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Little snowy flake


Er ließ seinen Blick durch sein spärlich eingerichtetes Kinderzimmer schweifen. Sein Bett hatte er heute nicht gemacht, die Wände waren voll mit Kritzeleien aus seinen früheren Jahren und der kleine Schreibtisch war ganz zerkratzt, von den vielen Flüchen, die er an ihm ausprobiert hatte.
Der Junge sah aus dem Fenster. Die Bäume waren kahl geworden und in den letzten Tagen wehte der Wind immer stärker und immer kälter. Die verbliebenen Herbstblätter, die an den Straßenrändern lagen, wurden weggetragen. Einige Nachbarskinder spielten draußen und ließen auf dem angrenzenden Feld ihre Drachen steigen.
Ansonsten war niemand draußen, die Straßen wirken wie leergefegt und der Wind erzeugte ein pfeifendes Geräusch, wenn er um die Häuser strich. Die Meisten machten es sich wohl gerade in ihren Häusern bequem, tranken Tee und aßen die vom Weihnachtsfest übriggebliebenen Plätzchen. Man bereitete sich auf den Jahreswechsel vor und kam noch einmal in diesem Jahr mit der Familie zusammen.
Den Kindern aber war das zu viel, zumal ja auch erst vor kurzem das Weihnachtsfest in der Familie gefeiert worden war. Sie vertrieben sich ihre Winterferien draußen, und warteten sehnsüchtig auf den ersten Schnee. Dieses Jahr ließ der sich nämlich aus irgendeinem Grund besonders viel Zeit. Severus zumindest, bevorzugte es sich in seinem Zimmer in eine Ecke zu setzen und in seine Bücher einzutauchen.
Sie nahmen ihm ein Stück weit den Bezug zur Realität, holten ihn aus der wirklichen Welt und entführten ihn an einen Ort, an dem alles möglich war.
Heute war einer der Tage, an dem seine Eltern sich wieder lautstark gestritten hatten- wieder über ein Thema, das er nicht verstand und insgeheim auch nicht verstehen wollte. Er war zwar erst 8 Jahre alt, aber er war es Leid tagein tagaus das Gekreische seiner Mutter und das Gebrülle seines betrunkenen Vaters mitanzuhören.
In seinem Zimmer hörte er wenigstens nicht alles. Manchmal baute er sich auch eine Höhle mit seiner Bettdecke und verkroch sich darunter. Dann übte er im Geheimen einige Zaubersprüche, die er von den Erwachsenen aufgeschnappt hatte.
Seinen Zauberstab hatte er schon vor einigen Jahren bekommen und er wusste, dass das etwas Besonderes war, weil man ihn sonst erst zur Einschulung bekam. Seine Eltern wussten nicht, dass er heimlich übte, denn er wusste es gut zu verheimlichen. Aber heute widmete er sich dem Märchen über Fabelwesen und weite Wälder.

Severus klappte das Buch zu. Mit einem Mal war der Wald, in dem er sich gerade befunden hatte, verschwunden. Die unglaublichen Gestalten und ihre Geschichten ebenfalls. Severus hoffte, es würde bald schneien. Er mochte Schnee und dieser ließ ihn immer ruhiger werden. Er konnte dann Stunden lang am Fenster sitzen und einfach nur heraus sehen. Nicht einmal die Schreie seiner Eltern halten dann in seinen Ohren. Doch dieses Jahr, wie schon gesagt, ließ der Schnee sich alle Zeit der Welt.
Still beobachtete Severus die spielenden Kinder. Er war noch nie so gewesen, wie gleichaltrige und er gedachte auch nicht mehr so zu werden. Er war schon immer etwas reifer, etwas weiter gewesen. Mittlerweile störte ihn das aber nicht mehr. Anfangs wollte er manchmal noch genauso sein wie die anderen Kinder. Draußen spielen und auf den Schnee warten, doch heute wartete er auf seine eigene Art auf den gefrorenen Regen.
Um sich abzulenken, griff er nach einem anderen Buch aus seinem Regal, welches er aufschlug. Schnell hatte er sich wieder in das Thema vertieft, doch dieses Mal war es kein Märchen, das ihn in eine andere Welt entführte, sondern ein altes Zauberspruchbuch für Erstklässler, dass er auf der Straße gefunden und vor seinen Eltern versteckt hatte.
Severus hatte sich vorgenommen so viele Zauber wie möglich zu können, wenn er eingeschult wurde. Er wollte nicht schwach sein. Er wollte doch einfach nur respektiert werden. Und dafür lernte er nun. Das war sein Ziel.
Das Lernen machte ihm auch Spaß. Es war zu seinem Hobby geworden. Zu einem Teil seiner selbst. Und seine Bücher waren immer da und warteten auf ihn. Warteten darauf aufgeschlagen und gelesen zu werden und konnten ihn nicht verlassen.
Severus verschlang eine Seite nach der anderen. Ja, er liebte das Lesen und die Bücher. Er ignorierte die Schreie seiner Eltern einfach, wusste er doch nicht, dass er vielleicht genau das Falsche tat. Statt die Ereignisse außerhalb seines Zimmers zu verarbeiten, verdrängte er sie. Verleugnete, dass seine Eltern sich stritten.
Dass sein Vater dabei oft viel zu weit ging und seine Mutter schlug. Er ignorierte es einfach, denn er konnte nicht anderes.
Er wusste nicht, dass er sich später nur noch an das Lernen und die Schreie seiner Eltern erinnern würde können, wenn er an seine Kindheit zurück dachte. Er wusste nicht, wie unglücklich ihn das machen würde. Wie sehr ihn das von innen heraus zerfressen würde.
Und doch würde er so gut es ging glücklich sein, denn er würde Respekt entgegen gebracht bekommen. Vielleicht für andere Dinge und Taten, als er gedacht hatte, aber es würde Leute geben, die ihn schätzten für das, was er tat.
Aber davon wusste der 8-jährige Severus Snape nichts, als er von seinem Buch aufblickte und aus dem Fenster sah. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Es schneite.

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Tag der Veröffentlichung: 08.02.2013

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