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Final War Kapitel 1-11

Was in Band 1-8 geschah:

Die Duocarns: Solutosan, Xanmeran, Tervenarius, Patallia und Meodern.

Solutosan heiratet zwei Mal, zeugt Halia und Marina. Halia stirbt nach einem langen Leben. Marina lebt im Südmeer von Sublimar.

Der Sternenkrieger bindet sich später fest an den Energetiker Ulquiorra. Beide wandern zwischen den Welten. Ein von ihnen bevölkerter Planet heißt Renovamion.

 

Xanmeran stirbt und überlässt seinen Körper seinem Sohn Ulquiorra. Danach zählt Ulquiorra zu den Duocarns.

 

Tervenarius heiratet nach 120 Jahren Gemeinsamkeit seinen Geliebten David, der nun ebenfalls zu den Duocarns gezählt wird. Terv erforscht die Vergangenheit seines Volkes, die Caverner. Er und David pendeln zwischen der Erde, Sublimar und Duonalia.

 

Der Mediziner Patallia bindet sich stark an seinen Partner Smu, bis dieser stirbt. Inzwischen verbindet ihn eine Freundschaft mit Nice, dem Computer-Freak aus Vancouver. Nice ist bei einem Attentat schwer verletzt worden. Patallia beschließt, ihm zu helfen.

 

Meodern, der mit Trianora auf Duonalia eine Familie gegründet hat, arbeitet nun dort für den Duonat. Meo hat einen Sohn, Cesare, und eine Tochter, Aurora.

 

Die jetzigen Duocarns: Solutosan, Ulquiorra, Tervenarius, David, Meodern und Patallia.

 

Was in Band 9 geschah:

2140. Die Erde ist völlig marode und wird von Großkonzernen beherrscht.

Der Bruder von Tervenarius, Areus, der dem Magier Luthard von Stein dient, hat die kanadischen Kältekranken mit einem Zauber infiziert, der ihr Leben verlängert und sie zu Schläfern macht. In Luthards Auftrag spionierte er seinen Bruder aus, begegnet David, gaukelt ihm vor, Tervenarius zu sein, und schläft mit ihm. Nach getaner Tat kehrt er mit seinem Diener Aspax nach Peru zurück.

David und Tervenarius reisten mit Tervs Söhnen Ghibran und Dandylonim Zuge ihrer Bemühungen, die Bolataren zu finden, ins Amazonasgebiet. Bei ihren Nachforschungen gerät Dandylon zu nah an das Versteck von Areus und fällt ins Koma.

Nice und Patallia schmieden Pläne, sich ein Leben auf Duonalia einzurichten, glücklich, dass Nice endlich schmerzfrei und geheilt ist. Bei einer Besichtigung erlebt Nice die Zerstörung des Sternentores mit, was weitreichende Folgen für ihn hat.

 

 

 

Duocarns – Final War

von Pat McCraw

 

 

Kapitel 1 - Tervenarius

 

 

Wie von Teufeln gehetzt und ohne einen der freundlich lächelnden Caverner zu beachten, war Terv in die Höhle des Gelehrten gehastet. Aufgewühlt ließ er sich auf den Stuhl vor dem mit Folianten bedeckten Schreibtisch sinken. Ihm war auf die Schnelle kein anderer Zufluchtsort eingefallen, an dem er ungestört nachdenken konnte.

Ulquiorra, der ihn nach Sublimar transportiert hatte, war nach einem mitfühlenden Blick auf sein Gesicht sofort wieder verschwunden.

Das vertraute, warme Höhlensystem umhüllte Terv, doch das Gefühl in seiner Heimat zu sein, beruhigte ihn nicht. Verzweifelt stützte er den Kopf in die Hände. Er musste sich zwingen, seine sich überstürzenden Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken. Sein gequältes Herz pochte bis zum Hals, unterdrückte Wut kochte in ihm, Zorn, den er auf keinen Fall hatte an David auslassen wollen.

Es hielt Terv nicht mehr auf dem Sitz und er begann, ruhelos in der Höhle auf und ab zu laufen. Wie konnte das alles sein? David log nicht. Nein, er belog ihn nie. Was war geschehen? Die Idee, dass ihn jemand geklont hatte, verwarf er sofort. Wer besaß seine einzigartigen Fähigkeiten? Es gab nur eine Möglichkeit: Sein Bruder war aufgetaucht. Der, den er für tot oder verschollen gehalten hatte.

Wütend ballte Tervenarius im Laufen die Fäuste. Er hätte gegen die felsigen Wände schlagen mögen. Sein Bruder hatte eine fabelhafte Art gewählt, sich nach ein paar Jahrhunderten Abwesenheit bei ihm vorzustellen: Erst einmal seinen Mann zu vögeln ... Bei diesem Gedanken spürte er erneut den Hass sein Rückgrat hochklettern. Stop, befahl er sich. Laut Davids Aussage hatte sein Bruder sich zunächst verweigert. Wenn sie sich jedoch wirklich so ähnlich waren, wie sein Schatz behauptete, dann war dieser in Davids Duftfalle gelaufen.

Natürlich, er hielt inne, es konnte nur sein Bruder gewesen sein. Man hatte die Bolatarin Diva nach Sublimar gebracht und im Gegenzug seinen cavernischen Zwillingsbruder auf die Erde. Diva hatte die lange Zeit schlafend in der Bruthöhle überlebt. Ob es seinem Bruder ähnlich ergangen war? Nur so konnte es sein.

Nun gut. Allmählich beruhigte er sich. Um überhaupt an David heranzukommen, hatte man ihn offensichtlich ausspioniert. Sein Bruder musste über seine Lebensumstände Bescheid gewusst haben. War er zu nachlässig gewesen? Er lehnte sich gegen den Schreibtisch. Innerhalb der Wohnräume gab es keine Kameras. Er hasste diese Art von Kontrolle. Also konnten nur irgendwo Wanzen sein. Je länger er darüber nachdachte, umso sicherer wurde er sich, dass ihr Haus in Vancouver verwanzt war.

Was zum Teufel tat er dann auf Sublimar, statt diese Angelegenheit vor Ort zu regeln? Du bist getürmt, sagte er sich, um keinen unbedachten Fehler zu machen. Er kannte sich und seinen Jähzorn. In Gedanken blätterte Terv in den auf dem Tisch liegenden Dokumenten. Hatte er sich beruhigt? Ja. David würde sich zudem Sorgen machen, weil er einfach ohne ein Wort verschwunden war.

Kurz entschlossen drückte er auf den Ring in seiner Brust.

 

Als das Portal sich in der Mitte der Höhle öffnete, trat nicht Ulquiorra, sondern Solutosan daraus hervor. Terv sah seinen alten Freund und stöhnte erleichtert. Er benötigte Rat und der Duocarn war eigentlich genau der Mann, den er in diesem Moment brauchte.

»Was ist denn das für eine Begrüßung?« Solutosan blinzelte. Er benutzte, wie immer wenn sie unter sich waren, Telepathie. »Ich habe mitbekommen, dass Ulquiorra dich eben erst hierher gebracht hat. Probleme mit David?«

Terv ließ sich ächzend auf einen der steinernen Sitze fallen. »Wie weit bist du über die Gepflogenheiten der Caverner informiert?«, fragte er.

»Darüber weiß ich so gut wie nichts.«

Solutosan kam zu ihm und setzte sich auf den mit Flechten gepolsterten Stuhl auf der anderen Seite des Tisches, legte die starken, goldenen Unterarme auf die Tischplatte und sah ihn erwartungsvoll an.

Terv konzentrierte sich, um nicht zu weit auszuholen. »Ein cavernisches sowie ein bolatarisches Königspaar bekommt zwei Kinder, die meistens gleichgeschlechtlich sind. Um die Genetik zu erhalten, müssen die bolatarischen Nachkommen mit den Cavernern ausgetauscht werden. Beide Völker sind jedoch seit über tausend Jahren auf verschiedenen Planeten. Die Caverner sind auf Sublimar und die Bolataren werden auf der Erde vermutet. Die Aurifex, die zwischen den Welten reisen können, haben diesen Austausch der Nachkommen vorgenommen. Der letzte Tausch fand, soweit ich recherchieren konnte, im Erdenjahr 500 bis 700 statt. Die Bolatarin Diva, die du ja kennst, hat die lange Zeit in einer Bruthöhle auf Sublimar überdauert. Ich bin von Sublimar nach Duonalia entführt worden, bevor der Austausch stattfand. Das alles vermute ich zumindest.«

Solutosan hatte ihm aufmerksam zugehört. »Du hast anfangs gesagt, dass es immer zwei Kinder sind. Was ist aus den beiden anderen geworden?«

»Tja, das ist das Problem, mein Freund.« Terv spielte mit den auf dem Tisch liegenden Papieren, blätterte mit dem Daumen nervös an deren Ecken. »Niemand weiß es. Deshalb sind David und ich auf der Erde gewesen, um nach den Bolataren zu forschen. Die Spur führte nach Peru. Wir sind vielleicht sogar etwas Mystischem zu nahe gekommen, denn Dan krabbelte in ein Bergloch bei der Festung Kualep und liegt seitdem im Koma. David hat versucht, das Phänomen zu erforschen, bloß mit unseren Mitteln war es sinnlos. Er hat lediglich bemerkt, dass dort eine starke, gefährliche Kraft herrscht, und hat sich daraufhin sofort zurückgezogen. Hat das Ganze mit dem Verschwinden der Bolataren zu tun? Man weiß es nicht.«

»Interessant. Soll ich mir das einmal ansehen?«

Terv musterte den nackten, mächtigen Sternenkrieger. Wenn überhaupt jemand gefahrlos dieser Erscheinung auf den Grund gehen konnte, war er es.

»Ja, obwohl es momentan Wichtigeres gibt. Ich glaube, dass mein Bruder auf der Erde verblieben ist und überlebt hat.«

»Was?« Solutosan riss die Augen auf. »Wie kommst du darauf?«

Terv wand sich innerlich. Er vertraute Solutosan völlig, aber wenn es um intime Dinge ging, übten sie beide eher Zurückhaltung.

»Jemand kam in mein Haus auf der Erde, der genau so aussah wie ich, und auch meine Fähigkeiten besaß, und hat mit David geschlafen.«

Jetzt war es heraus.

Dieses Geständnis machte Solutosan sprachlos.

»Das ist nicht dein Ernst.« Er war völlig verblüfft.

»Doch. Und das kann nur mein Bruder gewesen sein, der mich ausspioniert hat, denn er ist als Einziger fähig, meine Genetik zu reproduzieren, um das Alarmsystem unseres Hauses zu überwinden.«

»Aber dann muss der Mann ja ebenfalls über 1300 Jahre alt sein. Ist er unsterblich?«

»Ich weiß das alles nicht.« Tervenarius sah ihn verzweifelt an. »Wie sollte er nach Duonalia zum Sternentor gekommen sein?«

Nachdenklich strich Solutosan mit gespreizten Fingern sein langes Haar zurück. »Und er kommt allen Ernstes in dein Haus und ... Ich fass es nicht. Und David?«

»Solutosan, ich bin ratlos. David fühlt sich beschissen. Anders kann man es nicht mehr bezeichnen.«

»Ich überlege, was ich tun könnte.« Solutosan sah ihn mit seinen Sternenaugen an.

»Ich wünschte, ich wüsste, was in meines Bruders Kopf vorgeht. Will er mir schaden? Oder hat er vor, sich David noch einmal zu nähern?«

»Das musst du auf jeden Fall verhindern«, grollte Solutosan.

»Du siehst die Zwickmühle, in der ich mich befinde? Auf der einen Seite will ich meinen Bruder erwischen und zur Rede stellen, aber ich will David nicht als Lockvogel für ihn benutzen. Ich würde ihn gern nach Duonalia bringen, und Dan ebenfalls. Patallia hat jedoch von einem Transport durch die Anomalie in seinem Zustand abgeraten.«

»Hm. Er liegt im Wachkoma, sagst du? Was soll passieren? Im Grunde kann ich das nicht verschlimmern. Im Gegenteil. Eventuell macht ihn die Transformation wieder wach. Durch die Verwandlung in Energie verändere ich ja nichts. Er bleibt, wie er ist.«

»Du meinst also, wir sollten es riskieren? Ich hätte Dandylon gern in Patallias Nähe.«

»Das kann ich verstehen.« Solutosan rieb sich das Kinn. »Und was die Caverner angeht – Magie, sagst du? Interessant. Und die Aurifex können ebenfalls in den Welten wandern? Das hört sich nach Verwandtschaft an. Ich werde mit Ulquiorra der Sache einmal nachgehen. Du weißt ja, er liebt ungelöste Rätsel.«

»Aber sprich bitte nicht darüber, was David passiert ist.« Tervenarius fühlte sich plötzlich erleichtert. Es war gut, mit Solutosan zu reden. Der war und blieb sein bester Freund.«

»Ist schon klar.« Solutosan erhob sich. »Dann bringe ich dich jetzt zurück. Macht den Kleinen für den Transport fertig. Wenn du willst, bereite ich Meo und Patallia auf eure Ankunft vor.«

»Ja, gute Idee.« Terv stand ebenfalls auf. Nun war ihm klar, was zu tun war. Er musste mit David reden, und zwar dringend.

 

 

 

Kapitel 2 - Tervenarius

 

 

 

 

»Oh Gott, Terv. Wo warst du?« David sprang auf, als er ins Wohnzimmer ihres Hauses in Vancouver trat. Es war früher Abend und David hatte ein Feuer im Kamin entzündet, das den Raum in ein orangefarbenes, flackerndes Licht tauchte. Das bleiche Gesicht seines Geliebten, der ganz in Schwarz gekleidet vor dem Sofa stand, wirkte maskenhaft und beunruhigt. David wollte auf ihn zugehen, blieb aber wie angewurzelt stehen, als wage er nicht, sich Terv zu nähern. Ja, da war definitiv etwas zwischen ihnen. Er musste es aus der Welt schaffen.

»Wie lange war ich denn weg?« Tervenarius war mit ein paar Schritten bei ihm und packte seine Hände. Sie fühlten sich eiskalt an, und instinktiv umschloss er sie, um sie zu wärmen.

»Drei Tage.«

»Verdammt. Ich habe nicht an die unterschiedliche Zeit gedacht. Entschuldige. Ich war auf Sublimar in meiner Höhle. Ich hätte Bescheid sagen sollen. Aber du kennst meinen Jähzorn. Ich musste erst einmal meine Gedanken sammeln, um nichts Unüberlegtes zu tun. Außerdem habe ich mit Solutosan gesprochen.«

David sah ihn mit großen Augen an. »Jähzorn? Ich erinnere mich an ein rotes Samtkissen«, sagte er leise.

Terv schluckte trocken. Die Kastration des Widerlings, der seinem Schatz Gewalt angetan hatte. Das Erlebnis war Jahre her und er hatte es fast vergessen.

»Hier liegen andere Gegebenheiten vor, aber ...«, er sah David eindringlich in seine klaren Augen, »lass uns kurz in den Garten gehen.«

»Jetzt?«

Terv nickte.

Verständnis flackerte in Davids Miene auf. »Gute Idee. Ich wollte sowieso noch etwas Luft schnappen. Warte, ich hole unsere Jacken.«

Nachdenklich sah Terv ihm nach, als er in den Flur verschwand. Sie verstanden sich auch ohne viele Worte. David war offensichtlich zum gleichen Schluss gekommen wie er und fühlte sich in dem Haus nicht mehr sicher. Sie würden zukünftig innerhalb dieser Mauern keine wichtigen Dinge besprechen.

Dankbar nahm er seine Jacke von David entgegen und zog sie an. Er holte sein Handy vom Wohnzimmertisch und schob es in die Jackentasche. Für seinen Trip nach Sublimar hatten ein Sweatshirt und eine Hose gereicht. Hier, in Vancouver, pfiff ein eisiger Herbstwind und wehte ihnen beim ersten Schritt in den Garten raschelnde Blätter vor die Füße.

Sofort flankierten sie die vier Robothunde und begleiteten sie auf ihrem Spaziergang. Die Wächter besaßen starke Lichter in ihrer breiten Brust, mit denen sie ihren Weg erhellten.

David und er folgten dem gepflasterten Pfad vom Haus weg und Terv neigte sich zu ihm. »Du fühlst dich offensichtlich auch nicht mehr sicher. Man hat uns ausspioniert und wir müssen das dringend überprüfen lassen.«

»Ich habe Mike Bescheid gesagt«, antwortete David leise. »Er kommt morgen. Wenn jemand versteckte Wanzen findet, dann er.«

»Gut.«

»Es war mein Bruder«, brach es aus Terv heraus. »Es kann nur so sein.«

»Du glaubst mir also?«

»Natürlich, David. Nur jemand, der meine Fähigkeiten hat, konnte dich so täuschen. Ich nehme an, dass er auf der Erde überlebt hat, nachdem man ihn im Austausch von Diva hierher gebracht hat.« Er schluckte, um seinen Ärger zu unterdrücken. »Wenn ich ihn in die Finger kriege. Hätte er nicht einfach anrufen können? Nein, er spioniert mich aus, marschiert hier rein und fickt meinen Mann.« Er hatte während des Sprechens seine Stimme erhoben und korrigierte sich. »Entschuldige. Ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich das verdaut habe.«

»Er konnte nichts dafür.« David blickte ihn fest an. »Ich will ihn nicht verteidigen, aber ich habe ihn wirklich überrumpelt.«

»Hör zu.« Terv packte ihn an den Schultern und drehte ihn zu sich. »Sein Eindringen in unser Haus war wohlüberlegt. Er muss irgendwie an meinen genetischen Code gelangt sein und hat sich so in das Sicherheitssystem eingeschlichen. Ob er auch geplant hatte, einen Keil in unsere Beziehung zu treiben, mag jetzt dahingestellt sein.«

Davids Gesicht rührte ihn, als der trocken schluckte. »Keil? Hat er das denn geschafft?«

Nun konnte Terv nicht mehr an sich halten und riss David an sich. »Nein. Das hat er nicht. Wir lassen es nicht zu. Ich werde meine Eifersucht in den Griff bekommen.« Er strich über Davids weiches Haar. Auf einmal spürte er den eisigen Wind, der versuchte, in sämtliche Ritzen ihrer Kleidung zu dringen. Er hob den Blick und sah in die Berge, die sie umringten. Die schneebedeckten Gipfel schimmerten in der Dunkelheit.

Er kam an seinen Bruder nicht heran. Der war längst verschwunden und sein Zorn lief ins Leere. Aber – er streichelte David weiter – wenn sein Bruder Blut geleckt hatte, was seinen Mann anging, würde er vielleicht wiederkommen.

Als hätte David die gleichen Gedanken gehabt, sagte er: »Wie erkenne ich dich? Ich habe nun ständig Angst, dass er mich noch einmal täuschen kann. Er hat sogar ... Terv, er hat mich Mimiran genannt.«

Tervenarius hielt inne. Das war ein Beweis, dass sie ausspioniert worden sein mussten. Niemals hatte er im Beisein Dritter diesen Kosenamen verwendet. Diese Erkenntnis ließ ihn die Zähne zusammenbeißen.

»Ich werde meinen Geruch nun nicht mehr ändern. Du wirst mich immer an dem Duft von Marzipan und Veilchen erkennen, wie du es nennst. Hattest du nicht seinen Geruch beklagt?«

David nickte. »Terv, ich fühle mich auf der Erde nicht mehr sicher.«

»Ich weiß. Wir müssen hier weg.«

»Und Dan?«

»Solutosan ist überzeugt, dass ihm auf dem Transport nichts passieren wird. Wir sollten ihm vertrauen. Patallia ist vielleicht zu übervorsichtig. Du bist auf der Erde nachweislich in Gefahr. Gleichgültig, ob ein Spezialist für Wanzen unser Haus überprüft. Ich kann mein Aussehen verändern. Das wird er ebenfalls beherrschen und du wirst nie wissen, wen du wirklich vor dir hast. Du kannst keinem Menschen mehr trauen.«

In diesem Moment klingelte sein Handy.

»Moment, David.« Er zog es hervor und sah auf das Display.

»Martin«, sagte er lautlos zu David.

Der nickte. »Ich fange an zu packen.«

Terv sah seinem Schatz hinterher, als dieser ins Haus zurückging.

»Hallo?«

»Entschuldige die späte Störung.« Terv hörte die unterdrückte Aufregung in Martins Stimme. Der Geschäftsführer von Allglobalmeds war normalerweise ein kühler, unaufgeregter Mann.

»Wir haben ein Problem mit dem Dolfigrin. Es wirkt.«

Das verblüffte Terv nun doch. »Natürlich wirkt es. Sonst würden wir es ja nicht so gut umsetzen.«

»Nein, du verstehst nicht. Die Menschen, die es nehmen, frieren nicht mehr. Ich habe verschiedene Chargen untersuchen lassen. In einer war eine Substanz ... Ich würde sagen, es ist eine Art fungide Masse.«

»Martin, das ist doch nicht außergewöhnlich. Fast alle unsere Medikamente enthalten solche Stoffe. Das macht sie ja so erfolgreich.«

»Du verstehst nicht. Das ist eine unbekannte Substanz, die wir bisher nie verwendet haben. Du musst kommen, und es dir selbst ansehen.«

Verunreinigte Medikamente. Er wollte weg und das kam ihm überhaupt nicht recht. »Gibt es noch Reste der Charge?«

»Nein. Ist alles verarbeitet und ausgeliefert. Aber ich konnte Kapseln auftreiben. Komm bitte morgen früh ins Labor.«

»Gut, ich bin dann da.«

Das konnte doch alles nicht wahr sein. Ein fremdartiger Pilz? Ihm schwante, wer damit zu tun hatte. Aber dafür musste er die Sache untersuchen. Solange bemühte er sich, nicht allzu sehr beunruhigt zu sein.

»Was war los?« David kam in den Garten zurück und sie gingen gemeinsam ins Haus. Terv legte den Arm um Davids Schultern, aus dem instinktiven Wunsch heraus, ihn zu beschützen.

»Martin sagt, dass eine Charge des Dolfigrins verunreinigt ist. Das sind Millionen Dosen, die nun bereits weltweit ausgeliefert wurden. Das Verrückte an der Sache ist, dass es den Kältepatienten damit besser geht. Sie frieren nicht mehr.«

»Das ist doch gut, oder?«

Terv blieb vor der großen Glastür der Terrasse stehen. Er wollte im Haus nicht mehr über wichtige Dinge sprechen. »Jemand hat unsere Sicherheitssperren überwunden und die Charge ist mit einer unbekannten, fungiden Substanz versetzt worden.«

»Was?« David wandte sich ihm abrupt zu. »Das kommt mir aber sehr bekannt vor. Kann es sein, dass ...?«

»Ja.« Terv nickte und fuhr sich durchs Haar. »Mein Bruder.« Er öffnete die Tür, die Robothunde blieben zurück. »Wir können hier nicht reden, David. Am Besten schaue ich mir die Sache morgen erst einmal an. Dann sehen wir weiter.«

Er sah auf Davids zusammengekniffene Lippen und wusste, was sein Schatz dachte: Es konnte nicht angehen, dass sie in ihrem eigenen Heim nicht mehr sicher waren.

 

 

 

Kapitel 3 - David

 

Sie hatten eine zärtliche, wenn auch stumme Nacht hinter sich. Sie wollten nicht mehr sprechen und wie schon so oft bedauerte David, nicht der Telepathie mächtig zu sein. Aber er und Terv verstanden sich auch so.

Da er nicht wusste, was auf Duonalia an medizinischer Versorgung möglich war, hatte er viele Dinge eingepackt, die Dan für seine künstliche Ernährung benötigte, auch Handtücher, Bettwäsche und einiges mehr. Allerdings ahnte er bereits, dass die Energetiker mit einem Blick auf das Gepäck einen Lachanfall bekommen würden.

»Vielleicht habe ich zu viel eingepackt, Terv.« David rutschte von hinten an seinen nackten Schatz und schlang die Arme um ihn. Die Dämmerung drang in ihr Schlafzimmer. David hob den Kopf, um auf die Uhr zu schauen: acht Uhr. Es war einer der Tage, an denen es einfach nicht hell werden wollte.

Terv knurrte verschlafen. Er nahm Davids Hand und legte sie auf seinen Schwanz.

»Meinst du, wir werden auch optisch überwacht?«

Das machte Tervenarius wach. »Verdammt, ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was das Ganze soll.«

David zog die Hand zurück. Es war jetzt nicht die Zeit für Sex. Terv war sauer und er konnte es ihm nicht verübeln. Der schob sich aus dem Bett, angelte nach seinen Kleidern. Mit grimmigem Gesicht begann er sich anzuziehen.

»Du hast recht.« David seufzte und schlug die Bettdecke zurück.

»Ich mache mich auf den Weg. Werde Solutosan nicht im Haus rufen.«

Terv setze sich auf die Bettkante und hielt mit einer Socke in der Hand inne. »Ich komm so schnell wie möglich nach, okay? Schaffst du das alleine? Solutosan hat euch angekündigt.«

»Ja. Geh du in die Firma. Das ist ebenfalls wichtig.« David wollte an Terv vorbei ins Bad gehen, doch der hielt ihn an der Hand fest, stand auf und schloss ihn in die Arme.

Sofort fühlte sich David geborgen und erwiderte den liebevollen Kuss. Er versank für einen Moment in dem Duft von Marzipan und Veilchen.

»Lass uns verschwinden.«

»Ja.« David nickte.

 

 

Kapitel 4 - David

 

David sah dem Elektroauto mit Terv hinterher, der zu Allglobalmeds fuhr, um diese leidige Sache zu klären. Dann blickte er sich in dem kargen, verregneten Garten um. Nein, er würde die Erde garantiert nicht vermissen. Entschlossen drückte er auf den Ring seiner Brust und wartete, bis das Portal sich öffnete und Solutosan hervortrat.

»Alles bereit?«

David wunderte sich, denn Solutosan wirkte besorgt.

»Ist irgendetwas passiert?«, fragte er intuitiv.

»Das erzähle ich dir, wenn wir da sind. Ich gehe jetzt erst einmal den Kleinen holen. Patallia weiß Bescheid.« Er schloss das rotierende Tor.

Schon wieder Ärger? Was konnte da los sein? Aber David wagte nicht weiter zu fragen, sondern begleitete Solutosan ins Haus zu Dandylons Bett. Der Knabe lag bleich und reglos. David hatte für den Transport die Magensonde entfernt.

Solutosan fackelte nicht lange, nahm das Kind mitsamt der Decke aus dem Bett und marschierte in den Garten. Noch im Laufen öffnete er das Tor und trat mit dem Kind hindurch, wofür David im dankbar war, denn der Himmel war grau und es nieselte. Nachdem Solutosan verschwunden war, eilte David ins Haus, um das Gepäck zu holen. Dann ging er zurück und stellte die Alarmanlage scharf. Ob er wohl jemals auf die Erde zurückkehren würde? Er zog den Reißverschluss seines Anoraks zu und wartete auf Solutosan. Sie mussten sich auf Duonalia ein Haus suchen und das Kind gut unterbringen. Hoffentlich war bei dem Transport alles gut gegangen.

Unruhig lief er im Garten auf und ab, schubste mit dem Fuß trockene Blätter von dem dürren Rasen hoch.

Erleichtert atmete er auf, als Solutosan erneut erschien.

»Ist alles okay? Ist der Kleine in Ordnung?«

»Ja, keine Sorge. Ich habe ihn in Meoderns Haus gebracht. Dort ist momentan am meisten Platz. Patallia hat euch ein Haus organisiert, das direkt neben seinem liegt. Er hat irgendetwas von einem Wanddurchbruch erzählt. Ich habe ehrlich gesagt nicht ganz verstanden, was er vorhat. Aber komm erst mal mit.« Zweifelnd blickte er auf die drei Koffer. »Bist du sicher, dass du das alles mitnehmen willst? Du weißt, Duonalia ist kein Notstandsgebiet.« Er grinste.

»Man weiß nie.« David hatte nicht vor die Sachen zu reduzieren. Da war er bockig.

Solutosan nahm es mit Humor.

»Dann mache ich dafür wohl besser eine Extratour. Komm her.«

David gehorchte, trat hinter den Energetiker, legte seine Hände auf dessen Schultern und gemeinsam schritten sie ins Tor. Schon so oft war er in der tiefgründigen, pechschwarzen Anomalie gereist, nur mit dem goldglänzenden Solutosan als einzige Lichtquelle. Dabei gingen das Gefühl für Zeit und Raum völlig verloren. Des Energetikers starke Schultern bildeten den Fixpunkt, an den David sich klammerte. Er hatte erlebt, was es hieß, während des Transports den Sternenwanderer loszulassen. Tervenarius hatte es vor Jahren getan und war verschollen gewesen.

Nein, er musste nach Duonalia, hielt Solutosan fest und trat mit ihm gemeinsam auf den Innenhof von Meoderns Haus. Zu seinem großen Erstaunen waren alle seine Freunde dort versammelt.

»Hoppla, das ist aber eine tolle Begrüßung.« David strahlte, jedoch wurde sein Lächeln nicht erwidert. Besorgnis sprach aus allen Gesichtern.

»Was ist los?«

Patallia fasste sich als Erster, kam auf ihn zu und umarmte ihn.

»Das Sternentor ist zerstört worden. Und es hat Nice mit weggerissen.«

David sah sich fassungslos um. Meodern war da, sein Sohn Cesare, seine Tochter Aurora, seine Frau Trianora sowie Patallia. Nice fehlte.

»Na ja, so ganz weg bin ich ja nicht«, sagte eine Stimme neben David, der vor Schreck zusammenfuhr.

»Nice?« David dachte, er habe sich verhört.

»Erschreck dich nicht. Mich hat’s erwischt. Das Sternentor hat mich wohl am Leben gelassen, aber man kann mich nicht mehr sehen.«

Das war die Stimme von Nice, eindeutig.

David tastete in die Richtung, aus der die Stimme kam, und bekam eine Hand zu greifen.

»Ich weiß, ich bin ein verdammter Exot und bei mir klappt nie irgendwas.«

An die Hand geklammert sah David Patallia verzweifelt an. »Und ist er jetzt auch unsterblich?«

»Das wissen wir nicht. Nice hatte während des Angriffs Visionen. Er sah so etwas wie schwarze Schatten, aber es ist nicht klar, ob es eine Täuschung war, oder es sich dabei um die Zerstörer handelte.«

»Das war verdammt unheimlich, David, das kannst du mir glauben«, erklärte Nice neben ihm. »Alles hatte so gut geklappt, Arm und Gesicht waren bestens in Ordnung. Ich mache meinem Namen nun wieder alle Ehre. Und nun das.«

Das musste David erst einmal verdauen. Er ließ Nice’ Hand nicht los und zog ihn zu der freien geflochtenen Sitzbank neben Trianora. Das Antlitz faltig und ruhig, das lange Haar schlohweiß, saß sie in einem blütenweißen Dona-Gewand und schien zu schlafen. Sie war sehr alt geworden.

»Los, setz dich hin, damit ich weiß, wo du bist.«

Er sah, wie sich das Kissen neben ihm eindrückte. Der Freund saß nun wirklich an seiner Seite.

David wusste nicht, was er sagen sollte und sah an den Gesichtern der Anwesenden, dass es ihnen ebenso erging.

Solutosan hatte kurz vor seinem Tor verharrt, nickte in die Runde und verschwand in der Anomalie. Wahrscheinlich wollte er nun Davids Gepäck holen.

»Aber es muss doch eine Möglichkeit geben ihm zu helfen«, sagte David. Da hatte er eine Idee. Vielleicht konnte er etwas tun.

In diesem Moment erschien das rotierende Tor, Solutosan kam mit dem Gepäck hervor und stellte es ab.

»Bleib da sitzen«, befahl David Nice, ging zu einem der Koffer, überlegte kurz und öffnete ihn. Darin hatte er seinen Kulturbeutel, der Make-up enthielt. Das nahm er mit zu der Bank und tastete nach Nice, fand seinen Kopf, holte etwas Make-up aus der Tube und begann, es auf seine Gesichtshaut aufzutragen. Nach und nach kam das Gesicht des Freundes zum Vorschein. David bedeckte auch den Hals, berührte seine Brust und bemerkte, dass Nice nackt war.

»Ich habe auf Klamotten verzichtet, denn ich fand es unzumutbar, wenn sie ohne Kopf herumgelaufen wären. Wieso sind wir nicht auf die Idee mit dem Make-up gekommen?« Nice richtete diese Frage an Patallia, der die Achseln zuckte.

Die anderen hatten sich staunend genähert.

»Moment mal, das geht noch besser.« David ging erneut, um Kontaktlinsen zu holen, die Tervenarius gelegentlich auf der Erde trug.

»Versuch die mal einzusetzen.« Er tastete und gab sie Nice in die Hand. Das Kästchen öffnete sich, dann schwebten die braunen Linsen zu seinem Gesicht.

»Jetzt fehlt dir eigentlich nur noch etwas zum Anziehen und eine Perücke, danach bist du wieder perfekt.«

Nice lachte laut mit seinem lippenlosen Mund, was unheimlich aussah, aber gleichzeitig so lustig, dass alle anderen in sein Lachen einstimmten.

In diesem Moment fiel David siedend heiß Dandylon ein. Der Schreck über die Sache mit dem Sternentor hatte ihn den Kleinen vergessen lassen.

»Wo ist Dan?«

Patallia, der dabei war, Nice’ Hände mit dem Make-up sichtbar zu machen, hob den Kopf. »Keine Sorge, ich habe ihn zu den Prothesenmachern gebracht. Dort ist er gut versorgt.«

Er sah Davids Blick. »Nein, er ist unverändert.«

Aurora war aufgestanden, ins Haus gegangen und kam nun mit einem Tablett voll mit Donamilch gefüllter Becher zurück. Sie besaß die feine Schönheit ihrer Mutter, war ebenfalls blond, hochgewachsen, schlank und feingliedrig. David nahm dankend eines der Getränke von ihr entgegen und trank einen großen Schluck. Er betrachtete Nice, der ein Gewand überzog, das Meo ihm reichte und sich dann mit beiden Händen das Gesicht rieb, um das Make-up auch auf den Lippen und Ohren zu verteilen. »Wenn ich mir die Haare komplett abrasiere, kann ich den Schädel ganz eincremen. Verdammt, schade, um die geile Frisur.«

»Du nimmst es mit Humor, das ist gut.« David stellte den Becher auf den Tisch mit der weißen Steinplatte. »Hat sich bei dir noch etwas verändert?« Er sah den Freund prüfend an. Die Prothesenmacher hatten sein Gesicht perfekt wiederhergestellt. Er sah toll aus.

»Nein. Pat hat mich untersucht, aber nichts gefunden. Und ob ich jetzt unsterblich bin, will ich lieber nicht ausprobieren.« Er grinste schief, und David lachte vor Erleichterung.

»Trotzdem haben wir das Problem, dass Duonalia angegriffen wurde.« Meo setzte sich zu ihnen und auch Solutosan nahm in der Runde Platz.

»Es war, als reiße der Himmel auf. Und dann kamen diese schwarzen Dinger durch«, erinnerte Nice sich. »Hunderte, wenn nicht tausende. Sie umkreisten das Tor, schneller und schneller, und plötzlich krachte es. Das Geräusch werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Es klang wie ein steinerner Schrei.« Nice fuhr sich durch sein unsichtbares Haar. »Das war unheimlich, das könnt ihr mir glauben. Und plötzlich war ich auf der Erde in meinem alten Schlafzimmer. Meine Ex war da, lag im Bett mit so einem schwarzen Ding. Ich brüllte noch, dass sie sich wehren sollte, aber da drehte das Teil sich um.« Er verstummte.

»Und dann?«, fragte David gespannt.

»Es hatte kein Gesicht. Nur so ein tiefschwarzes Saugmaul. Wie ein Höllenschlund. Das war echt wie aus dem schlimmsten Horrorfilm, den man sich vorstellen kann.« Er schwieg erschüttert.

In diesem Moment öffnete sich ein weiteres Tor im Innenhof und Ulquiorra trat daraus hervor. Er sah sich um und grüßte alle mit einem Nicken.

David betrachtete ihn, wie er ebenfalls nackt zu dem sitzenden Solutosan ging und ihm von hinten vertrauensvoll die Hand auf die Schulter legte. Die beiden bildeten einen wundervollen Kontrast. Ulquiorra, mit seiner schwarzen Haut, in der sich goldene Schlieren träge bewegten, glatzköpfig, riesig und muskulös. Im Gegensatz dazu Solutosan, ebenfalls stark, goldhäutig mit weißem, hüftlangem Haar. Die beiden schienen nach wie vor ein Paar zu sein, was ihn freute.

Wann Terv wohl kam? David hasste es, dass die Zeit sich auf der Erde, auf Duonalia und auf Sublimar völlig unterschiedlich bewegte.

Bis auf die schlafende Trianora und Nice, der eben dabei war, sein Haar mit Dona-Milch sichtbar zu machen, hielten alle ihre Becher in der Hand, tranken und sinnierten vor sich hin.

»Wir haben keinen Ansatzpunkt«, begann Solutosan. »Jemand, der fähig ist, das Sternentor zu zerstören, muss mächtiger sein, als alles, was wir bisher kennen. Die Einzigen, die uns vielleicht weiterhelfen könnten, sind die Alten, aber wo in den Galaxien sie stecken, ist unbekannt.«

Da fiel David etwas ein. »War es nicht so, dass dein Vater sich gelegentlich auf Sublimar im Südmeer bei den Sirenen aufgehalten hat? Es könnte ja sein, dass dort jemand weiß, wo sich die Alten niedergelassen haben. Und was mich persönlich besonders interessieren würde, ob die Alten die Aurifex sind.«

»Aurifex?«, fragte Ulquiorra interessiert.

David nickte. »Es muss bereits im Erdenjahr 500 Sternenwanderer gegeben haben, denn die Aurifex haben damals die Caverner von der Erde evakuiert und danach deren Abkömmlinge mit den bolatarischen Kindern getauscht. Sie sind folglich zwischen der Erde und Sublimar unterwegs gewesen.«

»Warum hat man die Caverner evakuiert?« Ulquiorra veranlasste Solutosan mit einem liebevollen Schubs ein Stück auf der Bank zu rutschen und setzte sich eng neben ihn.

»Soweit Terv und ich recherchiert haben, sind die Caverner niemand anderes gewesen als die Chachapoya, die zu dieser Zeit in Peru lebten. Es gab bei den Mayas einen Kampf um das vorhandene Gold, in das offensichtlich viele Faktoren spielten. Es muss etliche gierige Parteien gegeben haben. Die Aurifex haben damals die Caverner fortgebracht. Die Bolataren weigerten sich zu gehen und wurden ausgelöscht. Natürlich sind diese Informationen nur ein Teil des Puzzles, das wir dabei sind, zusammenzusetzen.«

Alle hatten interessiert zugehört.

»Wir waren auf der Erde, um Hinweise auf die Bolataren zu finden, aber es ist einfach schon zu lange her. Allerdings haben wir scheinbar jemanden aufgestöbert. Tervs Bruder ist aufgetaucht.« David schluckte. »Er hat uns in Vancouver besucht und ...«

»Moment«, unterbrach Solutosan ihn. »Terv ruft. Ich bin gleich wieder da.«

Er stand auf, öffnete ein Portal und war verschwunden.

»Wenn Terv jetzt noch kommt, sind die Duocarns wieder komplett.« Zum ersten Mal gab Meodern etwas von sich. »Ich habe das Gefühl, dass wir hier vor einem Problem stehen, das unsere gebündelten Kräfte erfordern wird.« Seine grünen Augen schimmerten kampflustig.

»Könnt ihr noch einen unsichtbaren Mann gebrauchen?« Nice grinste. Er sah grauenvoll aus mit dem verschmierten Make-up und den von Dona-Milch triefenden Haaren.

 

Kapitel 5 - Tervenarius

 

 

Während Tervenarius in einem ruhigen Raum im Hauptsitz von Allglobalmeds auf Solutosan wartete, ging er unruhig auf und ab. Er betrachtete zerstreut die bunten Kunstdrucke an den Wänden, die grau gepolsterten Sitzmöbel aus Edelstahl und den dezent gemusterten Teppich. Der Raum besaß keine Fenster.

Sein Bruder war in die Produktion eingedrungen, hatte sich wahrscheinlich als einer der Mitarbeiter getarnt, und eine ganze Charge mit einem Zusatz verunreinigt. Was genau es war, konnte selbst Terv nicht feststellen, da es sich um einen ihm unbekannten Pilz handelte. Was er allerdings darüber sagen konnte, war, dass dieser harmlos und hilfreich war.

Nachdenklich griff er in die Tasche seines schwarzen Anzugs und holte eine Handvoll heller Kapseln hervor. Wieso hatte er trotzdem das Gefühl, etwas Bedrohliches vor sich zu haben? Zum wiederholten Mal teilte er eine der Kapseln, streute das weiße Pulver auf die Glasplatte des runden Tisches und starrte es an.

Hinter ihm öffnete Solutosan ein Portal und trat daraus hervor. Er kam zum Tisch und betrachtete das Dolfigrin.

»Was ist das?«, fragte er misstrauisch.

»Ein Geschenk meines Bruders. Er ist in die Produktion eingedrungen und hat einen Zusatz in das Medikament gegen die Kälte, Dolfigrin, gemischt.«

»Was?«

Terv nickte. »Das Verrückte ist, dass er damit die Symptome der Kälte verbessert hat. Die Menschen frieren nicht mehr und sterben nicht so schnell.«

Erneut tupfte er den angefeuchteten Finger in das Pulver, legte es auf die Zunge und analysierte es zum zehnten Mal.

Er sah Solutosan an. »Ja, gleiches Ergebnis. Wir werden es künstlich herstellen und dauerhaft dem Dolfigrin beifügen.«

»Halt!« Solutosan ergriff seine Schulter und verhinderte, dass er sich von ihm wegdrehte. Der Energetiker besah ihn prüfend.

»Was ist los?«

»Deine Augen haben eben rot gefunkelt. Nur ganz kurz.«

»Rot? Bist du sicher?«

»Ja. Mit diesem Pulver stimmt etwas nicht. Wo vermutest du seinen Ursprung?«

Terv betrachtete die Kapseln in seiner Hand. »Mein Gefühl sagt mir, dass es ein ausgestorbener Pilz ist. Vielleicht etwas, das einmal im Dschungel existiert hat, wie zum Beispiel ...«, er stockte, »bei den Mayas.«

»Und müsste dein Bruder nicht genau so alt sein wie du?«

Tervenarius nickte.

»Wie konnte er hier auf der Erde so lange überleben?« Jetzt erst ließ Solutosan ihn los. Er machte sich Sorgen, das spürte Terv.

»Ich weiß es nicht. Diva hat so lange in einer Bruthöhle geschlafen, die sie konserviert hat. Und eigentlich müsste sie noch eine Schwester gehabt haben. Aber die ist verschwunden.«

»Wir müssen zurück und mit den anderen sprechen. Es ist Zeit, die Duocarns wieder zu vereinen.«

Damit hatte Solutosan recht. Das Dolfigrin war in der ganzen Welt verteilt worden. Rote Augen? Solutosan musste sich getäuscht haben. Er hatte noch nie rote Augen gehabt.

 

 

Kapitel 6 - Tervenarius

 

 

»Nun denn.« Terv hatte den anderen Duocarns von dem gepantschten Dolfigrin berichtet. »Was unternehmen wir?«

Auf Duonalia war ein weiterer Tag vergangen. Erneut hatten sich die Freunde versammelt und Solutosan, Ulquiorra, David, Terv, Patallia und Nice saßen im Innenhof von Meos Haus. Die entzündeten Vis-Lampen erhellten den Hof mit ihrem bläulichen Licht. Die vier Monde Duonalias lagen hinter dicken Schleiern, sodass die Nacht ungewöhnlich dunkel war. Die abendlichen Gesänge waren bereits verstummt und die meisten Bewohner schienen zu schlafen. Nur ein gefleckter Serfeluskater strich zwischen den blühenden Kübelpflanzen umher und versuchte eine der zirpenden Grillen zu erhaschen.

»Was mich interessieren würde«, Patallia sah David an. »Was wollte Tervs Bruder von euch?«

Tervenarius tauschte einen kurzen Blick mit David. »Er hat uns ausspioniert, hat sich Zugang zu unserem Haus verschafft, indem er mich imitiert hat. Er ist fähig, mich genau zu kopieren.«

»Verdammt.« Solutosan knurrte. »Und woran erkennen wir dich?«

»An seinem Duft«, erwiderte David. »Terv gib ihnen von den Sporen.«

Er nickte und gab jedem der Anwesenden ein paar mit Marzipan- und Veilchenduft aromatisierte Sporen in die Handfläche. Alle schnupperten daran.

»Ja klar, den Geruch kennen wir von dir«, bestätigte Ulquiorra.

»Ja, aber das weiß sein Bruder nicht«, erklärte David.

»Weißt du noch, was du ihm erzählt hast, David?«, forschte Solutosan nach. »Hast du ihm Informationen gegeben? Zum Beispiel darüber, wie wir uns zwischen den Planeten bewegen?«

David schüttelte den Kopf. »Nein, denn mit Terv spreche ich ja nicht über solche Dinge. Aber ...«, er stockte. »Soweit ich mich erinnere, haben Terv und ich einmal über das Sternentor geredet. Wir wussten ja nicht, dass wir ausspioniert wurden.«

Die anwesenden Männer atmeten laut und entsetzt aus.

Terv sah David an und versuchte, ihre Gespräche der vergangenen Monate zu rekonstruieren. Ja, sie hatten über Nice gesprochen und ob der eventuell die Unsterblichkeit anstrebte. Dabei war vielleicht das Wort Sternentor gefallen.

»Das hieße, dass mein Bruder die Info über das Sternentor an einen einflussreichen Verbündeten weitergegeben hat. Das würde auch erklären, wieso er so lange lebt.«

»Aber wer ist so mächtig?«, frage Nice.

Niemand antwortete.

»Wir müssen meinen Vater suchen, Ulquiorra.« Solutosan sah seinen Partner an. »Vielleicht finden wir im Energetikon Hinweise, welche Planeten er noch bevorzugt.«

Ulquiorra nickte. »Bleibt ihr jetzt auf Duonalia?« Die Frage ging an David und ihn.

Terv sah David an. Er wollte nicht über seinen Kopf entscheiden. Sie hatten nicht über die weitere Zukunft gesprochen.

»Ja.« David nickte. »Patallia, erzähle du.«

»Ich bin nun Leiter der Prothesenmacher, da Nunumius leider das Zeitliche gesegnet hat. Ihr wisst vielleicht, dass die gesamte medizinische Abteilung samt ihrer Forschung aus dem Silentium ausgelagert wurde. Wir sind jetzt in einem Nebengebäude nicht weit von hier. Ich habe das Haus von Nunumius erbeten, das direkt neben unserem ist. Ich dachte daran, die Wand zwischen den Häusern durchbrechen zu lassen. So haben wir alle mehr Platz.«

Das war eine ausgezeichnete Idee. Terv lächelte. »Machen wir wieder eine Wohngemeinschaft, wie damals auf der Erde mit Sm ...?« Er hatte Smu erwähnen wollen, aber stockte.

Jedoch Patallia erwiderte sein Lächeln. »Ja, damals lebte Smu noch. Das war eine gute Zeit in Vancouver am Meer.«

Sie sahen sich an. Es war so viel passiert.

»Und wo wohnt ihr?«, fragte David Solutosan.

»Wir sind auf Renovamion geblieben. Die Renovaren sind ein einfaches Volk und wir fühlen uns dort sehr wohl.«

»Könnten wir dort nicht unsere nächste Hochzeit feiern?«

Terv schmunzelte, als er Davids verträumte Miene sah. »Bis dahin sind ja noch ein paar Jahre hin.«

»Was sind schon Jahre?« David sah ihn an und alle nickten.

»Ob ich wohl nun bin wie ihr?«, fragte Nice.

»Wie steht es denn um deine Heilfähigkeit?«, erkundigte sich Terv.

»Hm. Nicht so doll.« Nice hob zwei verpflasterte Finger hoch.

»Er schneidet sich gelegentlich, wenn er Gemüse putzt«, erkärte Patallia.

»Mach du das mal, wenn du deine Hände nicht sehen kannst«, verteidigte sich Nice und alle lachten.

»Isst du denn jetzt noch ganz normale Dinge?«, wollte David wissen.

»Ja klar. Nur Dona wäre mir zu öde. Und ich sag euch mal was, ich ziehe meinen Plan durch und eröffne eine Dönerbude.«

Die Männer sahen ihn verblüfft an.

»Ich werde Knoblauch und Tomaten anbauen. Leute, das wird der Renner. Die Quinari werden mir das geschnetzelte Warranz-Fleisch mit Salat, Tomaten und Knoblauchsauce aus den Händen reißen.«

»Was für eine Idee.« David war begeistert. »Brauchst du Hilfe? Ich habe da einige Rezepte von meiner Mutter im Kopf ...«

»Ja klar.« Nice strahlte. »Und ich brauche noch mehr Make-up. Und manchmal gehe ich ohne in den Laden. Das Ganze nennen wir ›Zum unsichtbaren Mann‹. Was für eine Werbung!« David und er lachten sich begeistert an.

Terv sah, wie Davids Gehirn auf Hochtouren arbeitete, und freute sich, dass sein Schatz sich an dem Projekt beteiligen wollte. Er selbst wollte wieder nach Sublimar in seine Höhle und in den Dokumenten lesen und lehren. Vielleicht fand er ja dort weitere Hinweise über die Bolataren und die Aurifex. Außerdem war es bald an der Zeit, sich erneut mit Diva zu vereinen. Verdammt, das hatte er David bisher nicht erzählt. Das stand ihm noch bevor.

»Ähm ja«, schaltete Solutosan sich ein. »Hauptsache ihr seid hier erst einmal sicher. Ulquiorra und ich machen uns auf den Weg und versuchen die Alten zu finden. Sie könnten etwas über eine so zerstörerische Macht wissen und vielleicht auch den Namen Aurifex kennen.«

Alle nickten zustimmend.

»Gut, dann lasst uns schlafen gehen.« Meo erhob sich, die anderen folgten nach. Ulquiorra öffnete ein Portal und die Energetiker verschwanden.

Es ist gut, dachte Terv. Die Duocarns sind wieder vereint. Auch wenn Xanmeran fehlt. Aber immerhin erinnerte Ulquiorras Körper an den starken und aufopferungsbereiten Krieger.

 

 

 

Kapitel 7 - Areus

 

Motha landete weich auf dem Plateau seines Unterschlupfs und Areus glitt von ihrem pelzigen Rücken. Die Nachtflüge taten ihm gut, halfen ihm, einen klaren Kopf zu bekommen, denn das Erlebnis in Vancouver ging ihm nicht aus dem Sinn. Grübelnd setzte er sich auf einen großen Stein und starrte in den kristallklaren, von unzähligen, flimmernden Sternen übersäten Himmel. Motha verharrte neben ihm und er spürte Aspax, der am Eingang zum Höhlensystem erschien und ruhig auf Befehle wartete.

David ging ihm nicht aus dem Kopf. Niemals war er mit so viel Liebe, Vertrauen und Begehren überschüttet worden wie von ihm. Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass es Dinge waren, die er nicht brauchte. Hatte er eine frische Dosis Blut getrunken, fiel es ihm leicht wütend, schroff und hasserfüllt zu sein. Ließ die Wirkung nach, kamen die Gedanken und auch die Sehnsucht zurück, diese positiven Emotionen noch einmal zu erleben.

Luthard erschien selten und er musste warten, bis er wieder gebraucht wurde. Natürlich war ihm klar, dass sein Vater auf Karla-an-Har in einer völlig anderen Zeit lebte. Wahrscheinlich hatte dieser kein Gefühl für die Erdzeit, und selbst wenn, interessierte sie ihn nicht.

Areus seufzte, erhob sich und ging ins Berginnere in seinen Medienraum, der nun dank der von ihm gekauften Technik wieder funktionierte. Er ließ sich auf den uralten, geflochtenen Schaukelstuhl fallen, nahm sein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Hauptschirm, um die Nachrichten zu lesen. Das Dolfigrin wurde als Erfolg gefeiert. Es war anzunehmen, dass sein Bruder die von ihm zugefügte Pilzsubstanz analysiert und kopiert hatte, denn in den Berichten war die Rede davon, dass die Kranken nicht mehr froren und länger lebten. Die Magie war mit größter Wahrscheinlichkeit unentdeckt geblieben.

Urplötzlich spürte er den mächtigen Druck in seinem Körper und seinem Geist, der immer in ihn schoss, wenn sein Vater nahte. Es war, als würde sein ganzes Sein zu ihm hingezogen, während sich das Bildnis Luthards in der Mitte der Höhle aufbaute. Karla-an-Har war ein Feuer-Planet. Es musste unendlich heiß dort sein, die Luft erfüllt mit dem Schwefel von ununterbrochenen Vulkanausbrüchen. Er sah immer nur einen kleinen Ausschnitt davon im Hintergrund. Es schien, als hätte sich Luthard dort mit einem Gemäuer aus massivem Stein geschützt, in dem er und seine Spektrale umherkrochen. Areus war froh, den Planeten nie persönlich erlebt zu haben.

Luthard betrachtete ihn prüfend mit einem höhnischen Grinsen.

»Vater.« Areus war aus dem Sessel geglitten und kniete auf dem felsigen Untergrund. Unter Luthards Blick senkte er demütig den Kopf.

»Es ist an der Zeit, deinen Radius zu erweitern.« Luthard deutete mit seinem fleischlosen Finger neben ihn. Wie aus der Luft gezaubert, erschien ein Spektral in der Höhle. »Er wird dir dienen und dich auf jeden Planeten bringen.«

Bitte nicht nach Karla-an-Har, dachte Areus voll Panik.

»Dein Bruder ist unsterblich, ebenso wie sein Gefolge. Du wirst herausfinden, wie sie sich zwischen den Galaxien bewegen, und wie man sie töten kann.«

Wenn ich Tervenarius umbringe, habe ich David für mich, schoss es ihm durch den Kopf.

»Fang auf Duonalia an. Dort wird sich das ganze Pack versammelt haben, nachdem ich ihr geliebtes Sternentor zerstört habe.«

Areus schluckte. Luthard hatte seine Informationen genutzt und zugeschlagen.

»Ja, Herr.«

»Niemand verdient es unsterblich zu sein außer mir.«

Das geifernde Gesicht Luthards war so nah, dass er meinte, dessen stinkenden Atem riechen zu können. Schwarzes Blut tropfte aus seinem Mund. Aus den Augenwinkeln nahm er Aspax wahr, der auf dem Boden heranrobbte, um es in einem Fläschchen aufzufangen.

»Ja, Herr. Ich werde mein Bestes tun.«

Luthards keckerndes Lachen entfernte sich zusammen mit seinem Bildnis. Dann war die Höhle leer, bis auf den in der Luft schwebenden Spektral.

Verflucht, wie sollte er ihm befehlen?

Areus stand auf. Der Spektral überragte ihn um einen halben Meter.

»Bring mich nach Lamud«, befahl Areus.

Die Erscheinung reagierte nicht.

»Verdammt.« Wütend schlug Areus nach ihm, sein Arm fuhr ohne Widerstand durch den Spektral hindurch, der sich lediglich kühl anfühlte.

»Ah«, seufzte das Wesen.

»Na prima.« Areus warf sich auf seinen Sessel. »Einen Namen hast du ja schon mal.«

Er blickte auf die winzige Mücke, die auf seiner Hand umherkrabbelte. Vielleicht war er einfach zu groß für den Spektral.

Areus schloss die Augen, konzentrierte sich und transportierte sich in das kleine Insekt. Mit ihren Facettenaugen sah er seinen Körper unbeweglich vor dem Bildschirm sitzen. Er musste es riskieren. Mutig breitete er die Flügel aus und flog direkten Weges auf Ahh zu, steuerte in dessen dunklen Schlund. Bring mich nach Lamud, dachte er.

Von der Schwärze umfangen erfasste ihn ein starker Sog. Das nahm ihm kurzzeitig die Besinnung. Als er wieder klar sehen konnte, stellte er fest, dass er immer noch in Ahh gefangen über dem Dach der kleinen Kirche von Lamud schwebte. Wie durch einen halbtransparenten Schleier sah er unter sich die Straße, auf der sich ein nächtlicher Trinker nach Hause bewegte. Er schwankte und sang ein spanisches Lied, das von Wein handelte.

Was nützte ihm eine Mücke? Um perfekt spionieren zu können, brauchte er einen Körper.

Bring mich in diesen Mann, dachte er.

Was zum Teufel? Alles um ihn herum drehte sich. Aus seinem Mund drang ein gelalltes Lied. Schwankend tappte er über die menschenleere Gasse, schmeckte den schlechten Alkohol und roch sogar des Mannes Körpergeruch. Der Kerl hatte sich ewig nicht gewaschen. Bevor Areus den Befehl geben konnte, den Körper zu verlassen, blieb der Trinker vor einem der ärmlichen Häuser stehen, holte sein Glied hervor und erleichterte sich an die Hauswand. Was für eine Wohltat. Er spürte alles, was dieser peruanische Trunkenbold empfand. Während er sich noch befingerte, dachte er an einen dicken, fetten Frauenarsch. Das war widerlich.

Genug!, befahl er. Bring mich zurück in die Höhle.

Folgsam verließ Ahh den Mann. Der Sog ließ Areus erneut die Orientierung verlieren. Dann stand der Spektral vor seinem Bildschirm im Medienraum, in dem sein Körper wartete.

Den nahm Areus sofort in Besitz und schüttelte sich angeekelt.

»Bring Wasser für ein Bad!«, befahl er Aspax, der sich gehorsam verbeugte.

Er fühlte sich beschmutzt, als hätte er wirklich das Glied dieses betrunkenen Mannes in der Hand gehalten. Eilig ging er in eine der kleinen, moosfeuchten Höhlen, in denen sein steinernes Badebecken stand, zog sich aus und ließ die Kleider zu Boden fallen. Was für neue Möglichkeiten. Ob Ahh ihn auf diese Art wirklich auch auf andere Planeten bringen konnte? Der war ihm gefolgt und schwebte einige Meter neben ihm. Das würde er ausprobieren.

Aber zunächst musste er baden, um den Ekel abzuwaschen.

 

 

 

Kapitel 8 - Areus

 

Nach einem ausgiebigen Bad stand Areus vor Ahh. Sollte er es wagen, den Befehl zu geben?

»Pass auf meinen Körper auf«, sagte er zu Aspax. »Beschütze ihn mit deinem Leben.«

Was sollte ihm passieren? Er lebte schon so lange in dieser Einsamkeit. Er wollte nicht mehr dahinvegetieren und sich das Leben über einen Bildschirm betrachten, sondern sich hineinstürzen, auch wenn es das Letzte war, das er tat.

Entschlossen schlüpfte er in den kleinen Insektenleib und flog in das Dunkel des Spektrals. Er konzentrierte sich. Bring mich nach Duonalia, befahl er in Gedanken und Ahh reagierte.

Was genau er tat, hätte Areus unmöglich sagen können, denn seine Mücke stand still, wie schockgefroren. Er verlor das Gefühl für Raum und Zeit. Schwärze und Kälte lähmten ihn.

Es wurde heller um sie, aber nur ein wenig. Ahh schwebte in einer menschenleeren Gasse mit einer leichten Steigung. Die ihn umgebenden Häuser bestanden aus weißem Gestein und schimmerten. Im Himmel über der Straßenschlucht befanden sich Monde. Er zählte vier Stück, die sich unendlich träge bewegten, von bunten Schleiern teilweise verhüllt, die sie wie lange Schleppen hinter sich herzogen. Er war eindeutig nicht mehr auf der Erde.

Ich brauche einen Körper, sagte er zu Ahh, der langsam höher stieg. Nun konnte er über die Häuserdächer blicken, sah eine um ein großes weißes Gebäude gelagerte Stadt. Die Häuser waren fensterlos, besaßen jedoch alle Innenhöfe und lichtdurchlässige Dächer. Ahh steuerte einen der Höfe an und sank zu Boden, bewegte sich zu einem erleuchteten Fenster.

Areus spähte hindurch. Ein junger Mann saß an einem Tisch und las, ein pelziges, gestreiftes Tier auf den Oberschenkeln, ähnlich einer Katze auf der Erde. Das Tier schien dort zu schlafen. Der Mann war hübsch, besaß einen getönten Teint und lange, dunkle Locken, die sich auf seinem Rücken ringelten. Er trug ein weißes Gewand.

Bring mich in diesen Körper, befahl Areus. Die Hauswand und das Fenster stellten für Ahh kein Hindernis dar. Der Mann sah sie nicht kommen.

Als Areus die Augen öffnete, blickte er auf ein Buch in einer ihm unbekannten Sprache. Seine Beine fühlten sich schwer an, bis er begriff, dass es das Gewicht des Tieres war, das sie belastete.

»Geh runter«, sagte er zu dem Wesen, das faul seine Augen öffnete und ihn mit einem giftgrünen Blick betrachtete. Dabei pfiff es fragend.

»Ich meine es ernst«, fauchte er und spreizte die Schenkel. Das Tier sprang federnd zu Boden. Es war ein Serfelus-Kater, nun fiel es ihm ein. Er hatte ihm nie einen Namen gegeben, aber fütterte ihn seit vielen Monden, da er das einzige Lebewesen war, das sich für ihn interessierte.

Er sah dem Kater hinterher, der auf die Fensterbank sprang, das Fenster aufdrückte und beleidigt in der Dunkelheit verschwand.

Ich muss den Mann sein Leben so ausführen lassen, wie er es gewohnt ist, darf nicht zu erkennen geben, dass ich in ihm bin. Nur so kann ich als Spion agieren. Ich werde ihn nur übernehmen, wenn es nötig ist, dachte Areus.

Der junge Mann gähnte, erhob sich und ging in den Nebenraum. Dort stand ein Bett mit einer gewebten Bettdecke. Der Kater hatte sich frecherweise durch das offenstehende Fenster Zutritt verschafft. Er lag der Länge nach auf der Zudecke und blinzelte ihn an. Sein getüpfelter, überlanger Schwanz hing bis auf den Bettvorleger.

»Du frecher Bursche.« Der Mann lachte und schien nicht böse zu sein. »Na meinetwegen. Du bist offensichtlich die beste Gesellschaft, die ich kriegen kann.«

Er zog sein Gewand aus, hängte es auf einen geflochtenen Sessel und legte sich nackt ins Bett, schob den Serfelus bis zur Wand, um sich Platz zu verschaffen. Der pfiff leise.

Nun blieb ihm nichts anderes zu tun, als zu warten, bis der nächste Tag anbrach. Ahh hatte sich unendlich klein gemacht. Areus spürte seine Anwesenheit und nutzte des Mannes Ruhephase, um in seinen Verstand zu blicken. Während dieser allmählich in den Schlaf glitt, zuckten Bilder durch seinen Kopf. Da war das Bildnis eines hübschen, blonden Jünglings mit einer Stirnlocke. In der folgenden Sequenz sah er eine Menge gleich aussehender, blonder Jünglinge, die ihn ausdruckslos anstarrten, fühlte, wie des Mannes Herz sank, wie Verwirrung und Trauer auf ihn einstürzten. Offensichtlich war dieser verliebt gewesen. Wieso er jedoch seinen Geliebten plötzlich mehrfach sah, konnte Areus nicht in Erfahrung bringen. Aber er spürte die Sehnsucht, die ihm seine eigenen Gefühle in Erinnerung rief.

War Ahh näher gekommen? Es war, als könne er sich an ihn anlehnen und sich so selbst ungestört in seine Fantasien ergehen. Nur war der Mann seiner Träume dunkelhaarig und hatte stahlblaue, durchdringende Augen. Wieso hatte David damit nicht in seine Seele blicken und ihn entlarven können? Während er sich noch wunderte, schlief Areus ein.

 

 

 

Kapitel 9 - Areus

 

 

»Du bist spät, Barilon!« Dragen, sein Chef und Besitzer des Gemischtwarenladens, schüttelte tadelnd den Kopf.

Barilon heißt er?, dachte Areus. Nun, der Duonalier musste sich erst an einen Gast wie ihn gewöhnen. Der war nicht rechtzeitig gekommen, weil er den Mann auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle gebremst hatte und immer wieder stehengeblieben war, um die Vielfalt der außerirdischen Lebewesen zu betrachten. So etwas hatte er noch nie gesehen. Muskelbepackte, gehörnte Männer mit grauer Haut, bis an die Zähne bewaffnet, dazwischen feingliedrige Frauen in wehenden Gewändern, pelzige Wesen mit Fangzähnen, die gefährlich aussahen, jedoch unbeirrt ihrer Wege gingen, ohne weiter beachtet zu werden.

»Entschuldigt, Meister.«

Der Angesprochene band sich schnell eine blaue Schürze um und eilte in den Lagerraum, um die frisch gelieferten Waren in den Verkaufsraum zu holen.

Das Angebot hat sich durch die Quinari ganz schön erweitert, überlegte Barilon. Wenn ich daran denke, dass wir früher nur Dona-Produkte im Laden hatten. Eigentlich gefällt es mir so viel besser. Es ist bunter und alles duftet.

Er schichtete einige Salatköpfe in einer Kiste aufeinander.

 

Areus beobachtete Barilon beim Arbeiten. Er bediente, plauderte, lauschte den Gerüchten über einen Quinari-König namens Arifan, der seinem Sohn Aribal die Hochzeit mit einem Bacani-Mischlingsmädchen untersagte. All diese Bezeichnungen sagten Areus nichts, aber die Affäre schien Duonalia zu beschäftigen. Ein paar der Kunden fanden es indiskutabel, dass einige Rassen sich mit etwas Minderwertigem wie einem Bacani oder einem Bacanar mischten. Diese Diskriminierung verstand Areus erst, als ein dünnes, ziegengesichtiges Wesen den Laden betrat und einen Kochtopf gegen Donapulver tauschte. Das schmutzige Gewand hing in Fetzen von seinem Leib. Es besaß Klauenhände, Fangzähne und spähte mit huschenden Blicken aus den schräg gestellten, violetten Augen im Verkaufsraum umher.

Bei diesen Bacanis muss ich aufpassen, dass die nicht klauen, dachte Barilon.

Aha, das war also eines der geächteten Wesen.

Ich will mal wieder etwas Schönes sehen, sinnierte Barilon. In seinem Geist erschien eine Vielzahl von auf dem Boden lagernden und um Feuer tanzender Männer und Areus spürte Barilons Erregung. Das war ihm gar nicht recht. Was hatte der Mann vor? Sollte er besser den Körper wechseln?

Nein, dafür war er doch zu neugierig. Diese neue Welt war faszinierend und er hätte keine Sekunde davon verpassen mögen.

Also harrte er geduldig aus, bis Barilon den Laden schloss und nach Hause eilte. Die Nacht senkte sich über Duonalia-Stadt und aus einigen Häusern drangen rituelle Gesänge, die sich in den warmen Straßenschluchten vereinten und ihnen etwas Magisches verliehen. Das Klima war den ganzen Tag über angenehm gewesen, und die Nacht kühlte die Luft kaum ab. Die vier Monde strahlten. Gelegentlich sah er Objekte in der Ferne, die sich zwischen den Planeten bewegten, in deren Schleier verschwanden und wieder auftauchten. Besaßen die Duonalier eine Raumfahrt?

Aufregung packte ihn. Ihm gefiel Duonalia. Gegen die marode Erde war es ein Paradies. Er verstand, dass der große Schatz Duonalias die kostenlose Energie, Vis genannt, darstellte. Jedermann konnte sie nutzen, auch schienen materielle Dinge nicht so hoch bewertet zu werden wie auf der Erde.

Er fühlte, wie Barilon sich gründlich wusch, mit den Händen über seinen Leib strich und sorgfältig seine Locken kämmte. Er sah ihn den verfressenen Serfelus mehrmals mit Milch füttern, der sich schließlich mit dickem Bauch in Barilons Schlafzimmer schlich. Nach all diesen Verrichtungen nahm der Duonalier eine Laterne vom Wandhaken, verließ sein Haus und lief mit für Areus unbekanntem Ziel durch die Straßen, erreichte nach einiger Zeit den Stadtrand.

Dort betrat er ein Laufband, das sich eigentümlicherweise wie eine sich ständig bewegende Schlange durch die Felder und die Grasflächen außerhalb von Duonalia-Stadt bewegte.

Barilon stand still auf dem Transportband, hielt seine Laterne und träumte vor sich hin, bis sie eine Plattform mit einer steinernen Eingrenzungsmauer erreichten. Hinter der Mauer fiel das Land schroff ab. Areus brachte Barilon dazu, in die Tiefe zu sehen. Die Mauer schien endlos zu sein und entzog sich irgendwann seinem Blick. Der Duonalier löschte das Licht seiner Laterne, setzte sich auf die Steinbrüstung und wartete. Ein paar bläulich schimmernde Lampen, die man oberhalb dieses Plateus an Masten festgemacht hatte, beleuchteten die einsame Szenerie.

Worauf wartete der Mann nur?

Urplötzlich erhob sich ein wie gleißendes Metall irisierendes Segel, ein Rumpf folgte. Da schwebte ein Schiff vor der Mauer. Areus starrte gebannt. Das Gefährt ähnelte den alten Segelschiffen von der Erde, Segel und Rumpf besaßen eine vergleichbare Form. Allerdings war Areus sofort klar, dass es sich hier um ein völlig anderes Objekt handelte, das nicht für das Wasser, sondern für eine Reise durch das Weltall geschaffen war.

Als Barilon mit einem Schritt an Bord ging, öffnete und schloss sich eine unsichtbare Hülle. Auf dem menschenleeren Deck war es kühl und man spürte keinen Luftzug mehr. Das irisierende, hauchdünne Segel über ihnen blähte sich, dann setzte sich das Schiff in Bewegung.

Niemals zuvor hatte Areus so etwas Außergewöhnliches und Faszinierendes gesehen.

Er konnte von Barilon kein Zeichen der Verwunderung wahrnehmen. Für ihn schien dieses Transportmittel völlig normal zu sein. Der lehnte an der Reling und träumte vor sich hin. Das Schiff durchschnitt hauchdünne, bunte Nebelschwaden, gab gelegentlich den Blick auf einen Mond frei und glitt durch das All. Areus hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war, als das Schiff am Hafen eines der Monde anlegte.

Barilon sprang von Bord und entzündete seine Laterne, die den vor ihnen liegenden Pfad beleuchtete. Der Duonalier schien sich gut auszukennen, denn er lief zielsicher bis in ein kleines Wäldchen. Was war das für ein Wald? Areus zwang Barilon den Kopf und die Laterne zu heben und spähte hinauf. Die dicht stehenden Bäume besaßen blutrote Blätter und klapperten, wenn der Wind in sie fuhr. Die Bäume applaudierten den unter ihren ausladenden Kronen laufenden Passanten und begrüßten sie so freundlich.

Areaus sah durch Barilons Augen den Pfad entlang. Dadruch, dass er mit weißem Kies belegt war, konnte man ihn gut in der Dunkelheit erkennen. In einiger Entfernung schien etwas los zu sein. Licht leuchtete durch die Bäume und es war leise Musik zu hören. Eine Feier? Wessen Party war das?

Areus erinnerte sich, auf einer seiner Missionen einer Einladung für eine Gesellschaft im Weißen Haus gefolgt zu sein. Wie lange war das her? Einhundertundfünfzig Jahre? Ohne den in Strömen fließenden Alkohol wären dieses Herumstehen und der oberflächliche Smalltalk für alle Beteiligten garantiert unerträglich gewesen. Er dachte ungern an die betrunkenen, kreischenden Frauen und die gönnerhaft lachenden Männer zurück.

Inzwischen hatte Barilon ein im Licht der Laterne matt schimmerndes, sicher drei Meter hohes, kunstvoll verziertes Tor erreicht. Ranken und verschnörkelte Ornamente waren in ein ihm unbekanntes Material gefräst. Jedoch hatte Barilon keine Augen für dieses Kunstwerk und eilte voran.

Hinter diesem Tor fand die Festivität statt, das konnte Areus sehen. An Feuern wurde mit Trommeln und Flöten Musik gemacht und getanzt. Andere lagerten auf dem Boden.

Barilon hatte das mit Fackeln beleuchtete Tor erreicht. Es wurde von einigen gleich aussehenden, blonden Jünglingen gesäumt: den Männern aus Barilons Traum. Interessant war für Areus Barilons Reaktion auf die ätherisch wirkenden Wesen. Er löschte mit steifen Bewegungen seine Laterne, ließ sich von ihnen einen Kranz aus duftenden Blüten auf die Locken drücken und bemühte sich, keinen von ihnen anzublicken. Er ignorierte ihr Lächeln und marschierte schnurstracks weiter. Ja, da existierte eine Vorgeschichte, was Barilon und die Jünglinge betraf, da war Areus sich sicher. Aber nun interessierte ihn die Party.

Die Gästeschar schien vornehmlich aus Männern zu bestehen. Barilon sah sich unauffällig um und ließ sich an einem der leise klappernden Bäume nieder. Das rote Moos sank unter ihm ein und duftete ähnlich wie süßer Moschus.

Was wollte Barilon hier?

Nun sah Areus, wieso sich die Männer versammelt hatten. Es ging hier weniger um Musik und Tanz als um Sex. Einige Gäste räkelten sich ungezwungen im Moos, streichelten sich gegenseitig überall, andere verschwanden paarweise oder auch zu mehreren im Dunkel zwischen den Baumstämmen. Areus spitzte die Ohren, lauschte dem Seufzen und Stöhnen.

Er hatte von solchen Treffpunkten auf der Erde gehört, es jedoch nie glauben wollen. Männer trafen sich auf verschwiegenen Parkplätzen und in Clubs mit Darkrooms. Der Sex war unverbindlich, gesprochen wurde wenig. Hier auf diesem duonalischen Mond verständigten sich die Gäste ebenfalls mit Blicken und sparsamen Gesten. Er sah langhaarige Duonalier, aber auch Mischlinge mit starken Muskeln, grauer Haut und mehr oder minder großen Hörnern, die es Barilon offensichtlich angetan hatten.

Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich einer der gefährlich wirkenden Gehörnten bei Barilon und ließ sich geschmeidig neben ihm ins Moos sinken. Seine Waffen klirrten. Er lächelte und legte Barilon die Klauenhand auf den Oberschenkel. Areus spürte seine Berührung, als wäre es sein eigener Körper.

Steh auf und geh, befahl er Barilon. Der reagierte nicht, starrte dem starken Kerl wie hypnotisiert in seine gelb leuchtenden Augen. Areus versuchte all seinen Einfluss auf den Duonalier auszuüben, doch der schien berauscht vom Duft der Blüten auf seinem Haupt, den applaudierenden Blättern über sich und dem erotisierend duftenden Moos.

»Du bist schön. Ich will dich verwöhnen«, flüsterte der Gehörnte und zog des Duonaliers Gewand vorsichtig bis über die Knie. Erstaunlich, dass ein mit derartigen Klauen ausgestatteter Krieger so sanft agieren konnte. Das faszinierte nun auch Areus. Er gab es auf, Barilon Befehle erteilen zu wollen.

»Zieh es höher.« Barilons Stimme kratzte vor Erregung.

Areus und die beiden Männer betrachteten gebannt die Klauenhand im Licht der flackernden Flammen, die den Stoff raffte, die Oberschenkel entblößte, bis der Saum ganz hoch geglitten Barilons stark geschwollenes Glied preisgab.

Erregt bleckte der Gehörnte die messerscharfen Fangzähne.

Barilon!, Areus rief ihn zur Vernunft. Das ist zu gefährlich! Doch der hörte nicht, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm und lieferte sich aus.

Areus, eng an Ahh gelehnt spürte die Liebkosung des Kriegers fast am eigenen Leib. Der leckte Barilons Glied, saugte an ihm, ohne es zu verletzen. Barilon seufzte, biss sich auf die Hand, um nicht zu laut zu werden. Der Gehörnte stoppte, sein Mund rutschte seitlich und er ritzte geschickt mit dem Fangzahn einen kleinen Schnitt in die Beinbeuge. Dort begann er Blut zu trinken, unterbrach sein Saugen und verwöhnte gekonnt das Glied, knabberte an dessen Spitze, um dann wieder genussvoll über die blutende Wunde zu lecken. Hier stillte jemand auf unendlich triebhafte Art seinen Hunger.

Und Barilon schien das Spiel zu kennen. Es steigerte seine Wolllust immer mehr. Areus wusste kaum, wie ihm geschah. Er nahm teil, aber doch wieder nicht, spürte Barilons Eruption, fühlte die gierigen Lippen des Mannes, der alle Flüssigkeit aufnahm, sie mit dem Blut vermischte und hörte ihn, wie ein Raubtier brunftig stöhnen. Die Krallen der Klauenhände, die Barilons Becken hielten, bohrten sich in sein Fleisch. Das tat weh, aber steigerte die Lust ins Unermessliche. Areus schwanden die Sinne. Er kam erst wieder zu Bewusstsein, als der Krieger die kleine Wunde in der Beinbeuge leckte, um sie zu verschließen und Barilons Gewand nach unten zog. Dann erhob er sich flink, verbeugte sich wortlos mit leuchtenden Augen und verschwand.

Wie betäubt, aber wunderbar befriedigt, entspannt an den Baum gelehnt, blickten Barilon und Areus in die flackernden Flammen, betrachteten die Männer, die sich zur Musik wiegten. Wie unwirklich es hier war. Diese kleine Welt in diesem Wäldchen war ein abgeschlossenes Universum, eine Männerwelt, die er, Areus, niemals auf diesem Planeten vermutet hätte.

Barilon stand auf, nahm seine Laterne und ging.

Die Jünglinge am Tor erwarteten ihn lächelnd und küssten ihn sanft, atmeten seine befriedigte Aura ein. Nun spürte er keinen Widerwillen mehr von Barilons Seite. Alles war in Ordnung, für die blonden Männer, für Barilon und auch für ihn. Es war, als hätte der Duonalier eine erotische Batterie in ihm aufgeladen, was sich gut anfühlte.

 

 

Kapitel 10 - Areus

 

Die folgenden drei Tage vergingen in Barilons eintönigem Trott. Er arbeitete, aß und schlief. Areus überlegte bereits, ob er den Körper wechseln sollte, jedoch erschienen ihm sämtliche Kunden ungeeignet. Wie konnte er nur an mehr Informationen über die Duocarns gelangen?

Es war später Vormittag, als zwei Männer den bunten Streifenvorhang beiseiteschoben, der vor der Ladentür hing, und plaudernd den Laden betraten.

Barilon, der ja an die verschiedensten duonalischen Rassen und deren Mischlinge gewöhnt war, betrachtete erstaunt den einen Mann, der wirkte, wie in Mehl getaucht. Haut und Haar, ja selbst die Lippen waren weiß. Seine braunen Augen, die einen starken Kontrast dazu bildeten, glitten suchend im Laden umher. Nun erkannte er den Kunden. Das war Nice, der mit einem der Duocarns verbandelt war, diesem Arzt, Patallia. Den zweiten Mann mit der zarten, hellen Haut, den blauschwarzen, über die Schultern fallenden Locken und den durchdringenden Augen, kannte er nicht.

Aber ich kenne ihn, dachte Areus, und es durchfuhr ihn heiß und kalt. Das war David. David, den er auf der Erde vermutet hatte. David, der ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, seit er breitbeinig auf seinem Schoß gesessen hatte. Was machte der hier?

»Hallo, Barilon.« Nice kam auf den Gehilfen zu. »Ist Dragan da?«

»Ähm, nein, der ist eben frühstücken gegangen«, antwortete Barilon.

»Hm, das ist nicht so gut. Dann müssen wir noch einmal wiederkommen.«

Verdammt, sie wollten wieder weg.

Areus konzentrierte sich auf David. Nimm diesen Körper, befahl er Ahh. Der bewegte sich nicht. Ahh! Bring mich in seinen Körper! Der Spektral rührte sich leicht, konnte und wollte seinem Befehl jedoch nicht nachkommen.

»Geht es Euch gut?«, fragte Barilon in diesem Moment. »Ihr seht eigentümlich aus.« Die Frage war an Nice gerichtet.

Der schmunzelte. »Ich habe gedacht, immer gleich auszusehen, ist etwas langweilig. Außerdem soll Donapuder ja gut für die Haut sein.«

»Gut für die Haut?« Barilon staunte.

Nice nickte. »Wir sind übrigens bald Nachbarn. Ich habe den Laden nebenan gemietet. Dort werde ich ein kleines Restaurant eröffnen. Ich hoffe, dass Dragan mich dann mit einigen Dingen beliefern kann.«

Areus konzentrierte sich auf Nice. Nimm seinen Körper! Der Spektral gehorchte, verließ Barilons Leib und transportierte ihn in den Menschen.

Kaum vollzogen war es Areus, als hätte er einen Schlag auf den Kopf erhalten. Dieser Mann enthielt das Chaos. Ihm war, als würde er in einen sich unermüdlich drehenden Schlund gezogen. Hatte er bei dem Trinker in Lamud und auch bei Barilon genau dessen Gedanken und Erfahrungen lesen können, kamen in diesem Nice nur Fetzen seiner Geistestätigkeit an.

»Habt ihr hier Ungeziefer?«, fragte David in diesem Moment, und schlug in die Luft zwischen Barilon und Nice. »Ich habe eben etwas gesehen.«

Areus verhielt sich ganz still, saß mit Ahh in einer Ecke des chaotischen Menschen gedrückt, dessen Durcheinander an ihm vorbeifloss. Er zögerte. Sollte er zurück zu Barilon? Nein, er hatte die Duocarns auszuspionieren und in diesem Nice saß er direkt an der Quelle.

Von dem irrsinnigen Gefühlschaos manifestierten sich in diesem Moment die Worte Tomaten und Knoblauch. Was war nur mit diesem Kerl los? War er dem Wahnsinn verfallen?

»Ich habe nichts gesehen, David«, erwiderte Nice.

Wie konnte dieser Mann so kristallklar sprechen und sich so präzise bewegen mit diesem Durcheinander in sich?

»Oh nein, wir haben kein Ungeziefer. Sicher nicht«, schwor Barilon.

»Okay, lass uns gehen. Ich will noch zu den Quinari auf den östlichen Mond wegen der Anbauflächen. Oder vielleicht können wir den Trenarden etwas Land abschwatzen.«

David nickte und Areus sah ihn an. Was für ein begehrenswerter Mann. Und er gehörte seinem Bruder. Das gab ihm einen Stich vor lauter Eifersucht. Gleichzeitig spürte er, wie die durch Barilons Erlebnis aufgewühlten erotischen Gefühle in ihm knisterten und seine Begierde wuchs.

Tomaten brauchen sicher Warrantz-Scheiße, um zu wachsen, schoss es Nice durch den Kopf. Himmel, wieso war David mit so einem Chaoten unterwegs? Und wieso hatte Ahh sich geweigert, David in Besitz zu nehmen?

Gleichgültig. Das Chaos würde er aushalten. Hauptsache er konnte bei David sein. Natürlich nur wegen seines Auftrags, dachte er, aber wusste im gleichen Augenblick, dass das nicht der einzige Grund war.

 

 

 

So viel bei Bookrix.

Ich hoffe, es hat dir gefallen.

 

Band 10 erscheint am 18.8.2016 als TB und Ebook nur bei Amazon!

 

Viel Spaß wünscht

Deine Pat

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Impressum

Texte: Elicit Dreams Verlag
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2016

Alle Rechte vorbehalten

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