Die feine Art zu Sterben
Ich habe mal gehört, das Leben wäre wie ein Buslenker, es wäre rund und ginge mal rechts und links - anscheinend war mein Buslenker aus chinesischer Raubarbeit, denn anders kann ich mir mein plötzliches Ende nicht erklären.
Eigentlich dachte ich, dass nach dem Tod endlich die ewige Ruhe und Gemütlichkeit einsetzen würde, das ich nun in den Sphären des Unendlichen herumschwirren kann ohne Sorgen und Stress – ein Kaffeekränzchen der besonderen Art. Jeder Mensch lebt in seiner eigenen erdachten Welt, nach seinen eigenen Vorstellungen im Reich der Toten, das Schicksal konzipiert für jeden seinen Freiraum. Nun sitze ich in der unendlichen Weite des Nichts, auf einem erdachten Stuhl und trinke ein Glas Apfelschorle. Die plötzliche Beendigung meines Lebens macht mir immer noch zu schaffen, hatte ich mir doch festvorgenommen eines spektakulären, aufsehenerregenden Todes zu sterben. Genüsslich hatte ich mir einen nach „Freiheit“ schreienden Schotten vorgestellt, den man letztendlich tötet, aber leider stahl man mir die Idee noch bevor ich resignierte, dass sie überhaupt existierte.
Als Feuerwehrmann mit letzter Kraft menschliches Leben retten, sich aufopfern für die Sache, blieb mir fern, da ich nicht den körperlichen Anforderungen entsprach. Gott allein weiß warum er mich auf die Erde setzte, ohne mir ersichtliche Eigenschaften, die dieser Existenz einen Sinn gegeben hätten, zu geben. Das Nichts wirkt bedrückend, wenn man längere Zeit in ihr verbringt, hätte ich mir nur ein warmes Plätzchen auf irgendeiner Insel nach dem Tod vorgestellt, dann säße ich nicht hier auf diesem verdammten Stuhl. Früher habe ich gehofft, sanft zu sterben, es gar nicht mitbekommen: einfach einzuschlafen und nie wieder aufwachen, doch dieses Schicksal erfahren nur wenige Menschen.
Hätte ich nicht soviel geraucht, dann wäre es mir vielleicht anders ergangen, dann wäre ich nicht jetzt schon tot. Nachdem der Arzt mir die bittere Diagnose berichtete, brach die Welt für mich zusammen, denn wie sollte ich mein Ziel des spektakulären Todes vollführen, wenn ich so lächerlich sterben muss? Fieberhaft überlegte ich, ob dies wirklich die feine englische Art war, denn galt diese Krankheit nicht als selbstverschuldet und daher als Selbstmord? Ich musste handeln. Ich durfte einfach nicht an diesem Lungenkrebs sterben, deshalb blickte ich mich nach Alternativen um. Eines Tages schien der Zeitpunkt gekommen, das Schicksal herauszufordern. Ich fuhr mit dem Auto hinaus auf die Landesstraße und gab Gas. Ich raste mit gefühlten 200 Stundenkilometern über Kreuzungen und roten Ampeln. Nichts passierte. Ich vergewisserte mich, das ich noch lebe, und hämmerte mit meinem Kopf auf das Lenkrad. Auf dem Parkplatz einer Fastfood-Kette passierte es dann: mir wurde schwarz vor Augen und wachte hier im Nichts auf. Die Nervosität und der Stressfaktor auf der Suche nach der geeigneten Todesart, führten zu einem körperlichen Kollaps und schließlich zum Tod.
Texte: Bild: http://gallery.dralzheimer.stylesyndication.de/galleries/wallpaper/Grabsteine%20auf%20dem%20alten%20Friedhof.jpg
Tag der Veröffentlichung: 19.03.2009
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Widmung:
Ich widme dies meinem Vater.