Kapitel 1
Er war sich nicht sicher ob sie dieses mal wirklich kommen würde. Alle waren da, der Rat der 9, ihre Gamma´s und einige niedere Wölfe, denen er sich auch anschließen musste. Sie erdrückte ihn, die Anwesenheit so vieler Dominanter. Sie legten es nicht darauf an – noch nicht – aber er konnte ihre Macht spüren, die ihn wie ein dichter, undurchdringlicher Nebel umgab. Sie waren alle da, nach Rängen verteilt. Am Ende des Tisches saß Ray, der Wolf unter den Wölfen, der mächtigste aller lebender Exemplare seiner Art. An einer Ecke neben ihm sein Zweiter, Stev. Ein Rätsel für alle Wölfe, denn auch wenn er stärker war als Ray legte er keine Ansprüche auf seinen Titel. An der Fensterseite die 4 Alphas der europäischen Rudel und ihnen gegenüber die 4 Alphas der amerikanischen Rudel, alle in ihrer wölfischen Gestalt. Links von ihm saß der Gamma des englischen Rudels, ein finsteres Wesen, dem er alles zutrauen würde, jedoch nicht annähernd so viel Grausamkeit, die er von jener Person fürchtete, auf die sie alle so geduldig warteten. Ihm gegenüber, an der Fensterseite der Lagerhalle, saß ein weiterer Gamma. Er strahlte nicht so viel seiner Macht aus, wie die anderen. Er schien Weise zu sein – er wusste, das er hier nicht eine Pfote heben konnte, ohne, dass man ihn dafür in Stücke reißen würde. Rechts von ihm saßen einige niedere Wölfe, die als Zeugen geladen waren. Er selbst spielte nur die Rolle des Opfers, bei einem möglichen Verlust jeglicher Kontrolle. Einige der Jungs, gerade noch Welpen, neben ihm, waren noch viel zu jung um gewandelt worden zu sein, vielleicht waren sie geborene Wölfe, die keine eigene Dominanz benötigt haben um zu überleben. Einer der jüngeren hatte schwer damit zu kämpfen, den Geruch seiner Angst zu verbergen. Jedoch schien auch er den stechenden Geruch bereits wahrgenommen zu haben, er verzog die Lefzen und schloss kurz die Augen. Dann normalisierte sein Herzschlag sich wieder. Der Gamma des europäischen Rudels, neben ihm, schaute einmal beschwichtigend zu ihm hinüber. Er schien sein Mentor zu sein.
Ray tippte nun ungeduldig mit den Krallen auf den Boden der Halle. Immer im gleichen Takt. Mit seinen empfindlichen Ohren überkamen ihn die Berührungen der Krallen auf den hölzernen Boden, wie das Stechen kleiner Nadeln in die Ohrmuschel. Ray schien nervös, nicht so sehr, weil er mit den Dominantesten der Dominanten hier saß und wartete, eher, weil die Person, auf die alle so angespannt warteten dieses mal tatsächlich auf dem Weg hierher sein sollte. Die Person, dessen einziges Ziel darin bestand, ihn und alle anderen, in ihren Augen unbrauchbaren Wölfe, zu richten.
Er schloss einen Augenblick die Augen und blendete die Geräusche Ray´s aus seinen Gedanken aus. Hier brauchte er keine Angst zu haben. Auch wenn sie nicht einzuschätzen ist, hier waren die stärksten und mächtigsten Wölfe versammelt. Hier konnte sie ihm nichts anhaben. Bisher hatte sie es auch nicht geschafft, obwohl er nicht genau wusste, ob sie es bisher auch wirklich versucht hatte. Das eine mal, als er dachte, sie auf dem Heimweg gesehen zu haben, war doch auch nur eine Verwechslung gewesen. Er konnte sogar noch sagen, welche Kleidung er an diesem Abend getragen hatte, so sehr hatte er sich mit diesem Vorfall beschäftigt.
Die Türklinke schob sich langsam nach unten und schließlich riss das klägliche schreien der Scharniere ihn aus seinen Gedanken. Sein Blick schnellte nach rechts, zur dicken Stahltür, welche sich nun langsam auf schob. Sobald die Tür auch nur einen Hauch geöffnet war, drangen nicht nur ihr Geruch, von der frischen Luft in die Halle getragen , auch ihre Präsenz, die Macht ihrer Dominanz, gleichauf mit der von Ray, überrollten alle Anwesenden. Sie strengte sich nicht einmal an, eine solche Kraft auszustrahlen, das war einfach ihre Art.
Sofort kam all die Angst wieder zurück in seinen Körper, ihr Geruch verkrampfte seine Muskeln bis in die Pfoten. Seine Ohren legten sich sofort zurück und das Verlangen abzuhauen, weg zu laufen, solange er noch Besitzer vier starker Beine war, dehnte sich wie eine aufsteigende Panik in seinem Inneren aus. Ihr in die Augen zu schauen wagte er nicht, keiner der Anwesenden, bis auf Ray würde es wagen, ihrem Blick länger als eine Sekunde zu kreuzen.
Hinter ihr fiel die Tür wieder ins Scharnier. Er hatte sie schon einige male gesehen, aber ihre Gestalt war auch unter diesen großen Rüden ein absolutes Highlight. Sie war das weibliche Exemplar von Ray, oder er das männliche von ihr. Wer von beiden älter war, wusste er nicht. Das einzige, was er über sie wusste ist, dass sie weit mehr als doppelt so alt war, wie er selbst.
Ihre goldgelben Augen wanderten langsam über die Wölfe im Raum. Gerade, als sie ihn ansah, senkte er den Kopf und starrte zu Boden. Ein kribbeln durchfuhr ihn, beginnend im Kopf und endend in der Schwanzspitze. Würde sie sich nun so entscheiden, ihn jetzt zu töten, würde er keine3 Minuten mehr leben. Sie würde in unmenschlicher Geschwindigkeit vor ihm stehen und seinen Kopf abreißen, noch bevor einer der anderen Wölfe es verhindern könnte. Ihr schwarzes Unterfell ließ ihr eigentlich braunes Fell dunkler wirken und wäre kein Licht an gewesen, hätte es für sie kein Hindernis dargestellt, nicht entdeckt zu werden. Obwohl er sich nicht sicher war, ob sie, wenn sie nicht gesehen werden wollte, es auch nicht wurde. Diesem Werwolf traute er alles zu. Die Tatsache, dass sie Stand und über allen Köpfen hinweg größer war, konnte Ray nicht auf sich sitzen lassen. Er stand ebenfalls auf. Sein weiß, silbernes Fell war so ziemlich das vollkommene Gegenteil ihrer Farbe. Beinahe hatte er sogar die gleiche Augenfarbe, seine näherte sich nur mehr einem sandigen Braun, als dem grellen Gelb ihrer Augen.
„Pavati, die Fähe der heutigen Nacht. Schön Dich zu sehen!“ sprach der Rüde in gelassener Stimme. Pavati kam näher und schließlich stand sie nur einen Meter entfernt von ihm, am Ende der nun noch nervöseren Gruppe. Er selbst wagte es noch immer nicht, sich zu bewegen, aber er konnte ihre Anwesenheit spüren, wann immer sie ihm zu nahe kam, spürte er, wie ihr Geist versucht seinen nieder zu reißen und zu zerfetzen. Sie rührte sich nun nicht mehr. Sie stand einfach so da und schaute Ray an.
„Jeder Wolf kann es riechen, wenn jemand lügt. Bei mir ist das nicht anders!“ einige Sekunden hallte ihre Stimme durch die Luft. Sie spielte auf den Satz an, dass Ray sich über ihren Besuch freuen würde. Nun drehte er leicht den Kopf und schaute Ray an, dessen Körperhaltung sich von aufgesetzt mutig nun in aufgesetzt ruhig wandelte. Ja, auch Ray war die Anwesenheit dieser Wölfin nicht geheuer und sie forderte immer wieder die Selbstbeherrschung der dominanten Rüden.
„Dennoch, ihr habt etwas, jemanden, der mir gehört. Ich will mein Eigentum abholen!“ Ohne, dass er sie anschauen musste, er spürte, dass ihr Blick seinen Körper erfasst hatte. Sie wusste, dass er sich fürchtete, sie wusste, dass er flüchten wollte, aber er konnte es nicht. Er war sich so sicher gewesen, hier unter all den hochrangigen Wölfen Schutz zu finden, dass er tatsächlich diesem Irrtum nachgegeben hatte.
„Darüber wollen wir mit dir reden.“ ruhig, dennoch bestimmt erklang die Stimme von Ray. Er war nicht umsonst der dominanteste Wolf. Auch wenn Pavati eine uneinnehmbare Festung war, Ray war dem durchaus gewappnet. Auch eine solche Festung würde er bezwingen können, nur seine Verluste wäre ein schwer ein zu gehendes Opfer. Mit einer Geste deutete er Pavati, sich zu setzen. Aber als diese stumm blieb und wartete, wusste er, was sie verlangte. Sie hatte sich niemals jemandem untergeordnet. Würde sie sich vor ihm setzen, so hätte sie ihm ihren Respekt gezeigt. Ein leises knurren erklang aus der Kehle eines der Ratsmitglieder. Ein Alpha der amerikanischen Rudel war mit Pavatis Respektlosigkeit alles andere als einverstanden. Soweit der er wusste, handelte es sich dabei um Roland. Einem recht stattlichen Werwolf. Er hatte über sein Rudel nur positive Dinge gehört, weshalb es ihn nun umso mehr verwunderte, dass er sich mit Pavati angelegt hatte.
Er erwartete eigentlich, Pavati würde sofort über Roland herfallen. Aber entgegen seinen Befürchtungen blieb sie wo sie war und starrte statt dessen einfach nur Ray an. Noch immer wartend, dass er sich setzte. Ray stand in diesem Moment über dem Machtspielchen. Das hatte er an Ray´s gelenktem Schwanz gesehen. Seufzend ließ er sich schließlich zu Boden sinken und kurz danach tat Pavati es ihm gleich. Der Jungwolf ihm gegenüber hatte derweilen eine leichte Ruhe gefunden. Er selbst jedoch war aufgewühlt und noch immer vollkommen auf Flucht aus.
„Was wollt ihr also?“ erklang Pavatis Stimme tief.
„Dein Verhalten, und so haben wir einstimmig entschieden, ist dem eines Werwolfs nicht angemessen.“ Bei diesem Worten zeichnete sich ein schelmisches Lächeln auf Stev´s Gesicht ab. Welche Gedanken diesem Wolf durch den Kopf gingen, konnte er nicht sagen, vielleicht war er glücklich, dass Pavati nun bald eine Strafe ereilen würde. Stev verströmte anders, als die anderen Wölfe überhaupt keine Macht. Dies sollte wohl nicht heißen, er besäße keine, nur dass er eine derart
gut gesteuerte Kontrolle besaß, dass er seine Macht nicht zu nutzen brauchte.
Diesmal war es wieder gegen seine Erwartung, dass Pavati ruhig sitzen blieb. Sie verströmte dennoch die Aura eines Raubtieres. Noch immer hatte er die Angst, sie würde ihn sofort töten.
„Nicht angemessen.“ sprach sie leise und ließ eine kleine Pause, bis sie weiter sprach
„Einstimmig also. Und was wollt ihr jetzt machen?“ in ihren Worten verbarg sich eine Drohung. Eine Drohung, die bei jedem anderen Wolf schon mit einer Strafe versehen war. Aber anstatt einem weiteren Knurren eines Wolfes entgegnete man ihr nur Stille. Angst erfüllte Stille.
Er schaute kurz nach Links zu Roland, dem Wolf, welcher vorhin schon einmal geknurrt hatte. Auch er war erstarrt. Aber auf eine andere Art. Beinahe ein glasiger Blick starrte in den Raum. Aber außer ihm hatte keiner der Wölfe Rolands merkwürdiges Verhalten bemerkt. Was war mit ihm los?
Ray brach schließlich das unangenehme Schweigen
„Pavati, hiermit wirst du in die andere Welt verbannt. Du wirst ein menschliches Leben führen, bis dein Charakter vollständig gereinigt ist.“
Als er bemerkte, dass alle Wölfe langsam zu Pavati schauten überwand auch er sich und drehte den Kopf in ihre Richtung. Die Wölfe schienen beinahe darauf zu warten, dass sie aufsprang und jemanden töten würde. Alle spürten es, ihre Wut, die sich langsam nach außen kämpfte und sich im Heben ihrer Lefzen zeigte. Als sie ihre langen Reißzähne zeigte fixierte sich ihr Blick schließlich auf Ray selbst. In einer Geschwindigkeit, die er eigentlich erwartet hatte, als sie ihn hätte töten können, stand sie auf und erschien schließlich vor Ray. Dieser war schon auf den Hinterläufen und knurrte sie an. Seine Ohren waren in kampfbereiter Stellung nach hinten gelehnt. Vor dem Alpha der Alphas angekommen richtete sich auch Pavati auf. Stev, welcher als einziger Wolf eventuell eine reale Chance gegen Pavati hatte richtete sich ebenfalls auf. Der graue Rüde war etwas kleiner als Ray und Pavati, dennoch war auch er nun mehr als furchteinflößend. Nun, unter der drohenden Haltung der Wölfe spürte er, wie auch Pavati ihre Macht nutze. Seine Atmung setzte aus. Es erdrückte ihn, quetschte seine Lunge zusammen und zwang ihn schließlich einige Meter weiter nach hinten zu kriechen. Nicht nur er, auch die anderen niederen Wölfe hatten bereits dazu angesetzt. Als er wieder, unter starker Anstrengung atmen konnte, sah er, wie Pavati gegen Stev und Ray kämpfte. Voller Hass, wie sie nun einmal war, schien sie nicht darauf geachtet zu haben, dass sie gegen diese beiden Wölfe zusammen keine Chance hatte.
Blut bespritzte die Wand, als Stev Pavati in die Schulter biss und sie einige Meter durch die Luft schleuderte. Blitzschnell stand sie wieder und rannte auf Stev zu und setzte zum Sprung an. In der Luft ragten ihre langen Krallen aus ihren Pranken hervor und vergruben sich dann in Stev´s Fleisch. Ray rammte Pavati, sodass sie von Stev ablassen musste. Er schlug schließlich mit der Rechten gegen Pavatis Schnauze. Blut lief über ihr Zahnfleisch und tropfte auf den Boden.
Der Geruch von Blut hatte nun auch die anderen hochrangigen Wölfe aus der Fassung gebracht. Auch sie nahmen nun eine aggressive Stellung ein, vermieden es aber sich in irgendeiner Weise einzumischen. Nun schien Ray sich in Pavatis Angriffsfeld gedrängt zu haben, sie griff ihn an der Kehle und warf ihn mit einem lauten Knall zu Boden und fixierte ihn mit einer Hand. Stev hatte sich derweilen aufgerappelt und setzte dazu an die Wölfin von seinem Alpha zu reißen. Diese schien aber genau darauf zu warten, hob den anderen Arm und rammte wieder ihre Krallen in sein Fleisch. Ray knurrte laut und fuhr Pavati mit dem Krallen über den Arm, sodass er dort bis auf den Knochen hinunter das Fleisch zerschnitt. Pavatis Griff schien sich unter Schmerzen gelockert zu haben denn der Rüde hatte sich darunter heraus gerissen und der Wölfin nun in die Flanke gebissen. Er hatte ihr ein Stück Fleisch heraus gerissen, sodass man leicht eine ihrer Rippen sehen konnte. Nun kam Stev und warf sich mit vollem Körpereinsatz gegen Pavati. Sie wurde durch die Luft geschleudert, bis sie schließlich da lag, wo sie zu aller erst gesessen hatte. Sie rutschte noch einige Meter weiter und hinterließ eine Blutspur auf dem hölzernen Boden.
Die niederen Wölfe waren derweilen aus der Lagerhalle geflohen.
Er bereute nun dies nicht auch getan zu haben, denn Pavati öffnete die Augen und sah direkt in sein erstauntes Gesicht. Nun war sie das Raubtier, welches er erwartet hatte. Ihre Verletzungen am Arm waren verheilt, auch die Rippe war nun wieder von Fleisch bedeckt.
„Meins.“ sagte sie mit tiefer, grollender Stimme, als sie auf allen Vieren auf ihn zukam, die Ohren nach hinten gelehnt, um zu hören, wie nahe Ray und Stev schon waren.
Er hatte es gar nicht gesehen, so schnell war sie gewesen, als sie ihre Zähne in seiner Kehle vergrub. Der Schmerz verriet ihm jedoch, dass sie ihn nicht getötet hatte. Als er wieder Herr seiner Sinne war und sich umsah, konnte er erkennen, dass Pavati Stev, welcher sie gegen die Wand gedrückt hatte auch schon wieder einige Blessuren verpasst hatte. Sein Blut war es, welches zu Boden tropfte. Er drückte sie so stark gegen die Wand, dass der Beton schon Risse bekam und das Knacken der sich lösenden Baustücke nicht zu überhören war. In diesem Moment erschien Ray vor Pavati, streckte einen Arm aus und sprach einige Worte, einer anderen Sprache. Als er seinen Arm wieder senkte ließ auch Stev von dem Körper ab. Die dunkelbraune Wölfin sackte mit geschlossenen Augen zu Boden.
Kapitel 2
„Nun, Jessica. Wenn ich Sie noch einmal ermahnen muss, werden Sie nachsitzen! Schlafen Sie gefälligst zu Hause!“ ertönte die Stimme von Herrn Lange in meinen Ohren. Er hatte ja recht, ich habe schon wieder im Unterricht geschlafen, aber liegt dass nicht eher daran, dass sein Mathe Unterricht einfach nur zum schlafen ist?
„Wie ist die Quadratwurzel aus 144? Jessica?“ er stand direkt vor mir und deutete trotzdem noch mit seinem Finger auf mich. Mein Kopf lag noch immer auf dem Tisch, als ich ihm antwortete.
„12.“ Gerade so konnte ich ein Gähnen unterdrücken. Herr Lange war ein schrecklicher Lehrer, was wohl nichts über seine Qualitäten als Familienvater auszusagen hatte. Ich habe seinen jüngeren Sohn einmal gesehen, als wir mit der Klasse einen Ausflug gemacht haben. Entgegen aller Erwartungen war er nicht einmal zu dünn oder ständig nur am heulen. Ein glücklicher, lachender 5 jähriger Junge.
„Richtig.“ gab er widerwillig zu und ging wieder an die Tafel. Ich saß, leider Gottes, mittig in der Klasse, sodass ich wirklich immer im Mittelpunkt des Lehrerblicks stand. Quatschen oder rum kritzeln war also leider nie möglich gewesen. Tja, und schlafen leider auch nicht.
Warum ich meine Augen nicht mehr auf bekomme? Seit einiger Zeit, um genau zu sein, seid meinem 16 Geburtstag vor 2 Monaten habe ich Albträume. Aber nicht einfach nur solche über meine größten Ängste. -Nein! Grausame Dinge, die ich mir niemals, nicht einmal in einem Film mit angesehen hätte. Dass Schlimmste ist, im Traum kann ich nicht weggucken. Das neueste Bild war weniger grausam, aber umso seltsamer. Irgendjemand, den ich noch nicht kannte war in meinem Haus. Blutbeschmiert und es war nicht ausschließlich sein eigenes. Anfangs bin ich einfach nur schweißgebadet und zitternd aufgewacht, sodass ich immer wieder kämpfen musste, damit ich überhaupt noch eine Stunde Schlaf bekam.
Aber inzwischen ist es so heftig geworden, dass ich überhaupt nicht mehr einschlafen kann, wenn ich alleine bin. Zwar habe ich in meinem Zimmer meine Hamster Dame Peggy, aber die ist mir eine wenig große Hilfe beim einschlafen, vor allem wenn sie meint genau dann einen Marathon in ihrem Laufrad zu laufen.
Zum Glück war der Unterricht bald vorbei und damit auch die Schule beendet. Ich musste nur noch zum Bahnhof gehen, auf meinen Bus warten und konnte dann schon ein kleines Nickerchen machen. Auf dem Weg zum Bahnhof ging ich schweigend, mit beiden Händen in der Tasche neben meinen Freunden her. Sie wussten, weshalb ich so seltsam drauf war und ließen mich deshalb in Ruhe. Meine Freunde fuhren mit dem Zug weiter, also musste ich wie immer alleine auf meinen Bus warten, der wie immer, noch 15 Minuten brauchen würde. Eigentlich wollte ich die Augen nicht schließen, meinen Bus zu verpassen konnte ich mir nicht schon wieder leisten, letztes mal war meine Mam vollkommen durchgedreht. Warum? Keine Ahnung, ich lebe ja noch, aber manchmal ist sie etwas über vorsichtig, wenn es um mich geht. Mein Bruder Taylor konnte sich einiges mehr erlauben. Oft war die Begründung meiner Eltern dafür etwas wie „Wer von euch beiden ist denn älter, hm?“ worauf ich meistens nur mit schlechter Laune in mein Zimmer verschwinden konnte. Taylor war sage und schreibe 2 Minuten und 35 Sekunden älter als ich.
„Hey, fährst du nicht auch immer mit meinem Bus?“ hörte ich plötzlich jemanden neben mir sagen. Langsam öffnete ich die Augen und schaute diesem Jemand ins Gesicht. Ich kannte seinen Namen nicht, aber er war tatsächlich seit einigen Tagen in meinem Bus gewesen.
„Oh. Danke.“ entgegnete ich, als ich aufstand, denn mein Bus war schon fast zum stehen gekommen und das Gedrängel um einen Sitzplatz begann schon vor dem Bus. Ich bekam einen Sitzplatz relativ weit vorne in einem Vierer. Ohne die drei Jungen zu beachten setzte ich meine Kopfhörer auf und hörte Musik. Ich konnte im Bus entspannen, aber einen wirklich tiefen Schlaf konnte ich bei bestem Willen nicht entwickeln.
Auf dem einen Ohr hörte ich mit, was die drei, etwa in meinem Alter, sich zu erzählen hatten. Typische Jungs Gespräche dachte ich, als sie anfingen über Autos zu reden. Während zwei sich zusammentaten und über Audi prahlten, stand der dritte allein mit seinem Favoriten VW dar. Ich seufzte und hoffte, der Bus würde bald an meiner Haltestelle sein.
Über die restliche Fahrt verteilt stiegen immer wieder Personen in den Bus ein und nach einigen Stationen wieder aus. Der Durchgang im Bus war teilweise sogar so voll, dass einige der Stehenden Passagiere beinahe auf die Sitze fielen. Zum Glück war es nicht mehr weit und vorher wäre eine Schule, an der, für gewöhnlich eine Menge Leute ausstiegen.
Ist dieser nette Typ vom Bahnhof eigentlich noch hier? fragte ich mich, als ich mich streckte und einmal in den hinteren Teil des Busses schaute. Tatsächlich, er ist immer noch im Bus, warum ist der mir vorher nie aufgefallen?
Ich schaute raus und bemerkte, dass ich spätestens jetzt auf den STOP Button drücken sollte, wenn ich wirklich bei der richtigen Haltestelle raus wollte.
Die drei Jungen waren bereits ausgestiegen und mit dem Fahrrad weiter gefahren. Ihre Diskussion schien wohl damit geendet zu haben, dass VW doof und Audi viel zu teuer ist. Am Ende hatten sie sich auf ein viel unrealistischeres Ziel geeinigt: Ferrari.
Als der Bus endlich zum stehen kam, stand ich auf und ging raus. Auf dem Fußgänger Weg blieb ich stehen und schaute, einfach nur aus reiner Neugier, wer dieses mal mit mir ausgestiegen ist. Ungläubig verzog ich das Gesicht, als ich hinter mit diesen Jungen vom Bahnhof wieder sah. Ist ja nicht zu fassen, dachte ich, als ich in die andere Richtung nach Hause ging. Über diesen Jungen wollte ich mir eigentlich keine weiteren Gedanken machen, er war zwar nett, aber nicht mein Typ. Mehr als Freundschaft war nicht drin, aber wenn ich ehrlich zu mir bin, im Moment bin ich so strange drauf, dass ich nicht glaube, dass jemand jetzt eine Freundschaft mit mir sucht.
Der Rest des Tages war wie gewohnt, ich habe meine Hausaufgaben mehr oder weniger ordentlich gemacht, Taylor hat mir ein wenig bei Mathe geholfen. Dann habe ich etwas gegessen und bin dann voller Hoffnung auf die Couch gesprungen, vielleicht konnte ich ja in Anwesenheit meiner Mutter und Taylor ein wenig schlafen. Ich hatte ihnen nichts von meinen Träumen und meinen Schlafproblemen erzählt, sie würden sich zu viele Gedanken machen und am Ende selber Schlafstörungen entwickeln. Also schwieg ich den Abend lang, bis es dann hieß: essen! Ich hatte nicht geschlafen, aber eine angenehme Ruhe gefunden, ohne schreckliche Bilder, die sich in meinem Kopf projizierten. Bei uns gibt es abends immer warm, da mein Vater erst spät von der Arbeit nach Hause kommt und wir viel Wert auf eine gemeinsame Mahlzeit legen und die sollte im besten Fall auch noch warm sein. Naja, mir war es gleich, ob nun warm oder kalt, Hauptsache etwas zu essen.
Papa legte schließlich sein Besteck hin, als erster – ein seltenes Schauspiel. Ich war noch dabei die Suppe widerwillig zu schlürfen, während mein Bruder sich schon den zweiten Teller nachfüllte, denn irgendwie hatte ich nicht mehr so großen Hunger verspürt, als es dann hieß, es würde Suppe geben. Nach einem kurzen Augenkontakt meiner Eltern zueinander schauten beide mich an. Oh ja, man fühlt sich sehr unwohl, wenn die eigenen Eltern einen beim essen anstarren und dabei einen Gesichtsausdruck drauf haben, der beinahe zu schreien versucht >Nun sag es schon Kind!< Ich seufzte und legte meinen Löffel neben den Teller, wobei auf dem Tisch ein kleinerer nasser Fleck entstand.
„Was ist los mit dir Jessy, deine Mutter und ich machen uns wirklich Sorgen.“ sagte Papa schließlich überaus feinfühlig. Ich zog eine Braue hoch und kämpfte einen Augenblick mit mir selbst, denn eigentlich wollte ich meine Eltern und meine Bruder nicht damit belasten, dass ich seltsame Schlafprobleme habe. Warum sollte ich ihnen diese Bürde auch noch aufbinden?
Dann aber waren es ihre aufmunternden, aber auch irgendwie besorgten Blicke, die mich wieder in das Hier und Jetzt zurück hievten. Ja, sie hatten ja recht, ich wollte darüber reden, wollte meinen Frust deshalb einfach mal von der Seele reden. Ich biss die Zähne zusammen, sodass es beinahe schon wehtat, aber ihre Blicke bohrten immer noch auf mir, ich konnte einfach nicht mehr schweigen, denn irgendwie wollte ich diese Situation entschärfen.
„Ich naja … E-es ist ...“ stotterte ich, denn mir wollte kein vernünftiger Satzanfang einfallen, obwohl es doch gar nicht so schwer war zu sagen >Ich schlafe seid einiger Zeit gar nicht mehr.<
„Wisst ihr noch, einige Tage nach meinem Geburtstag, da bin ich ja so schweißgebadet aufgewacht und die Nächte danach habe ich sogar geschrien.“ beide nickten mir nun ausschließlich besorgt zu.
„Ähm, ja... ich weiß wirklich nicht warum, aber ich kann nicht mehr schlafen. Ich komme einfach nicht mehr zur Ruhe, ich habe Angst vor den Bildern, die sich in meinen Gedanken bilden, sobald ich meine Lider senke.“ Puh! endlich hab ich das mal jemandem gesagt.
Meine Eltern schauten sich an, dann hörte auch Taylor auf zu schlürfen. Meine Mutter brach das Schweigen und ergriff das Wort
„Spätzchen, warum hast du das denn nicht früher gesagt?“ Papa unterbrach „Wir wollen dich aber nicht unter Druck setzen, besser spät als nie.“ seine Stimme hatte eine gewisse Wärme inne, die mich leicht lächeln ließ. Ich schaute einmal zu meinem Bruder, der konzentriert zuhörte, warum hatte er dieses Problem nicht? Sonst hatten wir Vieles gemeinsam. Dann schaute ich Mama an und als sie meinen Blick vernahm, antwortet sie mit ihrer lieben, mütterlichen Stimmte „Du nimmst gleich erst mal ein heißes Bad und trinkst einen Kräutertee, vielleicht entspannst du dann besser.“
Auch wenn meine Mutter niemals Tee trank, liebte sie es, mir welchen zu machen und mich lächeln zu sehen. Ich nickte nur beschwichtigend und stand dann vom Esstisch auf. Mamas Vorschlag war wie ein Segen, denn ein heißes Bad könnte jetzt wirklich Berge verschieben … oder sie zum Einsturz bringen und überhaupt nichts ändern.
Das Bad und der Tee hatten mich aufgewärmt und meine Muskeln entspannen lassen. Als ich im Bett lag hatte ich beinahe das Gefühl, ich könnte jetzt einen 1000 jährigen Schlaf durchhalten, sogar noch länger. In Windeseile schlossen sich meine Augen und zu meiner Überraschung waren da noch keine blutigen Szenen vor meinem inneren Auge, in denen all jene umkamen, die ich liebte. Manchmal waren es auch Fremde gewesen, die einfach so von mir ermordet wurden.
Als sich am nächsten Morgen meine Augen wieder öffneten bekam ich beinahe einen Schreck, denn ich hatte nicht damit gerechnet durchzuschlafen. Wundervoll. Dachte ich, als ich mich noch einmal umdrehte, denn laut der Uhr blieben mir noch 50 Minuten. Dann aber zuckte ich unter einem lauten Schrei zusammen, es war mein eigener. Ich musste kurz wieder in eine Schlafphase gefallen sein und wieder tauchten diese schrecklichen Bilder auf. Auch dieser Tag fing bescheiden an.
Ich machte mich für die Schule fertig und kam etwas zu früh am Bus an. Ich war nicht alleine, es warteten noch einige andere Schüler. Ob der Junge von gestern auch wieder da ist? fragte ich mich, als ich mich wieder einmal umschaute und die anderen Personen musterte. Aber in der Dunkelheit konnte ich nur zwei Mädchen und einen Grundschüler erkennen.
Der Bus hielt gerade und war wieder brechend voll, als plötzlich, wie aus dem nichts wieder dieser Junge da war. Hatte ich sein Kommen vielleicht übersehen? Ich muss zugeben, ich bin wirklich nicht mehr so Aufmerksam, seid ich diese Schlafsache habe. Der Junge folgte mir unauffällig in den Bus. Nach der Schule sah ich ihn wieder am Bahnhof und wieder stieg er mit mir zusammen aus. Etwas suspekt kam er mir aber erst dann vor, als er von meiner Klassenlehrerin mit in meine Klasse geführt wurde. Frau Garde machte auf mich einen kompetenten und freundlichen Eindruck. Sie schien zu wissen was sie sagte und schien dies auch ausführlich mit Worten zu begründen wenn es denn sein musste. Der Junge, ich wusste noch immer nicht seinen Namen, wurde dann aber sogar als neues Mitglied der Klasse vorgestellt. Frau Garde forderte ihn dann sogar auf etwas über sich zu sagen. Selbstbewusst stellte er sich vor die Klasse. Sein Auftreten hatte etwas besonderes, als würde er gut vor anderen sprechen können, oder zumindest könnte er gut schauspielern, denn ich hätte ihm wirklich jede Rolle abgenommen, schüchtern, draufgängerisch, verrückt, ja sogar den Poser hätte ich ihm abgekauft. Aber im Moment machte er einen ganz normalen Eindruck auf mich, nur irgendwie schien er aus einer anderen Welt. Mittellange braune Haare, etwas gestylt, braun-grüne Augen und eine durchschnittliche, hübsche Figur.
„Ja, ich bin Charlie Schäfer und bin vor einigen Wochen hierher gezogen.“ mehr schien er jedoch nicht sagen zu wollen, denn er schaute mich an. Immer wieder, wenn auch nur kurz. Aber was er mir damit sagte war, dass er irgendetwas von mir wollte. Den Eindruck machte er auch schon, als er plötzlich am Bus aufgetaucht und mich, ausgerechnet mich, an gequatscht hat. Ein Platz war noch am anderen Ende der Klasse frei, er setzte sich dorthin und folgte schweigend dem Unterricht. Mündliche Note = 6
Im Laufe der weiter folgenden Woche kam Charlie mir immer näher, wenn auch sehr zurückhaltend. Er machte auf mich den Eindruck, als hätte er … Ja, haltet mich nicht für verrückt oder so, aber manchmal könnte man denken er hat Angst vor mir. Wenn ich zum Beispiel eine schnelle Bewegung mache oder etwas rum brülle, aus Spaß versteht sich, zuckt er zusammen oder wendet sofort den Blick ab. Wenn ihm der Kontakt aber doch so unangenehm ist, warum sucht er diesen dann nur mit mir? Wenn wir gerade bei Blicken sind, er hat mir nicht einmal mehr in die Augen gesehen. Habe ich denn so grässliche Augen? Ja, sie sind seltsam, denn ihr helles Blau lässt mich manchmal irgendwie blind erscheinen, aber bisher hatte ich noch keinerlei Komplexe deshalb entwickelt. Lustiger Weise haben Tayler und ich nicht die gleiche Augenfarbe, obwohl wir Zwillinge sind. Er hat ein hellblau angefärbtes Grün.
Charlie schien das jedoch als ganz normal zu empfinden, denn von ihm kam nie eine Rechtfertigung für ein nervöses Verhalten.
Er fragte mich manchmal regelrecht aus, aber als er merkte, ich wollte ihm keine weiteren Antworten geben ging er einfach, beinahe schon unterwürfig. Charlie suchte außer mir keine weiteren Freunde in der Klasse, was mir langsam zu Denken gab.
Ich war gerade auf dem Schulhof, denn wir hatten eine Freistunde, als mich Lucy überrannte. In der Klasse war sie meine Sitznachbarin und inzwischen eine gute Freundin von mir geworden, die wirklich gut mit meinen seltsamen Stimmungen umgehen konnte. Ihr breites Lächeln verriet mir schon beim ersten Sichtkontakt, was sie mir gleich sagen würde „Was läuft denn da zwischen dir und dem Neuen?“ fragte sie mit einem leichten, für sie charakteristischen Kichern. Ich verdrehte die Augen und legte den Kopf schief „Gar nichts.“ sagte ich schließlich kalt und emotionslos. Lucy aber ließ sich nicht von ihrer Stimmung abbringen und begann sich einmal umzusehen. Als sie gefunden hatte, was sie anscheinend gesucht hatte, lachte sie wieder laut los. Es kratzte beinahe schon in meinem Hals, denn ihr Lachen war einfach nur ansteckend.
„Da, rate mal, wer dir da schon wieder auflauert.“
„Mh, lass mich raten.... Fängt mir C an.“ Ich murrte vor mich hin, nicht dass ich ihn nicht leiden konnte oder eine Anwesenheit als unangenehm empfinden würde, aber gerade solche Tuscheleien, die dadurch entstehen konnten waren es, die mich wirklich manchmal aufregten.
ich seufzte und schob Lucy ein kleines Stückchen von mir weg, denn sie drängte Wort wörtlich darauf, von mir eine Antwort zu bekommen, die sie glücklich stimmte. Ich hätte wohl das Selbe getan, denke ich.
„Nur Freunde, wirklich. Aber ja, er schaut ganz gut aus. Ach man, du weißt doch genau, ich hab kein Interesse an so etwas, im Moment.“ Bei diesen Worten ließ sie schließlich ihre lachende Fassade fallen und schaute mich nun durchdringend an. Mit einer offensichtlich gespielten, bösen Miene schauten mich ihre großen blau-grauen Augen an
„Du bist im Moment wirklich etwas strange. Ich hab´s dir schon öfter gesagt, wenn du Hilfe brauchst, ich bin wirklich immer für dich da.“ Nun lächelte sie und tätschelte mir die Schulter. Ich entgegnete nur ein lächeln, denn eigentlich war ich in diesem Moment auf jemanden ganz anderes konzentriert. Charlie unterhielt sich ebenfalls mit einem Freund, so schien es jedenfalls. Seinen Gesprächspartner hatte ich noch nie zuvor gesehen, nicht mal auf der Schule. Jedenfalls schaute er zu mir rüber, an dauernd. Hatte er sich da etwa wirklich in mich verguckt? Unmöglich, bisher hatten wir uns nur auf einer sachlichen Ebene unterhalten und wirklich keine Flirt Versuche unternommen. Nun ja, ich jedenfalls nicht.
Es klingelte und alle stürmten zurück zur Tür, vor der sich bald ein dicker Stau bildete, dem ich mich gemächlich anschloss. Jetzt in diesem Getümmel fiel mir Charlies abstrakter Ring zum ersten mal auf. Er war kein einfacher moderner Ring, wie Männer ihn auch gerne einmal tragen konnten, es war viel mehr ein altertümliches Relikt, mit dem ich wirklich nicht mehr anzufangen gewusst hätte, als ihn zurück in die alte Schatulle zu stecken, aus der ich ihn ausgegraben hätte.
Ich würde Charlie irgendwann mal darauf ansprechen und ihn fragen, was es mit diesem Artefakt auf sich hatte.
Kapitel 3
„So Jess', ich geh' dann zum Sport. Bis dann.“ sagte Taylor, als er seine Schuhe anzog. „Viel Spaß. Ich drück dir die Daumen und lass dich dieses mal nicht schon wieder vom Trainer anschnauzen! Dann soll er es doch besser machen, mit seiner Wampe.“ ich grinste, denn Taylors Fußballtrainer war wirklich nicht fit und wenn man mich gefragt hätte, hat er nicht einmal in seinem Leben selber erfolgreich Fußball gespielt.
Er richtete sich gerade wieder auf und ließ ein leises Anstandslachen hören, welches von einem Winken und einem „Ja, ich mach ihn fertig“ gefolgt wurde. Dann schloss er hinter sich die Tür und ich war allein. Dabei fiel mir ein, dass ich schon seit einigen Tagen nicht mehr alleine zu Haue war, denn meine Mutter hatte sich eine Woche Urlaub genommen, da der Schichtdienst ihr langsam die Nerven geraubt hatte. Meine erste Handlung bestand darin, in die Küche zu gehen, das Radio ein zu schalten und mir die restlichen Takos wieder warm zu machen. Der tolle, würzige Geruch zog sich bereits durch die ganze Luft, als es hektisch an der Tür klingelte. Schnell huschte ich zur Tür, schaute vorher noch einmal in den Spiegel und öffnete sie dann. Mir blieb nicht mal eine Reaktionszeit, denn Charlie drückte mich mühelos nach drinnen und schloss die Tür mit einem knall. Ich wollte schon protestieren, aber auch hier kam er mir zuvor
„Die Umstände haben sich geändert.“ sagte er. Nun hatte ich einmal Zeit, ihn zu mustern. Leicht schwitzend schauten mich seine Augen an. Noch immer nicht ins Gesicht. Er schien durch den Wald gelaufen, gar gehetzt worden zu sein, denn seine Schuhe waren voller Schlamm und seine Hose sah da nicht besser aus. Eigentlich sah er überhaupt nicht gut aus. Einige nasse Flecken, die ich auf seiner dunklen Jacke nicht richtig deuten konnte, waren auf seinem rechten Ärmel zu sehen. Als er sich von der Tür abstieß und nervös in alle Zimmer schaute sah ich, dass es Blut sein musste, was seine Jacke so sehr verschmutzt hatte. Sobald er sich bewegte und ich ihn von Hinten sehen konnte, entblößten sich mir noch mehr dieser Blutflecken. Mein Herz begann schneller zu schlagen, denn ich kannte dieses Bild irgendwoher. Verdammt! Hatten meine seltsamen Träume etwa eine Bedeutung? Ich atmete immer schneller und abgehackter, als ich zu Charlie ging und mich vor ihn stellte. Ich musste ihm doch irgendwie helfen, das müssen schreckliche Schmerzen sein!
„D-D-Du … wartest je-jetz hier und bewegst .... dich nich von der Stelle!“ brachte ich zitternd hervor. Dann stürmte ich weniger kontrolliert als ich dachte, denn meine Knie boykottierten langsam den Dienst, in das Bad und durchwühlte den Spiegelschrank nach einem Fläschchen Jod, und Kompressen, sowie einem Verband. Als ich alles zusammen hatte, ging ich vorsichtig, damit nichts herunterfiel zurück ins Treppenhaus. Zittrig, wie meine Hände nun einmal waren wackelte das Jod Fläschchen verdächtig doll. Als ich stehen blieb und wieder geradeaus schaute, legte Charlie den Kopf schief „Mach dir keine Umstände, wir haben wichtigeres zu tun.“ Ich verzog das Gesicht „Was meinst du? Du blutest doch oder etwa nicht?“ dann legte ich den Verbandskram auf den Tisch und bat Charlie mit einer Geste, seine Jacke aus zu ziehen, was er auch bereitwillig Tat „Das ist nicht nötig.“ sagte er, als ich ihm die Jacke aus der Hand zerrte und seinen mit Blut durchtränkten Pullover sah. Meine Kinnlade berührte beinahe den Boden und sofort wurden meine Knie wieder weich wie Butter, sodass ich hart damit zu kämpfen hatte, nicht zu Boden zu sacken. Ich wollte etwas sagen, ihn fragen was los sei, aber mein Mund wollte nicht gehorchen und brachte kein Wort hervor, nur ein leises Stottern. Charlie drehte sich um und schaute mir nun zum ersten mal in die Augen. Sein ernster Blick war von Erschöpfung gezeichnet. „Deine Träume sind Erinnerungen -“ begann er „- Von Taten, die du selbst vollbracht hast. Viele haben so etwas, wenn sie versiegelt wurde.“ Bitte Was? „Dein eigentlich Name ist Pavati und du wurdest vor 16 Jahren versiegelt, weshalb kannst du dir ja denken, wenn du deine Träume in Erinnerung hast.“ Ich hörte ihm aufmerksam zu und glaubte kein Wort von dem was er sagte. Vor allem, als er meinte, ich sei ein grausames Monster. Er war aber so ernst bei der Sache und die Fakten, die er mir sagte, stimmten immer, solange er meine Träume und andere bisher Geheime Dinge ansprach. Ich hatte nie jemandem erzählt, was genau ich Träume oder in welcher Position, ob nun Beobachter, Opfer oder sogar Täter ich bin. „Jetzt sind sie wieder hinter dir her, denn nachdem Ray dich versiegelt hat, hat Stev seinen Platz beansprucht. Die anderen Wölfe wollen mir nicht zuhören, aber ich bin mir sicher, dass Stev es war, der die Ritter angestiftet hat Ray zu töten. Nur so konnte Stev es schaffen, der neue oberste Wolf zu werden. Pavati, wenn du nichts unternimmst … kein Anderer wird sich Stev in den Weg stellen.“ Er schien für den Anfang alles gesagt zu haben und ich war einfach nur geschockt, wurde dann aber aus meinen abstrusen Gedanken gerissen, als ein seltsames Geschoss erst in Charlies Hals eindrang und dann in meinen. Ich hatte keine Zeit mehr zur Reaktion, nicht einmal mehr ein kurzes 'Aua!' brachte ich heraus, denn noch im selben Moment wurde alles um mich herum schwarz. Meine Glieder verloren an Kraft, meine Augen fielen zu und ich sackte, auf den Boden.
„Es ist nicht meine Entscheidung, dies zu tun, es liegt bei Dir, was du daraus machen möchtest.“ Erklang meine Stimme, die anscheinen mit mir selbst, aber aus einer ganz anderen Richtung zu sprechen begann.Ich sah weder mich noch irgendetwas anders. Das musste ein Traum sein. Alles war Schwarz.Ich nahm lediglich mein Stimme und diese andere wahr, die etwas Anderes in mir zu sein schien. Vielleicht war ich ja Tod. „Was meinst du damit?“ fragte ich. Als die Stimme antwortete schien sie um einiges näher zu sein und nun konnte ich alles viel deutlicher verstehen.
„Pavati mein Name. Hast du Charlie nicht zugehört?! Diesem Mistkerl...“ bevor sie weitersprach rüttelte etwas an mir, ich konnte es an meinen Schulter spüren.
„Komm endlich wieder zu dir! Jessy!“ die Stimme war noch weit weg, aber ich eilte zu ihr, denn ich wollte nicht mehr in dieser hilflosen Position sein. Mit aller Kraft versucht ich meine Lider zu heben, dennoch ging dies nur sehr langsam. Das erste, was ich sah war Charlies Gesicht. Er war es auch, der mich an den Schultern gepackt hatte und an mich herum rüttelte. „W-W-Was ist passiert?“ fragte ich zittrig unter dem Schütteln meines Brustkorbes. Sobald er meine Stimme hörte, löste er seinen Griff und fasse mich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Nein, Fieber hat sie nicht mehr.“ Meine Augen suchten nach der Person, die anscheinend sein Gesprächspartner war „Mit wem redest du?“ fragte ich schließlich, als ich außer ihm niemanden in unmittelbarer Nähe sehen konnte.
„Marie. Du kannst raus kommen. Sie hat keine Ahnung.“ in seiner Stimme konnte ich genau hören, welche Erleichterung darin lag. „Jedenfalls fällt es ihr schwer das zu glauben.“ fügte er mit einem lächeln dazu. Ich richtete mich auf, denn ich hatte auf dem Boden gelegen. Da ich den blau-orange gefärbten Himmel über mir genau erkennen konnte, ging ich schon mal davon aus, nicht entführt worden zu sein. Die Sonne hing bereits über den Baumwipfeln und blendete mir genau die Augen, als ich gerade saß. „Hi, ich bin Marie. Wollen wir Freunde sein?“ fragte plötzlich eine freundlich, freche Stimme neben mir. Da sich noch einige weiße Flecken auf meiner Netzhaut spiegelten verzog ich das Gesicht, um ihres besser erkennen zu können. Sie hatte sich in die Hocke begeben und lächelte mich nun spielerisch an.
„Unter der Bedingung, dass mir mal jemand erklärt, was hier vor sich geht – Wo bin ich?!“ am liebsten hätte ich auch noch gefragt, >was bin ich?< aber diese Frage habe ich mir einfach mal verkniffen. Die beiden schwiegen nun förmlich und schienen imaginär gerade auszufechten, wer von ihnen nun eine Antwort geben würde. Marie hatte verloren, seufzte unbegeistert und richtete sich dann auf. „Als erstes mal, bevor du fragst, ich bin auch ein Werwolf. Um genau zu sein, jeder, den du hier treffen wirst, ist einer von uns.“ sie schaute sich um, dann hielt sie mir ihre Hand hin um mir hoch zu helfen, denn noch immer versuchte ich meinen Blick von der Sonne abzuwenden.
Ich nahm ihre Hand dankend an und stand auf. Charlie tat es mir gleich, trat aber einen Schritt weiter zurück. Hatte er etwa schon wieder Angst?
„Wenn ich ehrlich bin, diese ganze Werwolfs- und Verschwörungssache ist noch immer ür mich so real, wie das Heinzelmännchen.“ entgegnete ich Marie, die mir auf eine seltsame Art und Weise vertraut vorkam. Ihre Art, dieses aufgeschlossen freundliche Wesen waren einfach Anzeichen dafür, dass man mit ihr Pferde stehlen konnte. Ein mürrisches Geräusch seitens Charlie zog meine Aufmerksamkeit auf ihn. Dann konnte ich wieder einen dieser imaginären Kämpfe der beiden sehen, der sich durch einige böse Blicke und nonverbale Zeichen mit Armen und Oberkörper zeigte.
„Na gut! Ich mach´s ja.“ schnaubte Charlie, als er seine Jacke, noch immer mit dem Blutfleck auf dem Rücken auszog und an die Seite warf. Kaum hatte diese den Boden berührt, begann er sich auf eine Art und Weise zu verändern, die ich in einer anderen Situation als abstoßend empfunden hätte. Als erstes erschien ein schwarzbrauner Schwanz aus seinem Steißbein, welcher etwas seitlich verlagert hinter ihm vor schaute. Dann wurde alles blitzschnell, seine Nägel entwickelten sich zu Klauen und sein ganzer Körper änderte die Gestalt zu einem riesigen, wolfsähnlichen Wesen. Er war riesig und irgendein Reflex in mir brachte mich dazu, einen ganzen Schritt nach hinten zu gehen. Angst hatte ich nicht, denn ich war mir irgendwie sicher, er wusste was er tat und ich hatte schon schlimmeres in meinem abscheulichen Träumen gesehen.
Der erste Werwolf, den ich jemals gesehen hatte, war zugleich auch ein wunderschöner. Charlies seidiges, gepflegtes Fell war am Rücken gut 7 cm lang und am Schwanz sogar noch ein wenig länger. Er sah beinahe aus, wie ein riesiges Kuscheltier mit Reißzähnen und Klauen. Seine goldenen Augen schauten zu Marie und mir herüber, als er etwas näher kam. Er war größer als jeder Hund, Wolf oder manch ein Pony. Er konnte mir, auf vier Beinen stehend, beinahe in die Augen schauen und ich bin 1,70m groß. Das sagte jedenfalls mein Personalausweis. Durch eine Windböe wehte mir mein langes, blondes Haar ins Gesicht, ich war aber viel zu fasziniert von dem Anblick, der sich mir bot, als das ich mir die Zeit hätte nehmen können, um sie wieder nach hinten zu werden.
„Na, glaubst du jetzt, was ich gesagt habe?“ fragte er mich. Die Tatsache, dass ein Tier gerade mit mir gesprochen hatte war weniger verstörend als jene, dass ich wirklich glauben musste, was er gesagt hatte. Wenn ich mit diesem Werwölfe gibt es Gerede schon recht hatte, dann musste er mit dem was er über mich und über diese Verschwörung gesagt hatte ebenfalls richtig liegen. Jedenfalls mit mir musste er im Recht liegen. Als er zu sprechen begann riss er mich aus meiner Trans wieder heraus und ich band meine Haare allesamt in einem Zopf zusammen. Gott sei Dank hatte ich meistens ein Zopf Gummi um das linke Handgelenk geschnürt. An windigen Tagen war es wirklich nervig, wenn die Haare in mein Gesicht wehten. Zum Glück hatte ich keinen Pony, der mir dann in die Augen fiel.
„Ja, muss ich wohl. ...“ kurz wusste ich nicht genau, ob es höflich war, einfach direkt drauf los zu fragen, aber diese Frage brannte mir nun merklich auf der Zunge „Sag mal, tut das eigentlich weh?“ zum Ende meiner Frage wurde ich leiser, denn ich wurde mir nun dessen bewusst, dass diese Frage wohl etwas voraus gegriffen war. Vielleicht wollten die Wölfe ja gar nicht darüber reden. Vielleicht war es ihnen unangenehm oder sogar verboten. Dann war es aber Marie, die meine Frage kurz und knapp beantwortete „Manchmal.“ ich legte zwar den Kopf schief, wollte aber nicht weiter nachhaken. Obwohl es mich schon interessierte, denn wenn diese Werwolfssache wirklich stimmte, was sie ja augenscheinlich tat, dann würde mir eine dieser Verwandlungen wohl auch noch bevorstehen. Ein leichtes Unbehagen schlich sich in Form eines kalten Schauers über meinen Rücken. Ich war weder sadistisch veranlagt, noch anderweitig Freund von Schmerzen. Ich holte gerade Luft um an meine erste Frage zu erinnern, denn noch immer wusste ich nicht, wo ich war und was dieser Pfeil mit mir gemacht, aber er bei Charlie anscheinend nicht ausgelöst hatte, als Marie mir das Wort nahm „Wir sind hier in einer Parallelwelt zu der, die du bisher dein zu Hause genannt hast.“ die Frau, welche um die 23 war drehte sich nun zu mir um und lächelte. „Oh ja, genau so habe ich auch geguckt, als ich das zum ersten mal gehört habe. Gewöhn' dich schon mal dran.“ Ich seufzte und folgte den beiden, denn Charlie, noch immer dieser wunderschöne, riesige Wolf, hatte sich umgedreht und ging den Kopfsteinpflaster Weg hinab. Marie war während sie redete gefolgt und ich tat es ihr schließlich gleich. „Nachdem der Pfeil dich getroffen und du in den Schlaf gefallen warst, wäre es mir unmöglich gewesen, zu fliehen. Ich musste dich hier mit her nehmen. Unter anderen Umständen aber müsste ich dafür wohl sterben.“ er lachte bei den letzten Worten, mehr aber deshalb, weil er erleichtert war, besagte Umstände nicht erleben zu müssen. Was genau er damit nun schon wieder meinte wusste ich wieder einmal nicht, ich lächelte nur höflicher Weise und folgte den beiden dann schweigend. Wir gingen bestimmt schon seid einer Stunde, als ich abrupt stehen blieb „Wo gehen wir eigentlich hin? Meine Eltern werden sich tierische Sorgen machen, wo ich bin.“ Das würden sie wirklich, sie hatten bestimmt schon einige Male versucht, mich auf dem Handy zu erreichen, aber das lag sicher und behütet neben meinem Bett auf dem Nachtschrank. Marie blieb nicht stehen, antwortete mir aber trotzdem. Aus Angst, zurück gelassen zu werden holte ich die beiden mit kurzem Laufen wieder ein „Keine Sorge. David wird sich um sie kümmern.“ bei diesen Worten und dem, was ich in den letzten Stunden erfahren habe begann eine leichte Panik in mir auszubrechen. Wenn sie über >sich um jemandem kümmern
Texte: Die Rechte auf die Texte und Bilder liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Einen Teil meines Buches möchte ich in Gedenken an verlorene Freunde veröffentlichen, einen anderen Teil widme ich meiner besten Freundin, die einfach niemals von meiner Seite weichen wird.
Dafür liebe ich sie