Sie aßen gemeinsam im Kerzenlicht auf Porzellantellern und tranken edlen Wein aus großen Gläsern. Kein Wort musste gesagt werden und doch verstanden sich die Liebenden. Ein Lächeln oder ein Zwinkern reichte aus und eine ganze Geschichte hatte sich das Pärchen erzählt. Einzig allein der zärtliche Blick der die Beiden austauschten bewies wie sehr sie sich liebten, wie sehr sie einander brauchten, wie sehr sie einander vertrauten. Diese Liebe war nicht von dieser Welt und doch teilten Fiona und Jack diese Leidenschaft.
Nie hätte die dunkelhaarige Frau auch nur im Geringsten daran gedacht, einen Mann nur annähernd so zu lieben wie sie Jack liebte. Sie dachte es wäre unmöglich, doch die Szene die sich gerade vor ihr abspielte bewies ihr das Gegenteil.
Auch Jack konnte nie genug von dieser wunderhübschen Frau kriegen. Sie war so stark und selbstsicher dennoch weinte sie manchmal ohne Grund und ließ sich von ihrem Mann in den Arm nehmen damit dieser sie hin und her wiegte. Sie war nicht perfekt. Sie hatte ihre Macken aber für ihn bedeuteten sie und die gemeinsame kleine Tochter die Welt.
,,Ich liebe dich“ flüsterte Jack ihr zu und strich dabei sanft mit dem Daumen über ihren Handrücken. Er war der Meinung, dass diese drei kleine Wörter nicht genug waren um Fiona zu beweisen wie sehr er sie tatsächlich liebte, und auch sie fand die drei mickrigen Wörter zu wenig für das was sie für ihn empfand.
Plötzlich weiteten sich die grünen Augen von Fiona und ihr strahlendes Gesicht von vorhin wurde aschfahl. Sie rang nach Luft doch auch Jack, der nun ebenfalls bleich vor Angst war, konnte ihr nicht helfen indem er ihr auf den Rücken klopfte. Sie klammerte sich an ihm fest und sah ihrem Mann ins Gesicht. In seine wunderhübschen braunen Augen die zu tränen begannen, und ihr das Herz brachen. Sie studierte sorgfältig die Lippen die sie einst leidenschaftlich geküsst hatte, die Wangenknochen und die gerade Nase die sie so liebte. Sie prägte sich das Gesicht dieses Menschen ein und schwor sich ihn nie zu vergessen. ,, Ich.. L-liebe d…“ brachte sie nur zu Stande, denn der Schmerz in ihrem Unterleib wurde unerträglich. Es fühlte sich so an als würden Stromschläge durch ihren ganzen Körper fahren, kleine Pfeile bohrten sich in ihrem Bauch ein und ließen Fiona von Schmerz aufschreien. Sie war froh, dass sie weinte, denn die Tränen verschleierten das Gesicht ihres Geliebten der nun verzweifelt versuchte ihr zu helfen. Es würde nur noch mehr schmerzen, wenn sie sah, wie sehr er sich bemühte ihr zu helfen, obwohl beide wussten, dass es sinnlos war. Sie konnte seinen desperaten, nach Hilfe suchenden Blick nicht ertragen ohne dabei aufzukreischen und ihn damit noch mehr in den Wahnsinn zu treiben
Ein erstickendes Geräusch kroch aus Fionas Kehle hervor und sie spuckte Blut. Sie versuchte nicht zu würgen doch sie konnte den Brechreiz nicht unterdrücken und übergab sich. Ihr Kopf begann zu hämmern es fühlte sich so an als hätte jemand mit einer Axt drauf geschlagen, sie spürte ihre Arme und Beine nicht mehr, als hätte jemand sie abgesägt und sie fragte sich ob sie wohl bluten würde.
Von Schmerzen gekrümmt, liegend auf den Knien ihres geliebten Mannes und in Galle sowie Tränen gebadet, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie verschwinden würde. Ihr Baum wurde gefällt.
Als sie noch klein war, verstand sie nicht wieso die Anderen Kinder eine Mutter und einen Vater hatten und sie nur einen Vater. Sie wollte doch auch liebevoll bemalte und eingepackte Geschenke ihrer Mutter zum Muttertag schenken, und nicht ihrem Vater -der an diesem und an manchen anderen Tagen- dessen Augen einen bestimmten glasigen Ausdruck bekamen sobald sie ihm die Überraschung überreichte. Er tat ihr leid. Sie wusste, dass er traurig war und kurz davor war zu weinen obwohl sie noch so klein war und so etwas überhaupt nicht bemerken sollte.
Mit dem Alter verstand sie, dass alles was ihn so trübe stimmte, etwas mit ihrer Mutter zu tun hatte und deswegen begann die kleine Maia ihre Mum zu hassen. An diesen bestimmten manch’ andere Tage wo ihr Vater nur vor der Glotze hing, sich Liebesschnulzen reinzog und sich einen Dreck um seine Tochter scherte, wünschte sich Maia, sie könnte alles kurz und klein schlagen, Gegenstände anschreien wieso ihre Mutter ihr und ihrem Vater das nur antun konnte, doch am meisten wünschte sie sich Trost und Geborgenheit.
Jetzt, da sie älter war, ignorierte sie ihren Vater einfach wenn er in diese Stimmung verfiel.
Sie bildete sich ein, er wäre gar nicht da idem sie einfach nur den ganzen Tag in ihrem Zimmer hockte und sich dort verbarrikadierte bis sie meinte es wäre angemessen sich blicken zu lassen oder wenn sie Hunger hatte und nach unten ging damit sie sich ein Sandwich machte.
Umso mehr genoss sie die Tage an dem ihr Vater mit der Sonne wettstrahlte. Sie gingen dann meistens in ein Kino -Maias Lieblingsbeschäftigung- oder auch in einen Park um über komisch angezogene Frauen und dicken Männern mit Bierbäuchen denen noch Essensreste in den Bart hingen zu lästern. Sie backten auch gerne zusammen und öfters gab ihr Vater zu, dass Maia die Backkünste von ihrer Mutter geerbt hatte und nicht von ihm, definitiv nicht von ihm. Sie freute sich immer wieder aufs Neue, weil es ihn nicht traurig stimmte, wenn er darüber sprach. Sie hätte auch die braunen welligen Haare mit dem Goldstich und auch die Stupsnase sowie die vollen Lippen von ihrer Mutter, so beichtete ihr Vater ihr einmal und das wieder ohne diesen komischen Gesichtsausdruck. Er kam langsam aber sicher über sie hinweg, und Maia war wirklich froh darüber, ihrer Mutter konnte sie jedoch noch immer nicht verzeihen. Nicht nachdem sie wusste und miterlebte wie sehr ihr Vater unter sie gelitten hatte und noch immer litt.
,,Sie würde wahnsinnig stolz auf dich sein. Sie würde dich lieben, das weißt du doch?“ hat er ihr eines Abends gesagt, und sie nickte kaum, ehrlich gemeint hat sie es aber nicht.
Maia war von Natur aus schüchtern und zurückhaltend, sie wollte nie im Mittelpunkt stehen und kam wegen diesem Charakterzug sehr kalt rüber. Hinter der steinernen Maske, die sie sich mit der Zeit aufgebaut hatte, brodelten Gefühle, Wörter und einige krumme Gedanken.
Wenn sie blöd angemacht wurde, würde sie dem am liebsten die grausamsten Dinge an den Kopf werfen, doch anstatt sich einfach nur lächerlich zu machen antwortete sie kühl und traf dabei fast immer ins Schwarze. Sie wurde zum Mobber. Sie fühlte sich schlecht dabei, ja, rechtfertigte sich jedoch damit, dass,, der Angreifer“ es verdient habe. Heute konnte sie auf so eine Szene verzichten, jeder schien sie zu übersehen, als wäre sie Luft und das war ihr ganz Recht. Drama war nicht so ganz ihr Ding, solange es nicht verfilmt war, denn sie liebte Filme und am meisten diese, die ein unerwartetes Ende haben. Sie mochte Überraschungen, sei es als Geschenk verpackt oder unerwarteter Besuch, hauptsache es lenkte vom Alltag ab. Die Meisten würden sagen, sie würde Bücher ebensoviel gern haben wie Filme, doch demnach war nicht so. Sie hasste regelrecht Bücher, besonders die ganz Fetten und Kleingedruckten. Es war ein langweiliger Zeitvertreib und die Augen schmerzten nach einiger Zeit. Ein etwas mehr amüsanter Zeitvertreib wäre für sie, das Flöten spielen, da sie die Musik vergötterte jedoch schlecht singen konnte. Gitarre und Piano hatte sie bereits versucht, aber es gelang ihr nicht so gut und sie verlor den Mut. Vor einiger Zeit hatte sie eine wunderhübsche kleine, mit viel Liebe verzierte Flöte in einem Schaufenster gesehen. Sie verliebte sich in die goldenen Schleifchen und die schwarzen geschwungen Buchstaben die sie nicht lesen konnte, weil sie in fremder Sprache geschrieben war. Ja, sie wollte die Flöte nur wegen dem Aussehen , aber sie lernte schnell zu spielen und jetzt verzauberte sie ihren Vater mit selbstkomponierten Balladen.
Es schüttete aus Eimern und Maia konnte es kaum erwarten nach draußen zu gehen, um die kleinen, eisigen Wassertröpfchen auf ihrer Haut zu spüren. Sie wusste selbst nicht, wieso der Regen sie so fröhlich stimmte. Alles in ihr vibrierte und drohte zu zerplatzen, wenn sie nicht sofort nach draußen lief. Schade, dass sie heute Schule hatte und somit ihr Lieblingswetter verpassen musste. Maia schrieb kaum glatte Einsen aber unter eine drei hatte sie nie bekommen, okay ein-, zweimal höchstens in Geschichte, aber das war’s und in Mathe strahlte sie immer mit ihren zwei plus und den raren Einsen. Ein kleiner Streber war sie schon und kassierte deshalb neidische Blicke sowie Getuschel hinter ihrem Rücken. Als sie einmal den Flur hinunterlief und dabei stolperte, schnappte sie auf, wie zwei Mädchen über sie sprachen. ,, Die wird doch Jungfrau bis ans Ende ihrer Lebenszeiten bleiben“ „Maia ist gar nicht mal so hässlich, aber sie verhält sich wie eine Nonne“ antwortete die Andere bevor beide verstummten, als sie Maia sahen die gerade ihre Bücher hastig aufsammelte. Sie konnte es nicht glauben! Sie war zutiefst verletzt und beleidigt, denn Maia hatte immer geglaubt, dass diese beiden Mädchen doch eigentlich ganz in Ordnung waren. Sie fühlte sich verraten und wollte lauthals losschreien sie sollen sich doch um ihren eigenen Kram kümmern, doch wie gesagt Drama war nicht ihr Ding. Sie schaute beiden wütend in die Augen und lächelte. ,,Lieber wäre ich ’ne hübsche intellektuelle allseitsbegehrte und doch unerreichbare Nonne, als eine hässliche dumme Nutte für die man nicht mal einen Cent ausgeben muss um mit ihr zu ficken“ Die Blondine wirkte eingeschnappt und ganz überrascht was aus Maias Mund kam, die Kleinere verschränkte die Arme vor der Brust und wollte sie gerade zischend beschimpfen, doch Maia drehte sich um und hörte gar nicht mehr zu.
Das war die Eisprinzessin.
Mühsam und von einem ständigen Gähnen begleitet rappelte sich Maia auf um sich für Schule anzuziehen. Zähne waschen, Gesicht waschen, anziehen, frühstücken, Bus nehmen (wenn sie ihn nicht schon längst verpasst hatte). Routine. Alltag von dem Maia sich nur allzu fürchtete. Wieso konnte nicht einmal etwas Spannendes geschehen? Die Schule könnte doch vorübergehend geschlossen werden, wegen irgendwelchen Schatz den, die Bauarbeiter zufällig gefunden haben. Oder noch besser! Ein Geist würde die Schule heimsuchen und jeden Schüler und Lehre in den Wahnsinn treiben, bis sich der Direktor aufhängt hat und die Schule somit geschlossen wird. Maia musste es doch besser wissen, solche Dinge geschehen höchstens nur in Filmen und so machte sie sich auf den Weg zur Hölle.
Die erste Stunde hatte sie Mathe bei einem alten Knacker namens Mister Loncaster, dessen Unterricht alles Andere als interessant war. Der neue, gut aussehende Schüler kam da gerade recht um ein wenig Abwechslung im Mathekurs zu bringen. Mr. Loncaster stellte ihn als Adrian Clapton vor, er kam aus Russland, das hörte man ihm jedoch nicht an, er sprach akzentfrei. Die Mädchen, die sich mindestens zehn Kilo Make-up ins Gesicht geklatscht hatten, tuschelten ganz aufgeregt über diesen neuen Schüler. ,, Hast du seine Augen gesehen? Grün wie zwei Smaragde !“ ,, Wetten er macht Kickboxen! Seinen Waschbrettbauch sieht man durch die Klamotten“
Maia konnte nur die Augen verdrehen und in sich hineinlachen, so wie die sich benehmen! Wie Kleinkinder die im Supermarkt ein Spielzeug begutachteten und abwogen ob es wert sei, dass sie es sich zu Weihnachten wünschten. Umso überraschter war sie, dass sein Blick an ihr haften Blick blieb und sich sein Gesicht augenblicklich erhellte, als sei er erleichtert sie zu sehen. Sie runzelte kaum merklich die Stirn und wand sofort den Blick ab, ein klitzekleines Lächeln konnte sie jedoch nicht unterdrücken. Es fühlte sich gut an, dass ein zugegeben heißer Junge gerade sie, mehr oder weniger anstarrte, anstatt einer von diesen Tussen, die er mit Links ins Bett kriegen konnte. Sie bemerkte auch, dass er während der ganzen Stunde grinste und immer wieder zu ihr rüberblickte. Es wurde langsam unheimlich, und doch fühlte sie sich geschmeichelt und den anderen Mädchen überlegen. Jetzt, fand sie sich lächerlich! Sie ließ sich gerade auf das Niveau der Anderen runter und hatte es sogar genossen.
Als es klingelte wollte sie sich aus dem Staub machen um Adrian aus dem Weg zu gehen, denn ihr Tagesbedarf an Aufmerksamkeit war heute bereits gedeckt. Doch er war schneller und fing sie in den vollen Fluren ab idem er sie am Handgelenk packte.
Sie erhob sofort die Stimme, doch er lächelte und entblößte somit eine Reihe weißer Zähne. Sie vergaß plötzlich was sie sagen wollte. ,, Ich… Du … ähm Was?“ stammelte sie und blickte ihn eindringlich ein. ,, Was willst du?“ zischte sie, räsuperte sich kurz danach und fragte ihn in einem viel sanfteren Ton:,, Wie kann ich dir helfen?“. Er öffnete den Mund schloss ihn wieder und begann erst dann zu reden. ,, Mister Loncaster meinte du bist seine beste Schülerin“ Sie nickte langsam und wusste nicht worauf er hinauswollte. ,, Da ich eine Niete in Mathe bin, und nicht sofort das erste Jahr, auf einer neuen Schule durchfallen will, bräuchte ich Nachhilfe“ setzte er hinzu. ,, Ja.. Nein“ sie konnte sich entscheiden. Sie hatte tatsächlich schon zahlreichen Schülern geholfen, aber dieses Semester ist sehr wichtig für Maia und da will sie sich keine Fehler erlauben. ,, Eigentlich gebe ich dieses Semester keine Nahhilfestunden…“
,, Aber..?“ er schaute sie erwartungsvoll an.
,, Aber… da würde sich was machen lassen.“
„Echt? Wirklich? Super“
,, Nur weil du neu bist und nicht weißt was dich beim Loncaster erwartet!“ rechtfertigte sie sich und lächelte.
Sie schaute abermals auf die Uhr und erwischte sich dabei wie sie sich im Spiegel betrachtete um kleine Makel zu beseitigen. Sie wusste selbst nicht wieso sie nervös wurde, dies war nicht ihre erste Nachhilfestunde die sie gab und gewiss nicht die Letzte und dennoch benahm sie sich so als hätte sie Lampenfieber. Sie zwang sich zur Ruhe idem sie einmal ausatmete und sich hinsetzte wo bereits Mathebücher und ein ganzer Stapel Papiere auf sie und auf den attraktiven Adrian warteten. Sie begann gedankenverloren Bleistifte nach der Größe zu ordnen und stapelte schließlich die verschiedenen Bücher aufeinander, um den Turm im Nachhinein zu zerstören. Als ihr das langweilig wurde, und Adrian noch immer nicht auftauchte wurde sie langsam wütend. Wenn sie ihm schon Nachhilfestunden gab sollte er schließlich pünktlich auftauchen! Keine zehn Sekunden später als sie das dachte klingelte es an der Tür und sie stellte fest wie ihr Herz zu hämmern begann. Sie versuchte die kleinen Krämpfe im Magen zu unterdrücken und ging zur Tür um diese zu öffnen. Mit einem grimmigen Ausdruck empfing sie ihren Lehrling und murmelte sarkastisch:,, Schön, dass du kommen konntest“ Er begrüßte sie mit einem halbwegs fröhlichem Hallo und folgte Maia ins Wohnzimmer wo ein großer Tisch, der über und über mit Papieren und Büchern bedeckt war auf ihn warteten. Maia war sich nicht bewusst, dass sie solch ein Chaos angestellt hatte, zuckte jedoch mit den Schultern und setzte sich hin. Adrian dagegen wirkte unbeholfen und wusste nicht recht wo er sich setzten sollte. Als er sich entschied, sich neben und nicht gegenüber von Maia zu setzen, stolperte er und geriet dabei ins Schwanken. Seine graue Umhängetasche flog im hohen Bogen zu Boden und der Inhalt ergoss sich aufs Laminat. Ein kleines Kichern konnte Maia nicht unterdrücken, dennoch eilte sie ihm zur Hilfe und stellte fest, das auch er anfing zu lachen. Das Eis war gebrochen und beide fühlten sich sichtlich wohler in der Gegenwart des Anderen. Sie half ihm die Stifte, und fliegende Blätter sowie Bücher einzusammeln, als ihr dabei ein altes vergilbtes Buch auffiel. Sie hob es auf und stellte fest, dass es schwerer war als sie gedacht hatte. Sie begutachtete die,, Antiquität“, nahm es in der in der einen, dann in der anderen Hand und versuchte daraus schlau zu werden. Was machte so einer wie Adrian mit solch einem prähistorischen Buch? Das in Leder gebundene Buch, ähnelte einem Tagebuch oder etwas ähnlichem, denn es war mit einer Schnur fest verbunden die ungebetene Leser davon abhalten doch reinzuspähen. Sie musste lächeln als sie daran dachte, dass gerade er ein Tagebuch führte, sofort erlosch ihr Grinsen und sie gab ihm das Buch sofort zurück. ,,Tut.. tut mir leid. Ich wollte nicht in dein…..“ sie zögerte, denn sie war sich nicht hundertprozentig sicher ob dies ein Tagebuch war. ,, Ach nein!“ er winkte ab und öffnete das Büchlein idem er ganz einfach an einem Ende der Schnur zog. ,, Ich habe mir es einmal in einer Bibliothek ausgeliehen und vergessen es zurückzugeben. Jetzt ist eh zu spät und ehrlich gesagt gefällt mir das Buch!.“ Erklärte er und sie stutzte noch einmal. Er ging in einer Bibliothek, las sogar Bücher! Er sah gar nicht so aus, und deswegen war Maias Neugierde umso mehr geweckt. Was würde er denn schon lesen wollen? Bestimmt keine Liebesromane! Oder irgendwelche Gedichte die Shakespeare verfassen haben sollte.
,,Um was geht es denn? Ein großer Fan von Büchern bin ich zwar nicht, aber es interessiert mich ehrlich gesagt was du damit“ sie deutete auf das Buch ,, zu tun hast“
In einer geschmeidigen Geste setzte er sich auf den Stuhl und legte das geöffnete Buch vor Maia hin. Sie wunderte sich nur kurz darüber, wie er solch ein Trampeltier sein kann und sich dennoch so geschmeidig hinsetzten konnte.
Eine ganze Stunde plauderten sie gemächlich über das Buch dessen Seiten noch fragiler aussahen als das Buch selbst. Es handelte sich tatsächlich um ein Tagebuch, der Autor hieß Iakob der beschrieb wie er einem Naturwesen ,das von unglaublicher Schönheit war, über die ganze Welt hinterher jagte nur um zu erfahren wo ihr Baum wuchs, dessen Harz angeblich jede Krankheit heilte. ,, Wow“ brachte sie nur zu Stande und war das erste Mal von einem Buch überwältigt. Er nickte ihr eifrig entgegen und schloss das Buch sanft zu und Maia trauerte sogar ein wenig nach. Sie musste es zu Ende lesen!
,, Glaubst du daran, dass dieser… Iakob der Nymphe nachgelaufen war? Jetzt in echt! Oder war er nur irgendein Spinner?“ er sah sie erwartungsvoll an und Maia konnte nicht anders als mit den Schultern zu zucken. ,,Weiß nicht! Das ist doch alles eh nur Hokuspokus Kram,“ meinte sie und bemerkte wie Adrian enttäuscht das Gesicht verzog. ,, Es könnte, doch möglicherweise sein, dass diese Naturwesen existieren“ ,, Vielleicht, vielleicht aber auch nicht“ Um endgültig mit dem Thema abzuschließen, öffnete sie das Mathebuch und tippte ungeduldig mit dem Bleistift auf eine Aufgabe um Adrians Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
Er seufzte und versuchte sich auf den schwierigen Stoff zu konzentrieren, den Maia ihm zu erklären versuchte.
Als es anfing zu dämmern, beschloss Adrian nachhause zu gehen. Er bedankte sich ausgiebig und freute sich auf die nächste Nachhilfestunde. Maia würde ihn jedoch nicht aus dem Haus gehen lassen, bevor er ihr das zarte Büchlein übergeben hatte.
,, Ehm, Ich… Könnte ich das Buch ausleihen? Das mit den Nymphen“ fragte sie und blickte ihn bittend an dazu lächelte sie unwiderstehlich. Adrian runzelte die Stirn und wollte wissen, wieso gerade sie das lesen wolle. Sie zuckte die Schultern und entgegnete:,, Vielleicht ändere ich meine Meinung ja!“ Er händigte ihr sofort das Tagebuch und ging schließlich nach Hause.
Als die Tür ins Schloss fiel, packte Maia alle Sachen zusammen und schmiss sie in ihrem Zimmer auf den Boden. Mit einem tiefen Seufzer legte sie sich aufs Bett und betrachtete eine Zeit lang das zerbrechliche Büchlein. Was wenn es tatsächlich wahr war? Es ist schließlich ein Tagebuch und das sollte doch eigentlich der Wahrheit entsprechen. Iakob konnte aber auch ein Wahnsinniger sein, der unter Halluzinationen litt, und das Tagebuch in einer Klapse führte. Sie schüttelte den Kopf und grinste in sich hinein. Vielleicht, vielleicht auch nicht!
Wahllos blätterte sie das Buch durch und blieb irgendwo kurz vor dem Ende stehen.
21.08.1920
Am liebsten würde ich diese Frau töten, sie eigenhändig erwürgen bis ich selbst von ihrem Tod überzeugt bin, aber ich kann es nicht. Wenn ich dieses göttliche Wesen sehe, könnte ich mich ohrfeigen wenn ich mich daran erinnere, dass ich ihr ein Leid antun wollte. Ihr liebliches kupferrotes Haar riecht fein nach Fichten und feuchtem Waldboden, ich würde mein Gesicht jede Sekunde in ihr Haar drücken wären ihre Augen nicht von dem schimmernden Grün eines Smaragdes. Man verliert sich in ihnen ohne es zu merken und von den sinnlichen Lippen soll ich gar nicht anfangen zu schreiben. Wenn sie nicht bereits die Welt hätte, würde ich es ihr zu den Füssen legen! Alles Gold solle ihr gehören, wenn es sie glücklich stimmte. Ich liebe sie und doch ist es nicht das was man unter Liebe zu verstehen meint. Zwar ist Sie glücklich aber ich bin es nicht! Ich leide. Es schmerzt überall aber geheilt werden kann ich nicht. Nur ihre ganze Liebe, die ich nie erlangen werde, würde mir den Schmerz nehmen. Es ist aussichtslos und dennoch kann ich ihrem Bann nicht fliehen. Nie werde ich es können!
Maia stockte und runzelte die Stirn. Iakob hat sich während der Zeit aber ziemlich verändert. Sie blätterte hastig zurück und vergaß wie zerbrechlich diese Seiten waren. Sie verlangsamte ihr Tempo und ging jetzt mit größerer Vorsicht vor. Da war die Seite die sie gesucht hatte.
17.02.1920
Ich habe genug von ihnen gehört. Von diesen Nymphen die von unglaublicher Schönheit sind und junge Männern den Kopf verdrehen. Frau und Kind lassen sie hinter sich um den Naturwesen zu folgen. Mir ist einer über den Weg gelaufen.. Schlaksiger Kerl mit blonden Haaren bis zu den Schultern und blauen Augen. Er stotterte, erzählte von Aria einer Windnymphe und als er sie bei Namen nannte wehte tatsächlich der Wind auf. Seine Augen erleuchteten so hell und er strahlte über das ganze Gesicht. ,, Sehen S-ssie! Das i-ist sie! Ich bin auf den W-wweg-g Aria!“ schrie er und wieder strich eine sanfte Brise unsere Gesichter. Der Junge hüpfte und raste schon davon. Ich konnte damals nur den Kopf schütteln, heute nur lachen. Man muss erbärmlich sein um eine ganze Familie für eine hinterlistige Nymphe fallen zu lassen. Mir wird es nicht so ergehen! Katarina braucht meine Hilfe, es ist die letzte Hoffnung, dass meine Tochter ihre Mutter nicht verliert. Ich muss diese Nymphe finden und ihren Baum. Das Harz soll angeblich jede Krankheit heilen, wieso denn nicht der meiner Geliebten?
Maia lachte auf, nein, sie lachte diesen Mann aus, der es nicht geschafft hatte obwohl er doch so bedacht war nicht auf die Tricks der Nymphen reinzufallen. Er hat die übernatürliche Wesenmsoviel verachtet sogar gehasst und liebte Eine schlussendlich bis ans Ende seiner Tage. Maia bezweifelte, dass es ein Happy End gab, denn die Mutter würde sterben und was mit der Tochter passierte war ungewiss. Wie unfair von Iakob!
Maia verfluchte ihn und schüttelte abermals ungläubig den Kopf, während sie weiter im Buch las und ihre Augen schließlich anfingen zu schmerzen. Sie seufzte und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass es knapp nach zehn war und schon meldete sich ihr Magen mit einem Grummeln. Sie hatte noch nichts zu Abend gegessen und so schlich sie auf Zehenspitzen nach unten, um ihren Vater nicht aus dem Schlaf zu reißen. Sie stibitzte sich einen Apfel und strich sich noch ein Marmeladenbrot. Das sollte reichen, doch Maia konnte dem Schokoriegel nicht widerstehen und so machte sie sich auf dem Weg nach oben, zu ihrem Zimmer. Sie aß alles ganz schnell auf, warf noch einmal einen Blick ins Büchlein, entschied sich jedoch für den Schlaf und glitt somit ins Land der Träume.
Als Maia gerade ihr Spind zuschlug stand Adrian plötzlich da und erschrak sie sodass sie den Drang aufzuschreien kaum unterdrücken konnte. ,, Geht es nicht auch mit einem einfachem Hallo?“ murmelte sie und schon hob Adrian die Hand und winkte kurz. ,, Dir auch einen guten Morgen“ entgegnete er ihr und als Maia die Flucht einschlug, folgte er ihr. ,, Hast du das Buch fertig gelesen?“ fragte er prompt und Maia schüttelte den Kopf. Wie nur? Ein ganzes Buch in einem Tag schaffte kein Mensch, besonders nicht wenn man die krakelige Schrift erst entziffern musste. ,, Gib mir ‚ne Woche. Ich geb’s dir dann zurück“ sie bog ab ,ging in ein Klassenzimmer und schüttelte somit Adrian ab der ihr jetzt ein wenig lästig vorkam. Was hatte er nur mit diesem Buch? Es war schließlich NUR ein Buch, und nicht mehr oder weniger. Also wieso der ganze Aufstand? Sie schüttelte den Kopf und vertrieb somit die Fragen die in ihrem Kopf herumschwirrten.
,, Hey! Ich habe gehört du gibst Nachhilfestunden“ säuselte Jessica, die Schönheitskönigin der Klasse, in einem herablassendem Ton.
Maia zuckte nur die Schultern und beschäftigte sich weiter mit ihrem Notizenbuch, wo sie etwas zu zeichnen versuchte. ,, Du weißt ja.. Ich bin nicht gerade die Beste in Mathe“ sprach sie weiter, als wäre es nicht deutlich genug, dass Maia keine Lust auf so eine Eingebildete wie sie hatte. ,, Könntest du mir eventuell auch Nachhilfestunden geben?“ Als Jessica merkte, dass Maia zögerte setzte sie hinzu:,, Natürlich nur gegen Bezahlung“ Jetzt horchte Maia auf. Sie erinnerte sich, dass sie gerade knapp bei Kasse war und ihr Vater ihr Taschengeld nicht erhöhen würde obwohl sie doch so unbedingt diesen einen Film kaufen wollte. ,, 10 Mäuse die Stunde! Donnerstags um 4“ schlug Maia, ohne große Umschweife zu machen, vor. Jessica wirkte ein wenig überrascht, nickte jedoch und setzte sich auf ihrem Platz als die Geschichtslehrerin reinstöckelte.
Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Bildmaterialien: amorphisss.deviantart.com/
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An all die, die hoffen, dass unsere Erde nicht wegen Fehlern des Menschen untergeht!