Sommer. Die Sonne hoch am Horizont - eine leichte Brise umwirbelt die Bäume. Es ist ruhig, nur das leise Zirpen der Grillen, lässt ahnen, das man doch nicht allein wäre, hier oben im Wald, direkt an den Zuckerrübenfeldern. Der blaue Himmel - perfekt, keine Wolken die die Idylle stören würden.
Und unten im Tal zwitscherten fröhlich zwei Vögel auf dem Eichenholz mitten in der Stadt.
Sie zupften an ihren Federn und ließen dann wieder ihren Klang in die Welt hinaus, der aber im Tumult des Marktplatzes nicht mehr zu hören war.
Kein vorbeigehender Mensch beachtete die Vögel und ihren Gesang. Viele zogen vorbei, Soldaten, Kinder, Herumtreiber, einkaufende Frauen und selbst der Pfarrer waren vertieft in ihrem Alltagstrott.
Dann schlug es 3. Die mächtigen Glocken der hiesigen Stadtkirche, begannen sich müde zu regen und brüllten förmlich die Uhrzeit in die Stadt.
Die Menschen auf dem Marktplatz erstarrten. Die Vögel auf dem holzernen Gerüst zwitscherten munter weiter, als ein amtlich gekleideter Herr auf das Podest stieg und in die Menschmasse das heutige Geschehen verkündete.
Der Himmel war nun von Wolken gesäumt, die leichte Brise war zu einem kalten Windstoss geworden, sodass die Bürger ihre Hände in die notdürftigen Hosen versteckten.
Man hörte das monotone Klirren von Metall auf Stein, welches sich langsam dem Marktplatz näherte. Derweil hatten sich dutzende Schaulustige versammelt - geduldig auf die Unterhaltung wartend.
Die Vögel schauten wachsam durch die Gegend, bereit jederzeit den unheilverkündenden Ort zu verlassen.
Soldaten marschierten auf den Marktplatz, bildeten einen abschirmenden Halbkreis zum Gerüst, und man begleitete die drei Unglücklichen zu eben diesem.
>>Verräter!<<, brüllte der Herr vom Podest, >>Verräter, der Abschaum unseres geheiligten Landes! Wollen wir sie weiter unser aller Sein beschmutzen lassen?<<
Die Vögel flüchteten reflexartig durch die Laute des Mannes auf eine viel höher liegende Dachkante.
>>Wenn sie durch die Strasse gehen, nehmen sie uns den Halt - wenn sie reden, bespucken sie uns mit Galle und Gift - und wenn sie weiterhin leben, verteufeln sie unsere Seelen und unser aller Platz im Garten Edens ist auf immer in Luft aufgelöst....<<, der Mann holte tief Luft und stampfte mit dem Fuss auf sein Podest, >>Also lasst uns dieses Lumpenpack vernichten, lassen wir sie elendich sterben, denn sie sind der Feind, sie haben es verdient!<<
>>Lasst sie hängen!"<<, brüllte ein älterer Herr aus der Menge.
Der ehrwürdige Herr schnipste mit dem Finger.
Die drei Unglücklichen mussten sich auf je einen Schemel stellen, die Augen auf das letzte Seil fixiert, aber die Vögel zwitscherten, und flogen fröhlich auf ihr Eichenholz zurück.
Ein Pfarrer bestieg das Gerüst, und nahm den Unglücklichen ihre letzte Beichte ab, und fing an ein Gebet zu sprechen.
>>Ein letzter Wunsch?<<, er lächelte bissg, >>aber machet schnell, bevor meine milde Gabe zunichte wird!<<
Der Herr hatte ebenfalls das Gerüst bestiegen.
Einer der Unglücklichen murmelte etwas.
>>Ich habe es nicht gehört, Dreck!<< Er packte ihn am Hals. Der Unglückliche konnte nichts dagegen machen, seine Hände waren gebunden, und die schwere Last der eisernen Ketten der ihn mit den anderen verband, machte ihm schwer zu schaffen.
Die Vögel zwitscherten.
>>Wie lautet dein letzter Wunsch?<< Ein bissiges Lächeln. Er drückte ihn langsam am Hals um seiner Frage Nachdruck zu verleihen.
>>Lasst mich entschuldigen...<<, presste dert Unglückliche schwerfällig heraus.
Der Herr ließ los, fasste ihn an den Haaren, zog ihn zu sich hin und flüsterte: >>Diesen Gefallen werde ich dir nicht tun.<<
Wieder ein Schnipsen.
Ein leichtes Nicken des maskierten Mannes am anderen Ende des Gerüsts, ließ die Unglücklichen zusammenzucken.
Ein Sirren. Ein Quietschen. Der Vogel lag leblos auf dem Pflaster.
Der Junge spannte seine Schleuder erneut. Seine Mutter ohrfeigte ihn, und riss ihm die Schleuder aus der Hand.
Der zuvor fröhlich zwitschernde Vogel, flog davon. Er würde nie wieder kommen.
Die Ketten flogen klirrend zu Boden. Der maskierte Mann legte das Seil langsam um jeden einzelnen Hals.
Der Wind wurde stärker, der Himmel zog sich zu, und es begann zu regnen.
Und der junge Mann, der Freund der Unglücklichen, der gezwitschert hatte, und dafür einen Monat Fisch kaufen konnte, wurde in der Nacht von einem herabfallenden Ziegelstein getroffen und starb.
Der Metzger schlachtete drei Kühe.
Am nächsten Morgen hingen sie immer noch am Galgen. Kein Vogel zwitscherte, aber der Tumult der Stadt hatte wieder seinen Lauf genommen.
Keiner beachtete sie, und es kamen viele vorbei - Soldaten, Kinder, einkaufende Frauen, sogar der Pfarrer.
Und oben, ausserhalb des Tals zirpten die Grillen und schlief die Gerechtigkeit.
Zwei neue Vögel zierten das Eichenholz.
Texte: Copyright 2008 Philipp R.
Tag der Veröffentlichung: 07.09.2008
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