Du weißt nicht was du angerichtet hast…
Ich denke ich sollte mich erst einmal vorstellen. Ich bin Svenja, ich war ein ganz normales Mädchen mit Träumen und sonderbaren Wünschen, die für manchen Erwachsenen nicht vorstellbar waren. Mit meinen damals 19 Jahren sah ich die Welt noch in einem schönen Licht, mit vielen bunten Farben und dachte niemals, dass mir etwas passieren kann, wenn ich mir nur immer treu bliebe. Bis ich ihn kennenlernte.
Es war ein schöner Sommertag, die Luft war klar und die ganze Welt lag mir vor den Füßen. Ich war mit meiner besten Freundin unterwegs, wir wollten shoppen, also das was Mädchen eigentlich meistens in ihrer Freizeit tun. Weit kamen wir nicht, wir trafen ein paar Bekannte und kamen ins Reden. Mir fiel auf, dass in der Menge Leute, ein neues Gesicht war. Interessant, zurückhaltend aber doch so magisch anziehend, das ich nicht anders konnte als ihn ständig anzuschauen. Und dies wieder und wieder und wieder. Langsame Versuche ein Gespräch aufzubauen scheiterten kläglich an dem Straßenlärm. Also beschloss ich näher an ihn heranzutreten, welches mir auch gut gelang. Wir unterhielten uns eine ganze Weile, ich fand heraus, sein Name war Jan und die Magie, die zwischen uns herrschte war nicht zu unterdrücken. Also kam was kommen musste. Die nächsten Tage trafen wir uns ständig, aber meist Vormittag, da er sagte er müsse Nachmittag immer arbeiten. Das wäre bei seiner Arbeit so. Als ich ein paarmal nachfragte, was er denn beruflich so macht, gabst er mir nie eine konkrete Antwort und ich bekam meist zur Antwort, dass ich das nicht verstehen würde, es wäre zu kompliziert. Ein paarmal kam er mitten in der Nacht vorbei und ich wunderte mich immer nur warum er dann auch immer gleicht wieder ging. Aber ich sorgte mich darum nicht, denn mein Herz und mein Vertrauen hatte er im Sturm erobert. Bei meinen Eltern war ich schon eine Weile ausgezogen, also hatten wir auch da kein Problem, keinen der uns von irgendetwas abhielt und dem ich irgendetwas erklären musste. Alles lief gut, wir wurden ein Paar und ich dachte, hey, das mit der Liebe ist doch gar nicht so schwer, wie alle immer Erzählten. Bis zu dem Tag, mich sprach eine Frau an und fragte mich ob ich mich nicht schämen würde. Ich war verdutzt. Ich wusste nicht was sie meinte und fragte nach. Sie beschimpfte mich, ich hätte keine Skrupel eine Ehe kaputt zu machen. Sie weinte, drehte sich um und ging. Ich war baff. Es kam wie ein Schlag und ich begriff nur sehr langsam was sie mir gerade sagte. Was sie meinte.
Was war passiert??
Langsam ordnete ich meine Gedanken und versuchte Jan anzurufen. Vergeblich. Stimmt, er war ja gerade arbeiten. Eine Arbeit, die so kompliziert war, das er sie mir nicht einmal erklären konnte. Völlig verwirrt und mit tausenden Gedanken ging ich nach Hause. In der Nacht kam er mal wieder zu sehr später Stunde vorbei. Er machte einen sehr gedrückten Eindruck. Ich ließ mir erst einmal nichts anmerken und fragte ihn ob etwas passiert sei. Ich erntete einen Bösen Blick mit dem man hätte Wasser gefrieren lassen können, welcher sich aber sofort in einen schuldbewussten, liebevollen Blick verwandelte.
Und da war sie wieder die Magie zwischen uns. Ich hätte ihn am liebsten nur in die Arme nehmen wollen, aber mehr interessiert mich der Grund für all die Erlebnisse an diesem Tag. Er gestand mir, er sei noch verheiratet, aber es wäre schon lange nur noch eine Ehe zum Zweck. Er liebt sie nicht mehr und das schon seit langer Zeit nicht mehr. Dann erfuhr ich, er hätte Angst gehabt es mir zu sagen. Er dachte, er würde mich verlieren, wenn ich es erfuhr. Plötzlich erfuhr ich auch, dass er nicht arbeitete. Die Zeit, wo ich ihn auf Arbeit wähnte, war er im ehelichen Hafen, aber damit sei nun endgültig Schluss versicherte er mir. Er liebte nur mich und er habe sich endgültig für mich entschieden. Es klingt komisch, aber diese Worte waren es die mich einfach nur glücklich machten und es war mir einfach alles egal, was gewesen ist, denn es zählt ja immer nur das heute und nicht was vergangen ist. Wir vergaßen alles um uns herum, zogen zusammen und gaben und nur noch der Liebe hin. Ein halbes Jahr waren wir ein Herz und eine Seele. Aber wie man weiß, hat jede Sonnenseite auch eine die einen Schatten wirft.
Ich machte noch eine Lehre zur Altenpflegerin, mehrere Schichten und Dienste auch an den Wochenenden. Jeden Tag, als ich von der Arbeit heim kam, war er missmutiger. Seine Laune sank von Tag zu Tag merklich. Es kamen Vorwürfe, ich wäre sicher nicht nur arbeiten. Ich würde mehr Zeit mit meinen Kollegen verbringen als mit ihm, vor allem mit den männlichen Kollegen. Ich überhörte all diese Vorwürfe. Ich sprach in Ruhe und gelassen mit ihm über meine Arbeit und das man Zeiten in den Diensten nicht genau planen kann, da Notfälle nicht planbar sind. Meine Freundin warnte mich, er macht keinen stabilen Eindruck und sein Jähzorn wäre nicht normal. Aber auch dieses wollte ich nicht wahrhaben und schon gar nicht glauben. Eines Abends hatte ich mal wieder Spätdienst. Der Dienst verlief ruhig, bis eine Stunde vor Feierabend. Die Ereignisse überschlugen sich, Rettungsdienst, Notarzt, alles ging drunter und drüber. Ich dachte in dem Moment an alles, nur mit keinem Gedanke kam ich darauf mal auf die Uhr zu schauen. Als sich alles beruhigt hatte, erledigte ich noch meine Schreibarbeit und machte mich mit einem guten Gefühl auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, erwartete mich nicht das was ich erhoffte. Ich wollte ihm alles von diesem aufregenden Tag erzählen, ihm sagen, was wir geleistet haben. Doch es kam alles anders.
Die Wohnung sah auf dem Flur schon irgendwie anders aus, so unordentlich, alles lag herum. Ich öffnete die Tür zum Wohnzimmer und sah ihn. Er saß auf der Couch, vor ihm Flaschen, viele Flaschen Alkohol und ein Messer. Er schrie mich an, er hätte es gewusst, ich wäre genau wie alle anderen Frauen. Ich betrüge ihn schon die ganze Zeit. Ich war geschockt, versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Langsam und in einem ganz ruhigen Ton, versuchte ich ihn zu beruhigen….aber dazu kam ich nicht mehr. Er sprang auf und baute sich vor mir auf. Er fragte mich wer es ist, mit dem ich ihn betrüge. Ich blieb still. Sagte kein Wort, denn erst jetzt sah ich das Messer in seiner Hand. Ich ging an ihm vorbei und setzte mich auf die Couch und versuchte ihm klarzumachen das ich ihn nie betrügen würde. Er kam auf mich zu, das Messer weiter fest in der Hand und eh ich reagieren konnte, war es auch schon zu spät. Er hatte mich auf den Rücken geschmissen und setzte sich auf mich. Ich spürte etwas Kaltes an meinem Hals.
Langsam stieg Panik in mir auf. Moment, was passiert hier, das war noch vor ein paar Tagen der Mensch den ich liebte, der mich liebte und nun dies? Ich fing an zu weinen, versuchte ihm klarzumachen, dass alles ganz anders ist, nicht so wie er es dachte. Er ging von mir herunter, stellte sich neben mich. Ich erzählte ihm von dem Notfall. Es hatte keinen Sinn. Er hörte mir nicht einmal mehr zu. Er schlug mich und redete sich immer mehr in Rage. Mir schmerzte der Kopf, ich wusste nicht mehr was ich noch tun sollte. Tränen rollten über mein Gesicht. Ich war verzweifelt. Wie konnte ich mich so in einem Menschen getäuscht haben. Egal was ich noch sagte, bei jedem Wort, bei jeder Geste von mir, wurde er aggressiver und schlug mich stärker. Nun hatte er meinen letzten Kampfgeist aktiviert. Der nächste Schlag sollte folgen, ich sah ihn auf mich zukommen und mobilisierte meine letzte Kraft und wich aus. Im selben Moment schlug ich zurück und wollte an ihm vorbei zur Tür. Ich schaffte es nicht. Er war schneller und hielt mich fest, drückte mich mit dem Gesicht auf den Boden, nahm meine Hand und stach mit dem Messer zu. Damit du dich immer an mich erinnerst, sagte er noch, stand auf und ging.
Ich lag noch eine ganze Weile auf dem Boden, aus Angst er kommt zurück. Langsam versuchte ich aufzustehen. Es gelang mir mit Mühe. Der erste Gedanke galt nicht meiner Verletzung, nicht den Schmerzen, dem Blut, nein ich überlegte welche Ausrede ich für ihn finden konnte. Warum er das getan hat, warum all dies passiert ist. Ich nahm das Telefon und ich rief nicht wie vielleicht zu erhoffen die Polizei an, sondern meine beste Freundin. Es brauchte keine langen Erklärungen, sie sagte nichts und fragte nichts. Ich denke sie hat es geahnt was passiert ist. Sie nahm mich in den Arm und fuhr mich ins Krankenhaus. Die Ärzte dort nahmen mir meine Erklärungsversuche mit Sicherheit nicht ab, aber ich blieb stur bei meiner Geschichte ich hätte mich versehentlich geschnitten.
Zurück zu Hause lies mich meine Freundin nicht aus den Augen. Sie packte ein paar Sachen und nahm mich mit zu sich, da er ja immer noch einen Schlüssel besaß.
Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Mein Leben hatte wieder Gestalt und das was mich noch erinnert, sind die Narben. Die Narben von einem Abend, der alles veränderte. An die seelischen Narben, hatte ich damals noch nicht gedacht. Bis zu dem Tag als ich ihn wiedersah. Er lief in der Kaufhalle vor mir, doch bevor ich mich verstecken konnte hatte er mich gesehen. Ich stand wie versteinert da und er kam mit einem Lächeln auf mich zu und fragte mich, wie es mit ginge und warum ich mich nicht mehr gemeldet habe. Wir hatten doch einen schöne Zeit.
Und dann fiel DER SATZ- „wir können doch wieder mal Spaß zusammen haben, der kleine Ausrutscher kann uns doch nicht trennen.“
Ich konnte nicht antworten, ich fühlte Schmerz, tief von innen heraus. Nicht kontrollierbar. Ich lief los, einfach weg, weit weg.
Nach Hause, wo kein Mensch an mich herankommt, mir niemand etwas tun kann. Ich war zu Hause, die Schmerzen blieben, unerträglich stechend. Ich ging ins Bad und nahm eine Rasierklinge, ich hielt sie fest, ganz fest. Dann passierte es, ich schnitte mich in den Unterarm und bei jedem Schnitt merkte ich wie der Schmerz wich, so oft bis nichts mehr von diesem unerträglichen Schmerz übrig war. Wie benebelt ging ich schlafen und als ich erwachte schämte ich mich. Ich schämte mich für das was ich getan habe. Ich sah das Blut auf meinem Arm, erinnerte mich an diese unsagbar schlimmen Schmerzen. Langsam begriff ich was ich geschehen war.
Ihn seh ihn in geringen Abständen immer wieder, der Zufall ist nicht mein Freund und seit dem Tag bekämpfe ich diesen seelischen Schmerz. Nur was wird wenn all dies nichts mehr hilft.
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2010
Alle Rechte vorbehalten