Das kleine, viktorianische Zimmer ist kaum beleuchtet. Die schwarzwirkende Wand schimmert gelb und die Schatten der Möbel darauf zucken durch die flackernde und summende Glühbirne, als würden sie auf und ab hüpfen, vor Freude und Spannung. Ich spüre den eisigen Holzboden und den warmen Luftzug an meinen Beinen und Armen, der durch das geöffnete Fenster weht und den beißenden Duft von verbranntem Heu in das dunkle Zimmer trägt. Auf meiner erstarrten Haut klebt kalter Schweiß, der durch das Zittern meines gesamten Körpers hervorgerufen wird. Meine krausen Haare jucken im feuchten Nacken und lose Strähnen fallen mir beständig ins aschfahle Gesicht, bleiben in meinen trockenen Mundwinkeln kleben. Mein starrer Blick ist auf den einzigen Gegenstand geheftet, der auf dem ramponierten Sofatisch steht, dessen krumme Tischbeine sich allmählich von der rauen Oberfläche lösen. Mit bebenden Fingern schnappe ich mir schnell das scharfe Messer und halte es dem kläglichen Licht entgegen. Es funkelt und glitzert wie die kleinen Lichtpunkte am Himmel. Langsam setze ich die messerscharfe Klinge an mein pulsierendes Handgelenk, schließe die brennenden Augen, drücke und ziehe. Sofort rinnt das warme Blut aus der klaffenden Wunde, läuft über meine kalte Haut und ich spüre nur noch den stechenden Schmerz, der meine verletzten Nerven schreien lässt. Mein verlorener Lebenssaft tropft auf den harten Holzboden, färbt ihn dunkelrot, schließlich braun. Je mehr Blut verloren geht, desto langsamer schlägt mein Herz, das vor wenigen Sekunden geflattert hat, wie die Flügel eines Kolibris. Das gleichmäßige Atmen ist schwer und die kalte Luft brennt plötzlich in meiner rauen Lunge. Mein leerer Körper zuckt und fällt in sich zusammen. Fällt in die feuchte Lache aus halbgetrocknetem Blut. Ein Herzschlag. Ein Atemzug. Dann ist alles still.
Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin, Pauline H.
Bildmaterialien: Rechte des Bildmaterial: Pauline H.
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2013
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