Cover

Maison Luxure - Erotischer Krimi von Pat McCraw

Kapitel 1 - Alpträume

 

»Du bist eine kleine Schlampe und hast Strafe verdient.« Missmutig sah David zu der auf unsicheren Beinen stehenden jungen Frau, die mit über dem Kopf gefesselten Armen mitten im Raum stand. Das schwindende Tageslicht tauchte ihren Körper in ein reizvolles Zwielicht. David beobachtete fasziniert, wie sie sich auf die Lippen biss, um in den schwarzen Lack-Ballett-Heels das Gleichgewicht zu halten. Die Schuhe pressten ihre Füße in eine unnatürliche Haltung, sodass sie quasi auf den Zehen stehen musste. Ihre aus dem nachtschwarzen Lederkorsett quellenden Brüste wogten bei der Anstrengung. Sie klammerte sich an die Kette, an der ihre ledernen Handfesseln befestigt waren, und wölbte ihren runden Po, um eine bequemere Position zu finden.

Er hatte sie bereits lange stehen und leiden lassen, aber wusste, dass sie es so wollte. Mit einem trockenen Lachen griff er ihr zwischen die Beine. »Ganz nass. Sag mir, was du bist, dann mache ich dich los.«

»Gnade, Herr.«

Das war nicht die richtige Antwort. David holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Po. Es klatschte und seine Handfläche brannte, aber das gehörte dazu. Mit Genugtuung sah er, wie sich sein Handumriss auf ihrer Haut abzeichnete. Die rothaarige Frau stöhnte kurz auf.

»Sag es!«

»Ich bin eine Schlampe, Herr«, flüsterte sie.

»Lauter!«

»Ich bin eine Schlampe.«

»Noch lauter!«

»Ich bin eine miese Hure. Eine Schlampe, die es mit jedem treibt!«, brüllte sie.

Das war zufriedenstellend.

»Und das ist es, was du willst, nicht wahr?«, fragte er verächtlich.

»Ja, Herr«, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. Er sah, wie sie litt und fühlte, wie scharf sie das Ganze machte. Es war an der Zeit, ihr seinen Sadismus zu zeigen und sie an den intimsten Stellen leiden zu lassen. Er kannte ihre Reaktion. Sie würde da liegen, etliche Male nacheinander kommen und ihn dafür lieben und verehren.

»Gut, ich mach dich los.«

Er löste die Fesseln. Einer der Karabiner fiel zu Boden. Die dicke Eisenkette folgte rasselnd. Die Sachen hatte er doch ordentlich befestigt. Wie konnte das sein? Er sah die junge Frau taumeln und fallen, streckte seine Arme nach ihr aus, um sie aufzufangen, doch der Fußboden gab nach, öffnete sich und sie verschwand in einem gähnenden, schwarzen Höllenschlund. Er stand wie gelähmt, blickte in ihre verzweifelt aufgerissenen blauen Augen, bevor der Boden sich schloss.

»Nein!«, brüllte er und fuhr hoch.

David saß schweißgebadet in seinem Bett. Allein. Wieder dieser Alptraum. Nie konnte er sie am Ende festhalten. Manchmal verschwand sie in etwas, das wie flüssiges Magma oder wie sich windende Schlangen aussah.

Wie spät war es? Die grüne Digitalanzeige seines Weckers zeigte sechs Uhr. Eigentlich konnte er noch eine Stunde schlafen, aber... David machte Licht, wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete seine feuchte Hand. Es war besser aufzustehen, eine Runde auf dem Stepper zu absolvieren und zu duschen.

Wieso träumte er nie von all den zerfressenen oder aufgequollenen Leichen, die er täglich sah? Als Kriminalpolizist hatte er einen harten Job. Der verfolgte ihn nie im Schlaf. Aber Daniela und der verfluchte Unfall waren zu einer sich ständig wiederholenden Pein geworden.

 

Kapitel 2 - Leichen

 

Das, was er an diesem Morgen sah, passte perfekt zu seinem beschissenen Traum. David Von Haage starrte auf die Leiche des jungen Mädchens und hörte sich den vorläufigen Bericht des Beamten der Spurensicherung an, der mit seinem üblichen, leiernden Ton ungerührt vortrug: »Zeitpunkt des Todes zirka zweiundzwanzig Uhr gestern Abend, Todesursache vermutlich Perforation der Gebärmutter mit diversen Gegenständen, daraufhin erfolgte Tod durch Verbluten. Da das Opfer typische weitere Merkmale aus dem sadomasochistischen Bereich trägt, wie Nadelungen der Brustwarzen und ...«

»Entschuldige mich bitte.« David hörte sich den Bericht nicht zu Ende an, und eilte zum nächsten Gebüsch. Dort übergab er sich und hoffte, dass keiner der Kollegen, die zahlreich den kleinen Park bevölkerten, ihn darauf ansprach.

Als er aus dem Gestrüpp hervortrat und sich den Mund mit einem Papiertaschentuch abtupfte, trafen ihn einige mitleidige Blicke. Jeder der Kollegen hatte schon mal erlebt, dass ihm der Zustand einer Leiche den Magen umgedreht hatte, aber von ihnen besaß wahrscheinlich keiner eine Vorgeschichte wie er.

Horst Klein, der neben dem Leichnam kauerte, sah ihn und kam zu ihm hinüber. »David, du siehst aus wie der lebendige Tod. Geh erst mal. Ich mach das hier.«

David sah ihn dankbar an und nickte. Er fühlte sich elend und musste sich hinsetzen. Mit schnellen Schritten verließ er den Tatort, eilte über das vor Frost knisternde Gras zu dem am Straßenrand geparkten Einsatzwagen und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Die eisige Temperatur, die seinen Atem als neblige Schicht an den Scheiben festsetzte, bemerkte er kaum. Die Starre, die er fühlte, kam nicht von der Kälte. Sie herrschte in seinem Inneren.

So sehr hatte er gehofft, dass er, der ehemalige im SM-Milieu als Dominus Damian bekannte Mann nie wieder mit dieser Thematik zu tun bekommen würde. Er hatte mit dem Thema abgeschlossen, die Jahre, die er in der Szene verbracht hatte, zu den Akten gelegt und sich zurückgezogen. David suchte im Handschuhfach nach Bonbons, um den ekelhaften Geschmack in seinem Mund zu bekämpfen. Gut, da war ein Zahnpflegekaugummi von Klein. Er wickelte ihn aus, warf das Papierchen in den leeren Aschenbecher und schob den Kaugummi zwischen die Zähne. Er war hart, aber gab noch genügend Pfefferminzaroma ab. Er musste sich am Riemen reißen. Frustriert rieb sich David die Stirn, fuhr sich durch die kurzgeschorenen Haare, um die aufkeimenden Kopfschmerzen zu bremsen. Was für eine Scheiße.

Die kunstvolle Nadelung, die er an den Brustwarzen der jungen Toten gesehen hatte, war von einem Meister. Und von denen gab es nicht viele in der Szene. Sollte er seinen Chef bitten, ihn von dem Fall abzuziehen? Unmöglich. Mertens wusste von der damaligen Anklage gegen ihn, hatte diese jedoch nie an die große Glocke gehängt, zumal er aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden war. Aber das Ganze hatte trotzdem einen Fleck in seiner Akte hinterlassen. David kaute heftig, das beruhigte und tat gut. Nun knurrte sein Magen. Undankbares Ding. Erst das Frühstück rausschmeißen und dann meckern. Dieser Gedanke brachte David zum Grinsen. »Nun denn«, sagte er laut, und stieg aus. Er würde keine weitere Schwäche zeigen.

 

Kapitel 3 - Schwestern

 

»Und? War es der große, dunkelhaarige Pizzabote?«, fragte Daniela neugierig und fuhr ihren Rollstuhl zum Tisch.

»Jep! Du hast recht, der ist total süß.« Vanessa warf die Familienpizza mit Salami und doppelt Käse schwungvoll auf die hölzerne Tischplatte, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.

Sie öffnete die Schachtel. »Super, die haben die Pizza auch schon geschnitten.«

»Service.« Daniela schmunzelte und griff zu. »Eigentlich sollte ich das ja nicht essen«, meinte sie mit vollem Mund. »Habe zwei Kilo zugenommen.«

»Schwesterchen«, Vanessa ließ ihr Stück Pizza sinken. »Trag die Prothese öfter. Ja, ich weiß, sie juckt, aber damit kommst du in Bewegung.«

Daniela seufzte und kaute etwas verstimmt. Sie hatte es nicht gern gemaßregelt zu werden, auch nicht von ihrer großen Schwester.

»Ich muss dir noch was sagen. Wir haben ein neues Problem mit Mama. Dadurch, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat, will das Pflegeheim mehr Geld.«

Vanessa ließ das Stück Pizza in die Schachtel zurück fallen. Der Appetit war ihr schlagartig vergangen. Irritiert strich sie eine der feuerroten Haarsträhnen mit dem Handrücken aus der Stirn. Daniela sah das und reichte ihr ein Papiertaschentuch. Während Vanessa die fettigen Finger daran abrieb, rang sie um Fassung. Sie hatte kein Geld. Daniela verdiente nichts, hatte durch den Verlust ihres Unterschenkels auch ihren Job als Verkäuferin verloren.

»Vanni, vielleicht finde ich etwas im Callcenter. Es gibt doch so viele sitzende Tätigkeiten.« Daniela ergriff ihre Hand und drückte sie, quetschte das Papiertuch in ihrer Faust zusammen.

Vanessa wollte ihre Schwester auf keinen Fall entmutigen. »Und ich sehe zu, dass ich eine Story aufreiße, die massig viel Geld bringt, okay?«

Ihr Optimismus schien zu wirken. Daniela lächelte müde. »Bist du einer auf der Spur?«

»Eigentlich schon. Jedoch darf ich immer noch nicht richtig frei arbeiten«, erwiderte Vanessa miesepetrig. »Hartung schickt mich ständig zu Galerie-Eröffnungen und sonstigem langweiligen Kram. Dabei ist wieder ein Mord geschehen. Hast du vielleicht in der Zeitung gelesen. Bei der Konkurrenz«, setzte sie verdrossen hinzu. »Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, dass es sich um eine junge Rumänin handelt. Und die liegt bei uns im Hofgarten herum? Ich wittere da viel mehr dahinter.«

»Rumänin? Na ja, sind ja im Zuge der EU-Erweiterung eine Menge von denen zu uns gekommen«, meinte Daniela und zupfte ein Stück Salami von der Pizza. Offensichtlich war sie satt und wollte nun noch naschen.

»Hm. Vielleicht war es ein Ehrenmord. Sind nicht einige Rumänen Muslime?«

»Keine Ahnung.« Daniela sah sie prüfend an. »Du willst auf eigene Faust nachforschen?«

»Mal sehn.« Vanessa bewegte nachdenklich den Kopf hin und her. »Ich werde mich mal schlaumachen, wer die Ermittlungen leitet.«

Sie sah, wie ihre Schwester erbleichte. Nun traten die Sommersprossen ihres zarten Teints mehr hervor. Vor denen war sie selbst, obwohl ebenfalls rothaarig, verschont geblieben.

»Du hoffst, dass er es ist? Bist du immer noch hinter ihm her? Vanni, lass das endlich sein. Er hatte keine Schuld. Er konnte doch nichts für die multiresistenten Keime in diesem Krankenhaus. Ich habe ihm längst verziehen. Es war ein Unfall. Und wir haben wirklich andere Probleme.« Ihre Stimme klang beschwörend.

Diese Diskussion hatten sie schon so oft geführt, jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis. Die liebe und devote Daniela war bereit, ihrem Peiniger zu verzeihen, der sie das halbe Bein gekostet hatte. Jedoch sie, Vanessa, war es nicht.

»Hätte er nicht so unverantwortlich gehandelt, wäre der Rest nicht passiert. Und du hättest noch deinen Job«, beharrte Vanessa. »Aber lass uns nicht wieder damit anfangen. Komm Kleine, es ist alles okay. Wir schaffen das.«

 

Kapitel 4 - Tod

 

 

Als David an diesem Abend nach Hause fuhr, war alles in Ordnung. Horst Klein war wohl Leiter der Soko geworden, aber da sie schon so viele Jahre zusammenarbeiteten, war klar, dass sie die Nachforschungen gemeinsam vornehmen würden.

Horst hatte ihn zur Seite genommen. »Hör mal, du kennst dich doch in dieser Szene aus. Ist dir an der Toten etwas aufgefallen?«

»Die Nadelung an den Brüsten ist von einem geübten SMler ausgeführt worden. Das ist klar. Damit hat sich jemand Zeit gelassen, denn das war millimetergenau und präzise. Aber ich bin seit Jahren aus der Szene raus.«

Horst hatte ihm interessiert zugehört. »Du hast schon so oft undercover gearbeitet. Wie wäre es, wenn du dich wieder einschleust und dich umhörst?«

Damit hatte David gerechnet. »Um das zu tun, muss ich selbst wieder aktiv werden und ich habe mit dem Thema abgeschlossen«, hatte er ablehnend geantwortet, aber er wusste, dass Horst sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben würde. Sie hatten sich angesehen und waren erst einmal so verblieben.

David öffnete mit der Fernbedienung die Garage seines Einfamilienhauses in Meerbusch, fuhr hinein und schloss sie wieder. Er nahm eine Sonderstellung bei der Kriminalpolizei ein, das war ihm klar, denn eigentlich hatte er diesen Job nicht nötig. Er besaß genug Geld und war auf das Beamtengehalt nicht angewiesen. Jedoch war das die Arbeit, die ihm Spaß machte. Er hätte es nicht anders gewollt. Nachdenklich stieg er aus und kontrollierte wie gewohnt zuerst den Briefkasten an der Haustür. Einige Rechnungen und ein Brief vom Notar. Ihm war klar, was dieser bedeutete. Klaus von Haage, sein Onkel, war dem Krebs erlegen. Jetzt brauchte er einen Cognac. David ging ins Wohnzimmer und befahl der Alarmanlage, Fenster und Türen zu entsperren. Die auf Spracherkennung geschulte Anlage hob daraufhin die Rollläden und gab den Blick in den beleuchteten verschneiten Garten frei. Jedoch hatte David in diesem Moment keinen Sinn für dessen Romantik. Sein Herz war schwer, denn Klaus war auch sein Freund gewesen. Vor zwei Tagen hatte er noch an dessen Krankenbett gesessen und ihn aufgemuntert. Sie hatten gelacht und beschlossen, dass der Onkel dem Krebs ein Schnippchen schlagen würde.

David schenkte sich an der Hausbar einen Cognac ein und riss den Brief auf. Ja, es stimmte. Man teilte ihm den Termin für die Testamentseröffnung mit. Mit dem Papier in der Hand schüttelte er unwillig den Kopf. Er war gewiss beerbt worden, aber viel lieber hätte er einen lebendigen Onkel gehabt. Nun war er als Einziger von seiner Familie übrig. Er spürte, wie ihm dieser Gedanke die Tränen in die Augen trieb, und trank den hochwertigen Cognac in einem Zug aus. Der überflutete den Gaumen mit seinem ätherischen Aroma und kam wärmend im Magen an. Aber er tröstete nicht, vertrieb nicht das Gefühl, dass er nur noch von Tod umgeben war.

Mit dem Glas und dem Brief in der Hand ließ sich David in einen der Ledersessel fallen und starrte in den Garten.

 

Kapitel 5 - Familiengrab

 

Ein paar Tage später kontrollierte David seinen dunklen Anzug und die Krawatte im Spiegel in der Diele, bevor er das Haus für die Beerdigung verließ. Er trug gerne Schwarz, das einen guten Kontrast zu seinem blonden Haar bildete. Schon zu oft hatte man ihm Ähnlichkeit mit dem Frontmann von Scooter, H.P. Baxxter, nachgesagt. Für seinen Geschmack zu oft. Aber er sah es trotzdem nicht ein, seinen Haarschnitt zu ändern. Der Igelschnitt erwies sich jeden Tag als praktisch, zumal er nach Feierabend und an den Wochenenden nach Möglichkeit Sport trieb. Sport war seine Droge. Erst wenn er sich beim Squash und Tennis völlig ausgepowert hatte, fühlte er sich richtig wohl. Oder nach einer SM-Session, dachte er, denn eine Frau stundenlang zu bespielen kostete ebenfalls eine Menge Energie.

Und ja, natürlich fehlte ihm der Kick durch das SM. Wer einmal dieses Gift gekostet hatte, war danach süchtig. Aber es war eine Droge, der man auch ohne Probleme jahrelang entsagen konnte, so wie er das tat.

David gab der Alarmanlage seines Hauses den Befehl alles abzuriegeln, stieg in seinen Audi und fuhr Richtung Büderich zum Friedhof. Er hatte die Abwicklung der Beerdigung einem Unternehmen anvertraut, das auch schon seine Eltern beerdigt hatte. Er erwartete, dass eine Menge Leute zur Beisetzung im Familiengrab kommen würden, denn der Onkel war ein erfolgreicher Geschäftsmann und zudem äußerst beliebt gewesen.

Der Wind pfiff auf dem freien Feld zwischen den Grabsteinen so scharf, dass David den Kragen hochstellte und den Kopf einzog. Er bedauerte, keinen Hut mitgenommen zu haben. Andere Trauergäste waren da klüger gewesen, jedoch froren alle, die da bereits rund um das ausgehobene Grab mit dem daneben stehenden Eichensarg standen. David ließ die schwarzen Lederhandschuhe an, während er die Hände schüttelte und die Beileidsbezeugungen entgegennahm. Betreten nahm er Beate, die Freundin von Klaus, in die Arme und drückte sie sekundenlang an sich. Die Tränen rannen ihr still aus den himmelblauen Augen. Sie blickte ihn mit zitternden Lippen unter ihrem schwarzen, kurzen Schleier an, der ihren schlichten Hut schmückte. »Er wird in Gedanken immer bei uns sein«, sagte David leise. Sie nickte, aber er fühlte, dass diese Floskel sie nicht tröstete.

Da er zur Familie gehörte, stellte David sich neben sie, lauschte der Trauerrede des Pfarrers und ließ den Blick über das mit einem pompösen, weißen Marmorstein bestückte Familiengrab schweifen. Hier würde er auch irgendwann liegen. Von wem bestattet? Er besaß keine Frau und keine Kinder, was viele Gründe hatte. Er hatte bei seinen Eltern und in deren elitären Kreisen schon in frühester Jugend gesehen, wie schwierig es war die richtigen Freunde zu finden, wenn man begütert war. Als er dann mit achtzehn durch Zufall ins SM-Milieu geraten war, hatte er Privates und Berufliches immer strikt getrennt. Auch wenn es ihm als Polizist bei den devoten Frauen Pluspunkte eingefahren hätte. Für die Bekannten aus der Szene war er jemand gewesen, der in der Finanzabteilung eines großen Unternehmens gearbeitet hatte. Ein langweiliger Bürohengst eben. Allein seine Vorliebe für enge Uniformen, hohe Schaftstiefel und Handschellen hatten gereicht, um die Augen der Subs glänzen zu lassen. Aber es war nie eine eine geeignete Kandidatin dabei gewesen, die ihn länger hätte binden können.

Wegen der Kälte hatte der Pfarrer seine Rede kurz gehalten, wofür David ihm dankbar war. Eine Angestellte des Bestattungsinstituts passierte die Anwesenden und gab jedem der Trauergäste eine weiße Rose, die sie dem Verstorbenen als letzten Gruß auf dem inzwischen versenkten Sarg hinterlassen konnten. David ging an den Rand des Grabs und warf seine Rose hinein. Wir haben uns ja schon verabschiedet, alter Junge, dachte er. Ich werde dich vermissen. Besonders deinen unerschütterlichen Humor. Ich wünschte, ich besäße ihn. Du hast mich so oft aufgemuntert. Wer wird das jetzt tun? Er schluckte und trat an seinen Platz an Beates Seite zurück, die von einer Freundin gestützt wurde, die David nicht kannte. Es war nicht der geeignete Zeitpunkt, um in Selbstmitleid zu versinken.

»Ähm.« Eine männliche Stimme neben ihm räusperte sich. David hob den Kopf und sah erstaunt in das breite Gesicht von Martin, dem Bodyguard von Jörg von Drede, den er seit Jahren kannte.

»Herr Von Drede bittet Sie um ein persönliches Gespräch«, sagte Martin leise. »Wäre es möglich, dass Sie ihm nachher einige Minuten gewähren?«

David spürte Jörgs Blick auf sich ruhen, der auf der anderen Seite der dunkel gekleideten Menschen verharrte und sich offensichtlich unwohl fühlte. Er trug den schwarzen Hut weit ins Gesicht gezogen, wahrscheinlich, weil er Paparazzi fürchtete.

Das machte David wach. Er sah sich um. Da war der Fotograf, den er engagiert hatte. Sonst sah er niemanden Bilder schießen.

David nickte Jörg bestätigend zu und Martin verkrümelte sich sofort. Tja, das war der Preis der Berühmtheit. Jörg von Drede, mit dem er seit Jahren Tennis spielte, wurde als neuer Innenminister gehandelt und musste bei jedem Schritt in der Öffentlichkeit auf der Hut sein.

Verdammt, war das kalt. Sämtliche Gäste schienen das so zu empfinden, denn sie verließen nun hastig die Grabstätte. Die Frauen in den dünnen Perlonstrümpfen hatten es besonders eilig und stöckelten die gefrorenen Wege zu ihren Autos. Alle wollten flott in den „Goldenen Schlüssel“ kommen, ein gediegenes Restaurant, das er für den Leichenschmaus gemietet hatte und das eine wärmende Suppe und einige kostenlose Drinks versprach.

 

Kapitel 6 - Geständnisse

 

Da stand er nun auf einem kleinen Podest und prostete dem Foto seines Onkels zu, das jemand auf eine Staffelei gestellt hatte. »Wir werden dich vermissen«, schloss er seine Rede und die Gäste, die ihn umringten, nickten betreten.

Dann ging der Leichenschmaus los. David war der Appetit vergangen. Er sah sich suchend um. Da stand Jörg von Drede an die Wand gelehnt und musterte die Anwesenden mit bleichem Gesicht. Martin an seiner Seite checkte die Umgebung aufmerksam. Der Kerl war wirklich ein Schrank von einem Mann mit einem fast rechteckigen Schädel, der ihm einen klobigen Ausdruck verlieh. David wusste, dass er alles andere als dumm war.

Nun, es war an der Zeit nachzufragen, was sein prominenter Gast auf dem Herzen hatte. David ging zu ihm und sah, wie sich Jörgs Gesicht bei seinem Anblick erhellte.

»Danke. Ich weiß, es ist ein schlechter Zeitpunkt auf einer Trauerfeier, aber das Problem kann nicht warten. Können wir uns irgendwo zurückziehen?«

Das Lokal besaß einen kleinen, zusätzlichen Gastraum, der nur bei viel Betrieb geöffnet wurde. Der war ideal, um in Ruhe zu reden.

Deshalb winkte David einen der umhereilenden Kellner zu sich. »Können wir den Nebenraum kurz benutzen? Nur für ein Gespräch«, setzte er hinzu. »Selbstverständlich«, antwortete der Mann beflissen. »Ich schließe Ihnen auf.«

Gut, er hatte den Oberkellner mit Schlüsselfunktion erwischt.

Sie folgten dem Mann, der das Gastzimmer aufschloss und Jörg und ihm freundlich die Tür aufhielt. Sie traten ein. Martin überprüfte die Sicherheit des Raumes und zog sich dann zurück, um draußen Wache zu schieben.

David schloss die Tür und lehnte sich an einen der mit weißen Tischtüchern bedeckten Tische. Er sah Von Drede erwartungsvoll an. Der attraktive Mann wirkte nervös. Ja, David fand ihn gutaussehend mit dem akkurat geschnittenen, brünetten Haar und den grauen, wachen Augen. Sein Aussehen hatte ihm sicherlich geholfen, die Karriereleiter der Politik so weit hochzuklettern.

»Ich habe erfahren, dass du die Ermittlungen im Mordfall Dumitru leitest.«

Aha, darum ging es. Was hatte Jörg damit zu tun?

»Ich bin in der Soko, das stimmt.«

Jörg von Drede begann einen unruhigen Lauf zwischen zwei Tischen, während er sich angespannt das Kinn rieb.

Endlich blieb er stehen. »Es war ein Unfall«, gestand er. »Nicht, dass ich etwas damit zu tun hätte. Ein Freund von mir war auf einer sehr elitären SM-Party. Sie war seine Spielpartnerin.« Er stockte. »Und er sagt, dass sie es hart mochte und ständig mehr verlangte. Plötzlich wurde sie still, und da hat ihn die Angst gepackt. Er ist gegangen und man hat den Rest für ihn erledigt.«

Jörg sah ihn mit Panik im Blick an. Seine Wangenmuskeln mahlten. Das war eine Lüge. Und das wussten sie beide. Er war der besagte Freund und es war etwas passiert, dass ihn seine Karriere kosten konnte.

Wie sollte er sich jetzt verhalten? David starrte ihn an.

»Ich weiß, dass du vor Jahren ebenfalls in der Szene warst. Ich denke, du weißt, wie schnell so ein Unfall passieren kann und ich hoffe auf dein Verständnis. Es war wirklich keine Absicht. Ein schrecklicher Unfall«, beschwor er ihn.

»Warum wurde kein Arzt geholt?« David stellte seine Fragen automatisch.

»Nun, sie hatte zur Strafe mit dem Dildo in ihrer ... ähm, du weißt schon, eine Stunde ... sie war in dieser Zeit allein.« Jörg sah ihn hilflos an. »Das sagt mein Freund.«

»Zuerst möchte ich mal darum bitten, dass du ehrlich bist. Da war kein Freund, oder?«

David spürte, dass er seine Finger in die Tischdecke gekrallt hielt, und löste sie. Da hatte ein blutjunges Mädel das Leben verloren. Und so etwas passierte einem verantwortungsvollen Dominus nicht. Aber jemand wie er hatte das sicherlich nicht zu kritisieren.

Jörg nickte betreten. »Ja, stimmt.«

»Wo hat die Party stattgefunden?«

»Im Darkside, dem Etablissement der Lady Veruschka. Kennst du das?«

Ja, David kannte Veruschka, die den teuersten Club in Düsseldorf führte. »Und Veruschka hat die Entsorgung der Leiche veranlasst?«

»Das weiß ich nicht. Aber ich nehme es an, denn ich bat sie um Hilfe. Sie weiß, wer ich bin, und dass das auf keinen Fall an die Öffentlichkeit kommen darf.«

Er nahm seine Wanderung zwischen den Tischen wieder auf.

»Ich mache mir solche Vorwürfe.«

»Woher kanntest du sie?«, fragte David.

»Sie war eines der Mädchen dort. Da sind noch andere Subs gewesen. Man konnte sich eine aussuchen. Sie war ... sie war sehr hübsch.«

Nun gingen seine Nerven durch. Tränen liefen lautlos über Jörgs Wangen. Er war am Ende.

»Veruschka stellt dort Spielpartnerinnen bereit? Sind das alles Rumäninnen gewesen?«

»Sorry, das weiß ich nicht. Rumänin war sie? Ich dachte, sie hätte einen russischen Akzent.«

Verzweifelt schlug er mit beiden Fäusten auf eine der Tischplatten. Von dem Geräusch alarmiert öffnete Martin die Tür und sah hinein.

»Alles okay. Bitte mach sie wieder zu.« Jörg stand in seinem schwarzen Designeranzug über den Tisch gebeugt und sah seinen Bodyguard an. Der nickte und gehorchte.

»Woher weißt du, dass ich mal in der Szene war?«

Schnell kam Jörg hoch. »Ich überprüfe selbstverständlich meine Tennispartner.«

Ah, okay. Dagegen war nichts einzuwenden. Ob der Mann sich vorstellte, dass er die Sache vertuschen konnte?

»Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast«, begann David. Er sah Jörg ernst an. »Dir ist ja wohl klar, dass ich den Fall mit meinem Chef besprechen muss. Und wahrscheinlich mit der gesamten Soko. Aber das entscheidet er.«

»Wie heißt dein Chef?« Jörg zückte sein Handy.

»Michael Mertens. Am besten rufe ich dich an und wir machen einen Termin. Ich bereite ihn schon mal auf deine Aussage vor. Er wird das Ganze selbst noch mal hören wollen.«

»Ja selbstverständlich.« Jörg tippte den Namen ein und starrte dann auf das Display seines Smartphones.

»Ich ..., ich danke dir schon mal.« Er schluckte. »Ich musste das klären. Ich kann das nicht mit mir herumtragen. Ein Unfall, das war es, David. Glaubst du mir das?«

David nickte. Es war ein beschissener Unfall, aber er wusste, wie stark man beim SM in einen Rausch geraten konnte. Es war als dominanter Part unglaublich wichtig, die Kontrolle und einen klaren Kopf zu behalten.

»Waren Alkohol oder Drogen mit im Spiel?«

Jörgs Gesicht erstarrte. Er fuhr sich nervös durchs Haar. David sah, wie er mit sich kämpfte. Also ja.

»Koks?«

Von Drede nickte mit zusammengekniffenen Lippen.

Nun konnte David ein Seufzen nicht unterdrücken. Eine der Regeln des SM besagte, dass Alkohol und Drogen während der Session tabu waren. Aber er hatte Jörg nicht zu maßregeln. Das würde er Mertens überlassen – oder dem Gesetz.

 

 

 

Kapitel 7 - Sündenbock

 

David hatte mit Mertens gesprochen, der die Dringlichkeit erkannt und sofort am nächsten Tag eine Versammlung einberufen hatte. Da saßen sie nun im abgeschotteten Versammlungsraum des Polizeipräsidiums: Mertens, der Polizeipräsident, Klein und er als Mitglieder der Soko, Jörg von Drede, und zwei Männer, die David nicht kannte – Müller und Ahrens aus dem Innenministerium.

Alle lauschten gespannt der Aussage von Jörg Drede, die mitgeschnitten wurde. Danach herrschte Stille.

Der zirka fünfzigjährige, glatzköpfige Müller fasste sich als Erster. Er erhob sich. »Wir sind uns sicher einig, dass a) dieser Fall nicht an die Öffentlichkeit dringen darf, um Herrn Dredes Ruf nicht zu beschädigen, und dass es b) einer umfassenden Untersuchung bedarf.«

David blickte zum Fenster. Draußen schneite es schon wieder und die Luft in dem Raum war zum Schneiden dick. Er stand auf und stellte einen Fensterflügel auf Kippstellung, spürte, dass die Blicke ihm folgten. Alle Anwesenden waren in ihren Gedanken gefangen. David hatte seinem Chef noch nicht gesagt, dass er um fünfzehn Uhr zur Testamentseröffnung musste und hoffte, sich still und heimlich verdrücken zu können.

Mertens räusperte sich. »Wir dürfen der ganzen Angelegenheit keinesfalls den Anstrich von Vertuschung geben. Aber wir müssen herausfinden, was dahintersteckt. Laut Aussage des Herrn von Drede waren in dem Etablissement noch weitere Mädchen. Machten diese den Eindruck, als ob sie zu den Diensten dort gezwungen waren? Haben Sie für das Mädchen bezahlt?« Die Frage ging an Jörg.

Jörg von Drede bewegte unruhig die gefalteten Hände. »Schwer zu sagen. Sie wirkten eher unbeteiligt und zurückhaltend. Ähm, und ja, ich gab der Betreiberin fünftausend Euro.«

David sog die Luft hörbar ein. Eine solche Summe bedeutete, dass Von Drede das Mädchen mit Haut und Haar gekauft hatte. Zur tabulosen Benutzung, wie es in der Szene so treffend hieß.

Diese Information mussten die Anwesenden erst einmal sacken lassen.

»Eine Razzia in dem Club erregt öffentliches Aufsehen. Das können wir nicht gebrauchen«, meldete sich Klein zu Wort. »Aber wir haben ja hier einen Spezialisten für verdeckte Ermittlungen.« Er sah zu David. »Je weniger wir momentan in dem Fall rühren, um so besser. Ich würde vorschlagen, dass Herr Härtel zuerst in die Szene eingeschleust wird und dort unauffällig Informationen sammelt. Herr Mertens und ich werden diese auswerten. Der Rest der Soko wird anderweitig eingesetzt. Je weniger Menschen von der Sache wissen, umso besser.«

»Misstrauen Sie Ihren eigenen Leuten?«, fragte der dickliche Ahrens und steckte das Smartphone weg, dessen Display er studiert hatte.

»Nein.« Mertens’ scharfe Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Aber in einer Soko sind viele Mitarbeiter involviert. Ich stimme Herrn Klein zu. Das halte ich im Moment für unnötig.«

»Heißen Sie nicht David von Haage?«, fragte Müller und sah David über seinen Brillenrand an.

David nickte und Mertens sprang für ihn ein. »Wir führen ihn offiziell als David Härtel. Das ist sein Name für die Undercover-Aktionen.«

Die beiden Zuständigen des Ministeriums blickten sich an.

Natürlich wird das vertuscht werden, dachte David. Man wird garantiert einen Sündenbock suchen. Und wie es aussah, war es seine Sache, diesen herauszufinden.

 

Kapitel 8 - Testament

 

 

»David! Schön, Sie zu sehen.« Notar Berlinger, der seiner Familie seit Jahrzehnten diente, schüttelte ihm die Hand und sah ihn freundlich lächelnd an.

Die in Schwarz gekleidete Beate war vor ihm gekommen und saß bereits in dem angenehm klimatisierten Büro. Sie nickte ihm mit einem traurigen Lächeln zu.

»Bitte nehmen Sie Platz.«

Berlinger ging zu seinem Ledersessel auf der anderen Seite des Schreibtischs und David setzte sich.

»Ich habe Sie hierher gebeten, weil Sie die beiden Begünstigten im Testament des Klaus von Haage sind, dass ich hiermit eröffnen möchte.«

Er nahm einen Umschlag zur Hand und schlitzte ihn wenig formell mit einem Brieföffner auf. Beate und David wechselten einen Blick. Er würde sie gut versorgt haben. Das wussten sie beide.

»Hiermit bestimme ich, Klaus von Haage, geboren 1935 in Essen, wohnhaft Schlüterstraße 12 in Meerbusch meinen Neffen David von Haage zum Alleinerben über alle meine sich in Deutschland befindenden Liegenschaften und Werte sowie meine Firma Trans-Chemicals. Schloss Pasch, mein geliebtes Maison Luxure, möchte ich ihm besonders ans Herz legen. Meiner geschätzten Freundin Beate Schüler soll die Villa in Monaco und die beiden Anwesen an der Cote de Azúr erhalten. Dazu gehören auch das Restaurant »Delicate« sowie die Boutique, die sich in den Immobilien in Frankreich befinden. David, mach was draus und dir, Beate, wünsche ich ein gesundes und glückliches Leben. Euer Klaus von Haage.«

Stille stand im Raum. Beate weinte vor Rührung. Und David saß wie angewurzelt auf seinem Stuhl. Er hatte eine ungeheure Last aufgebürdet bekommen und um das alles zu verwalten, musste er seinen Job an den Nagel hängen. Wenn er allein an das Schloss Pasch in Meerbusch dachte. Einhundertfünfundzwanzig Zimmer, wovon gerade mal die Hälfte renoviert war. Die Kiste in dem Zustand loszuwerden, war kaum möglich. Dann die Firma. Sie hatte um die zweihundert Angestellte. Deren Existenzen hingen nun von ihm ab. »Haben Sie einen Schnaps?«, fragte er.

Berlinger blickte verständnisvoll, stand auf und ging zu einem kleinen Schränkchen. »Cognac?« Er sah zu Beate. Auch sie nickte.

»Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Sie beide das Erbe annehmen?« Er schenkte drei Cognacschwenker großzügig voll, reichte Beate und David einen davon und prostete ihnen auffordernd zu.

David nahm einen Schluck, bevor er antwortete. »Ja, natürlich.«

Beate neben ihm starrte auf das Glas, als wisse sie nicht, was sie in der Hand hielt. »Was hat das, was ich geerbt habe denn in etwa für einen Wert?«, fragte sie leise.

Der Notar, der sich ebenfalls einen Schluck gegönnt hatte, setzte sich wieder. Er nahm eine dicke Akte und blätterte darin. »Nun, das werden so um die vier Millionen sein.« Er sah David an. »Bei Ihnen natürlich das Vielfache.«

Na toll, dachte David. Du hast es bestimmt gut gemeint, Klaus, aber da hast du mir ganz schön einen verbraten. Es war dir ja noch nie recht, dass ich mich mit Verbrechern herumgeschlagen habe.

Er trank das Glas in einem Zug aus und erhob sich.

»Danke.« Er konnte in diesem Moment einfach nichts sagen, sondern schüttelte Berlinger die Hand, nickte Beate zu und ging.

David hörte noch, wie der Notar ihm hinterher rief: »Alles Weitere geht Ihnen schriftlich zu. Auf Wiedersehn.«

 

 

Kapitel 9 - Rache

 

Vanessa studierte gebannt den Text auf ihrem Screen. Eigentlich hatte sie ja die Reportage über die Eröffnung der Fachmesse für Farben zu schreiben, aber sie konnte es einfach nicht sein lassen, David von Haage hinterherzuspionieren. Sie hatte herausgefunden, dass er in den Polizeiberichten als David Härtel geführt wurde. Wahrscheinlich, um seinen echten Namen zu schützen. Ob das ungewöhnlich war, vermochte sie nicht zu sagen. Sie konnte sich vorstellen, dass es Beamte gab, die undercover unter falschem Namen arbeiteten.

Ihr Handy klingelte. Vanessa sah auf das Display. Maureen, eine ihrer besten Freundinnen. Sie nahm das Gespräch an.

»Hello Sweetheart! Ich muss dich doch mal kurz anrufen.« Maureen hatte ihren amerikanischen Akzent trotz der vielen Jahre in Deutschland nie verloren.

»Hey Maureen. Schön dich zu hören.« Vanessa freute sich wirklich. Maureen war ihr eine der Liebsten, auch wenn sie sich nicht so oft sahen. »Ich hab da was gehört. Ich dachte es interessiert dich. Es geht um diesen David.« Maureen machte eine bedeutsame Pause, während Vanessa ihr Smartphone angespannt umklammerte.

»Was? Was hast du erfahren?« Sie hielt es kaum aus.

»Na ja, du weißt doch, dass ich im Schloss Pasch restauriere. Und, jetzt halte dich fest, Klaus von Haage ist gestorben und geerbt hat es ... na?«

»David«, antwortete Vanessa wie aus der Pistole geschossen. Ihre Gedanken rotierten. War das die Chance, um an ihn heranzukommen?

»Sag mal, Maureen, brauchst du nicht durch Zufall eine fähige Mitarbeiterin.«

Die Freundin lauschte gespannt, und Vanessa spürte sie durch das Telefon grinsen.

»Die kostet auch nichts. Na okay, sagen wir gelegentlich eine Tasse Kaffee und ein Croissant.«

»Du willst dem Kerl wirklich immer noch an die Kehle?«, fragte Maureen.

Vanessa hielt inne. »Du sagst das so, als hätte ich vor ihm eine Keule über den Schädel zu ziehen. Oh no, Sugar. I am much too ingenious for that. Er wird ganz andere Höllenqualen erleiden.«

Maureen lachte trocken.

»Na gut. Du hast den Job. Das wird spannend.« Sie kicherte leise. »Du kannst jederzeit anfangen. Der Erbe kommt bestimmt in Kürze zur Besichtigung. Ich werde den Architekten mal fragen, ob es dafür einen Termin gibt. Will ja nicht, dass du zwei Wochen ackerst und vergeblich auf ihn lauerst.«

Vanessa war begeistert. »Du bist sowas von genial, Honey. Ich hab ihn jetzt schon in der Tasche, das schwöre ich dir«, sagte sie siegessicher.

»Alright. Ich ruf an.« Maureen legte auf.

»Yes!« Vanessa warf ihr Handy auf ihren Schreibtisch, tänzelte durch ihr Wohnzimmer und wackelte dabei mit dem Po.

Ihr Feind hatte geerbt. Und zwar das zwischen Krefeld und Düsseldorf liegende Schloss Pasch. Sie war dort mal mit einem Freund spazieren gewesen. Es lag in einer Art grünen, bewaldeten Insel, rundum von Autobahnen begrenzt. Ein freundlicher Anwohner, mit dem sie damals ins Gespräch gekommen waren, hatte ihnen erzählt, dass das Schloss mit seinen über einhundert Zimmern im Jahr 1311 zum ersten Mal erwähnt worden war. 1583 während des Truchsessischen Krieges war es abgebrannt, wurde aber wieder neu aufgebaut. Ein historisches Gebäude. Von Haage hatte nie darin gewohnt. Als sie dort herumspazierte, war es in der Renovierung gewesen. Eigentumswohnungen, wie es hieß. Wie reich musste ein Mensch sein, um sich ein Schloss leisten zu können? Sie hatte nie etwas über die Höhe von Davids Vermögen herausgefunden. Ja, er bezuschusste Daniela, obwohl er dazu nicht verpflichtet war. Wie sie fand, zeigte das sein schlechtes Gewissen, das Leben ihrer Schwester zerstört zu haben.

Seit Jahren ärgerte sie sich, dass sie so wenig über David wusste. Wie gerne hätte sie ihm heimgezahlt, was er getan hatte. Aber er war schlichtweg unantastbar. Ob er noch in der Szene unterwegs war? Nie hatte sie verstanden, wieso sich Daniela solchen Kerlen anvertraute. Sie selbst hätte sich niemals so aufopfernd in die Hände eines Mannes begeben und sich einfach so fallenlassen können. Man war dem Menschen ja dann völlig ausgeliefert. Vanessa schluckte im Gedanken daran, was so jemand einer willenlosen Frau antun konnte. Nein, sie war da anders. Sie wollte die Kontrolle. Auch beim Sex. Entschlossen ging sie zum Spiegel. Einen Pluspunkt hatte sie: Daniela hatte sie immer abgehalten, David persönlich zur Rede zu stellen. Er hatte sie nur ein Mal flüchtig im Krankenhaus gesehen und würde sich bestimmt nicht an sie erinnern können, zumal sie damals in ihrer blonden Phase gewesen war. Dazu kam, dass sie einen anderen Familiennamen trug als Daniela. Nein, er würde nicht wissen, wer sie war. Aber sie, sie erinnerte sich an den verantwortungslosen Schönling, der alles kaputt gemacht hatte. Sie hatte sogar ein Foto von ihm auf ihrem Desktop, damit sie nie vergaß, wem ihre Rache galt. Vielleicht sollte sie sich Locken in ihr auffälliges, rotes Haar machen. Als vermeintliche Restauratorin und Malerin konnte sie ihre enge, gestreifte Latzhose anziehen, dazu ein hautenges Top und einen neckischen Arbeitshut. Ein paar Farbkleckse dekorativ verteilt und voilà.

Vanessa grinste ihr Spiegelbild mit zusammengezogenen Brauen an, was sie älter aussehen ließ als achtundzwanzig. Nein, so war das nicht richtig. Sie musste lächeln. Das probte sie schon mal. Strahlend, witzig, aber ein wenig geheimnisvoll zurückhaltend. Mit der Masche würde sie so einen intelligenten, reichen Mann wie ihn einfangen. David, du arrogantes Arschloch, ich komme, dachte sie und lächelte zuckersüß.

 

 

Ob das klappt, was Vanessa vorhat?

Wird Davids Falle zuschnappen?

Ab heute gibt es Maison Luxure als Ebook und Taschenbuch exklusiv bei Amazon zu kaufen.

 

Schau doch mal rein bei:

http://amzn.to/2nxHK10

 

Ich wünsche dir viel Vergnügen!

 

Deine Pat

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.03.2017

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /