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Eine kalte Dezembernacht

"Komm schon Zsadist. Ich möchte davon ein Bild. Mit der Kleinen. Der Baum ist dieses Jahr so wunderschön." Bellas Lächeln ließ Zsadist innerlich aufstöhnen. Sie hatte ihn doch sowieso in der Hand. Ein Augenaufschlag war genug und sein sonst so fester Wille schmolz dahin wie Eiscreme in der Sonne. "Aber nur eins und dann gehen wir nach Hause. Du wolltest Weihnachtseinkäufe, die haben wir gemacht. Außerdem muss Nalla so langsam mal ins Bett." Protestierte er halbherzig und zog die neue Cam aus der Jackentasche. "Das Bild und dann fahren wir. Versprochen." Mit Nalla auf dem Arm stellte sich Bella vor den reich geschmückten Weihnachtsbaum von Bloomingdale´s. Sie richtete ihr Haar und drehte das Baby um damit auch Nalla`s Gesicht unter der dicken Wintermütze auf dem Bild sichtbar war.

°Meine wunderschöne Lielan und unser Baby. Gütige Jungfrau, war ich echt so bescheuert und musste so spät erst kapieren, dass Nalla ein Geschenk ist? So viel Glück habe ich doch wirklich nicht verdient° "Bitte recht freundlich. Gleich kommt das Vögelchen", sagte er stolz und blickte durch die Linse auf seine Frauen. Drei, zwei, eins. Er drückte den Auslöser.

 

Ein wahnsinniger Knall ertönte und eine Druckwelle ungeahnten Ausmaßes ließ die Schaufenster der Geschäfte bersten. Der Baum wurde von der Druckwelle der Explosion erfasst und nach vorn geschleudert. Noch ehe Zsadist verstand was da gerade geschah, kam ihm Bella mit Nalla entgegengeflogen und riss ihn zu Boden. Von überall her ertönten Schreie. Glas regnete auf sie herab. Die Welt rückte schlagartig in die Ferne.

Alles klang gedämpft für ihn. Einzig das schwache Geräusch eines Herzschlages drang zu ihm vor. Ein leiser werdender Puls. Sein Rücken schmerzte. Nalla schrie zwischen ihnen. Der Puls wurde leiser. Etwas glomm heiß in seiner Brust. Hatte man auf ihn geschossen? Was geschah gerade. Sein Kopf wog schwer. Seine Gedanken träge. Nalla schrie lauter. Der Puls erstarb.

 

"Lielan? Alles im Lot?" Er spürte wie sein Hinterkopf blutete. Vorsichtig hob er Bella und Nalla von sich runter. Das Weinen des Kindes hallte in seinen Ohren wieder. So hatte er sein kleines Mädchen noch nie zuvor weinen hören. So kläglich. So markerschütternd. Bella bewegte sich nicht. Offensichtlich war sie in Ohnmacht gefallen durch den Schock. Er legte sie auf den Rücken. Nahm Nalla in den rechten Arm und drückte sein Baby an sich. "Lielan? Wach auf. Lielan! Wir müssen hier weg." Doch Bella regte sich nicht. Mit der freien Hand strich er ihr das blutverschmierte Haar aus dem Gesicht. Ihre Augenlider lagen still aufeinander. "Bella!" Er stupste sie mit den Fingerknöcheln zwischen den Streicheleinheiten in die Wange. "Bella... bitte... mach die Augen auf. Hörst du nicht? Dein Baby weint."

 

Der Schmerz in seiner Brust drohte ihn zu zerreißen. Er konnte sich nicht erklären warum Bella nicht reagierte. Sie war doch sonst immer als erster zur Stelle wenn Nalla weinte. Doch jetzt? Sie lag einfach da. Sie schlief. Ihre Lippen leicht geöffnet. Der makellose Teint schön wie eh und je. Z schüttelte den Kopf. Alles um ihn herum schien nicht zu existieren. Vergessen waren die Glassplitter, die panischen Schreie der Kauflustigen. Die Weihnachtsmusik die rauf und runter gedudelt wurde. Nichts von alledem nahm er wahr. Nur Nalla’s Weinen und die endlose Stille in seinem Herzen.

 

Schwarze Stiefel schoben sich in sein Blickfeld. Er kannte diese Stiefel genau. Sie waren unverkennbar. Es waren die Stiefel seines Zwillings. Er merkte, wie zwei starke Hände ihn zurückzogen. Wie jemand ihm Nalla aus dem Arm nahm. Wie sich ein schwarzer Handschuh zu Bellas Kehle senkte und sich um sie legte. "Du erwürgst sie! Hör auf damit!" Zsadist´s Puls begann zu rasen. Die Temperatur um ihn veränderte sich. Zwei Arme umschlangen ihn. Er blickte runter und sah den königlichen Ring an seiner Brust. Wrath? Wieso umarmte ihn Wrath? Moment, er umarmte ihn nicht. Er hielt ihn fest. Er hielt ihn mit Gewalt fest. Z sah von Bella hoch und erblickte in dem Moment Jane. Sie alle waren hier.

 

"Was?" Zsadist knurrte auf. "Ganz ruhig Z. Wir tun alles was wir können. Du darfst jetzt nicht abdrehen. Hörst du? Ich schmeiße ein Mhis drüber. " Das war Vishous Stimme. Ruckartig drehte Z den Kopf in dessen Richtung und sah wie V zu Jane schaute. Er folgte diesem Blick. Die Ärztin kniete neben Bella und versuchte einen Puls zu finden. "Nichts. Ich muss... Wrath? Bring ihn weg! Bring ihn sofort weg! V? Re-ani!" befahl Jane und Wrath zog Zsadist außer Reichweite. Die Stimme mit dem deutlichen Akzent redete auf Z ein. Doch keines der Worte schaffte es bis zu Z´s Hirn. Er war fixiert auf Bella. Doch wurde sein Blick abgeschirmt. Qhuinn, Blay, John und Butch versperrten ihm die Sicht. Phury schob sich mit Nalla nebst Rhage vor Z. Auch Phury`s Lippen bewegten sich doch hörte Z kein Wort von dem, was sein Zwilling von sich gab. "Verpiss dich Phury. Wrath, lass mich verdammt nochmal los bevor ich dir dein Scheissgenick breche. Lasst mich los. Ich muss zu Bella. V bringt sie um." Forderte er wütend mit dem Resultat, dass jetzt Rhage direkt vor ihm stand und die gleiche Umarmung vornahm wie Wrath von hinten. Sie hielten ihn fest.

 

So sehr Z auch versuchte, sich aus der Zwinge zu befreien, seine Brüder ließen nicht locker. Erst als sich die Wand, die die Rookies bildeten teilte und Jane mit gesenktem Haupt durch ihre Mitte trat, lockerten sich die Griffe. Z musterte das Gesicht der Ärztin genau. Wut, Enttäuschung und Kummer spiegelten sich darin. Und was am schlimmsten war, Mitleid. "Nein!" wisperte Z. Seine Beine sackten weg. Er konnte in Janes Augen lesen, dass sie nichts mehr für Bella tun konnte. Die Brüder fingen ihn auf. Nalla schrie nicht mehr. Dafür aber hörte er ein Schluchzen. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Seine Sicht verschleierte sich. Wie in Trance bewegte er sich auf seine Shellan zu. Sie beide wurden umringt von allen anderen. Vor Bella sackte er endgültig auf die Knie. Sie sah immer noch genauso aus wie eben. Nur blasser. So viel blasser. "Bella.." Schon wieder ein Schluchzen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es sein Schluchzen war, welches er hörte. Die Welt verschob sich.

 

Geräusche wurden deutlich. Lärm brach aus. Liebevoll streichelte er ihr Gesicht. Schüttelte sie an der Schulter. Flehte sie an, doch aufzuwachen. Er schaute hoch. Alle Brüder standen dort. Die Blicke gesenkt. Eine Mauer aus schwarzen Gestalten zwischen ihm und dem Rest der Welt. Tränen rannen ihm heiß über die Haut. Niemand wagte es ihn anzuschauen. "Helft ihr doch. Jane? Helf ihr! Sie darf nicht hier liegen... sie darf einfach nicht. " Und dann brach er über seiner Shellan zusammen und es wurde dunkel um ihn herum.

 

Sieben Monate später

 

 

"Z? Bist du da?" Phury’s Stimme wurde von dessen heftigem Pochen an der Türe des Gästezimmers begleitet. Zsadist saß wie jeden Abend auf dem Fensterbrett, ließ die Beine an der Hauswand runterhängen und starrte die Ferne an. Keine Reaktion. "Z? Ich komm jetzt rein!". Und das tat Phury auch. Wie jeden Abend zur gleichen Uhrzeit. Vorsichtig öffnete er die Türe, schob seinen Kopf hinein und testete ob ihm vielleicht doch mal etwas entgegengeflogen kam. Doch genauso enttäuschend wie jeden Abend, passierte nichts. Phury’s Herz war schwer ob der Lebensresignation seines Zwillings. Leise schloss der Primal die Türe und trat zu seinem Bruder ans Fenster. "Gibt’s was neues da draußen?" fragte er. Zsadist regte sich nicht. Er wirkte wie einer dieser Steindämonen die man zur dusteren Wirkung an noch dustere Häuser baute. "Z. Sieben Monate. Wie lange willst du das noch durchziehen? Nalla braucht dich. Sie läuft schon und redet wie ein Wasserfall. Sie braucht dich wirklich. Ich weiß nicht, was ich ihr noch sagen soll. Sie hat gestern Mama zu Cormia gesagt." Wie immer vermied Phury es, Z zu berühren. Seit diesem fatalen Abend kurz vor Weihnachten war Z einfach nicht mehr er selbst. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst seit Bella so tragisch ums Leben kam. Ein Attentat von Menschenhand gemacht hatte seine Welt in tausend Teile zerrissen.

 

„Zsadist. Bitte. Das geht so nicht. Ich helfe dir wo ich kann, das weißt du. Trotzdem ist es an der Zeit, dass ihr Dad sich ihrer wieder annimmt. Zsadist. Sie ist dein Kind. Deine Tochter. Sie lebt und braucht dich. Bella wird nicht wieder kommen. Egal wie lang du wartest. Du musst aufwachen!“. Phury strich sich grob die Haare zurück und seufzte denn wieder kam von Z nichts. Er zuckte nicht mal mit der Wimper. Frust staute sich in Phury auf. „Nochmal. Egal was du tust, es ändert nichts mehr. Es tut uns allen Leid, was da passiert ist. Jeder der Brüder nimmt Rücksicht. Sogar Wrath hält die Füße still aber du kannst nicht erwarten, dass ein Kind, dein Kind, gänzlich auf dich verzichten kann. Bella ist tot! Hörst du? Und nichts kann sie zurückholen!“ Das war viel mehr als Phury eigentlich sagen wollte aber die letzten Monate hatten dafür gesorgt, dass sein Nervenkostüm blank lag. Die Auserwählten brauchten ihn mehr denn je. Der Tod von Bella. Die Neuformierung der Lesser. Und als ob es nicht reichen würde, dass Z bei den Streifen ausfiel, nein, er musste auch noch zuschauen, wie sein Zwilling von Tag zu Tag mehr runterkam. Er aß nicht, er sprach nicht. Alles was er tat, tat er mechanisch. Er achtete auf nichts mehr. Trug die gleichen Klamotten wie an dem Abend als das Unglück geschah. Die wenigen Stunden in denen er schlief, schlief er wie damals auf dem Boden. Das waren die Augenblicke in denen sich Phury in sein Zimmer schlich um Z´s Klamotten wenigstens auf der Hand zu waschen. Denn außer Phury, wurde niemand in dem Gästezimmer geduldet. Doggen schon gleich gar nicht. Obwohl Fritz es sich nie nehmen ließ, Mahlzeiten vor der Türe abzustellen. Granny Smith inklusive.

 

Es kam Bewegung in den Bruder. Er legte ein Foto behutsam auf den Fenstersims. Atmete tief ein und sprang dann aus dem Fenster und verschwand in der Dunkelheit. „Scheisse Z. Es tut mir leid.“ Phury blickte noch einen Moment runter in die Auffahrt und sah sich dann das Foto an. Es war die letzte Aufnahme die es von Bella jemals geben würde. Das Bild mit ihr und Nalla vor dem Weihnachtsbaum bei Bloomingdale´s. Tränen schossen in seine Augen und er legte das Bild auf das unbenutzte Bett bevor er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.

 

Irgendwo in Caldwell….

 

Zsadist zog sich mit versteinerter Miene das Shirt aus und klemmte es sich seitlich in den Hosenbund. Seine Bewegungen waren langsam aber geschmeidig. Seine Haut wirkte als sei sie in Asche gewälzt worden. Seine Rippen stachen hervor. Das abgemagerte Gesicht offenbarte eine eisige Maske des Todes. Die Augen schwarz und seelenlos. Einzig das grimmige Lächeln auf seinen Lippen zeugte davon, dass er wirklich wahrnahm wo er war. Der Lesser fluchte ihm entgegen und schwang den Baseballschläger unruhig. „Was soll die Show? Bist du schwul oder sowas?“ Ein Neuling in der Brigade Omegas. Sein Haar hatte noch ein wenig seiner Ursprungsfarbe. Seine Augen waren noch nicht ganz tot. Und dieser Diener des Bösen war sichtlich nervös. Sicher hatte er auch schon das Gerücht des lebenden toten Bruders der Black Dagger gehört und begriff gerade, dass genau dieses Gerücht ihn gerade so grimmig angrinste. „Kannst du nicht reden, Mann? Was soll der Bullshit? Komm her dann mach ich dich kalt. “Z spreizte die Arme seitlich ab und hieß den Lesser so auf spöttische Art und Weise Willkommen. „Du bist echt krank, Mann.“ Ein Zungenschnalzen und das Locken mit vier Fingern war die einzige Antwort, die der Vampir von sich gab. Wut kochte in dem Lesser hoch und er ging tobend auf Zsadist los. Der erste Hieb mit dem Holzschläger traf den Bruder in die Seite. Der Kerl spreizte seine Arme immer noch. Ein weiterer Schlag. Doch außer dem kontrollierten Ausstoß von Atemluft kam….nichts. Dieser Typ klappte nicht nach vorn weg wie die anderen wenn man ihnen einen saftigen Hieb mit der Holzkeule gab.

 

Z legte den Kopf schräg und hob eine Braue an. Seine Arme sanken langsam runter. Das Lächeln erstarb. Die Schatten der Straßenlaterne die durch die Risse und Löcher der baufälligen Gebäudewand fielen, ließen den ausgemergelten Körper des Vampires noch grotesker wirken. Er hauchte einen Namen den der Lesser nicht verstand und ging keine Sekunde später mit solcher Wut und Gewalt auf den Lesser los, dass der zuvor als Waffe benutzte Sportschläger am Ende größer war, als die Überreste des Gegners.

 

 

Heftig atmend zog Z den Dolch mit der schwarzen Klinge aus dem Brustholster und stob ihn in das vor ihm offenliegende schwarze Pulsieren in der Brust des Lessers. Mit einem Lichtblitz entschwand der Söldner des Bösen in die Ewigkeit. Z betrachtete mit einer unheimlichen Faszination die Klinge bevor er sie wieder in ihre Hülle zurückschob. Er blickte sich um. Nichts war zu holen. Auf dem Weg raus fand er eine schmutzige Decke mit der er sich das Lesserblut vom Kopf wischte. Er zog das Shirt wieder an und ließ den Ort hinter sich. Auch wenn er wusste, dass ganz egal wie viele Lesser er vom Teller der Welt putzen würde, es das Loch in seinem Herzen und seiner Seele niemals würde füllen können, begab er sich weiter auf die Jagd. Alles war besser als sich die Mine seines Zwillings reinzuziehen. Als er gerade die Mainstreet runterging, vibrierte das Handy in seiner Hosentasche. Er zog es hervor und rief die Nachricht ab. Wrath. Er gab ihm vier Minuten um seinen Kadaver ins königliche Büro zu bewegen. Mit einem tiefen, kehligen Knurren dematerialisierte er sich aus einer Seitengasse zurück zum Anwesen.

 

Das Büro des Königs

 

 

Zsadist öffnete die Türe und trat ein. Wie immer hob er den Blick nicht in Wrath´s Richtung. Lediglich ein knappes Nicken deutete vom Respekt des Bruders zu seinem König. Mit verschränkten Armen stellte er sich vor den Schreibtisch. Wrath lehnte sich mit dem Rücken an dem schweren Thron an und faltete die Hände zu einer Spitze auf dem Schreibtisch. „Drei Minuten. Gute Zeit.“ Eröffnete der König das Gespräch um abzutasten wie es um die Stimmung des unberechenbaren Bruders bestellt war. Zsadist schwieg nach wie vor. „Z? Ganz ehrlich. Ich hab keinen Plan was ich mit dir anstellen soll. Du bist seit sieben Monaten ein wandelnder Schrotthaufen. Du bist nicht mehr greifbar für die Brüder. Du bist nicht mehr greifbar für die Bruderschaft. Dass das Ganze nicht wirklich tragbar ist bei dem was da draußen abgeht, muss ich nicht auch noch extra erwähnen. Aber das alles ist ein Scheissdreck im Vergleich zu dem was du deinem Kind und deinem Zwilling zumutest. Wusstest du, dass Phury und Cormia dauernd aneinander geraten?“ Z konnte nicht schnell genug verhindern, dass seine Brauen sich kurz leicht hoben. „Wusstest du nicht. Dachte ich mir. Mich geht deren Privatscheiss nichts an aber was mich was angeht ist die Stärke der Bruderschaft und die lässt extrem zu wünschen übrig. Du machst was du willst und Phury geht deinetwegen in allen Ebenen auf dem Zahnfleisch. Pass auf. Ich hab jedes Verständnis für deine Trauer. Auch wenn ich bis heute nicht kapiere, warum die Schleierzeremonie so von dir angetrieben wurde, dass nicht mal die übliche Trauerzeit verstrichen war. Aber ich hab null Verständnis dafür, dass du das einzige Wesen, was dich so dringend braucht, so herzlos im Stich lässt. Was hat sie dir getan?? Sie ist ein Baby. Was kann sie schon angerichtet haben, dass du sie meidest als habe sie die Pest?“ Selbst Wrath war nicht gefeit davor, sich von Z´s eisigem Schweigen in die Raserei treiben zu lassen. Doch noch hatte der König sich unter Kontrolle. Dennoch knetete er mittlerweile so heftig seine Hände, dass man meinen konnte, er wolle jede Sekunde aufspringen und damit Z´s Gesicht so lange bearbeiten bis er auch nur irgendeine Reaktion zeigte denn das tat der Mann mit der dunklen Aura nach wie vor nicht.

 

„Fuck.“ Wrath schob die Panorama Brille vom Nasenrücken hoch und massierte sich die Stelle auf der die Brille auflag. „Wie soll das gehen, Mann? Wir waren nie Freunde, werden es vermutlich auch nie werden aber ich bin nach wie vor dein Bruder und dein König und es kotzt mich an, dir beim Krepieren zuzugucken. Du gehst nicht mal mehr mit auf Streife und…. Z? Wo gehst du hin?“ Z verließ das Büro und kam einige Minuten später mit einer der großen Plastikstapelboxen zurück. Er trat erneut an den Schreibtisch und kippte den Inhalt vor Wrath aus. Da waren unzählige Handychips, zu Stapeln mit Gummibändern fixierte Ausweise, eben solche gebundene Stapel Fotos die Kanopen zeigten in der Grotte, zusammengebundenes Geld und einige Handfeuerwaffen. Z ließ die Plastikbox mit einem Krachen auf den Boden fallen und verschränkte dann wieder die Arme vor der Brust. Wrath musste schlucken. Das waren Ausbeuten von Streifzügen die niemand vermerkt hatte. Alleine die Handychipkarten durften an die 200 zählen.

 

Es dauerte einen Moment bis Wrath sich wieder im Griff hatte. Er schob sich etwas Platz auf dem Schreibtisch und legte seine schweren Unterarme auf dem Holz auf. „Schön. Du bist also zum Lonesome Ranger mutiert. Ganz toll. Und jetzt erklär mir mal, wie wir hätten rausfinden sollen, dass du verreckt bist, wenn keine Sau wusste wo du steckst. Z wir machen das Ganze nicht erst seit gestern und du weißt verdammt genau warum die Vorschriften so sind wie sie sind. Das ist ein abgefucktes Himmelfahrtskommando was du da abziehst. Das kann und werde ich nicht dulden. Ich muss eine Entscheidung fällen..“ Da trat Z auf ihn zu, zog synchron beide Dolche hervor und legte sie Wrath zu der Lesserbeute. Er hatte also vor, aus der Bruderschaft auszutreten. Ohne ein verdammtes Wort dazu zu sagen.

 

Jetzt sprang Wrath auf und fegte mit einer Bewegung alles vom Schreibtisch runter, griff Z am Kragen des Shirts und zog ihn zu sich ran. Nase an Nase knurrte er Z an. „Glaubst du wirklich, es wäre so einfach? Glaubst du wirklich, dass du nur die Dolche ablegst und alle Probleme sind gelöst? Fick dich, Zsadist! Du hast einen Schwur abgelegt. Einen Schwur von dem nur ich, die Jungfrau persönlich oder aber der Tod dich entbinden kann. Vergiss das mal nicht. Und jetzt pack deine verdammten Klingen wieder ein und verpiss dich aus meinem Büro. Du hast eine Sperre bis ich weiß, wie ich dir die Scheisse aus dem Leib prügle.“ Er schubste Z nach hinten weg und setzte sich wieder auf den Thron. Z zuckte mit den Schultern, sackte die Dolche wieder ein und wandte sich zur Türe. „Und übrigens!“, bremste Wrath ihn nochmal aus als Z schon die Klinke in der Hand hatte, „du wirst wieder in dein Zimmer ziehen und Nalla ebenfalls. Stell dir eine Nanny ein, die dir hilft aber du wirst dich ab sofort wieder selber um deinen Nachwuchs kümmern. Das ist ein Befehl. Klar? Und wenn ich deinen Zwilling noch einmal so fertig vorfinde, schwöre ich dir, wirst nicht nur du dafür bluten sondern auch er. Und jetzt scher dich raus.“ Ohne Wrath auch nur eines Blickes zu würdigen, nickte Z erneut und verließ das Büro.

 

Zwei Wochen später….

 

 

Emily zog Nalla die Windel aus und hob sie ihrem Vater entgegen. Noch immer war der Mann mit dem zerstörten Gesicht und dem eisigen Schweigen nicht geheuer. Zwar kannte sie Bruder Zsadist schon länger, da sie ihre Doggen Ausbildung unter Fritz Hand gemacht hatte aber einen Draht würde sie wohl ausschließlich zu dem Kind aufrecht halten können. Ihr fröstelte ob der obsidianfarbenen, leeren Augen.

„Möchtet ihr sie selbst baden, Herr?“ Phury, der sie auch als Kinderdoggen eingestellt hatte, hatte ihr eingebläut nie den Versuch aufzugeben, Zsadist dazu zu bewegen, sich selber um Nalla zu kümmern. Doch auch heute konnte sie keinerlei Erfolg verbuchen. Wie jedes Mal stand der Vampir schweigend am Türrahmen zum Badezimmer und bewachte aufs Genauste den Ablauf. Das war kein angenehmes Unterfangen, zumal Emily nie wusste, ob sie alles zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigte. Lediglich das fröhliche Lachen des Kindes zeugte davon, dass sie so falsch nicht liegen konnte.

 

„Dein Daddy sieht dir zu kleine Miss. Wollen wir ihm zeigen, wie wunderschön du schon tauchen kannst?“ Ein munteres Zappeln war Antwort genug. So griff die Doggen das Kind anders und ließ Nalla selbst entscheiden, wann sie das Gesicht ins Wasser tauchte. „Das hast du gut gemacht, kleine Miss. Und nun geht es ans Haare waschen.“ Erklärte die junge Frau liebevoll und blickte erneut fragend in Z´s Richtung. Dieser aber löste seine Arme vor der Brust, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Badezimmer. Wenige Minuten später konnte man auch die andere Türe zugehen hören. Seufzend streichelte Emily Nalla über den Kopf. „Sei nicht traurig. Er liebt dich trotzdem. Da bin ich ganz sicher. Möchtest du Erdbeere oder lieber Aprikosenprinzessin sein?“ Die Shampooflaschen beide anbietend vor das Kind haltend sah sie nochmal auf den Platz an dem er eben noch gestanden hat. Sie fragte sich still und heimlich, ob das Eis zwischen Vater und Tochter jemals wieder brechen würde.

 

 

 

Wenig später im Trainingscenter

 

 

Schlag auf Schlag krachte in den Boxsack. Zsadist’s Mine war konzentriert und wirkte doch abwesend. Schlag auf Schlag. Das Tape saß zu eng um die Knöchel und die Wucht der Hiebe sorgte dafür, dass das Gewebe sich in seine Haut schnitt. Mit jedem Treffer des Sandsacks, rann etwas mehr Blut über seine Handgelenke und fiel tropfend auf den Boden. Konnte es denn wirklich sein? Er hatte die Informationen schon so oft kontrolliert. Immer in der Hoffnung, dass das Ergebnis ein anderes sein würde. Doch immer wieder kam die ernüchternde Wahrheit aufs Neue zu Tage. Schlag auf Schlag. Er wünschte, er hätte dieses letzte Bild seiner Shellan niemals entwickeln lassen. Vielleicht wäre er dann heute, nach so vielen Monaten, endlich in der Lage loszulassen. Doch die Umstände versagten ihm, wenigstens seine Form der Gerechtigkeit walten zu lassen. Natürlich konnte nichts in der Welt seine Bella wieder zurückholen. Als ob er das nicht wüsste. Aber diese klaffende Wunde in seinem Herzen…diese durfte er nicht schließen. Konnte sie nicht schließen. Nicht, ohne eine andere auf brutale Art und Weise aufzureißen. Ein letzter Schlag. Sein Puls schoss in die Höhe, seine Fänge verlängerten sich, sein Brüllen war ohrenbetäubend. Dann sank er auf den Boden. Auf allen Vieren und mit hängendem Kopf schnappte er nach Luft.

 

 

Thors Büro

 

Auf sein Klopfen hin ertönte keine Reaktion. Damit hatte Z gerechnet. Um diese Uhrzeit schliefen fast alle. Er betrat das Büro und schloss die Türe hinter sich ab. Anschließend auch den Zugang zum Haupthaus.

Er fuhr Thors Rechner hoch und setzte sich. Die Trainingshose klebte vor Schweiß und Blut an seinen Oberschenkeln fest. Wie oft er die Informationen abgerufen hatte in den letzten Monaten wusste er nicht. Es wurde schon zu einer Art Ritual dies zu tun. Nach jedem Training schlich er sich her und musste es sich vor Augen führen. Jedes Mal musste er sich visuell klar machen, wo sein Standpunkt war. Er rief die versteckte Datei auf und gab mit beiden Zeigefingern im Adlersuchsystem sein Passwort ein. Zuerst tauchte das Bild auf. Dann öffnete das Programm die Liste mit dem Namen und der Adresse. Wieder seufzte er tief und hielt sich den nackten Bauch fest. Ihm wurde immer noch schlecht. Ja, die Wahrheit schmerzte. Vor allem, wenn diese Wahrheit einem Fesseln anlegte, die man kaum bis gar nicht ertragen konnte. Eine Weile starrte er frustriert auf den Bildschirm bevor er die Dateien schloss, den Rechner runterfuhr und beide Türen entriegelte. Mit einem letzten Blick entschwand er ins Haupthaus.

 

Einen Monat danach..

 

„Wo zum Geier will der hin? Der treibt sich doch sonst nicht in der Vorstadt rum?“ Vishous drehte sich einen Sargnagel und tastete seine Jacke nach dem Feuerzeug ab. „Ich bin Katholik, nicht Gott. Woher soll ich n das wissen? Der legt ja niemandem Rechenschaft ab. Aber du hast Recht. Die Route heute ist neu.“ Butch zog das Feuerzeug aus der Mittelkonsole des Escalade und reichte es V rüber. „Trotzdem kapier ich nicht, warum wir unseren eigenen Bruder observieren müssen. Was verspricht sich Wrath davon?“ Müde rieb der Bulle sich den Nacken und ließ die Finger knacksen. „Irgendwann kriegen wir die Antwort. Er weiß definitiv etwas, was wir nicht wissen. Und wenn der Dreckssack sich nicht antrainiert hätte jedes Mal an die verfluchten Teletubbies zu denken, wenn er mich riecht, wüssten wir schon mehr.“ Vishous zog an der Zigarette und blies den Rauch aus dem Fenster in die Nacht. „Ich find s ja schon geil. Das mir das nicht eher eingefallen ist. Mann, ich hätte so viele Sachen für mich behalten können. Scheisse noch eins. Sag mal, Trahyner, magst du eigentlich Snoopy und die Peanuts?“ Butch wackelte mit den Augenbrauen und duckte sich unter dem halbherzig ausgeführten Faustschlag von V weg. „Leck mich, Bulle. Leck mich einfach.“ V spürte die große Pranke von Butch auf seinem Oberschenkel und wendete seinen Blick zu ihm rüber. „Oh mon Cherie, für disch denke isch auch an ..autsch.. nicht so grob ja? Ich wollte doch nur… autsch… V! Mann.. nicht immer auf die gleiche Stelle.“ „Erinnerst du dich daran, dass ich dir mal sagte, es gibt Zeiten für Silber und Zeiten für Gold? Das ist eine Goldsituation. Wobei es für dich eigentlich an der Zeit für eine ganze Gold Ära wäre.“ Das verächtliche Schnauben des Bullen wurde mit einem kalten Grinsen von V beantwortet. „Und ich dachte du liebst mich.“ „Träum weiter, Bulle. Hey, los geht’s. Er ist da vorne in das Haus rein. Was will der hier?“ „Finden wir s doch raus.“ Antwortete Butch und stieg als erster aus dem Wagen.

 

 

Während sich die zwei Brüder an der Seite des Hauses entlang schlichen, summte Butch leise die Melodie aus Hitchcock´s Psycho. V drehte sich um. „Hast du s bald?“ Kopfschüttelnd ging er weiter. „Was denn?? Ich hasse es neugierig zu sein. Außerdem erinnert mich deine Heckansicht immer an den Film. Keine Ahnung wieso.“ Butch summte weiter während V schlagartig stehen blieb und sich aufrecht vor den Bullen stellte. „Wie bitte? Du willst mir jetzt sagen, dass mein Rücken dich an nen Horrorfilm erinnert? Sag mal, hatten wir nicht ausgemacht, nicht mehr besoffen auf Einsätze zu gehen?“ „Wie denn, wo denn, was denn? Ich bin nicht besoffen. Und wenn mich deine Rücken… Moment.. das ist kein Horrorfilm. Das ist ein Thriller. Das ist jawohl ein gravierender Unterschied.“ „Ist es nicht.“ Fuhr V dazwischen. „Ist es wohl. Davon an…. Sieht deine Jacke nun mal von hinten aus wie n Duschvorhang“ V´s Augen verengten sich. „Das…. Ist jetzt nicht dein Ernst!?“ Das typische versuchte unschuldige Grinsen von Butch sorgte dafür, dass V sich vor die Stirn schlug. „Gehen wir einfach!“ „Jawohl, ich folge unauffällig“.

 

Zsadist stand in der weitläufigen Garage des Hauses. Überall fanden sich Teile von Fahrzeugen. Von Porschemotoren bis zu Lenkgabeln von Harley Davidson, lag hier ein Wert rum, der sich sehen lassen konnte. Damit war sicher, dass dieser Mistkerl mit allem dealte, was nicht niet- und nagelfest war. Z dematerialisierte sich auf den Balken knapp unterhalb der Garagendecke. Satte fünf Meter hoch. Nicht schlecht was dieses Gebäude an Platz lieferte. Er legte sich auf die Lauer, zog die SIG aus dem Holster und schraubte den Schalldämpfer auf. Dann wartete er.

 

„Kannst du ihn sehen?“ Drängelte der Bulle und versuchte ebenfalls einen Blick durch das kleine, schmutzige Seitenfenster zu erhaschen. „Yepp. Er liegt auf der Lauer wie es aussieht. Entweder das oder er testet die Tragfähigkeit der Querstrebe bei Schusswechsel aus. Er hat grad den Schalldämpfer aufgeschraubt. Und .. Bulle?? Nimm deine Griffel von meinem Arsch.“ „Tschuldigung. Geh mal weg, ich will auch mal gucken.“ V grinste knapp. „Das ist kein verfluchtes Sommerlager in dem du dir deine ersten Titten anschauen kannst. Nur als Hinweis.“ V trat zur Seite. „Nur als Hinweis.. sei dankbar, dass ich mit der Wandlung sämtliche Haare verloren habe ansonsten könntest du mich jetzt mal gepflegt an meinem behaarten Arsch lecken.“ „Mhh Touché. So langsam wird der Bostoner Dickschädel ja doch noch schlagfertig.“ Dann fuhr ein Auto vor und Butch verkniff sich die Antwort.

 

Auch Z vernahm das Vorfahren des Wagens und rollte kurz den Nacken. Mit ausgestrecktem Arm legte er auf die Eingangstüre an. Heute würde der persönliche Albtraum dieses Mannes starten. Heute würde Z dafür sorgen, dass endlich der Deckel drauf gemacht wurde. Ein für alle Mal. Er hatte keine Ahnung wie es ihm danach gehen würde aber im Moment zählte nur, dass heute Nacht das erste Zeichen gesetzt wurde. Seit drei Wochen verfolgte er den Kerl. Hatte zugesehen wie dieses Mörderschwein raubte, tötete, belog, betrog und für sein eigenes Glück über Leichen ging. Normalerweise gingen die Angelegenheiten der Spezies Mensch dem Vampir am Arsch ab. Doch dieses Individuum, welches gerade mit drei seiner Kumpanen die Garage betrat, bildete da nebst der Nutten der Stadt die als Blutspenderinnen für sein Überleben herhalten mussten, die einzige Ausnahme. Z sah auf das Foto und verglich nochmals das Gesicht auf dem Bild mit dem unter sich. Kein Zweifel. Das Gesicht war das Gleiche. In kurzer Abfolge gab Z drei Schüsse von sich und die drei Begleiter seines Ziels brachen tot über den Ersatzteilen auf dem Boden zusammen.

 

„Fuck. Der hat drei von denen umgenietet.“ Entfuhr es Butch. „Wir müssen da rein.“ Im Spurt eilten V und Butch um die Garage und zogen ihre Waffen bevor sie das Gebäude durch die gleiche Tür betraten wie die Truppe vor ihnen, „Z! Lass den Scheiss! Nimm die Knarre runter!“ Brüllte V Zsadist an. „Komm schon, was auch immer der hier für ein Problem ist, wir haben ihn im Fadenkreuz. Nimm die Waffe runter. Es ist doch nur ein Mensch.“ Der besagte Mensch stand, mit bebenden Händen, die kaum mehr in der Lage waren, die Baretta zu halten, geschweige denn damit zu zielen, Z direkt gegenüber. „Was? Wer zum Teufel seid ihr? Und warum hat der meine Jungs abgeknallt wie räudige Köter auf der Straße? WAS VERDAMMT NOCHMAL GEHT HIER AB?“

 

Das ging ja mal gar nicht. Auch wenn Vishous sich genauso wie alle anderen null für Menschen interessierte, kam es ja gar nicht in Frage, dass Z sie wegblies wie Frösche zum Jahreswechsel. Doch irgendwas stimmte hier partout nicht. Z reagierte gar nicht auf ihn oder Butch. Er stand lediglich mit gezogener SIG da, zielte auf den Menschen. Doch Z zitterte? Ja. Vishous konnte es deutlich sehen. Zsadist’s Arme zitterten. Erst jetzt erkannte er auch, dass seinem Bruder der Schweiß auf der Stirn stand. Aber warum. „Lass ihn ihn doch abknallen. Ich find das auch viel cooler vorher zu schießen und dann zu fragen.“ Schaltete Butch sich ein. Dann gewann die Situation eine völlig andere Dynamik. Der Mensch fuhr auf dem Absatz herum. Butchs Gesichtszüge entgleisten schneller als er Grey Goose sagen konnte.

 

„Fuck! Teddy?“ Butch ließ die Waffe sinken und drückte auch die von V am Lauf runter. „Brian? Scheisse. Bist du das wirklich?? Ich dachte du bist tot?“ Offensichtlich hatte der Mensch namens Teddy den Vampir mit der geladenen SIG in seinem Nacken ausgeblendet denn er machte einen Schritt auf Butch zu. Ein Schuss. Teddy sackte in die Knie und schrie. Z hatte ihm von hinten in den Unterschenkel geschossen. „HÖR AUF DAMIT Z! Das ist mein Bruder!“ keifte der ehemalige Cop den Bruder an. „Ist er und er ist der Mörder meiner Shellan!“ flüsterte Z heiser und legte wieder auf Ted an. V dematerialisierte sich hinter Z und entwaffnete ihn so schnell es ging. „Sag das nochmal. Und EY! Pfoten weg! Die Knarre kriegst du erst wieder wenn du mir verraten hast, was hier abgeht!“ Z´s tiefes und grausam klingendes Knurren ging sogar Vishous unter die Haut. „Schaff ihn weg. Bring ihn in den Escalade ansonsten kann ich für nichts garantieren“, gab V Butch mental den Befehl dessen Bruder aus der Schusslinie zu bringen während er mit aller Kraft versuchte sich Z in den Weg zu stellen.

 

Das durfte nicht wahr sein. So verdammt lang hatte er aufgrund der Tatsache, dass der Attentäter bei Bloomingdale´s, der Mörder seiner Bella, und der Stiefbruder von Butch ein und dieselbe Person waren, gezögert. Gezögert Rache für den Tod seiner Frau, Rache für den fetten Schnitt im Glück seines Lebens, zu nehmen. Und jetzt, wo er genug gesammelt hatte um dem ganzen einen gerechten Grund zu geben, schalteten sich seine Brüder ein. Verhinderten, dass er Bella endlich gehen lassen konnte. Verhinderten, dass er austesten konnte, ob der Schmerz in seinem Inneren dann endlich abklingen würde. Binnen Bruchteilen von Sekunden implodierte die angestaute Wut, der Frust und die Trauer in Z und das einzige Ventil um nicht daran zugrunde zu gehen stand direkt vor ihm. In Form seines Bruders Vishous.

 

Kaum hatte Butch seinen Bruder aus der Garage geschleift, stoppte er ab. Das Geflenne ging ihm doch auf den Keks. Außerdem würde bei dem Krawall nur wenig Zeit vergehen, bis irgendwer von den Nachbarn auf die geniale Idee kam, seine Exkollegen auf den Plan zu rufen. „Sorry Mann“, murmelte der Bulle vor sich hin und verpasste Teddy einen Hieb mit dem Griff seiner Knarre und schaltete ihn so vorerst aus. Er schleifte ihn zum Escalade und öffnete mit dem Zweitschlüssel den Wagen. Er schob den Menschen auf die Rückbank und zog das Handy aus der Tasche. Das Chaos hier, vor allem das was sie Z nannten, schrie nach Verstärkung. „Hey, Jo, ich bin´s. Wir haben ein Problem.. ja genau. Drei tote Menschen, einer verletzt und die Z-Bombe ist gezündet. Ja. Nein. In der *****-Road 721 . Eine Garage. Grüne Tür. Nee, ich geh wieder rein. Ja. Liegt bewusstlos im SUV davor. Jau. Alles klar. Bis gleich.“ Damit steckte Butch das Handy wieder ein, verriegelte den Wagen und ging zurück zum Schauplatz des Grauens.

 

 

„Geh mir aus dem Weg, Vishous“, knurrte Zsadist durch die Zähne gepresst. „Geh mir aus dem Weg oder du wirst es bereuen.“ „Bereuen. Gutes Stichwort. Aber weißt du, ich bereue schon so einiges im Leben. Auf das Schippchen mehr oder weniger kommt es bei Leibe auch nicht mehr an. Also vergiss es, Z.“ V stellte die Füße etwas weiter auseinander um Z, der schwer nach Angriff aussah, Stand halten zu können. „Aber schön, dass du noch reden kannst. Ich dachte schon du hättest deine Zunge verschluckt. Übrigens. Ich mag die Teletubbies mittlerweile also such dir was anderes aus um mir auf die Eier zu gehen.“ Seelenruhig steckte V die Waffe weg. „Komm schon, Mann. Glaubst du echt, dass es das besser macht den Idioten über den Jordan zu schicken? Denk nach. Wenn er wirklich hinter dem Anschlag letztes Jahr steckt dann… „ Z unterbrach ihn. „Nein eben nicht. Wrath hat für ihn keine Zuständigkeit. Und die Menschen sperren ihn weg. Das tut nicht mal weh.“ Es ging also um das altbewährte Mittelchen Auge um Auge bei der Sache. V änderte seine Taktik und ging so weit zurück, dass er die Türe blockierte. Nicht, dass die Garage aus Beton Z wirklich aufhalten konnte. Es ging um die Veranschaulichung dessen, dass V sich ihm auf jeden Fall an den Arsch heften würde um schlimmeres zu verhindern.

 

„Es bringt Bella nicht zurück.“ V sah Z direkt in die Augen. Sah tief hinein und fühlte den Schmerz seines Bruders wie den eigenen. „Es bringt sie nicht wieder.“ Wiederholte er ruhig. „Meinst du, das wüsste ich nicht? Fuck. Ist mir egal. Einer wird bluten dafür… leiden so wie niemand anderer.“

„Runter mit der Knarre Zsadist.“ Knapp neben Vishous materialisierte sich Wrath in voller Montur. Gleich danach tauchten Rhage, Phury und Tohr auf. „Es leidet schon jemand mehr als alle anderen. Du weißt es. Nimm die Waffe runter. Es nützt gar nichts, wenn du V erschießt. Zsadist! Lass die Knarre fallen.“ „Bitte Z“, kam es leise von Phury der sich mittlerweile neben Z aufgebaut hatte. „Denk an Nalla“. „Ja, denk an meine monstersüße Nichte. Du kannst V ja ins Knie schießen… der steht auf Schmerzen. Aber ihm die Rübe löchern wär uncool.“ Rhage schob lässig seinen Lolli auf die andere Seite seines Mundes und grinste Z an. „Zsadist. Ich weiß wie du dich fühlst. Glaub mir. Und eins kann ich dir garantieren. Nichts was du machst, wird dieses Gefühl in dir ersticken. Egal wieviel Zeit auch vergeht. Dieses Loch lässt sich nicht stopfen. Ich weiß das.“ Tohrment trat einen Schritt vor und stand nun direkt vor dem Lauf der SiG. Sein Blick hielt den von Z. „Wir nehmen jetzt die Waffe runter. Ganz langsam, ja? Ich steh nicht so auf weitere Atemlöcher also sei so gut und drück nicht ab.“ Tohrments beruhigende Art war einfach unschlagbar. Er legte langsam die flache Hand oben auf den Lauf der SiG und drückte ihn Stück für Stück runter.

 

Blay, Qhuinn und John materialisierten sich am Escalade und sahen Butch gerade weggehen. „Sie hatten nach der Rettung in der Not geflötet?“ Qhuinn lehnte sich gemütlich an den SUV und schenkte Butch, der sich umdrehte ein süffisantes Grinsen. „Schön, dass ihr da seid. Ihr passt auf den Wagen auf.“ „Bitte? Du hast doch eine Macke. Ich bin doch kein Parkplatzwächter.“ Qhuinn protestierte. John pfiff leise und Blay wandte den Blick auf den Escalade. „Klar Qhuinn. Gehört alles zur Rekrutenausbildung dazu. Blödmann. Da drinnen liegt jemand und bewacht den Rücksitz auf schlafende Art und Weise.“ Er warf John den Schlüssel zu. „Sollte er aufwachen, schließt auf und schaut euch die Schusswunde am Bein an. Notfalls liegt im Kofferraum der erste Hilfe Kasten. Ich muss jetzt wieder...“ „Was? Da liegt einer drin und blutet V die Sitze voll. Na super und ich durfte nicht mal einsteigen als wir nach der Streife aus dem Wald kamen.“ „Zeigt doch, wo V seine Prioritäten setzt“, meinte Blay mit einem leicht frechen Grinsen und fragte Butch, wer im Inneren des Wagens lag. „Ein Mensch. Mehr müsst ihr nicht wissen. Wenn was brennt. schreit einfach.“ Damit verschwand Butch wieder in die Garage.

 

„Schreit einfach. Ganz schön gemein oder John?“ Qhuinn stemmte die Sohle seiner New-Rocks gegen die Fahrertüre und nickte als Erwiderung auf den ausgestreckten Mittelfinger von John. „V wird das nicht gut heißen, wenn du deinen Fuß da parkst.“ Ermahnte Blay Qhuinn. Doch dieser grinste breit. „Ich glaube, heute macht V Ausnahmen. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit nutzen und ein paar richtig fette geposte Fotos auf dem Dach seiner Karre machen lassen. Wer weiß schon, wann ich dazu wieder Gelegenheit kriege.“ Blay und John rollten synchron mit den Augen. „Lasst uns mal gucken, wer der Mensch ist. Das würde mich viel mehr interessieren als irgendwelche Nacktbilder von dir auf ner Motorhaube.“ John pfiff zweimal für ein Ja. „Ich hab nichts von Nacktbildern gesagt aber nett zu sehen wo deine Gedanken dich hinführen Blay.“ Innerhalb einer Sekunde färbten sich Blays Ohren zu einem saftigen Rot und er kramte extra ausgiebig in seiner Jackentasche nach den Dunnhills. „Ich weiß eben wie du tickst. Das ist.. alles.“ Eine schwache Verteidigung. Doch als Qhuinn hinter Blays Rücken zu einem Gegenschlag ausholen wollte, griff John ein und tippte gegen die Fensterscheibe des Wagens denn dort war ein Gesicht aufgetaucht. „Holen wir ihn raus?“ „Würde ich sagen.. habt doch gehört was Butch gesagt hat.“

 

Z sah in die blauen Augen von Tohr und gab dem Druck auf der Waffe nach und ließ sie sinken. Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht. Der Ausdruck in Thors Augen machte das auch nicht besser. Er konnte ihn verstehen. Er hatte Wellsie verloren. Z’s Hände schwitzten und er fror, obwohl sein Körper sich anfühlte wie ein Schmelztiegel. „Ich kann nicht.“ Wisperte Z so leise, dass nur Tohr und Phury es vernehmen konnten. „Doch Zsadist, kannst du.“ Erwiderte Tohr. Z schüttelte den Kopf zweimal und hob die Waffe wieder hoch. Und wieder legte Tohr seine flache Hand auf den Lauf während er mit der anderen Hand ein Zeichen gab für die anderen, ruhig zu bleiben. „Doch Zsadist. Du kannst und du wirst. Steck die Knarre ein und lass uns reden. Ich bin bei dir, Mann. Komm schon. Reden ist gut.“ „Ich kann nicht. Ich… kann.. nicht.“ Die Worte klangen leer aus seinem Mund und er drehte die Waffe in seiner Hand. Jetzt zeigte die Mündung auf Z’s Kopf. „Rhage, Wrath, V, Phury, Butch? Raus hier! Sofort!“ Bellte Tohr den anderen entgegen und auch wenn der Bulle gerade erst wieder zur Türe reingekommen war, führte er die Jungs nun als Spitze zurück nach draußen. Selbst Wrath, zog sich, nach einem kurzen Blick zu Tohr und Z zurück und drückte von außen die Türe zur Garage zu.

 

„Okay Bruder. Wir sind alleine. Es geht die nichts an. Sie werden auch nichts erfahren.“ Tohr hielt seinen Ton und sein Sprechtempo ruhig. Ebenso ruhig griff er nach dem Lauf der SiG und umschloss sie mit der rechten Hand. Er führte die Mündung auf die eigene Brust. „Was soll das?“, fragte Z gebrochen. „Ganz einfach. Tötest du dich, tötest du mich und alle anderen mit. So ist es für mich erträglicher. Denn ich will mir nicht ansehen wie dein Hirn hier die Wände dekoriert. Ich hab gesehen was du vorhattest. Und ich weiß, wie oft dich dieser Wunsch noch einholen wird. Aber es ist uns nicht bestimmt. Dir nicht und mir auch nicht. Verstehst du das?“ Zum ersten Mal seit dem Tod von Bella verschleierte sich Z´s Sicht. „Ich kann nicht, Tohr. Ich kann diese Nacht nicht vergessen… ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich kann nicht ohne sie leben. Ich bin nichts ohne sie. Es ist als wäre ein Teil von mir gestorben. Ein Teil den ich niemals wieder zurückbekommen kann. Sie war..“, er schluckte heftig. „Ich weiß es Z. Ich weiß es.“ Tohr sah die Gelegenheit und nahm die SiG nun endgültig an sich. „Die Zeit ist eingefroren seit dieser Nacht. Für mich gibt es nichts anderes mehr als diese Sekunden. Ich kann sie nicht loslassen. Er muss sterben.“

 

„Vielleicht muss er das wirklich. Aber wenn er das muss dann nicht durch deine Hand. Du bist nicht Herr über das Schicksal. Er wird gerichtet werden, wenn er es wirklich gewesen ist. Darauf mein Wort.“ Z schnaubte verächtlich und stieß sich von Tohr weg. „Wenn… das Wenn ist längst geklärt.“ Z zog drei Fotos aus der Hosentasche und drückte sie Tohr in die Hand. Der Führer der Bruderschaft betrachtete sich die Aufnahmen. Das erste zeigte Bella mit Nalla vor einem Weihnachtsbaum an dem Ort, wo sie letztendlich auch starb. Die zweite Aufnahme war das gleiche Bild mit leichter Vergrößerung. Das dritte Bild eine weitere Vergrößerung und hier sah man im Hintergrund eben den Mann, der wohl derzeitig draußen im SUV verweilte.

 

Eine halbe Stunde später hielt der Bentley von Rehvenge neben dem Escalade an. Der Reverend stieg aus und hob schweigend eine Braue als er die Massenansammlung der Bruderschaft samt König hier irgendwo im Nirgendwo vorfand. Sie alle waren vor Ort. Sie alle standen schweigend in der Gegend rum und blickten auf eine ihm fremde Garagentür. Nein, nicht alle. Tohrment und Zsadist fehlten. Rehvenge schlussfolgerte, dass das die beiden Raster, die er in der Garage wahrnahm, den beiden gehörte. „Nabend zusammen“ gab er spröde von sich und wollte sich kundig machen, was er verpasst hatte als sich die Türe öffnete und Tohr mit einem Schatten der früher vielleicht mal Zsadist gewesen sein mochte, ins Freie trat. Ein allgemeines, erleichtert klingenden Aufatmen ging durch die Bruderschaft. Dann nahm Rehvenge ein völlig anderes Raster wahr. Das eines Menschen. Interessant. Er konzentrierte sich und schickte seine Sympathenfähigkeit ein weiteres Mal auf die Reise. Seit Bellas Tod im letzten Jahr, war Rehvenge auf die Höchstdosis Dopamin angewiesen und konnte seinen inneren Sympathen dennoch oftmals nur sehr schwer im Zaum halten. So auch in diesem Moment, als er in den Erinnerungen des Menschen kramte. Rehvenge wurde kreidebleich.

Die Zeit geriet in eine Art Zeitraffer. Alle Bewegungen, alle Raster die er wahrnahm bewegten sich nur noch in Zeitlupe. Am meisten ausgeprägt waren die bittere dustere Trauer die von Z ausging und die leicht rot schimmernde Verschlagenheit dieses unbekannten Menschen in dessen Erinnerungen er das Attentat auf Bloomingdale´s wiederfand. Er sah die Szene aus den Augen dieses Menschen. Wie dieser den Sprengstoff zündete und im Rennen einen Blick zurück warf und Bella erblickte. Das reichte aus. Rehvenge griff in einer Bewegung nach der Waffe von Vishous und jagte diesem Menschen eine Kugel zwischen die Augen. Zsadist schrie auf. Gedehnt drehten sich alle Vampire in Rehvenges Richtung der nun mit der Waffe auf Zsadist zielte. „Du warst nicht in der Lage ihr Leben zu erhalten… dafür gibst du jetzt deines her. Auge um Auge. Ein Leben für ein Leben“ und dann drücke er ein zweites Mal ab.

 

 

"Komm schon Zsadist. Ich möchte davon ein Bild. Mit der Kleinen. Der Baum ist dieses Jahr so wunderschön. Zsadist? Hallo? Hörst du mich? Wo bist du denn gerade?“ Bella zupfte heftiger an der Jacke ihres Mannes und riss ihn damit aus der Trance. „Ist alles okay bei dir? Wir können das Bild auch ein…“ Weiter kam Bella nicht denn Z packte sie und Nalla und zog sie an sich ran. Er drückte sie so fest an sich, dass Bella das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu kriegen. Nalla juchzte fröhlich zwischen ihren Eltern. „Zsadist? Du machst mir Angst. Was ist denn?“ Z sah seine Shellan in die wundervollen saphirblauen Augen und ließ seinen Tränen freien Lauf. „Ich liebe dich, Lielan. Oh Gott, wie sehr ich dich liebe.“ Er küsste heftig ihre Stirn und zog sie auf seine Arme um mit ihr in einem barschen Schritttempo die Meile zu verlassen und zum Auto zu gelangen. „Ma-ma“ tönte es quietschfiedel von Zsadist’s kleinem Mädchen. Das war mit Abstand das schönste was Z jemals in seinem Leben vernommen hatte. Dankbar, unendlich dankbar, reckte er seinen Kopf gen Himmel und formte ein tonloses "Danke" in die kalte Dezembernacht.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.01.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet allen Fans von Zsadist und Bella.

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