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Leseprobe

THE FIRE IN OUR HEARTS

KATHARINA PIKOS

Für Mama und Papa.

Weil ihr mir die Liebe für das geschriebene Wort bereits in die Wiege gelegt habt.

VORWORT

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Liebe Leser:innen,

in diesem Buch findet ihr QR-Codes, die euch ein interaktives Leseerlebnis zaubern. Wenn ihr die QR-Codes scannt, erwarten euch Bilder, Texte und Audio-Dateien, die euch einen noch tieferen Einblick in die Geschichte geben. Sie enthalten Zusatzinformationen und bringen euch die Charaktere noch ein Stückchen näher. Natürlich könnt ihr die Geschichte auch ohne diese QR-Codes lesen, ohne wichtige Informationen zu verpassen!

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit Lani & Flynn und hoffen, ihr seid genauso begeistert wie wir von dieser großartigen Geschichte.

Hinter diesem QR-Code findet sich eine wunderschöne

Illustration der vier Freunde für euch!

1

Immer wieder kehrten meine Gedanken zurück zu dem Moment an jenem Morgen, an dem Brendon Billie und mich auf die Beine gezogen hatte. An die Art, wie seine Augen gefährlich geblitzt hatten, als er sagte: »Seid ihr bereit, Mädels? Denn, was auch immer geschieht, wir werden Flynn nicht diesen Monstern überlassen.«

Inzwischen waren zwei Tage verstrichen, in denen wir nichts erreicht hatten. Zuerst waren wir natürlich zur Polizei gegangen. Doch die hatte uns nur belächelt und nicht für voll genommen. Ich schnaubte in mich hinein, als ich daran dachte, wie der korpulente Officer uns in brüchigem Englisch hinauskomplimentiert hatte, sobald wir sie erwähnten. Er sagte irgendwas von wegen, unser Freund würde schon wieder auftauchen. Wir sollten uns einfach nur gedulden.

* * *

* * *

Pah! Gedulden, wenn Flynn entführt wurde? Da wäre selbst dem tugendhaftesten Menschen die Geduld ausgegangen.

Da von der Polizei keine Hilfe zu erwarten war, waren wir durch die Stadt gehetzt, um Hinweise auf sie zu finden. Wir waren die Strecke unserer Sightseeingtour nochmals nachgelaufen – immer und immer wieder –, in der Hoffnung, wir würden eine der vier Personen sehen, die uns überfallen hatten. Schließlich waren die nicht gerade unauffällig.

Léa, die kleine verrückte Freundin des berüchtigten Mathis – den wir bisher zum Glück nicht kennengelernt hatten –, mit der hüftlangen schwarzen Mähne, den grünen Augen und dem irren Blick.

Inès, mit den unnatürlich rot gefärbten Haaren, den vielen Sommersprossen und dem großen Mund.

Der glatzköpfige Hüne mit den schwarzen Augen. Enzo, der Brendon mit nur einem Hieb auf den Hinterkopf bewusstlos geschlagen hatte.

Und zuletzt Samuel, der durchschnittliche Braunhaarige mit der hellgrauen Baskenmütze, der uns ausspioniert und an sie verraten hatte.

Bei den Gedanken an die Nacht des Überfalls stellten sich mir die Härchen auf den Armen auf, und mein Magen drehte sich um. Ich legte eine Hand auf den Bauch, schloss die Augen und versuchte, kontrolliert ein- und auszuatmen. Es war furchtbar, bei jedem Blinzeln die Gesichter unserer Schänder vor Augen zu haben. Hoffentlich hatten sie sich nicht für immer in das Innere meiner Lider gebrannt.

Seufzend hob ich die Tasse mit dem grünen Tee an die Lippen. Sobald die Wärme meine ausgedörrte Kehle hinabfloss, fiel es mir leichter, zu atmen. Diese Wirkung hatte Tee schon immer auf mich.

Nachdenklich ließ ich meinen Blick über den Hafen schweifen und blieb damit an der Festung hängen. In Gedanken sah ich Flynn und mich an der Feste vor der Hafeneinfahrt, wie ich ihm den Hämatit überreichte, damit er Kraft daraus schöpfen konnte. So wie ich es einst tat.

Ich hoffte so sehr, dass er ihn noch hatte.

Dass sie ihm den Stein nicht abgenommen hatten.

Dass er ihm Trost in der Dunkelheit spendete.

Dass er ihm Kraft verlieh, wenn seine eigene ihn zu verlassen drohte.

Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle. Eine Schwere legte sich mir auf den Brustkorb, die mir den Atem raubte. Nur mit Mühe schaffte ich es, aufrecht sitzen zu bleiben und mich nicht vor seelischen Qualen zu krümmen.

Verdammt, ich hoffte, dass er noch lebte!

»Hey«, begrüßte mich Billie und riss mich aus meinen trüben Gedanken. Sie schob einen Stuhl geräuschvoll zurück, bevor sie sich zu mir setzte. »Wie geht‘s dir?«

Ich sah in ihre braunen Augen, die ihre Leichtigkeit verloren hatten, und wollte nur eines wissen: »Habt ihr ihn gefunden?«

Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre dunklen Locken mitschwangen. »Nein, aber wir geben nicht auf.«

Seufzend betrachtete ich das Gedränge vor dem Bistro. Die Menschen liefen geschäftig an uns vorbei, starrten auf die Smartphones in ihren Händen oder sprachen blitzschnell in ihre Telefone. Keiner nahm Notiz von uns.

»Brendon ist nochmal zur Kathedrale gegangen und hält nach ihm Ausschau«, teilte meine beste Freundin mir mit. »Wenn er so unvorsichtig ist, wie diese verrückte Léa angedeutet hat, werden wir ihn sicher bald erwischen.«

»Und wenn nicht?«, flüsterte ich. Mein Magen verwandelte sich erneut in einen Klumpen, der mich in die Tiefe zu ziehen drohte. Was hatten wir schon für eine Chance? Wir waren nicht mehr als drei geschundene junge Erwachsene.

Mein linker Unterarm fing an, in dem Rhythmus meines wild schlagenden Herzens zu pochen. Ich legte die rechte Hand auf den Verband, den Billie notdürftig über der Wunde angebracht hatte. Die verrückte Schwarzhaarige hatte mir Respekt einflößen wollen und ein R in der Breite meines inneren Unterarms und daneben ein ebenso großes M in den Arm geritzt.

Die Buchstaben standen für Rois Marseillais, den Namen ihrer Gang.

»Wenn nicht? Das steht nicht zur Debatte«, sagte sie nachdrücklich und nahm meine Hand. »Wir werden einen Weg finden. Einen Weg, zu ihm zu kommen und ihn aus den Klauen dieser Verbrecher zu befreien.«

Ich war zu müde, um zu streiten. Daher nickte ich und starrte schweigend auf den Hafen.

»Und wenn es auch einige Umwege erfordert«, fuhr meine beste Freundin fort und drückte meine Finger. »Wir werden ihn dort rausholen!«

Billie gab mir einige Minuten, in denen ich tiefer im Selbstmitleid versank. Doch sobald ihr Geduldsfaden riss, schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass ich zusammenzuckte und sie mit geweiteten Augen ansah. »Jetzt reiß dich mal zusammen, Lani! Es ist für uns alle schwer. Brendons bester Freund ist in der Gefangenschaft dieser verrückten Gang, doch anstatt sich im Selbstmitleid zu suhlen, unternimmt er etwas. Er hat noch nicht aufgegeben. Ich ebenso wenig, und das solltest du auch nicht!«

Ich wusste, dass sie recht hatte. Es war nicht ihr Freund gewesen, der uns in diese verzwickte Situation gebracht hatte, und dennoch kämpfte sie für ihn.

Während ich aufgegeben hatte. Obwohl Flynn mir noch zugerufen hatte, immer daran zu denken, dass Aufgeben keine Option sei. Und das hatte er gerufen, als die irre Inès ihn wie an einer Leine weggeführt hatte. Er hatte so viel Mut bewiesen und sich ihnen gegenüber behauptet. Er hatte sich von diesen Verrückten nicht kleinreden lassen und keine Angst gezeigt. Im Gegenteil, er war für sich und für uns eingestanden. Flynn hatte uns das Leben gerettet und sich selbst den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.

Mit einem Schlag war ich von mir selbst angewidert. Ich schluckte die Galle hinunter, die in mir aufstieg. In meiner Brust erwachte ein winziger Funken Kampfgeist, der immer weiter wachsen würde, wenn ich ihm Nahrung gab. Dessen war ich mir sicher. Also nickte ich, straffte die Schultern und setzte mich aufrecht hin. »Du hast recht.«

Ihr überraschter Blick bedeutete wohl, dass sie nicht damit gerechnet hatte, mich so schnell umzustimmen. Ich trank einen weiteren kleinen Schluck des Tees, stellte die Tasse auf den Tisch und legte einige Euro dazu. Dann schob ich den metallenen Stuhl zurück, der laut über den Boden schabte, und stand auf. »Lass uns Brendon suchen. Vielleicht hat er inzwischen etwas herausgefunden.«

Billie nickte. Mit meiner plötzlichen Initiative schien sie zwar nicht gerechnet zu haben, doch war sie nicht unglücklich darüber.

* * *

Es war mir nicht möglich, das faszinierende Mauerwerk der Kathedrale zu bewundern. Wie begeistert ich das erste Mal, als wir hier waren, davon gewesen war, dass das Gemäuer wechselweise mit weißen und grünen Kalksteinen erbaut worden war, sodass es ein auffälliges Streifenmuster ergab.

Doch heute hatte ich keinen Blick dafür übrig und hielt nunmehr Ausschau nach demjenigen, der Brendon damals über diverse Sehenswürdigkeiten informiert hatte. Samuel.

»Da.« Billie deutete mit ihrem Finger auf eine Bank nahe der Kathedrale. »Da sitzt Brendon.«

Er trug eine dunkelblaue Jeans, die er mit einem weißen T-Shirt kombiniert hatte, was die Tattoos, die über seinen kompletten linken Arm bis zum Handgelenk reichten, hervorhob. Über der Lehne der Bank hing seine abgenutzte, dunkelbraune Lederjacke. Seine Füße steckten in weißen Sneakers, und seinen braunen Haarschopf verbarg er unter einer schwarzen Baseballkappe.

Er hob den Blick, sobald er uns kommen hörte. Sein Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln. Lange schon hatte ich ihm nicht mehr direkt in die braunen Augen gesehen. Sie waren genauso gezeichnet wie Sybilles und meine: mit tiefen, dunklen Ringen darunter. Ob wir die Schatten jemals wieder loswerden würden?

»Gibt es etwas Neues?«, fragte Billie, gab ihm einen Schmatzer auf die Wange und setzte sich dann neben ihm auf die Bank.

Frustriert riss er sich die Kappe vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Nein, nichts.«

»Wie lange hältst du hier schon die Stellung?«, wollte ich von ihm wissen, denn er sah mehr als fertig aus.

»Keine Ahnung. Seit wir vom Hotel los sind.«

Nach dem Überfall hatten wir einstimmig beschlossen, dass es uns auf dem Campingplatz nicht sicher genug war. Er war einfach zu klein und doch zu weitläufig, sodass niemand etwas mitbekommen hatte, als wir überfallen worden waren. Was, wenn die Rois Marseillais zurückkämen? Wenn es wieder keiner mitbekam? Würden wir dann lebend herauskommen? Das bezweifelten wir. Sehr. Denn der einzige Puffer, der zwischen den Verrückten und uns stand, war von ihnen gekidnappt worden.

Dank Dad, der als Vermögensberater unglaublich erfolgreich gewesen war, war ich finanziell mehr als abgesichert. Nicht nur hatte er jede Menge Rücklagen auf der Bank, er hatte außerdem eine Risikolebensversicherung, die mir einen Betrag ausgezahlt hatte, bei dem mir noch immer schwindlig wurde.

Aus diesem Grund hatte ich beschlossen, dass wir in ein Hotel ziehen und nicht in ein heruntergekommenes Hostel – zumindest, bis wir Flynn gefunden hatten. Danach könnten wir unsere Campingvans packen und endlich von hier verschwinden!

Ich hatte ein Doppelzimmer gebucht. Ursprünglich hatte ich geplant, dass ein Schlafzimmer für Brendon und Billie und das andere für mich wäre. Doch meine Freunde wichen mir kaum von der Seite, sodass wir ein gemeinsames Schlaflager bildeten. Ich schätzte, die beiden brauchten die Nähe momentan genauso sehr wie ich.

»Dann mach Pause«, sagte ich zu Brendon, nahm mein Smartphone in die Hand und checkte die Uhrzeit. Inzwischen war später Nachmittag, und wir waren früh morgens vom Hotel aus losgelaufen. Allmählich musste er am Verhungern sein. »Wir halten die Stellung.«

»Und wenn er kommt, sobald ich weg bin?«, fragte er zweifelnd. »Was macht ihr dann?«

»Dann schicken wir dir einen Live-Standort und verfolgen ihn unauffällig«, beruhigte ihn meine beste Freundin. »Wir werden keine Dummheiten machen, Baby. Versprochen.«

Ich nickte zustimmend und legte die rechte Hand auf den Verband an meinem linken Unterarm, der erneut anfing zu pochen. »Mir reicht dieses Souvenir von diesen Verrückten, glaub mir.«

Zögernd stand er auf, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und setzte dann seine Baseballkappe wieder auf. »Ihr macht keine Dummheiten, verstanden?« Der Blick seiner dunklen Augen fraß sich erst in Billies und dann in meine. »Es reicht, dass wir Flynn ohne Hilfe der Polizei da rausholen müssen. Euch möchte ich nicht auch noch retten müssen.«

Billie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ein spöttisches Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Wie viel Vertrauen er doch in uns hat.«

Ruckartig drehte sich Brendon zu ihr um. Die angespannten Muskeln unter seinem T-Shirt traten deutlicher hervor als sonst. »Das ist kein Spiel, Baby.«

Sie lachte freudlos auf und fuhr sich nervös durch die dunklen Locken. »Meinst du, das wüsste ich nicht?«

Bevor die beiden in einen Streit gerieten, quetschte ich mich dazwischen und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Ich passe auf sie auf. Glaub mir. Wir passen aufeinander auf.« Tief durchatmend schloss ich für einen kurzen Moment die Lider. »Mach deine Pause, iss etwas, versuche herunterzukommen. Wir halten die Augen offen. Wenn wir etwas sehen, wird Billie dir sofort schreiben.«

Brendon wandte sich von mir ab und sah meine beste Freundin mit glänzenden Augen an. Es war offensichtlich, wie sehr er sich sorgte. »Versprochen?«

»Versprochen«, antwortete sie, stand auf und hauchte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. »Und jetzt geh.«

Er nickte, nahm seine Lederjacke von der Banklehne und lief los.

Seufzend ließ ich mich auf der Bank neben Billie nieder und bettete das Gesicht in meinen Händen.

»Ich verstehe immer noch nicht, warum die Polizei uns nicht glaubt«, murmelte ich in die Handflächen hinein, sodass es an ein Wunder grenzte, dass meine Freundin mich verstand.

Die legte mir einen Arm um die Schulter. »Ob sie uns wirklich nicht glauben, weiß ich nicht. Vielleicht sind die Polizisten hier korrupt und von der Gang gekauft?«

Schnaubend setzte ich mich auf und betrachtete die grün-weiß-gestreifte Kathedrale. So viele Touristen, die ihre Kameras und Smartphones in den Händen hielten. Die die Schönheit des prunkvollen Gebäudes würdigten. Die ohne Angst die Stadt erkundeten. Die nicht ständig über ihre Schultern sahen. Die ihren Urlaub genossen und nicht ahnten, was für kriminelle Machenschaften in dieser Stadt vor sich gingen.

Wer wusste schon, in was die Rois Marseillais alles verwickelt waren. Drogen? Entführungen? Einbruch und Diebstahl? Ich schluckte. Oder gar Mord? Bei dem Gedanken konnte ich die Polizisten, die meinten, wir sollten uns nur gedulden, fast verstehen. Aber eben nur fast. War es nicht ihr Job, die Schwachen und Unschuldigen zu beschützen? Ob es nun Touristen oder Einheimische waren, sollte dabei keine Rolle spielen.

»Vielleicht haben sie schlicht und ergreifend Angst«, murmelte ich und fügte ergänzend hinzu: »Oder es liegt daran, dass wir nicht nur Touristen, sondern auch jung sind. Möglicherweise denken sie, dass wir ihnen nur etwas vormachen?«

Jetzt war es an Billie zu schnauben. »Wer würde sich bitte eine Entführung ausdenken und damit zur Polizei gehen?«

Ich nickte. »Niemand, der ganz bei Trost ist. Du hast recht.«

»Lani, wir werden ihn finden«, sagte sie entschieden und drückte meine Schulter fester. »Dessen bin ich mir sicher.«

Erneut bewegte ich den Kopf auf und ab und ließ den Blick über die vielen Menschen auf dem Platz vor uns gleiten. Immer auf der Suche nach der hellgrauen Baskenmütze. Auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, dass wir Samuel hier erneut antreffen würden.

2

Lani.

Ich öffnete die Augen und wünschte mir, ich könnte nochmal in die süße Besinnungslosigkeit fallen.

Mein Kopf schien von innen platzen zu wollen, und die Augen schmerzten, als ob viel zu viel Druck auf sie ausgeübt wurde. Übelkeit stieg in meiner Kehle empor. So schnell wie möglich rollte ich zur Seite, sodass ich mich nicht auf die alte, stinkende Matratze übergab, auf der ich lag.

Erst als ich einige Male trocken würgte und nichts mehr den Magen verließ, drehte ich mich erschöpft auf den Rücken und wischte meinen Mund an der Schulter ab. Der saure Geruch des Erbrochenen stieg mir in die Nase. Instinktiv wollte ich die Hände davorhalten, doch sie waren zu nichts zu gebrauchen. Noch immer waren sie mit dem Strick gefesselt, den Inès am Campingplatz angebracht hatte.

Erschöpft schloss ich die Augen und atmete tief ein und aus.

Orientierung. Ich brauchte Orientierung.

Also öffnete ich die Augen, setzte mich auf und lehnte mich gegen die kalte Steinwand hinter mir. Ich sah kaum mehr als winzige Staubpartikel, die in einem einsamen, kleinen Sonnenstrahl tanzten. Die Fenster, die weit oben angebracht waren, waren mit Holzbrettern vernagelt, sodass nur wenig Licht bei mir ankam. Vermutlich wurde ich in einer stillgelegten Lagerhalle, einer Fabrik oder etwas Derartigem festgehalten. Aufgrund der minimalen Lichtverhältnisse erkannte ich nicht viel, meinte aber, einige Maschinen und Kartons zu erahnen, die mitten in dem Raum standen.

* * *

* * *

»Hallo?«, krächzte ich mit belegter Stimme. »Lani? Brend? Billie?«

Sosehr ich auch wünschte, dass mir jemand antworten würde, so hoffte ich doch, dass die Gang meine Freunde in Ruhe gelassen hatte und keine Antwort von den dreien käme.

Oh Gott, hoffentlich war Lani nicht hier!

Ich schluckte den gigantischen Kloß hinunter, der sich in meiner Kehle gebildet hatte. Hoffentlich ging es ihnen gut. Niemals würde ich mir verzeihen, falls ihnen meinetwegen etwas passiert wäre. Wenn Lani und meine Freunde aufgrund meiner Vergangenheit verletzt worden waren.

Niemand antwortete. Meine Gefühle schwankten zwischen Erleichterung und Entsetzen. Was war, wenn sie meine Freunde woanders hingebracht hatten?

»Ist da jemand?«, fragte ich nochmals. Leiser dieses Mal, denn die Resignation nahm bereits von mir Besitz. »Irgendjemand?«

Es war, als schluckten die Wände meine Stimme, sobald diese den Mund verließ. Scheinbar war ich allein in diesem riesigen Gebäude.

Ich versuchte mich daran zu klammern, dass Lani, Billie und Brendon nicht hier waren.

Versuchte, daran zu glauben, dass sie sie nicht verschleppt hatten.

Sobald die Gedanken, was sie mit ihnen angestellt haben könnten, in meinem Kopf Gestalt annahmen, zog sich Gänsehaut über meinen Körper und ließ mich erneut würgen, doch sosehr der Magen sich auch verkrampfte, er war leer.

Das Pochen in den Schläfen intensivierte sich und wurde immer schwerer zu ertragen, sodass ich die Augen ergeben schloss. Ich fühlte mich so unfassbar hilflos, weil ich hier nichts ausrichten konnte. Nichts! Nur darauf warten, dass jemand kam.

Verdammt!

Die Hilflosigkeit entflammte eine Wut in mir, die von einer Sekunde zur nächsten hochkochte. Mit aller Kraft versuchte ich, die gefesselten Hände an mein Gesicht zu bringen, um die losen Haare wegzuwischen, die mir ständig in die Augen fielen. Doch ich kam nicht höher als zur Brust. Woran auch immer sie mich festgebunden hatten, es gab nicht nach – egal wie sehr ich daran zog.

»Aaaaah«, schrie ich verzweifelt, bis meine Stimmbänder nachgaben. Die Handgelenke, um die der Strick gebunden war, brannten immer mehr, je verzweifelter ich daran zerrte. Schließlich gab ich seufzend auf.

Mir war klar, dass es eine miese Idee gewesen war, nach Marseille zu kommen. Auch, wenn es zunächst nicht danach ausgesehen hatte, war es doch unausweichlich gewesen, dass sie mich fanden. Das wurde mir nun klar.

Ich schnaubte in mich hinein. Als hätten sie mir je eine Wahl gelassen, wenn sie feststellten, dass ich noch lebte. Und warum? Weil sie dachten, ich hätte sie verraten. Was ich aber nie getan hatte.

Kopfschüttelnd lehnte ich mich zurück. Die kalte Mauer half meinem schmerzenden Kopf, sich ein wenig zu beruhigen. Doch die Gedanken rasten weiter, sodass das Herz in meiner Brust wie wild pochte. Zu groß war die Sorge, was Léa mit meinen Freunden, mit Lani, gemacht haben könnte. Von damals hatte ich zu gut im Gedächtnis, wie jähzornig und unüberlegt sie handelte, wenn sie wütend wurde. Und sie war fast immer fuchsteufelswild.

Keine Ahnung, ob Minuten oder Stunden vergangen waren, als eine Tür, die sich scheinbar am anderen Ende der Halle befand, quietschend geöffnet wurde, etwas Sonnenlicht hereinließ und dann lautstark zuschlug.

Willkommen zurück, Dunkelheit, dachte ich zynisch.

Dumpfe Schritte waren zu hören, doch aufgrund der alten Gerätschaften, die im Raum standen, wurde der ominöse Besuch verdeckt.

»Sieh mal einer an«, drang die höhnische Stimme an mein Ohr, von der ich gehofft hatte, sie nie wieder in diesem Leben hören zu müssen.

Es klickte und surrte anschließend, sobald die Leuchtröhren an der Decke eine nach der anderen flackernd angingen. Aufgrund der plötzlichen Helligkeit schossen Schmerzen wie gemeine Blitze in meinen Kopf. Instinktiv kniff ich die Augen zusammen.

»Wen haben wir denn da?« Er trat einen großen, offenbar leeren Karton aus dem Weg, der mit einem dumpfen Geräusch an der Wand neben mir abprallte und liegen blieb. Langsam kam er näher.

Mit meiner Vermutung, mich in einer Lagerhalle zu befinden, lag ich nicht gänzlich falsch. Womöglich war es auch eine ehemalige Werkhalle. Der Raum war enorm, gesprenkelt von halbhohen Pfeilern, die im Boden verankert zu sein schienen.

Ich sah einen solchen Pfosten in meiner Nähe und erkannte, dass meine Leine daran festgebunden war. Ob ich es schaffen würde, den Strick irgendwie zu lösen? Ein kurzer Blick auf meine Beine genügte, um mir Mut zuzusprechen. Sie waren nicht gefesselt. Wenn er weg war, müsste ich nur aufstehen und könnte dann versuchen, die Leine von dem Pfeiler zu lösen. Wenigstens würde ich mich danach frei bewegen können. Schnell nahm ich den Blick von dem Pfosten, damit er nicht bemerkte, wie meine Gedanken rasten, und sah mich weiter in der Halle um.

In der Mitte stand eine riesige Maschine, die mit Rostflecken überzogen war. An der Wand entlang lagen einige abgenutzte Matratzen, genauso schimmelig wie die, auf der ich festgehalten wurde. Offensichtlich war ich nicht das einzige Entführungsopfer, das diese Lagerhalle von innen sah. Das Kino in meinem Kopf spielte verrückt bei der Vorstellung, was hier in dieser Halle schon alles passiert sein musste. Was mögliche Opfer – unschuldig wie ich – hier erduldet hatten. Ob sie es wohl lebend hier herausgeschafft hatten? Oder waren die fleckigen Matratzen Zeugen der Gräueltaten, die hier verübt wurden?

Würde ich hier je rauskommen? Würde ich Lani je wiedersehen? In ihren ozeanblauen Augen versinken können? Ich schluckte den gigantischen Kloß hinunter, der sich in meiner Kehle gebildet hatte.

Abgesehen von den Entführungen schien die Werkhalle offenbar ebenfalls als eine Art Abstellraum zweckentfremdet worden zu sein. Wer wusste schon, was hier mal hergestellt worden war? Wo die Lagerhalle wohl lag? Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals eine in Marseille gesehen zu haben. Zumindest nicht in dieser Größe. Waren wir möglicherweise nicht mehr in der Stadt? Wenn ich nur irgendein Geräusch von außerhalb hören würde! Sei es ein Schiffshorn, Autos oder sonst etwas, das mir einen Hinweis auf meinen Verbleib gab.

Die wirbelnden Gedanken wurden von Füßen unterbrochen, die in glänzenden, schwarzen Sneakern vor mir zu stehen kamen.

»Flynn Russell«, höhnte er.

Langsam hob ich den Blick. Wie immer war er adrett gekleidet. Saubere dunkelblaue Jeans, die er mit einem weißen T-Shirt sowie einem beigen Sportsakko kombiniert hatte.

»Mathis«, krächzte ich und sah ihm in die blauen Augen. Mit seiner Erscheinung, den blonden, kurzen Haaren, die immer ordentlich frisiert waren, und dem offenen Blick würde keiner glauben, dass er der Leader der Rois Marseillais war. Doch hinter der beherrschten, freundlich anmutenden Fassade steckte ein Mensch, der über Leichen ging. Was mir sehr wohl bewusst war.

Er kniete sich vor mich, womit wir auf Augenhöhe waren. Sein Blick zuckte zu der Stelle, an der ich mich erbrochen hatte. Dabei verzog er angeekelt das Gesicht, bevor seine blauen Augen sich in meine brannten.

»So bedankst du dich also für meine Gastfreundschaft«, bemerkte er und zog die Brauen in die Höhe. »Indem du darauf kotzt?«

»Das war die einzige Art, mich erkenntlich zu zeigen, die mir spontan in den Sinn kam«, konterte ich. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Hoffentlich war das jetzt nicht mein Todesurteil, weil ich die Klappe nicht halten konnte.

Doch Mathis überraschte mich und lachte laut auf. »Ach Flynn, ich habe dich und deinen Humor wirklich vermisst.« Er seufzte wehmütig. Dann wurde sein Blick hart. »Auch wenn es damit bald vorbei sein wird.«

Das Herz, das soeben noch wild in meinem Brustkorb geschlagen hatte, setzte prompt einen Schlag aus. »Was meinst du?«

»Flynn, Flynn, Flynn«, murmelte er, als wäre ich ein kleines Kind, das er zurechtweisen musste, und setzte sich auf. »Glaub mir, ich war sehr niedergeschlagen, als ich dachte, du wärst im Ozean gestorben.«

Ich schluckte. Worauf wollte er hinaus?

»Ach ja?«, fragte ich und versuchte, den Kloß, der in meiner Kehle festhing, durch mehrfaches Schlucken zu vertreiben.

»Sehr.« Er nickte und fokussierte mich mit seinen eisblauen, kalten Augen. »Nach der Razzia, die du uns aufgehalst hast, war mein größter Wunsch, dir nach und nach die Gliedmaßen abzunehmen.« Mathis schnaufte laut durch die Nase, als würde er Verständnis von meiner Seite suchen. »Doch dann teilte mir Léa mit, die dich zu mir bringen sollte, dass du mir den ganzen Spaß genommen hast! Du wärst ohne Bewusstsein, aber blutüberströmt aus dem Meer gezogen worden. Außerdem hatten die Sanitäter die Wörter chancenlos und tot erwähnt. Sonst hätte sich Léa nicht so leicht abwimmeln lassen.«

Mir kroch ein Schauer der Angst über den Rücken. Kalter Schweiß schoss aus meinen Poren, erkaltete prompt und ließ mich erzittern.

»Ich habe nie –«, versuchte ich zu erklären, doch er unterbrach mich.

»LÜG«, schrie er, schloss die Augen, atmete lautstark durch und mäßigte seinen Ton, »mich nicht an.«

Speicheltropfen bedeckten mein Gesicht, und ich hatte das dringende Bedürfnis, mich zu waschen.

»Aber ich sage die Wahrheit.« Mit den gefesselten Armen versuchte ich, zwischen uns hin- und herzudeuten. »Mathis, wir hatten immer eine gute Connection, oder?«

»Was deinen Verrat noch schlimmer macht!«

Ich schüttelte den Kopf und sah seine zornige Grimasse. Mein Blick wurde flehend, als ich versuchte, mich ihm zu erklären. »Ihr habt mich aufgefangen, als ich niemanden kannte. Ihr habt mich willkommen geheißen und mir Marseille in all seinen Farben und Facetten gezeigt. Ihr habt mir so viel gegeben, wofür ich dir unendlich dankbar bin.« Meine Brust hob sich, sobald ich einen tiefen Atemzug nahm. »Doch mir war nicht bewusst, dass ihr eine Gang seid. Dass ihr euch für die Könige Marseilles haltet, die über dem Gesetz stehen.«

Mathis kicherte leise in sich hinein und wurde immer lauter. Dann sprang er auf und lief hin und her. Er rieb seine Hände aneinander und blieb vor dem Pfeiler stehen, an dem der Strick an meinen Handgelenken festgebunden war. »Wir halten uns nicht nur für die Rois Marseillais

Sachte löste er das Seil von dem Pfosten und wiegte es in seiner Handfläche.

Was hatte er vor? Mein Bauch verknotete sich. Voller Nervosität betrachtete ich ihn, während er den Strick in seiner Hand betrachtete. Ehe ich mich versah, lag ich mit dem Gesicht auf dem harten Steinboden. Tränen schossen mir in die Augen, sobald mein Nervensystem den Schmerz an das Gehirn weitergeleitet hatte.

Der Penner hatte so ruckartig an dem Seil gezogen, dass ich nähere Bekanntschaft mit dem schmutzigen Steinboden machte. Warme, klebrige Flüssigkeit sammelte sich unter mir. Ich legte den Kopf zur Seite und versuchte ihn im Blick zu behalten, doch es drehte sich alles. Verdammt, hoffentlich hatte ich keine Gehirnerschütterung!

Die schwarz glänzenden Sneakers blieben vor mir stehen. Mein Herz trommelte, so schnell es konnte, als würde es versuchen, aus dem Brustkorb zu fliehen. Doch solange meine Glieder wie gelähmt waren und der Mistkerl die Leine in den Händen hielt, war jede Aufregung nutzlos.

Mathis beugte sich zu mir hinab und präsentierte mir ein Jagdmesser mit langer Klinge. Es war dem von Léa nicht unähnlich. Und was die mit ihren Messern anstellte, war mir wohl bekannt.

»Wir sind die Rois Marseillais

3

Ich riss die Augen auf und sog panisch Luft in meine Lungen, als ich erwachte. Es war, als wäre ich unter Wasser gewesen, ohne die Möglichkeit zu atmen.

Flynn.

Hektisch kämpfte ich mit der Decke, die sich um meine Beine geschlungen hatte, und setzte mich auf. Ich sah mich blind um, zur Hälfte noch in dem Traum gefangen, bis meine Finger den Schalter für die Nachttischlampe fanden. Die Augen kniff ich wie von selbst zusammen, als die plötzliche Helligkeit das geräumige Zimmer flutete. Das Herz in meiner Brust trommelte in einem wilden Stakkato, und mir stand der Schweiß auf der Stirn.

Flynn.

Mein Herzschlag beruhigte sich erst, sobald ich die dezent gemusterte, beige Tapete des Hotelschlafzimmers sah. Neben mir lag Billie, deren regelmäßige Atemzüge einen gemäßigten Takt vorgaben. Ich hoffte so sehr, dass sie in einer schillernden Traumwelt verweilte und die Schrecken der letzten Tage vergessen konnte. Dass sie ihr nicht bis in das Reich der Fantasie folgten.

Wie mir.

Wie von selbst passte ich meine Atemzüge an ihren Rhythmus an und suchte Brendon. Ich war überzeugt davon, dass er in ihrer Nähe war, doch keine Spur von ihm. Obwohl ich mir sicher war, dass die beiden Arm in Arm eingeschlafen waren.

Ich schwang die Beine über die Kante des Boxspringbettes, und die Sohlen meiner Füße landeten auf dem weichen Hochflorteppichboden, der die gesamte Hotelsuite säumte. Seufzend stützte ich die Ellenbogen auf die Oberschenkel und bettete den Kopf in die Hände. Tränen schossen in meine Augen, doch ich biss mir auf die Lippen.

Es brachte nichts, wenn ich rumheulte.

Es brachte ihm nichts.

Es brachte mir nichts.

Es brachte uns nichts.

Von mir selbst genervt, wischte ich mir harsch den inzwischen kalten Schweiß von der Stirn und stand auf. Schnell durchquerte ich den großen Raum. Der weiche Teppichboden dämpfte meine trotzigen Schritte, sodass ich keine Angst hatte, Billie aus Versehen zu wecken. Ich drehte mich in Richtung Bett, um mich zu versichern, sie wirklich nicht aus dem Land der Träume gerissen zu haben. Dann öffnete ich die Tür, die mich in das Badezimmer führte, dessen Armaturen mit braunem Marmor ausgestattet waren. Vor dem Waschtisch blieb ich stehen und stützte meine Hände am Rand des Waschbeckens ab. Sobald ich den Kopf hob, konnte ich mich in dem großen, deckenhohen Spiegel sehen. Meine normalerweise goldblonden Haare wirkten stumpf und strähnig. Ich nahm ein Haargummi aus meiner Kulturtasche, die auf der Ablage neben dem Waschtisch stand, und band mir die Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Erst dann befasste ich mich näher mit meinem Gesicht. Meine blauen Augen leuchteten mir nicht wie sonst aufgeregt entgegen. Es schien, als wäre die Farbe der Regenbogenhaut mit Flynns Entführung verblasst. Meine Wangen waren fahl und eingesunken. Tiefe, dunkle Schatten hatten sich unter die Augen gegraben, die von Schlafmangel und zu vielen schlechten Träumen zeugten. Albträume wie der, der mich heute aus dem Schlaf gerissen hatte.

Seufzend stellte ich den Wasserhahn an und wartete, bis das Wasser aus der Leitung eiskalt war, bevor ich es mir ins Gesicht spritzte. Mein linker Unterarm fing an zu pochen, doch ich hieß den leisen Schmerz willkommen. Er hielt mich im Hier und Jetzt. Denn sobald ich die Augen schloss, bildeten Fetzen des Traums sowie der Überfall der Gang eine Diashow vor meinem inneren Auge, auf die ich gut und gerne verzichten konnte. Doch der Schmerz erlaubte mir durchzuatmen, weil wir diesen verrückten Leuten nicht mehr gegenüberstanden und der Albtraum doch nur das war: ein Hirngespinst meiner Fantasie.

Sobald diese Gedanken meinem Kopf entkamen, schoss mir Magensäure in die Speiseröhre. So schnell ich konnte, lief ich zu der Toilette, hob den Deckel und erbrach sie unter hektischem Würgen. Wie gewissenlos war ich bitte? Diese verrückte Gang hatte Flynn in ihrer Gewalt, und ich war erleichtert, weil wir es nicht waren? Was, verdammt, sagte das über mich aus?

Ich spülte die erbrochene Galle weg und wandte mich zum Waschtisch, um meinen Mund auszuspülen und mir erneut kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir das, was ich mir nicht eingestehen wollte. Wie ausweglos die Situation war. Würden wir Flynn jemals finden? In einer Stadt mit so vielen Einwohnern wie Marseille? War er überhaupt noch in der Stadt? Oder hatten die Rois Marseillais weitere Orte, Dörfer oder Städte, die sie beherrschten? Meine Gedanken rasten. Wobei ihre Bezeichnung nicht darauf schließen ließ. Die Könige von Marseille. Würden sie ihr Gebiet erweitern, ohne es in ihrem Namen kundzutun? Oder wären sie so arrogant, dass sie ihren Namen anpassen würden? Würden wir das je herausfinden? Und könnten wir überhaupt etwas ausrichten, so ganz ohne Hilfe der Behörden? Ich seufzte laut auf, trank einen Schluck direkt aus der Leitung und fuhr mir dann mit beiden Händen über das Gesicht.

Ein dumpfes Klopfen an der Badezimmertür ließ mich herumfahren.

»Lani? Ist alles okay?«, vernahm ich die tiefe Stimme von Brendon.

Ich atmete ein weiteres Mal durch, ehe ich mich zur Tür drehte und sie sachte öffnete, stets darauf bedacht, Billie nicht zu wecken. Brendons braune Augen waren ebenfalls von tiefen, dunklen Schatten umgeben. Er hatte offensichtlich genauso gut geschlafen wie ich.

»Hey«, murmelte ich leise und schlich an ihm vorbei in den Wohnbereich, in dem ein kleines hellbraunes Sofa und ein Sessel in der gleichen Farbe standen. Auf der Kommode neben dem Fenster hatte das Hotelpersonal sowohl eine Flasche Wasser als auch Gläser bereitgestellt. Ich ging zu dem bodentiefen Fenster und ließ den Blick über die schlummernde Stadt gleiten. Es sah so friedlich aus. Die Morgendämmerung hatte noch nicht eingesetzt, doch das wunderte mich nicht. Seit Flynn weg war, hatte ich keine Nacht durchgeschlafen.

Brendon räusperte sich hinter mir, sodass ich mich zu ihm drehte. Er saß auf dem Sofa, die Arme auf die Oberschenkel gelehnt, und sah mich mit traurigen Augen an. »Ist alles okay, Lani?«, fragte er erneut. »Warum bist du schon wach?«

»Ich könnte dich das Gleiche fragen«, konterte ich schnaubend, nahm das Wasser und die Gläser von der Kommode, stellte sie auf den Couchtisch und setzte mich in den Sessel. Dann schenkte ich uns ein und trank einen Schluck. Das Prickeln des Mineralwassers brannte in meiner wunden Speiseröhre, doch auch diesen leichten Schmerz hieß ich willkommen.

Seufzend erwiderte ich endlich den geduldigen Blick von Flynns bestem Freund. »Es war wieder dieser Traum«, murmelte ich. »Er war geknebelt und gefesselt. Wir haben ihn gesehen, aber egal, wie schnell wir liefen, wir konnten ihn nicht erreichen.« Ich trank einen weiteren Schluck, um meine trockene Kehle zu befeuchten. »Er hatte Wunden wie die, die Léa an meinem Unterarm hinterlassen hat. Nur, dass sie ihm ins Gesicht geritzt waren.« Meine Stimme wurde immer leiser, als ich unwillkürlich eine Hand auf den Verband an meinem Arm legte. »Bevor ich aufgewacht bin, hat ihn Inès an dem Strick weggezogen. Wir liefen und liefen, und doch traten wir auf der Stelle und konnten ihm nicht helfen.« Tränen schossen mir in die Augen und trübten meine Sicht. Doch ich weigerte mich, sie fließen zu lassen. »Was ist, wenn dieser Traum von Unerreichbarkeit mir sagen will, dass wir ihn niemals finden werden?«

Meine Stimme brach.

Verständnis leuchtete in Brendons braunen Augen auf. »Das ist deine größte Angst.« Er fixierte mich mit einem Blick, bei dem mir bewusst wurde, dass er es tatsächlich verstand. »Ihn nicht zu finden, ihn für immer zu verlieren. Mir geht es nicht anders, Lani, glaub mir. Er ist mein bester Freund!« Seufzend fuhr er sich mit beiden Händen durch die braunen Haare. »Dein Unterbewusstsein hat dir in dem Traum deine Angst verdeutlicht. Das heißt nicht, dass es wahr werden muss, hörst du?«

Ich nickte, schaute stumm in mein Glas, in dem sich die Kohlensäurebläschen nach oben kämpften. Genauso ausweglos wie unser Kampf, Flynn in dieser Stadt zu finden. »Es fühlt sich nur so hoffnungslos an. Egal, was wir machen, wir landen ohne Ergebnisse Nacht für Nacht wieder im Hotel. Und das Tag für Tag. Es ist, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Als wäre Flynn wie eine Schneeflocke ins Meer gefallen. Nie mehr auffindbar und spurlos verschwunden.«

»Lani, sieh mich an!«, befahl Brendon und wartete, bis mein Blick seinen traf. »Du bist mit deinen Gefühlen nicht alleine, glaub mir.« Seine braunen Augen bohrten sich in meine. »Aber was hat Flynn gesagt?«

Ich streckte den Rücken durch und sah den Funken Kampfgeist in Brendons müden Augen. »Er sagte, Aufgeben sei keine Option.«

»Ganz genau.« Er nickte. »Also werden wir das auch nicht tun, einverstanden?«

»Aufgeben?«, drang die verschlafene Stimme meiner besten Freundin zu uns. Sie ließ sich neben Brendon auf das Sofa fallen. »Wir werden sicher nicht aufgeben! Irgendwann werden diese Verrückten einen Fehler machen.«

Endlich schüttelte ich die Nachwehen des Traums ab und fand meine innere Kraft wieder. »Und dann führen sie uns zu Flynn.«

»Aber können wir davor noch ein bisschen weiterschlafen?«, fragte Billie und unterdrückte ein Gähnen. »Es ist noch nicht einmal vier Uhr morgens.«

Lächelnd nickte ich. »Brendon ist schon länger wach als ich. Legt euch ruhig nochmal hin und versucht, weiterzuschlafen.«

Gähnend ließ er sich von meiner besten Freundin hochziehen. »Machen wir. Du aber auch, ja?«

»Versprochen«, sagte ich. »Aber ich muss meine Gedanken erst einmal ordnen.«

Ich beobachtete sie, wie sie Hand in Hand in den Schlafraum schlurften, und bemerkte, wie ein vorsichtiges Lächeln an meinen Mundwinkeln zupfte. Ohne die beiden wäre ich aufgeschmissen. Billie war meine Retterin in der Not, war sie schon immer. Und Brendon entpuppte sich als genauso zuverlässig. Die zwei passten perfekt zusammen, obwohl sie total verschieden waren. Ich hoffte, dass die Umstände, in denen wir uns befanden, die beiden mehr zusammenschweißten und nicht früher oder später voneinander entfernten.

Ich sah nochmals in die prickelnde Oberfläche des Wassers und trank einen kleinen Schluck, ehe ich das Glas auf dem Tisch abstellte. Meine Augen suchten den Rucksack, der unbeachtet in einer Ecke stand. Entschlossen nahm ich den Block heraus, der so etwas wie mein Tagebuch geworden war, sowie den kranichgelben Stift, der ebenfalls mit dem Logo der Fluggesellschaft versehen war. Ich hatte Dad schon lange nicht mehr geschrieben, hatte nicht zu Papier gebracht, dass wir überfallen und Flynn entführt worden war.

Seufzend ließ ich mich zurück in den Sessel fallen und starrte einige Minuten aus dem bodentiefen Fenster. Die Gebäude der Stadt lagen im Dunkeln. Vereinzelte Straßenlaternen strahlten ein wenig Licht aus. Die perfekte Zeit für Verbrecher. Bei dem Gedanken fröstelte es mich, und doch setzte ich mich aufrecht hin. Womöglich war das das Problem, weshalb wir niemanden von der Gang fanden – tagsüber waren sie sicher kaum so aktiv wie abends oder gar nachts. Ich jonglierte diese Überlegungen in meinem Kopf hin und her. Am liebsten würde ich jetzt aufspringen und losziehen, doch mir war bewusst, dass ich alleine weniger Chancen hatte als mit meinen Freunden. Morgen würde ich das mit den beiden besprechen.

Vorsichtig optimistisch lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Dieser Ansatz eines Plans, der in mir reifte, verlieh mir neue Zuversicht, neue Kraft. Wir würden Flynn näher kommen, da war ich mir sicher!

Hey Dad!

Es ist einiges passiert, seit unser Roadtrip uns nach Marseille geführt hat. Du wirst es nicht glauben, aber Flynn hat irgendwas mit einer Straßenbande zu schaffen. Oder hatte etwas damit zu schaffen. Ich weiß es nicht genau, wir haben nicht mehr reden können. Seine Gang hat uns aufgelauert, als wir den Abend auf dem Campingplatz haben ausklingen lassen. Sie haben Flynn mitgenommen. Wohin, wissen wir nicht, wobei wir von Glück reden können, dass sie uns nicht auch verschleppt haben.

Mit gezücktem Stift hob ich den Blick und ließ ihn erneut aus dem Fenster über die Dächer Marseilles gleiten. Langsam färbte sich der Himmel von Nachtschwarz zu Lila. Mir wurde eben erst bewusst, wie viel Glück wir wirklich gehabt hatten. Oder war das ein kalkuliertes Risiko der Rois Marseillais?

Seit dem Überfall wohnen wir im Hotel. Dank dir können wir uns das leisten, Dad. Natürlich sind wir sofort zur Polizei gegangen, aber die haben uns nicht ernst genommen. Ich denke eher, dass das ein Fall von Korruption ist, der uns da Steine in den Weg legt.

Da fiel mir ein, dass wir die irische Botschaft benachrichtigen könnten. Warum waren wir nicht schon eher auf diese Idee gekommen? Wofür gab es denn diese Anlaufstellen in fremden Ländern? Das musste ich mir unbedingt merken und mit meinen Freunden besprechen.

Bisher haben wir auf eigene Faust versucht, die Gangmitglieder, die uns auf dem Campingplatz aufgelauert haben, ausfindig zu machen. Doch in einer Stadt, die uns fremd ist, ist das leider nicht so leicht, wie wir gehofft haben.

Dad, ich würde so gerne mit dir darüber sprechen, mir deinen Rat holen oder einfach in deinen Armen Zuflucht suchen. Du ahnst nicht, wie sehr du mir fehlst. Mehr denn je.

In Liebe,

Lani

Es tat unendlich gut, sich das alles von der Seele zu schreiben. Selbst, wenn ich vergeblich auf eine Antwort wartete. Die einseitige Art der Kommunikation gab mir zumindest das Gefühl, meinem Dad nah zu sein. Und vielleicht achtete er von da, wo er jetzt war, auf uns. Möglicherweise gab er uns ja versteckte Hinweise oder führte uns irgendwie anders auf den richtigen Weg?

Seufzend legte ich das Schreibzeug auf den Tisch, kuschelte mich in den Sessel und schaute zu, wie die Nacht der Morgendämmerung Platz machte.

4

»Schau, Flynn!«, befahl Lani. In ihren ozeanblauen Augen lag so viel Gewicht, als sie ihre Hand öffnete, damit ich sah, was sie darin verwahrte. »Das ist der Grund, weshalb ich jahrelang überlebt habe.« Dann nahm sie meine Hand und ließ den Gegenstand in meine Handfläche fallen, bevor sie ihre schlanken Finger darüber legte und ihn so verbarg. »Er wird auch dir helfen zu überleben. So lange, bis wir dich finden. Wir werden dich finden.«

* * *

Ich wollte die Augen nicht öffnen.

Der muffige Gestank der Matratze, auf der ich lag, verriet mir, dass ich nicht frei war. Dass Lani nicht bei mir war. Dass es nur ein Traum war.

Seufzend richtete ich mich auf und sah mich um. Mathis war weg und hatte das Licht gelöscht, sodass ich wieder nur Schatten erahnte. Er hatte ganze Arbeit geleistet, mir tat alles weh. Mein Gesicht, das Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte, fühlte sich wund und dick an. Ob er mir die Wangenknochen gebrochen hatte? Ich verzog den Mund und bewegte meine Gesichtszüge, schnitt allerlei Grimassen, die zwar wehtaten, jedoch nicht so arg, dass irgendein Knochen dort gebrochen sein könnte. Erleichtert seufzte ich auf, ein Glück!

Das brachte mir meine Rippen wieder in Erinnerung, die bei jedem Atemzug schmerzten, vor allem, wenn ich tief einatmete, um zu seufzen. Kein Wunder, nachdem Mathis mich auf dem Boden liegend wie einen Sandsack getreten hatte. So lange, bis ich die Besinnung verlor. Aber ich lebte. Noch. Immerhin.

Mein Zeitgefühl war quasi nicht mehr vorhanden. Jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete, war es dunkel. Die minimalen Lichtstrahlen von draußen, in denen die Staubpartikel wirbelten, konnten von der Sonne oder auch von Straßenlaternen herrühren. Wie lange wurde ich hier bereits gefangen gehalten? Waren es Minuten, Stunden oder schon Tage? Die pochenden Kopfschmerzen und meine trockene Kehle zeugten auf jeden Fall von Wassermangel. Demnach waren einige Tage vergangen, oder? Ob sie mich kümmerlich verenden lassen würden? Wobei ich mir das nicht vorstellen konnte. Mathis würde sich niemals den Spaß nehmen lassen, jemanden zu quälen.

Die Frage war nur, ob ich darüber erleichtert oder entsetzt sein sollte. Es wurde mir alles zu viel. Seufzend schloss ich die Augen und dachte zurück an den Traum, an Lani. An den Gegenstand. Mit den immer noch aneinandergebundenen Händen tastete ich nach meiner Hosentasche und fand ihn: den Hämatit, der ihr damals so geholfen hatte. Ich kramte ihn umständlich aus der Tasche – was mit fixierten Händen gar nicht so leicht war – und hielt ihn dann fest in meiner Faust. Hoffentlich half er mir ebenso, mit dieser Situation umzugehen. So, wie er Lani geholfen hatte, ihre Schicksalsschläge durchzustehen. Zumindest konnte ich mir mit dem Stein einreden, Lani wäre bei mir.

Ich starrte in die Dunkelheit und versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen. Mein ganzer Körper war eine einzige Wunde. Alles schmerzte, überall pochte und brannte es. Ob Lani, Brendon und Billie wirklich nach mir suchten? Vorstellen konnte ich es mir, es würde zu ihnen passen. Bei dem Gedanken an meine selbstlosen Freunde hoben sich meine Mundwinkel wie von selbst. Aber ich wusste, dass die Rois Marseillais die Polizei und jede Behörde, die ihnen gefährlich werden konnte, im Griff hatten. Dass die Mädchen und Brendon von dieser Seite keine Hilfe zu erwarten hatten. Würde sie das aufhalten?

Ich fühlte mich komplett zerrissen. Einerseits hoffte ich, sie würden die Suche nach mir aufgeben, es sein lassen und abreisen, damit sie nie wieder einem der Gangmitglieder begegneten. Andererseits hoffte ich, dass sie ihren Kampfgeist, ihren Glauben an mich nicht verloren und mich am Ende doch fanden. Dass sie mich hier herausholten. Aber bei dem Gedanken daran, was Mathis und Léa mit ihnen, mit Lani, anstellen würden, verknotete sich mein Magen.

»Aah«, schrie ich frustriert, bis meine Stimme brach, als sich die Wut in meiner Mitte sammelte. Der Zorn darüber, hier festzuhängen, und dass es mir nicht möglich war, irgendetwas auszurichten. Doch bis auf mein eigenes Echo kam nichts zurück. Ich zog an dem Strick, mit dem die Handgelenke aneinandergebunden waren, bis mir die Haut wieder aufplatzte. Egal, wie sehr es brannte, ich zerrte weiter an dem Strick. Warme Flüssigkeit floss an meinem Unterarm entlang und tropfte mir auf die Hose.

Diese Hilflosigkeit, die sich in mir breitmachte, brachte mich fast um den Verstand.

Meine Gedanken kehrten zurück zu Lanis ozeanblauen Augen, die mich schon als kleiner Junge gefesselt hatten. Damals, als ich ihr den Hämatit geschenkt hatte. Bevor Mom und ich weggezogen waren, hatte ich keinerlei Zweifel daran, dass sie für immer meine beste Freundin bleiben würde. Bis meine Briefe dann unbeantwortet geblieben waren. Das hatte mich wirklich getroffen, weil ich es nicht nachvollziehen konnte. Niemals hätte ich gedacht, sie je wiederzusehen.

Was für eine Überraschung, als sich herausgestellt hatte, dass es Lani war, die Brendon und ich mit ihrer besten Freundin in Portugal getroffen hatten. Ich schnaubte über mich selbst. Dass es mir nicht aufgefallen war. Wie blind konnte man sein? Diese Augen waren einmalig, dazu das kleine Muttermal in der Mitte ihrer Stirn und die Ausstrahlung, die sie ebenfalls schon immer besessen hatte. Indizien, die ich übersehen hatte. Um was? Nicht enttäuscht zu werden? Denn vergessen hatte ich Lani nie.

Als sie mir dann von ihrer Mom erzählt hatte, war mein Herz ein kleines bisschen auseinandergebrochen. Zu gut erinnerte ich mich daran, wie sie uns bei unseren kindlichen Ideen unterstützt hatte. Nachts zelten im Garten, Schatzsuche am Strand oder was uns sonst so eingefallen war? Kein Problem. Mrs Wilson hatte immer dafür gesorgt, dass wir alles hatten, was wir benötigten. Und sie hatte mich jederzeit aufgenommen, wenn meine Mom wieder Schichtdienst im Krankenhaus hatte.

Und dann war es ausgerechnet eine Bandenschießerei, die Mrs Wilson das Leben gekostet hatte. Ob Lani mir je verzeihen konnte, dass ich versehentlich in eine Straßengang hineingerutscht war? Würde sie mir glauben, dass es ein Versehen gewesen war? Würde ich überhaupt die Möglichkeit bekommen, mich ihr zu erklären? Oder war es das? Würde ich hier verenden und Lani im Unklaren bleiben?

Es durfte so nicht enden, nicht, da wir uns wiedergefunden hatten. Ja, es standen die Rois Marseillais zwischen uns, aber ich würde nicht aufgeben. Ich musste einen Weg hier herausfinden.

Mit neuer Entschlossenheit drückte ich den Rücken gegen die Steinwand, stemmte die Fersen in die stinkende Matratze und versuchte mich hinaufzuschieben, um mich aufzurichten. Wenn ich es schaffte, aufzustehen, könnte ich diesen verdammten Strick, der an dem Pfeiler festgebunden war, vielleicht lösen. Damit wären meine Hände zwar noch nicht befreit, jedoch würde ich einiges an Bewegungsfreiheit gewinnen und könnte die Lagerhalle nach einer Fluchtmöglichkeit absuchen.

Ich biss die Zähne fest zusammen, doch ich hatte unterschätzt, wie lädiert mein Körper war.

Impressum

Verlag: Zeilenfluss

Texte: Katharina Pikos
Cover: 100coversforyou
Korrektorat: Sabrina Undank, Dr. Andreas Fischer
Satz: Zeilenfluss
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2023
ISBN: 978-3-96714-282-2

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