Es gibt Menschen, die viel schimpfen. Sie sind in der Regel reichlich unbeliebt, dabei tun sie damit doch nur Gutes, in erster Linie allerdings nur für sich. Das ist wichtig, sagen alle Lebensberater. Man muss sich erleichtern, ein Ventil öffnen und Dampf ablassen. Ist alles raus, fühle sich ein jeder wohler und man könne wieder frei und unbeschwert einer Tätigkeit nachgehen.
Wie der Beschimpfte sich allerdings fühlt, mag so gesehen unerheblich sein. Im Ernstfall könnte der ja auch einfach ein bisschen schimpfen und damit wäre die Sache aus der Welt. So etwas passiert täglich. Mütter schimpfen ihre Kinder aus und die braven Kinder schimpfen leise etwas in ihre nicht vorhandenen Bärte, die hartgesottenen Sprösslinge hören einfach nicht hin und machen so weiter, der aufmüpfige Nachwuchs schreit dreist zurück bis Mutti endlich Ruhe gibt. Kinder müssen lernen, sich durchzusetzen, meinen Pädagogen.
Natürlich schimpft auch der Chef, nein er kritisiert nur die Zustände, weil er sie wissend erkennt und eingreifen muss. Er kann nicht anders, sein Schimpfen ist eine Notwendigkeit. Natürlich ist auch er danach erleichtert, denn er hat etwas getan und bewegt. Er ist der Chef. Wie sich sein Angestellter fühlt, ist ihm egal. Diese schimpfen dann in der Regel Zuhause ihre Kinder an oder wer gerade in der Nähe ist.
Es ist also die Freude danach, die sich von Fall zu Fall verschieden, nach dem Schimpfen einstellen kann. Sind infolge dessen, die Kinder brav und einsichtig, freut sich die Mutti. In der Firma freut sie sich, wenn sie dem Chef die Stirn bietet und gemäßigt zurück schimpft, immer im Hinterkopf, wer hier das Sagen hat. Manchmal, wenn der Chef etwas einsieht oder gar erstaunt lächelt über seine mutige Mitarbeiterin, dann kommt Freude auf. Zumindest solange bis der rachsüchtige und hinterhältige Chef sich etwas Widerwärtiges ausgedacht hat.
Doch wie verhält es sich nun mit der Freude während des Schimpfprozesses? Können wir uns, in einer Schimpftirade befindlich, freuen, also grinsend schimpfen? Mein Eindruck ist der, dass dieses sehr wohl geht, wenn auch das infernalische Grinsen zunächst nur innerlich vorhanden ist und erst mit Verzögerung schließlich auf dem Gesicht erscheint. Man regt sich in der Regel dabei nicht wirklich auf, will sich halt auch Luft machen aber darüber hinaus, das ist der Unterschied, trachtet man danach, es jemandem so richtig nach Herzenslust einmal zu geben. Autofahrer zum Beispiel können schimpfen, dass die Heide wackelt und es sind nicht nur die großen Tiere, die herhalten müssen, auch Körperöffnungen und hintere Teile, kurz alles, was die Fantasie gerade hergibt. Ja, und hupen, hupen ist immer gut, wenn die Worte ausgehen. Manchmal dreht der hupende Autofahrer sich noch um, um dem anderen frech oder vorwurfsvoll in sein dämliches Gesicht zu schauen. Je belämmerter der nun aus der Wäsche schaut, um so besser.
Satiriker, Pfarrer und Politiker, auch sie können schimpfen und zwar jeder auf jeden und ggf. noch auf den Antichristen, auf die Russen, die Amis, auf die Chinesen und überhaupt auf alles und alle, auch auf den Euro, die Banken, auf die Schwulen und Lesben und natürlich auf das Fremde, man kann auch wunderbar auf die Merkel schimpfen, auf den dicken Gabriel und auf die Linken, eigentlich auf die ganze Brut und das von morgens bis abends. Jeder gibt dabei alles. Mir scheint, dass es dabei sehr oft, ja wirklich mir deucht es geht dabei auch um die reine satanische Freude beim Schimpfen. Sie stehen auf ihrer Kanzel oder hinterm Rednerpult, halt auf ihrer Bühne und wettern die armen Zuhörer voll. Das Problem an sich bleibt davon unberührt und ungeklärt. So kommt es mir vor.
Ich erwähnte oben die Satiriker und dazu zähle ich mich manchmal auch. Ja die empfinden eine gewisse Freude, wenn sie sich ausleben und keinen ungeschoren lassen. Es ist ihr Schwert und sie schwingen es mit Freude, es ist ihr einziges Mittel, sich mit Begeisterung Luft zu machen, aber auch wissend, dass die Probleme ungeklärt bleiben, es sei denn die anderen erwähnten Gruppen, die mit mehr Macht, sind imstande zu handeln. Manchmal tun sie es sogar aber oft geht dabei einfach alles nach hinten ab, dann beginnt ein Schimpfen aller Leute und kaum einer freut sich noch dabei, übrigens auch danach nicht.
Was aber lehrt uns dies? Leider Gottes: Nichts.
Liebe Leser, jetzt wäre wieder ein wenig Schimpfen hilfreich und wenn ihr dabei Freude empfindet, dann ist das für euch gewiss ein ganz herrliches Schimpfen. Ich wünsche viel Freude beim Schimpfen: davor, währenddessen und danach.
Tag der Veröffentlichung: 22.10.2013
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