»Entschuldige, ich stehe heute etwas neben mir«, stammelte Ulquiorra. Er hatte ihn nicht, wie üblich, im Wohnzimmer im Haus in Seafair abgesetzt, sondern vor dem Hauseingang.
»Das ist nicht schlimm, Ulquiorra«, sagte Meodern lächelnd.
Er wollte noch etwas sagen, aber da war der Torwächter schon wieder verschwunden.
Mit wem habe ich da eben gesprochen?, dachte er verwirrt. Er stand vor einem großen, weißen Haus. Abgetrennt durch eine schmale Uferstraße donnerten die Wellen des Ozeans und liefen schäumend an den Strand. Er blickte an sich hinab. Warum hatte er ein weißes Kleid an? Er zog das Kleidungsstück hoch. Darunter war er nackt. Nun ja, das würde wohl so seine Richtigkeit haben. Es war sommerlich warm, genau die richtige Temperatur für ein luftiges Gewand.
Langsam lief er los und wanderte ziellos durch die Straßen. Wohin lief er überhaupt? Er schaute wieder an sich hinunter. Wer war er eigentlich? Ach, war das nicht gleichgültig? Wo war er? Er erreichte eine etwas belebtere Gegend. An einer Straßenkreuzung stand eine Glaskiste mit Zeitungen. Auf dieser stand »Vancouver Sun«. Aha, er war wohl in Vancouver. Schöne Stadt. Er grinste und ging weiter. Solange das Wetter gut war, machte es Spaß so zu laufen. Er sah zum Himmel. Der war strahlend blau! Na, wer sagts denn!
Die Leute auf der Straße schauten ihn ein bisschen seltsam an, einige lachten. Aber er lächelte ihnen zu und gelegentlich grüßte er einen von ihnen freundlich. So viele Straßen! Er würde Stunden brauchen, um sie sich alle anzusehen!
Da standen einige Leute vor einem Haus mit einer großen Glasfront. Warum warteten sie da? Es waren alles Männer. Hübsche Männer. Er blieb stehen, um sie zu betrachten.
Eine ältere, rothaarige Frau trat durch die Glastür und winkte ihm. »Hey, du da!«
Er drehte sich um. Aber da war niemand. Sie meinte wohl wirklich ihn.
»Komm mal bitte her!« Er ging zögernd näher.
»Na, wenn das mal nichts ist«, sagte die Frau zu sich selbst und nahm ihn an die Hand.
Sie führte ihn wenige graue Steinstufen hinauf, an den wartenden Männern vorbei, die ihn mit seltsamen Blicken anstarrten. Warum hatten sie auf einmal alle so ärgerliche Mienen?
Er lief and der Hand der Frau durch einige helle Räume voller Grünpflanzen. Er wollte gerne die Bilder der Menschen an den Wänden ansehen, aber sie zog ihn weiter.
Sie stieß eine große Flügeltür auf. Auch der nächste Raum war hell und freundlich. In der Mitte thronte ein weißer Schreibtisch, an dem eine zierliche, dunkelhaarige Frau genervt den Kopf hob. Sie fühlte sich gestört, das sah er sofort. Er betrachtete das zu einem strengen Knoten gewundene Haar und die ärgerlich zusammengekniffenen Brauen.
»Terzia! Jetzt sieh dir das mal an! Ich glaube, ich habe ihn gefunden!«
Solutosan war mit dem Windschiff zum nördlichen Mond übergesetzt. Seine wenigen Habseligkeiten trug er in einem Dona-Sack auf dem Rücken. Nun stand er am Hafen und blickte auf die vor ihm liegende dürre Steppe. Die Hose seines Karateanzugs flatterte im Wind. Der Wind trug weiße Graspollen heran. Sie schwirrten kreisend durch die dürren Halme, verwirbelten sich vor seinen Füßen. Er würde nachsehen, wie es Maurus an seinem kleinen See ging, bevor er zu Arishar stieß. Beschwingt lief er los.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich entspannt und ausgeglichen. Seine Zeit als Duocarn-Führer war vorbei. Er hatte Tervenarius wohl gesagt, dass er irgendwann wieder da wäre, aber wusste insgeheim, dass er die Leitung für immer abgegeben hatte. Er hatte seit Äonen den Duocarns gedient – nun ließ er alles hinter sich. Die Zeit bei den kämpferischen Quinari würde für ihn sicherlich nicht leicht werden, aber trotzdem freute er sich darauf.
Er lief schneller, den Wind im Gesicht und in dem kurzgeschorenen Haar. Wie seltsam – zum ersten Mal seit langem erschien ihm seine Zukunft wieder verheißungsvoll und vielversprechend.
Der kleine, blaugrüne See lag in einer Senke. Der Wind kräuselte sanft seine Oberfläche. Die Aquarianer lagerten am Ufer, einige schliefen. Ein friedliches Bild.
Zwei der blauen Krieger sprangen alarmiert auf, als sie ihn erblickten, beruhigten sich allerdings sofort, als sie sahen, wer sich da ihrem Lager näherte. Sie blickten ihm interessiert entgegen. Ihr sonst zu kunstvollen Frisuren aufgetürmtes, dunkelblaues Haar trugen nun alle offen bis zu den Lenden wallend. Maurus, der bei seinem Harem ruhte, wurde von einer seiner Frauen sanft geweckt. Er richtete seinen Körper mit einer geschmeidigen Bewegung auf, erkannte ihn und lächelte – Freude in seinen Kristallaugen.
Er deutete Solutosan sich zu setzen. »Ich freue mich dich zu sehen«, sagte er mit seiner wohlklingenden, telepathischen Stimme. Er streckte die zartblaue Hand nach Solutosan aus, die dieser gern nahm. Er mochte Maurus, dessen Hand sich kühl und glatt anfühlte.
»Ich wollte nur schauen, wie es euch geht, Maurus«, antwortete Solutosan auf die gleiche Art.
Der Wassermann neigte den Kopf. »Danke, den Umständen entsprechend gut.«
Solutosan legte den Kopf schief. »Ja, die Umstände. Ich nehme an, ihr braucht mehr Wasser, und vor allem Salzwasser. Ich kann dich gut verstehen, denn ich empfinde das Meer auch als zu mir gehörig. Warum siedelt ihr euch nicht auf Sublima an?«
Maurus erhob sich. Sein nackter, tiefgründig blau schimmernder Körper dehnte sich, schlank und doch kraftvoll. Eine der verschleierten Frauen half ihm, sein blaues Gewand überzustreifen. Solutosan saß still und betrachtete ihn beeindruckt. Er hatte Maurus noch nie unbekleidet gesehen und war fasziniert von dessen fremdartiger und eleganter Schönheit.
Der Aquarianer nahm wieder Platz. »Wären wir denn dort willkommen? Arishars Raumschiff hat zu wenig Energie um noch einmal abzuheben. Wie sollen wir Sublima erreichen?«
»Wir haben ein Tor zwischen den Planeten erschaffen, das ihr benutzen könnt, Maurus. Ich werde den Torwächter für euch rufen.“ Solutosan öffnete das weite Hemd der Karatejacke und legte seine Hand auf den goldenen Reifen in seiner Brust, der sanft zu kreisen begann. Nicht lange und Ulquiorras goldene Rotation erschien flirrend in der Luft über dem dürren Steppengras. Der Energetiker trat mit einem langen Schritt aus dem Tor. Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Aquarianer.
»Solutosan!« Wie alle Duonalier benutzte er Telepathie. Er lächelte, aber Solutosan bemerkte einige Veränderungen an ihm. Das lange Haar umrahmte stumpf und glanzlos sein schmales Gesicht. Ulquiorras Augen wirkten fahl und leblos.
Solutosan reagierte sofort. »Ich möchte dich gern sprechen.« Eigentlich hatte er ja vorgehabt, Ulquiorra um den Transport der Aquarianer zu bitten, aber er fühlte, dass es etwas Dringlicheres zu klären gab.
»Entschuldige uns«, nickte er zu Maurus und nahm Ulquiorra zur Seite. Hatte er nicht beschlossen, sich in der nächsten Zeit nur um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern? Er seufzte innerlich. Ulquiorras Sorgen hatten Vorrang vor dieser Art Entscheidung. Er blickte den bleichen Duonalier an. Der Mann brauchte Beistand. Er war ein guter Freund und ihm lieb und teuer. »Du siehst nicht gut aus. Hast du ein Problem, bei dem ich dir helfen kann?«
Ulquiorra starrte ihn an. »Bemerkt man das so stark?«
»Ja, Ulquiorra.«
Der Energetiker betrachtete seine Hand als gehöre sie ihm nicht. »Ich hätte fast meinen Vater geschlagen.«
Solutosan schwieg und sah ihn nur an.
»Ich hasse ihn, Solutosan. Ich kann einfach nicht anders! Er ist so unglaublich unbeherrscht, rücksichtslos und von sich eingenommen. Statt sich zurückzuhalten, ist er ständig auf Konfrontationskurs. Auch bei seinen Frauen. Sicherlich haben diese Eigenschaften dazu geführt, dass er meine Mutter so stark verletzt hat. Aber er lernt nicht – er macht einfach weiter, als wäre nichts geschehen!« Ulquiorra fuhr sich mit dem Armstumpf durch das schwarze Haar, an dem der Wind zerrte. »Natürlich weiß ich, dass es völlig sinnlos ist sich mit ihm zu schlagen – zumal ich sowieso keine Chance gegen ihn hätte. Aber das ist nicht das, was mich so wütend macht. Die Hilflosigkeit ist es.«
Solutosan blickte ihn schweigend an. Der Vater-Sohn Konflikt hatte sich zugespitzt, was zu erwarten gewesen war. Jetzt war für ihn der richtige Zeitpunkt, um zu schlichten. »Den einzigen Rat, den ich dir geben kann, ist, dich von ihm fernzuhalten, Ulquiorra, um die schlechten Gefühle nicht noch zu nähren. Ich weiß, wie stark Xanmeran unter dem Unfall gelitten hat. Du solltest auch nicht daran zweifeln, dass es einer war, denn er wollte deiner Mutter sicherlich nicht schaden. Oder glaubst du das?«
Ulquiorra spielte mit den Falten seines Dona-Gewandes. »Nein, ich denke, sie liebten sich.«
Solutosan legte ihm die Hand auf den Arm. »Du solltest verstehen, dass seine Dermastrien ein Teil von ihm sind. Er muss sie weiter einsetzen und darf nicht verzagen, bloß weil das damals geschehen ist.« Solutosan machte eine Pause. »Er ist ein Hitzkopf, ich weiß, und er prügelt sich gern, versucht die Dinge mit Gewalt zu lösen. – Aber, er lernt. Er hat die Ewigkeit auf seiner Seite. Gib ihm einfach die Zeit, sein Gleichgewicht in Frieden zu finden.«
Ulquiorra schnaufte. »Wahrscheinlich hast du recht. Ich nehme mir das alles zu sehr zu Herzen. Ich sollte mich anderen, positiven Dingen, zuwenden und ihn einfach leben lassen, wie es ihm gefällt. Ich habe ihn als Knabe vergöttert. Er war mein Held. Aber die Erkenntnis, dass er in keiner Weise heldenhaft ist, macht mir doch zu schaffen.«
Solutosan schüttelte den Kopf. »Du täuschst dich, was sein Heldentum angeht. Ich verdanke Xanmeran viel. Nicht ein Mal, sondern viele Male. Bei der letzten Begebenheit brachte er sich selbst in Gefahr, um mich in den eisigen Tiefen des Ozeans zu suchen und zurückzubringen. Ich kann mir keinen besseren Freund vorstellen. Kein Wesen hat nur schlechte Seiten.«
Ulquiorra betrachtete ihn nachdenklich. »Du kennst ihn besser als ich.«
»Ja, Ulquiorra, urteile nicht nach wenigen Dingen. Gib ihm einfach Zeit – nein, gib euch Zeit einander kennenzulernen. Kein Mann ist als perfekter Vater einfach vom Himmel gefallen – ich weiß, wovon ich spreche.« Er lächelte und machte eine bedeutsame Pause. »Jetzt noch etwas ganz anderes. Würdest du vielleicht Maurus und seine Leute nach Sublima bringen? Sie brauchen das Meer. In Sublima können sie in Ruhe leben.«
»Selbstverständlich, Solutosan.« Sie gingen langsam wieder zurück zu dem kleinen See, dessen Wasser nun von den stärker werdenden Windböen in schnellen, gekräuselten Wellen gegen das Ufer schwappte.
Solutosan überließ die detaillierten Übersiedlungspläne Ulquiorra und verabschiedete sich von Maurus. Mit freundlichem Nachdruck zwangen ihn die Aquarianer zu versprechen, sie auf Sublima zu besuchen.
Es würde einige Zeit dauern, bis er nach Sublima ginge. Zuerst wollte er wieder der Krieger werden, der er einmal war – wenn auch auf andere Art. Er würde seinem Vater gegenübertreten, gewappnet und stolz. Ja, er wollte seinen Stolz wieder haben, den er als unbesiegbarer Sternenkrieger, sich gänzlich auf seinen Sternenstaub verlassend, irgendwann auf seiner Lebensreise verloren hatte. Um diese Selbstachtung wiederzuerlangen, würde er bei Arishar erst einmal den untersten Weg gehen müssen. Das wusste er und dazu war er bereit.
Arishar saß vor einem der fünf weißen Häuser und schärfte seine Axt. Er hob den Kopf als Solutosan sich näherte. Dann nickte er mit unbewegtem Gesicht. »Du hast einen steinigen Weg gewählt«, sagte er zur Begrüßung.
»Ich weiß, Arishar«, bestätigte Solutosan.
»Von meinen fünfzehn Leuten sind inzwischen acht ins Silentium zur Ausbildung gegangen. Arilan und Arimar sind als meine persönlichen Begleiter geblieben. Du wirst mit den verbliebenen fünf Männern in dem Haus dort drüben wohnen.« Arishar deutete mit der Klaue auf das letzte der Häuser.
»In Ordnung.« Solutosan ging langsam zu dem ihm zugewiesenen Haus. Es bestand aus einem einzigen sehr sauberen, aber kargen, Raum. In den Ecken waren einige Decken gestapelt. Vier der Krieger hockten auf den Fersen auf dem Boden und spielten ein Würfelspiel. Sie blickten hoch, die Mienen ernst und unbeteiligt. Der fünfte Mann hockte auf einem der Deckenstapel und schnitzte an einem Gegenstand. Solutosan nickte den Männern zu und legte seine Sachen in eine Ecke. Er hockte sich ebenfalls auf die Fersen und legte die Arme und den Kopf auf die Knie. Er fühlte sich erschöpft.
»Der Sternenstaub-König beehrt uns?« Der Quinari mit dem Messer sah ihn prüfend an.
»Das war einmal«, sagte Solutosan langsam. »Ich bin hier, um von euch zu lernen.« Die Männer starrten ihn verblüfft an.
»Um was zu lernen? Was sollten wir beherrschen, das du nicht kannst?« Der Mann musterte sein geschnitztes Objekt mit einem zusammengekniffenen Auge. Er hatte aus einem Stück Maranwurzel eine detaillierte Faust geschnitzt.
»Umgang mit Waffen und Nahkampf zum Beispiel. Jemand wie ich, der von Natur aus mit einer tödlichen Waffe ausgestattet wurde, versteht davon nichts. Ich wäre glücklich von euch zu lernen.«
Einer der spielenden Krieger drehte den Kopf mit den kurzen Hörnern zu ihm. »Warum?«
Solutosan überlegte einen Moment. »Angeborene Gaben zu benutzen ist keine Kunst. Das, was ihr euch mit Übung, Schmerz und Schweiß erarbeitet habt, ist wertvoll.« Die Krieger nickten.
Der schnitzende Quinari legte sein Messer und sein Objekt zur Seite und stand auf. Er hatte keine Hörner. Seine Blutzeichnungen glichen haargenau denen der anderen Krieger. »Ich bin Arinon, willkommen! Da drüben das sind Arifan, Aritax, Aribar und Aricon.« Solutosan schluckte. Mit diesen Namen war er überfordert.
Er sah Arinon an, der grinste. »Das wirst du noch lernen. Genau wie alles andere. – Ganz sicher!«
Tervenarius drückte mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand auf die Brust. Hatte Solutosan das auch durchgemacht, als er von Ulquiorra den Ring bekam? Seine brennend-heiße, schmerzende Brust glühte.
Ulquiorra blickte ihm in die Augen und nickte. »Du hast den Ring angenommen. Ich werde jetzt gehen.«
»Moment, Ulquiorra! Weißt du eigentlich wo Meodern ist?«
Ulquiorra zog irritiert die Brauen zusammen. »Ich habe ihn schon vor einiger Zeit auf die Erde gebracht.«
»Aber warum ist er dann nicht hier?«, fragte Terv, immer noch schmerzerfüllt gekrümmt.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er ja bei Chrom. Ich habe ihn vor dem Duocarn-Haus abgesetzt. Er hatte allerdings auf Duonalia so eine Andeutung gemacht, dass er die Nase voll hätte und seine Ruhe bräuchte. Vielleicht nimmt er sich, genau wie Solutosan, eine Auszeit.«
Der Schmerz ließ langsam nach und Terv richtete sich auf.
»Hmm, möglich. Mich wundert nur, dass sein Handy hier im Haus liegt.«
Ulquiorra zuckte die Achseln. »Er ist erwachsen und unsterblich, Tervenarius, ich denke mal er kommt klar.« Er aktivierte seinen Ring im Wohnzimmer in Seafair und verschwand.
Mercuran, der sich während der Prozedur zurückgehalten hatte, stürzte zu ihm. »Tut es noch weh?«, fragte er besorgt. »Oh!«, flüsterte er bei einem Blick in Tervs Augen. »Der zusätzliche goldene Ring steht dir – er ist Dunkelgold!« Zärtlich nahm er Tervs Haupt in seine beiden Hände und küsste seine Augenlider. Ein wohliges Stöhnen entrang sich Tervs Brust. Er fühlte, wie der goldene Brust-Ring in seinem Fleisch spannte.
»Bist du jetzt wirklich der Chef der Duocarns?«, fragte Mercuran mit schief gelegtem Kopf.
»Ja, so lange Solutosan nicht da ist. Fast befürchte ich, er wird lange bei Arishar bleiben. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber es muss etwas Einschneidendes gewesen sein. Ein bisschen stimmt es mich traurig, dass er mit mir nicht darüber gesprochen hat.«
Mercuran streichelte zärtlich seine Wange. »Er wird wissen warum. Deute es nicht als Vertrauensbruch, Terv.« Mercuran musterte ihn mit einem kleinen, herausfordernden Lächeln von oben bis unten.
Dass Mercuran ihn mit Blicken auszog, erinnerte ihn augenblicklich an das, was er sich nun schon so lange versagt hatte. Der Schmerz in seiner Brust war verklungen und einem leisen Pochen gewichen, das nun von dem heftigen Klopfen seines Herzens übertönt wurde. Seine Sorgen um Solutosan und Meodern waren vergessen.
Der Blick auf Mercurans feuchten Schmollmund heizte seine Erregung an. Er wollte ihn! Sie waren zurück in Vancouver. Warum hatte er sich diese quälende Wartezeit auferlegt? Wieso hatte er die Vorfreude auf den Sex mit Mercuran in seiner neuen Form freiwillig so ausgedehnt? Ein leichter Groll auf sich selbst stieg in ihm hoch.
»Meinst du nicht, du solltest die duonalische Kleidung endlich ablegen?«, flüsterte Mercuran sinnlich. »Es wird Zeit, dich einmal wieder in Armani zu sehen!«
Er antwortete nicht, sondern nahm seinen Geliebten bei der Hand und rannte mit ihm die Treppen hoch in ihr gemeinsames Zimmer.
Ungeduldig riss er sich das Gewand vom Leib. »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mich jetzt sofort wieder anziehe!«, keuchte er. Mit raschen Handgriffen entkleidete er Mercuran, nahm ihn fest in die Arme und legte sein Haupt auf dessen silberweiße Schulter, presste das Gesicht in sein Haar. Mit tiefen Atemzügen sog er Mercurans honigsüßen Duft ein, was ihn weiter beruhigte, aber gleichzeitig stark erotisierte. Allein sein neuer Geruch war Verführung pur. Seine Hände zitterten leicht vor Gier, als er Mercurans Rücken und seine festen Pobacken streichelte. Sie strafften sich unter seinen Berührungen.
Terv setzte sich auf das Bett, zog ihn auf seinen Schoß. Behutsam nahm er die Brustwarzen seines Geliebten zwischen die Zähne und biss ihn. Zart aber doch schmerzhaft. Mercuran sog scharf die Luft ein. Das letzte Restchen Groll verflog augenblicklich. Zufrieden beobachtete er, wie sich Mercurans silberweißes Glied reckte. Solange sein Schatz die nächsten Jahrtausende so auf ihn reagieren würde, war seine Welt in Ordnung.
Kraftvoll drehte er das bereitwillige Objekt seiner Begierde und drückte es auf das weiß bezogene, breite Bett. Mercuran streckte sich wohlig aus und beobachtete sein Tun unter halb geschlossenen Lidern. Er war sich seiner Anziehungskraft offensichtlich voll bewusst, was Terv mit einem geilen Lächeln quittierte und sich dann auf ihn stürzte.
Gierig erkundete er Mercurans Mund mit der Zunge, verwöhnte die haarlose, glatte Haut seines Leibes mit den Lippen. Er küsste ihn bis zu den Fußspitzen, leckte sanft an dessen Hüftknochen vorbei, zurück zu dessen harten Brustwarzen. Er wollte Mercuran zum Kochen bringen, der ihm seinen erhitzten Körper bereits stöhnend entgegen bog.
Endlich widmete er sich seinem Glied, steigerte Mercurans Lust mit geübten Lippen und Griffen, bremste ihn mit gezielten Bissen und reizte ihn dann wieder mehr. Er wollte es ihm und sich nicht leichtmachen – wollte den Höhepunkt noch länger hinauszögern.
Er trieb dieses Spiel, bis er selbst am ganzen Leib vor Ungeduld zitterte. Mercuran wand sich - wimmerte um Gnade, ihn zu erlösen. Einige kurze, schnell aufeinanderfolgende Bewegungen genügten und er lief stöhnend aus - einfach so, ein heißer, silberweißer Strom in seinen Mund.
Tervenarius war sich nicht sicher, welche Art chemische Reaktion Mercuran in ihm durch seinen Erguss verursachte, da der orgastische Rausch seinen Verstand augenblicklich hinweg schwemmte. Der Saft seines Geliebten strömte durch die Kehle in seinen Körper, wogte in seinem Gehirn, riss wie eine silberne Flut alles mit sich. Die Explosion war stark, der Geschmack in seinem Mund unendlich geil. Er hob erstaunt den Kopf. Die Erfüllung fehlte. Ein Orgasmus ohne Ejakulation? Die Entspannung und Erlösung ließen auf sich warten. Sein Penis blieb pulsierend, stark, unnachgiebig. Er tastete danach. Rieb ihn. Die Reibung steigerte seine Wollust.
Ein nie gekannter, drängend-heißer Trieb schoss von seinem Glied hoch in seinen Schädel, verdrängte jeden anderen Gedanken bis auf den einen: Ich will ihn! Wenn ich nicht sofort in ihn eindringe, werde ich wahnsinnig! Terv keuchte erstaunt, überrumpelt von der unaufhaltsamen Gier.
Ihm blieb keine Zeit zu fragen. Er drehte den völlig überraschten Mercuran auf die Seite, drückte dessen Schenkel zur Seite, zog kurz die Hand mit seiner Sporenflüssigkeit zwischen seinen beiden Hügeln hindurch und war in einer Geschwindigkeit über ihm, in ihm, die ihn selbst überraschte.
»T ... Terv!« Mercuran war nur noch fähig seinen Namen zu stammeln.
Ich will ihn nicht verletzen, dachte er noch, aber dem triebhaften Tier in ihm, das er geweckt hatte, war das gleichgültig. Er nagelte Mercuran auf der Matratze fest, hämmernd, stark, entfesselt. Er spürte, wie Mercuran nachgab, sich ihm anpasste, sich ihm sogar entgegenreckte, als er kurz pausierte. Er mag Gewalt, fuhr es ihm durch den Kopf, ich hatte das fast vergessen.
Er mutierte zu einem stampfenden, brachialen Kraftpaket ohne Verstand. Seine nicht enden wollenden, harten Stöße erhielten Resonanz. Mercuran erhitzte sich. Das Quecksilber, dachte Terv. Mercuran glühte, das heiße Fleisch vibrierte. Sein Glied brannte, schmerzte. Ich muss mich schützen, schoss es ihm durch den Kopf. Schlagartig verstärkte er die Pilzschicht um sein Glied mit dämmenden Pilzen. Mit diesem monströsen Genital vollendete er sein Werk. Mercuran schrie. Dieser Schrei löste seinen ersehnten Erguss aus. Stoßend und tobend verströmte er sich in dem kochendem, zuckenden Leib seines Geliebten. Halb besinnungslos brach er über Mercuran zusammen. Was war geschehen? Hatte er Mercuran weh getan? Er glitt aus ihm und drehte ihn besorgt zu sich um.
»Was ..., was war das?« Mercuran rieb sich sein Hinterteil, machte jedoch keinen unglücklichen Eindruck. »Ich werde zwei Tage nicht mehr sitzen können. Wieso warst du so groß?«
Terv stöhnte erleichtert auf.
Groß? Ja natürlich, durch die dämmende Pilzschicht war der Umfang seines Geschlechts um sicherlich vier Zentimeter verstärkt worden. Aber Mercuran hätte ihn sonst gekocht, – verbrüht. Er war nicht fähig zu antworten, musste seine Gedanken sortieren. Ich sage erst einmal etwas Unverfängliches, dachte er.
»Hat es dir gefallen? «, krächzte er. Sein Hals war völlig ausgedörrt.
»Oh jaaa!« Mercuran seufzte, lächelte, streckte die Arme nach ihm aus, küsste ihn innig, wieder und immer wieder. Wie gelähmt ließ er sich küssen, streichelte Mercurans Haar, fühlte, wie sein Freund von Müdigkeit übermannt wurde.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Mercuran schläfrig.
»Ja, schlaf, mein Schatz«, antwortete er. Er liebkoste ihn sanft, dachte an nichts, bis er an Mercurans ruhigen Atemzügen merkte, dass er eingeschlafen war.
Er riss die Augen auf und starrte in die graue Dunkelheit ihres Zimmers. Er war mehr als alarmiert. Da war zuerst einmal Mercurans neuer Duft. Ein Pheromon, das perfekt auf ihn abgestimmt zu sein schien. Ein Geruch, der bei ihm sofort sämtliche sexuellen Reize aktivierte. Er hatte Mercurans Sperma geschluckt, und war dadurch zur Höchstleistung aufgelaufen. Er hatte überhaupt nicht anders gekonnt, als sich auf ihn zu stürzen - hatte keine Wahl gehabt.
Langsam verstand er, was geschehen war: Das Sternentor hatte seinen Geliebten durch das Pheromon seines Duftes und sein berauschendes Sperma zu einer perfekt auf ihn abgestimmten, verlockenden Sirene gemacht.
Das ist die kleine, ironische Retourkutsche des Sternentors, dachte er. Ich habe ihn vor seinem Durchgang mit meinen Sporen benetzt, habe ihn als mein Eigentum gekennzeichnet. Nun muss ich die Folgen dieser gutgemeinten, aber hochnäsigen, Aktion tragen.
Er würde damit umgehen können. Er hatte die Möglichkeit seinen Geruchssinn durch Pilzsporen zu dämpfen und es stand ihm frei, ob und wann er seines Geliebten Saft schluckte. Nein, was ihm am meisten Sorgen bereitete, war Mercurans Hitze. Er hatte sich mit seinen Pilzsporen gegen das heiße Quecksilber schützen können. Kein anderer Mann würde das können. Oder? Doch, zwei Männer kannte er, die es ebenfalls aushalten würden - Solutosan und Luzifer. Aber sonst niemand. Und diese beiden waren indiskutabel. Ein normaler Erdenmann wäre verloren - wahrscheinlich entmannt.
Mercuran war passiv. Er würde niemals in seinem unendlichen Leben mit jemandem anderen schlafen können als mit ihm. Sie waren sexuell aneinander gekettet.
Dieser Gedanke dörrte ihm den Hals endgültig aus. Er produzierte einige Schleimpilze und sandte sie zu den brennenden Stellen in seiner Kehle.
Mercuran hatte sicherlich nicht erkannt, was geschehen war. Hatte er die Überhitzung überhaupt bemerkt? Er wusste lediglich, dass er nun gut roch, – hatte nicht verstanden, wie genau Duft und Sperma auf ihn wirkten. Wüsste er es - würde Mercuran seine neue Macht ausnutzen? Terv war sich nicht sicher. Er beschloss in dieser Hinsicht den Mund zu halten. Aber Terv würde ihm sagen müssen, wie zerstörerisch er nun wirkte. Nein, Mercuran liebte ihn. Er würde mit keinem anderen Mann Sex haben. Also würde er auch darüber erst einmal nichts sagen. Vielleicht, später, bei Gelegenheit.
Er schloss erschöpft die Augen und ließ den Kopf ins Kissen sinken. Das Sternentor verlangte einen Preis. Sie würden beide für ihre ewige Liebe bezahlen müssen.
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Texte: Elicit Dreams Verlag
Bildmaterialien: Elicit Dreams Verlag
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2012
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