Wie ein Mondgenie den Frühling erlebt
Vom Silvester-Müll befreit sind Straßen und Fluren
durch städtische Müllabfuhrs unendliche Fuhren,
auf dem Acker funkelt noch ein winzig Raketenstück.
Die trunkenen Knallerbuben und kreischenden Mädchen
ziehen sich in ihre Wohnhöhlen zurück.
Von dort her senden sie, schnarchend nur,
ohnmächtige Dämpfe, faulen Eiern gleich,
in Schwaden über Balkon und Flur.
Aber die Sonne duldet keinen stinkenden Wind,
Überall regt sich und bildet sich reich
die Lust auf Neues, auf Albernheit und so sind
die Menschen knallhart oder butterweich
im Karnevalfieber, auch Mondgenies und andere Kaliber.
Dann feiern sie die Auferstehung des Herrn
oder werfen mit Eiern auf die da kommen von fern.
Selbst die Sträucher und Bäume, sie schlagen aus.
Aus der quetschenden Enge will ja jeder heraus.
Durch die Gärten, durch die Gassen,
ziehen sie, leckend am Eise, sie können's nicht lassen
und wer am Fluss wohnt oder auch nicht,
der grillt fettes Fleisch oder Würstchen bis des Mondeslicht
den torkelnden Menschen scheint in ihr fades Gesicht.
Selbst der letzte Greis mit seinen fünfunddreißig Jahren
schaut selig jetzt den Vögeln zu,
die sich nun fortwährend paaren.
Und die Alten, die ganz ohne oder mit den grauen Haaren
jauchzen beglückt mit Groß und Klein
jetzt sind wir Mensch, nun soll es sein.
Der Mai ist gekommen, die Vögel schlagen aus
Den Mondgenies passiert Vieles und sie nehmen es hin, ungeachtet dessen, dass selbst die armen Vöglein ausschlagen, was ihnen hingestreut wird. Und sie tun gut daran, denn manch böser Bube möchte die milbenlastigen Tauben im Park vergiften. Ob das geklappt hat, wird nicht besungen. Aber die Mondgenies, zart wie ein Rehlein und auch so gescheit, verleiben sich alles bedenkenlos ein, was sie angepriesen bekommen. Ein Pülverchen nimmt ihnen den dicken Hintern und der spezielle Joghurt die Blähungen, eine feine kleine Salbe hält die Scheide feucht, verkündet eine übergroße Anzeige im Tagesblatt. Ja, die Sorgen unserer Mondgenies sind erkannt. Morgen gibt es als Belohnung schon die Bikinifigur. Nur darf man bald auf Mallorca nicht mehr in einem solchen in die Innenstadt, was irgendwie die sensiblen Gemüter erhitzt.
Die silbernen Vögel dröhnen über allen, einige regt auch das auf. Aber es legt sich. Manchmal schlagen die blechernen Vögel die Dachziegel aus den Dächern. Das wird repariert und alles ist gut. Das bisschen Lärm erzeugt keinen Sturm bis es keinen Lärm mehr gibt. Allenfalls gibt es wieder einen Artikel in der Zeitung. Ein Mondgenie liest es, empört und beruhigt sich. Gerade ist ein Vogel eingeschlagen, also hat einschlagen lassen, aber das war nicht bei uns. Das war in Syrien oder sonstwo. Wir sehen es in den Nachrichten. Die Außenminister haben Bedenken und erwägen keine Vögel aus der Richtung einreisen zu lassen. Die Vögel schlagen auch das aus und fliegen dorthin, wo es für sie, was zu picken gibt...und das nicht nur im Wonnemonat Mai.
Bildmaterialien: Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 17.05.2014
Alle Rechte vorbehalten