelehrte (die „Fuqaha´“) das, was weithin unter „Scharia“ verstanden wird: eine islamische Rechtssammlung. Da Koran und Hadith schon für die Fragen der damaligen Zeit nicht immer konkrete Antworten bereithielten, traten für die frühen Rechtsgelehrten zwei weitere Quellen der islamischen Rechtswissenschaft hinzu: „Idschma´“, der Konsens der islamischen Rechtsgelehrten über ein Thema, sowie „Qiyas“, der Analogieschluss. Dabei wurden neu auftretende Fälle in Anlehnung an bekannte Fälle entschieden.
Innerhalb des sunnitischen Islams setzten sich im Laufe der Zeit vier Rechtsschulen durch: Schafiiten, Malikiten, Hanbaliten und Hanafiten. Diese Schulen sind jeweils nach ihrem Begründer benannt und sind in verschiedenen Regionen der islamischen Welt vorherrschend. Sie weichen in vielen Einzelfragen des islamischen Rechts voneinander ab – in diesem Sinne gibt es also eine regional unterschiedliche „Scharia“. In den Grundfragen sind sich diese Schulen jedoch einig. Man erkennt auch die jeweils anderen Schulen als rechtgläubig an.
Fünf Kategorien für Verhalten
…
So wenig Sexualität im Christentum auf zwei Seiten umfassend beschrieben werden kann, ist es bei diesem Thema auch im Blick auf den Islam der Fall. Neben der nah-östlichen Kultur und dem Verständnis von Ehre und Schande ist Sexualität im Islam stark vom Vorbild Mohammeds und seiner Frauen geprägt. Aus der Fülle der Facetten des Themas können hier nur einige wenige angesprochen werden.
Saatfeld
Sexualität, wenn sie innerhalb ihres legalen Rahmens praktiziert wird, sieht man im Islam positiv. „Gleichzeitig wird der Geschlechtsakt unter frommen Muslimen und in der islamischen Lehre als unrein angesehen; der Gläubige soll deshalb während des Koitus ein Gebet sprechen und sich danach einer Waschung unterziehen“, berichtet Necla Kelek in ihrem Buch „Verlorene Söhne“. Neben sexueller Zuwendung spielt im Islam die emotionale Zuwendung zwischen den Geschlechtern kaum eine Rolle. Sie wird als Schwäche definiert, die die Autorität und Herrschaft des Mannes über die Frau untergraben könnte. Sexualität wird als natürliches Bedürfnis des Menschen bejaht. Ein Recht auf Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse haben der Mann wie die Frau. Die Frau kann eine länger währende sexuelle Vernachlässigung anmahnen. Sie ist da, um ihren Mann sexuell zu befriedigen (Sure 7,189) und viele (männliche) Nachkommen (16,72) hervorzubringen. Der Mann hat die Versorgungspflicht und kann von der Frau dafür Gehorsam auch auf sexuellem Gebiet verlangen. Bei Auflehnung darf er sie züchtigen und mit dem Entzug des ehelichen Verkehrs bestrafen (4,34). Das Züchtigungsrecht ist in einigen islamischen Ländern gesetzlich verankert. Der Mann hat das Recht, an jedem beliebigen Ort und zu jeder Zeit (außer in Zeiten ihrer Unreinheit) mit seiner Frau geschlechtlich zu verkehren, ohne sie um ihre Einwilligung fragen zu müssen: „Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt“ (2,223). Sexuellen Verzicht zu üben hat der Mann zu Zeiten der Unreinheit der Ehefrau, tagsüber im Ramadan und während der zentralen Riten der Pilgerfahrt. – In der Bibel steht die Aufgabe im Vordergrund, den Ehepartner zu lieben und zu ehren – auch in der Sexualität. Der Mann hat nicht Gehorsam einzufordern, sondern seiner Frau die „schuldige Pflicht“ (1.Kor 7,2-4) zu leisten. Die Bibel wendet sich gegen Eigenmächtigkeit und einseitige Verfügung eines Partners über den andern.
Zu zweit allein
Sexualität ist so selbstverständlich, dass Männer unter sich bzw. Frauen unter sich über dieses Thema meist sehr offen und häufig reden. Selbstverständlich aber auch in dem Sinn, dass sie dort praktiziert wird, wo die Gelegenheit dazu besteht. Das heißt dort, wo ein Mann und eine Frau sich alleine aufhalten, wird davon ausgegangen, dass dies mit dem Ziel eines sexuellen Kontaktes geplant war. Eine gemeinsame Arbeit oder ein kameradschaftlicher Kontakt wird ausgeschlossen. Eine Überlieferung formuliert: „Ein Mann befindet sich nie allein mit einer Frau, ohne dass nicht der Teufel sich als Dritter zu ihnen gesellt“. Man geht also davon aus, dass es innerhalb weniger Minuten zu sexuellen Handlungen auch von miteinander völlig unbekannten Personen kommen kann oder wird, sobald es die äußeren Umstände erlauben. Die Initiative, so glaubt man, geht dabei von der Frau aus, denn – wie manche Theologen formulieren – sie gilt als Verführerin des Mannes, der er in gewissem Maß hilflos ausgeliefert ist. Wie muss es Muslimen gehen, die Männer und Frauen in westlichen Gesellschaften z. B. auch als Touristen in islamischen Ländern sehen oder erleben, die zum Teil stolz auf ihre Freizügigkeit sind? Viele bewerten diese unsere Kultur als repräsentativ für das Christentum. – Als Jesus außerhalb des Ortes mit der Frau aus Samarien allein am Brunnen war (Joh 4,1-42), hatte er ihre Rettung im Sinn.
Geschlechtertrennung
….
Volksislamische Vorstellungen
„Wenn sich der Todestag eines Menschen nähert, lässt Allah von dem Baum unter seinem Thron das Blatt fallen, auf dem der Name des betreffenden Menschen geschrieben steht.“ Im Augenblick des Todes entzieht der Todesengel Izrâ‘îl dem Menschen seine Seele (arab. rûh bzw. nafs).
Gott hat den Todestag jedes Menschen festgelegt und ruft ihn ins Jenseits ab (56,60-61). Jeder Mensch weiß, dass ihn mit Sicherheit der Tod ereilen wird (21,35). Ist der Tod eines Muslims nahegekommen, vollzieht er nach Möglichkeit noch selbst die rituelle Waschung. Wird er schwächer, wird man vielleicht Korantexte rezitieren, seinen Kopf in Richtung Mekka ausrichten und ihm kurz vor dem Sterben das Glaubensbekenntnis vorsagen, aber damit aufhören, wenn er es selbst wiederholt hat. Das Glaubensbekenntnis sollen seine letzten Worte vor dem Tod sein, denn Muhammad soll gesagt haben: „Wer als letzte Worte vor seinem Tod ‚la ilaha illa llah‘ [Es gibt keinen Gott außer Gott] sagt, betritt den Paradiesgarten“ (al-Islam 2/2000,17).
Nach Auffassung des Volksislam wird der Tote im Jenseits von zwei Grabesengeln, Munkar undNakir, nach seinem Glauben folgendermaßen befragt werden:
Wer ist dein Gott?
Wer ist dein Prophet?
Was ist deine Religion?
Wohin zeigt deine Gebetsrichtung?
Nur wenn er diese Antworten weiß und sich mit dem Glaubensbekenntnis zum Islam bekennen kann, wird er über eine Brücke gelangen können, die schärfer ist als ein Schwert und dünner als ein Haar. Gläubige Muslime können sie unbeschadet überqueren und ins Paradies gelangen. Die Ungläubigen stürzen von der Brücke in die Hölle und in das Feuer hinab.
Der Tod
Ist der Tod eingetreten, werden dem Toten (unter Gebet für seine gnädige Aufnahme im Jenseits) die Augen und der Mund geschlossen. Die Totenklage wird angestimmt, jedoch verurteilen viele Theologen Zeichen übermäßiger Trauer wie das Zerreißen der Kleider, das Schlagen an die Brust oder ins Gesicht, da dies als mangelnder Glaube ausgelegt wird.
Die Familie, zu der der Tote gehörte, ist nun für drei Tage ein Trauerhaus; eine Witwe darf vier Monate und zehn Tage um ihren Mann trauern.
Trauer ist im Islam erlaubt, soll aber nach Meinung der Theologen gefasst und beherrscht, nicht überlaut und hysterisch geäußert werden. Schwarz ist keine Trauerfarbe im Islam. Grundsätzlich gilt auch in dieser Verlustsituation dasselbe wie für andere einschneidende Ereignisse (wie z. B. eine Geburt), dass Nachbarn und Verwandte Hilfe und Beistand leisten und die Trauernden nicht alleine lassen, ja, für die erste Zeit ihre Versorgung übernehmen.
…
Muslime, insbesondere Muslima möchten gerne einen Propheten im Traum sehen. Denn das gibt ihnen die Hoffnung, dass ihre guten Werke angenommen werden und sie auf dem Weg zum Paradies sind. Im Islam sind Träume ein Weg der Offenbarung Gottes. Nach den Hadithen von Al-Buchari, die die Aussprüche und das Verhalten Mohammeds beschreiben, soll Mohammed gesagt haben: „Der gute Traum einer guten Person ist ein Teil der 46 Prophetien“ (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 112). Erklärt wird dieses Zitat folgendermaßen: Mohammed soll in den ersten 6 Monaten der Koranoffenbarung ständig Träume gehabt haben und den Rest der 23 Jahre Offenbarungen, während er wach war. 23 Jahre machen 46 Halbjahre aus, und die ersten 6 Monate sind ein Teil dieser 46 Halbjahre. Demnach wird der Traum auf die Stufe der Offenbarung Gottes gestellt. Meistens sollen nur gute Muslime gute Träume haben.
Gute Träume, böse Träume
Insbesondere sind die Träume von Propheten eine Offenbarung Gottes und brauchen nicht ausgelegt zu werden, denn sie sollen sich erfüllen, entsprechend dem, was in ihnen vorhergesagt wurde. Ein Hadith weist die Muslime an: „Wer von euch einen schönen Traum hatte, soll wissen, er ist von Allah. Er soll dafür danken und ihn sofort anderen weitererzählen. Wenn ihr einen bösen Traum habt, ist er vom Teufel und man muss vor ihm fliehen und bei Gott Zuflucht suchen. Man soll ihn auch nicht weitererzählen, dann wird der Traum keinen Schaden zufügen können“ (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 114). Gegen Albträume verschreibt Mohammed in den Hadithen Schutzgebete und befiehlt, dreimal über die linke Schulter zu spucken (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 124). Der islamische Hadithexperte, Imam Ahmed bin Hanbel, soll gesagt haben, der Traum eines Muslim, der von der sichtbaren Welt handelt, sei eine gute Nachricht für den Träumer und die Menschen in seiner Umgebung. Der Traum, der von der unsichtbaren Welt handelt, sei nur für den Träumer eine gute Nachricht.
Mohammed im Traum bringt Heilsgewissheit?
Viele Hadithen schreiben Mohammed folgende Aussage zu: „Wer mich im Traum sieht, wird mich auch wach sehen. Satan kann sich nicht für mich ausgeben“ (z. B. Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 122 ff). Ausleger sagten dazu, Allah habe dem Teufel verboten, sich als Mohammed zu verstellen: Damit kann jeder wissen, der von Mohammed träumt, dass es sich wirklich um Mohammed handelt und er kann sicher sein, ihn im Paradies wiederzusehen. Bestimmte Beschwörungsgebete werden vor dem Einschlafen für die empfohlen, die Mohammed gerne im Traum sehen möchten. Ein Gebet soll 71-mal wiederholt werden, um das Ziel zu erreichen. Wer aber fälschlicherweise behauptet, er habe Mohammed gesehen, erhält im Jenseits eine große Strafe (Sahih Al-Buchari, Band 9, Buch 87, Nr. 165).
Träume Mohammeds
…
„Ihr seid die beste Gemeinschaft (arab. „umma”), die je unter den Menschen hervorgebracht worden ist.” (Koran, Sure 3,110 nach Khoury)
Die islamische Gemeinschaft gilt laut Koran als Volk, das aus allen anderen Gemeinschaften hervorragt. Sie zu bilden und zu erweitern, ist ein wichtiges Ziel des Islam.
Mohammed – Bauherr der Umma
Vor Mohammed waren die sozialen Bezüge auf der arabischen Halbinsel in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu Stamm, Sippe und Familie geprägt. Die Sippen lagen in ständiger Fehde miteinander. Der Aufbau eines übergeordneten schlagkräftigen Gemeinwesens war dadurch unmöglich.
Es ist eine wirklich erstaunliche Leistung Mohammeds, diese Gegensätze durch die Einführung des Islam als den neuen gemeinsamen Bezugspunkt überwunden zu haben. Nachdem der Bußprophet im Jahre 622 n. Chr. mit seinen Anhängern seine Heimatstadt Mekka verlassen musste (Hidschra), begann er in Medina, wo er freundlich aufgenommen wurde, mit dem Aufbau eines religiös-politischen Gemeinwesens. Diese islamische Gemeinschaft in Medina gilt Muslimen bis heute als Ur- und Idealbild der Umma. Schon zu Lebzeiten des Propheten wurden durch Überzeugung oder Zwang zahlreiche arabische Stämme geeint und in eine geordnete Gemeinschaft unter Führung Mohammeds eingefügt.
Die Umma als Theokratie
Nach islamischer Idealvorstellung gilt in der Gemeinschaft der Muslime unumschränkt der Wille Gottes. Religion, Staat, ja die ganze Lebenswirklichkeit wird von Gottes Verordnungen bestimmt. Demokratie in dem Sinne, dass die Mehrheit eines Volkes jeweils neu über die staatlichen Ordnungen entscheidet, passt nicht in diese Vorstellung.
In der Ur-Umma in der Stadt Medina wurde der Wille Gottes allein durch den Propheten Mohammed bekannt gemacht. Später galten dann der Koran, die Sammlung der Offenbarungen Gottes an Mohammed, und die Sunna, die Lebensweise des Propheten, wie sie in zahlreichen Hadithen aufbewahrt wurde, als Grundlage für das Leben der islamischen Gemeinschaft. Koran und Sunna wurden durch islamische Rechtsgelehrte später für viele Situationen des privaten und staatlichen Lebens ausgelegt und angewandt. Die Gesamtheit dieser Ordnungen für das Leben der Umma wird oft als „Scharia“ (islamisches Gesetz) bezeichnet.
Der Kalif als Leiter der Umma
…
Tag der Veröffentlichung: 17.09.2015
Alle Rechte vorbehalten