Cover

Die Strassen von Aleppo

Filomena De Luca

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auflage 1 / Oktober 2017

Coverbild: 123rf, smallcreativunit

Covergestaltung: Andrea Mohamed Hamroune

Herstellung und Verlag

BoD- Books on Demond

ISBN: 0013584626

Vorwort

 

Yasmin war ein kleines Mädchen von zwölf Jahren. Sie kam in Aleppo zur Welt. Yasmin erzählte mir ihre Geschichte, wie es sich anfühlt im Krieg zu leben. Ich möchte diese Geschichte an Euch weiter geben.

Als Yasmin anfing zu erzählen, fühlte ich mich wie im Krieg. Es war fürchterlich, was dieses Mädchen alles miterleben musste. Manchmal viel es mir schwer, Yasmin zuzuhören. Meine Finger fingen an zu schwitzen, sodass ich kaum noch den Stift halten konnte. Mein Körper fing an im Rhythmus zusammenzuzucken. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und ich fing an, zu weinen. Ich stand auf und verließ das Zimmer. Yasmin war sehr gelassen und entspannt. Ich glaube, sie hatte keine Gefühle mehr. Ihr Herz war wie aus Stein, als sie anfing, mir ihre wahre, traumatisierte Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines kleinen Mädchens aus Aleppo, das den Krieg miterleben musste.

 

 

 

 

 

 

Yasmins Geschichte

 

Vor vielen Jahren fing der Krieg in Aleppo an. Als ich die Bilder zum ersten Mal im Fernsehen sah, wusste ich, dass es bald das Ende war. Ich konnte mir diese ganzen Bilder nicht mehr anschauen. Das Geschrei, die ganzen Fliegerbomben, das Blut, die Häuser, die zusammenfielen als wären sie aus Pappe. Das Schlimmste dabei waren die Menschen, die um ihr Leben rennen mussten. Egal wo die Menschen hinliefen, die Bomben fielen überall. Viele Menschen kamen dabei um. Ich, die Autorin, Filomena De Luca, stamme aus Italien. Daher kann ich mir nicht vorstellen, was es bedeutet in einem Kriegsgebiet zu leben. Ich sah den Menschen die Angst an, auch wenn es nur am Bildschirm war. Ich konnte mir alles nicht mehr angucken, so leid es mir tat. Ich konnte dieses Leid nicht mehr ertragen und schaltete den Fernseher aus. Einige Monate später merkte ich, dass die Medien nichts mehr über Aleppo berichteten. Was war los? Ich dachte mir, vielleicht hätten sie aufgehört, diese armen Menschen zu töten. Leider hatte ich mich getäuscht. Ich fing ein Praktikum in einem Flüchtlingsheim an. Ich wollte den Menschen, die aus Syrien kamen, helfen, sich hier wohl zu fühlen in Deutschland. Am Anfang ging alles sehr gut. Bis ich ein kleines Mädchen sah, das in Richtung Heim lief. Es war genau am 24. Dezember 2012. Das Mädchen hatte sehr wenig an und war voller schwarzem Dreck. Ich wollte mir nicht vorstellen, wovon sie den Dreck hatte, aber ich dachte mir, sie musste von weit her gekommen sein. Es war sehr dunkel zu diesem Zeitpunkt und daher fragte ich mich auch, wo die Eltern des kleinen Mädchen waren. Als das Mädchen näher kam, rief sie „Help“. Ich wusste help bedeutet übersetzt Hilfe. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich stand unter Schock. Trotzdem zögerte ich nicht lange und nahm das Mädchen mit rein in das Flüchtlingsheim. Ich wies dem Mädchen einen Stuhl an und gab ihr eine Flasche Wasser. Es dauerte nur Sekunden und da hatte sie die Flasche ausgetrunken. Ich schaute das Mädchen an und das Mädchen schaute mich an.

Ich fragte sie: „Verstehst Du mich?“

Das Mädchen antwortete nicht.

Ich sagte erneut: „Verstehst Du mich, wenn ich mit Dir spreche?“

Sie schaute mich an und nickte. Ich war so froh. Gott sei Dank, das Mädchen konnte mich verstehen!

Ich fragte sie: „Wie heißt Du denn? Wie ist Dein Name?“

Spontan antworte das Mädchen: „Ich heiße Yasmin. Du kannst normal mit mir reden. Ich verstehe Dich sehr gut.“

Ich fragte Yasmin weiter: „Woher kommst Du, Yasmin?“

Yasmin schaute mich an und sagte: „Ich komme aus Aleppo. Das ist in Syrien. Kennst Du das?“ Ich war sehr unter Schock und erwiderte: „Natürlich kenn ich das. Yasmin, wo sind Deine Eltern, Deine Familie sozusagen?“

Yasmin senkte ihren Kopf und sprach kein Wort. Ich wollte es mir nicht ausmalen, dass es Yasmin ganz alleine  nach Europa geschafft hatte. Da ich keine Kinderpsychologin bin, musste ich mir überlegen, wie es weiter gehen sollte. Yasmin sagte kein Wort mehr. Ich ging vor die Tür. Meine Chefin wartete dort schon. Meine Chefin wollte wissen, wer das Mädchen war. Ich erklärte ihr kurz, dass das kleine Mädchen Yasmin heißt und aus Aleppo kommt. Sie hat keine Eltern mehr und sonst was an Familie. Als ich versuchte mit Yasmin weiter zu reden, senkte sie den Kopf und sprach nicht mehr.

Meine Chefin wurde blass durch meine Erzählung.

Eine halbe Stunde später ging ich wieder zurück in das Zimmer zu Yasmin. Yasmin war immer noch so nass, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und sagte: „Yasmin, ich will Dir nichts Böses. Ich will Dir helfen, bitte!“

Yasmin fiel mir in die Arme und weinte bitterlich. Sie sagte: „Ich habe keine Eltern mehr. Ich habe keine Familie mehr. Alle wurden umgebracht. Ich habe es als Einzige geschafft zu flüchten.“

Ich schaute sie an und bekam kein Wort mehr heraus. Ich drückte Yasmin ganz fest an mich. Ich wusste, was Yasmin sagte, war wirklich wahr. Ich schaute Yasmin an und sagte: „Komm mit, Yasmin. Ich gebe Dir ein paar frische Klamotten und zeig Dir, wo Du Dich duschen kannst. In der Zeit, in der Du duschst,  bereite ich Dir etwas zu essen vor und dann reden wir in Ruhe, wenn Du möchtest. Okay? Du bist jetzt in Sicherheit  Hier kann Dir nichts mehr passieren.“

 

Als Yasmin und ich gerade auf dem Weg zum Bad waren, ging plötzlich die Alarmanlage los. Yasmin bückte sich sogleich und hielt sich die Ohren zu.

Yasmin rief laut: „Hilfe. Hilfe.“

Ich nahm Yasmin in den Arm und erklärte ihr, dass alles okay wäre und nur die Alarmanlage losgegangen war. Vermutlich war es ein Probealarm. Ich wusste, als ich Yasmin ins Bad brachte, dass die Sache nicht leicht werden würde mit ihr. Yasmin litt unter Panikattacken und daher musste ich mir einen Psychologen hinzuholen. In der Zwischenzeit, in der Yasmin im Bad war, beriet ich mich mit meiner Chefin, was ich nun machen sollte. Meine Chefin sagte:  „Keine Kinderspychologen jetzt. Die Kleine ist erst angekommen. Warte etwas. Es kann sein, dass Du als Praktikantin sogar mehr aus dem Mädchen herausbekommst. Wir wissen immerhin schon, wie sie heißt und aus welchem Land sie hier hergekommen ist. Wir wissen, dass sie keine Familie mehr hat und ihre Eltern tot sind. Jetzt wäre es gut herausszufinden, wie alt das Mädchen ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Yasmin sieht sehr jung aus. Es kann sein, sie ist noch minderjährig, auch wenn sie sehr erwachsen aussieht.“

 

Plötzlich stand Yasmin vor uns.

Sie sagte: „Ich habe Hunger. Gibt mir etwas zu essen!“

Nachdem ich das gehört hatte, war ich am Boden zerstört. Ich fragte mich, wie lange das Mädchen wohl nichts mehr zu essen bekommen hatte. Wie lange sie auf der Flucht war? Ich nahm Yasmin an die Hand und ging mit ihr in die Kantine. Auf dem Weg in die Kantine sagte ich zu Yasmin: „Yasmin, zuerst besorgen wir Dir was zu Essen und dann reden wir in Ruhe. Einverstanden?“

Yasmin schaute mich mit ihren großen schwarzen Augen an und nickte leicht. Nach dem Essen verließen wir die Kantine in Richtung Zimmer. Auf dem Weg dorthin sagte ich zu Yasmin: „Ich zeige Dir jetzt dein Zimmer. Da, wo Du vorher warst, war nur ein Notzimmer. Da gehen die Kinder und Jugendlichen hin, wenn sie von einer langen Reise kommen. Die Kinder können sich da ausruhen, bis wir ein Zimmer haben und dann gehen wir ins Büro.  Du erzählst mir etwas von Dir, einverstanden?“

Dass Yasmin nur nickte, machte mir Angst. Ich hatte Angst, nichts von ihr rauszubekommen. Aber auch als Praktikantin wollte ich mein Bestes geben und meinen Job machen, möglichst viel über Yasmin in Erfahrung zu bringen. Ich musste herausbekommen, wie alt Yasmin war und woher sie kam. „So schwer kann es nun ja auch nicht sein, oder?“, dachte ich.

„So, Yasmin. Das ist Dein Zimmer. Hier wirst Du schlafen und da ist Dein Schrank und Dein WC und die Dusche, okay? Jetzt gehen wir ins Büro und klären da ein paar Sachen .“

Yasmin nickte.

Als wir im Büro ankamen, fing Yasmin an zu reden. Es kam mir so vor, als wüsste Yasmin schon alleine, was ich gerne wissen wollte.

Yasmin erzählte: „Als ich im Jahr 2000 zur Welt kam, war Aleppo noch ganz anders. Nicht so wie heute.“

Ich viel ihr ins Wort: „Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass Du zwölf Jahre alt bist und gerade aus Aleppo kommst?“

Yasmin nickte. Ich wusste schon, dass hat nichts Gutes zu bedeuten. Aber ich dachte mir, warum sollte sie mich anlügen?

Yasmin erzählte weiter: „Als ich im Jahr 2000 zur Welt kam, bekam mein Vater eine Arbeit in der Politik. Mein Mutter blieb Hausfrau, da wir sieben Kinder waren. Mein Vater verdiente sehr gut Geld in der Politik. Wir hatten genug zu Essen, meine Brüder konnten studieren. Zwei von meinen Brüder wollten nach Amerika auswandern, die anderen beiden wollten niemals von Aleppo weg. Eines meiner Geschwister war verheiratet und Arzt, ein anderer Bruder war beim Militär. Mittendrin war ich, als kleines Baby. Wir lebten sehr zufrieden und glücklich. Als ich elf Jahre alt war, änderte sich alles. Der Bürgerkrieg in Syrien begann. Jeden Tag bekam ich etwas mehr mit vom Krieg. Der Krieg wollte einfach kein Ende nehmen. Manchmal gab es eine Waffenruhe, die aber nicht lange hielt. Egal wo wir hinschauten und hinliefen, es fielen viele Bomben. Wir mussten stets aufpassen, dass wir nicht getroffen wurden.  Es war so fürchterlich. Abends, wenn wir ins Bett gingen, beteten wir zu Gott, dass wir am nächsten Tag noch leben würden. Ich wusste schon als Kind, dass das Leben in Aleppo nicht sicher war. Das Schlimmste war, dass ich mitbekam, dass ein Mann vor meinen Augen in den Kopf geschossen wurde. Ich bekam mit, wie eine Frau mitten auf der Straße zu Tode geprügelt wurde. Und das ist noch nicht alles. Soll ich weiter erzählen?“

Ich stand unter Schock und konnte mich nicht mehr bewegen. Ich fühlte den Boden nicht mehr unter den Füßen. Ich fragte mich, ob das wahr war, was sie gerade da erzählte? Ich schaute Yasmin mit Tränen in den Augen an und bat sie weiter zu erzählen.

Yasmin erzählte weiter: „Ich bekam mit, wie einem Mann die Hände und die Füße abgehackt wurden.“

Ich hielt mir die Hände vor das Gesicht  und sagte: „Oh mein Gott! Warum das denn alles?“ Die Kleine war schon sehr reif für ihre zwölf Jahre. Yasmin nahm meine Hand und sagte: „Das haben wir uns all die Jahre auch gefragt.“ Ich fragte Yasmin: „Wo sind Deine Eltern und Deine Familie?“

Yasmin senke ihre Augen und erzählte weiter. „Dazu komme ich noch. Die Häuser fielen wie Pappe auseinander. Kannst Du Dir das vorstellen? Wir mussten beten, dass unseres noch stand. Viele Menschen wurden unter den Häusern verschüttet. Ich war auf dem Weg zu meiner Mutter nach Hause, als plötzlich eine Bombe vor unseren Augen in eine Wohnung einschlug und das Haus auseinander viel. Wir selber konnten nicht weiter, da die Straßen mit riesen Steinen versperrt waren. Meine Mama schrie: „Hörst Du die Sirene, mein Kind? Die Männer mit den weißen Helmen kommen.“ Das waren die letzten Männer von Aleppo. So nannten sie sich. Als die Männer kamen, sah ich, wie sie uns halfen, frei zu kommen. Wir lagen zwar nicht unter den Steinen aber dazwischen. Wir waren eingeklemmt und konnten uns nicht bewegen. Die Männer versuchten viele Menschen herauszugraben. Es schafften kaum Menschen zu überleben. Manche Menschen gruben sie schon tot aus. Die meisten Menschen waren Kinder. Knapp zwei Jahre später fingen sie an, uns mit Gasbomben zu bombardieren. Das war das Schlimmste, was passieren konnte. 10000 Menschen kamen uns Leben. Ich selber konnte nicht mehr zur Schule gehen. Wir durften uns nur in unseren Wohnungen aufhalten. Mein Vater baute jahrelang eine Wohnung, mitten im Keller. Ob er schon wusste, dass es Krieg gäbe? Kämen die Bomben, könnten die Bomben uns da nicht treffen, so die Worte meines Vaters.  Leider hielt unser Versteck nicht lange und wir flogen raus, denn die Soldaten traten uns die Türe ein. Die Soldaten kamen, um eiskalt zu morden. Ohne einen Ton zu sagen. Einfach Bumm und tot ist der Mensch. Manche Soldaten vergewaltigten die Frauen und töteten sie danach eiskalt. Es war widerlich. Ich hatte Glück im Unglück. Ich hatte sehr große Angst. Meine sieben Brüder kamen ums Leben. Zwei von ihnen wurde in den Kopf geschossen, drei sind im Krieg gestorben, einen haben wir in einem Blutbad in seinem Bett gefunden. Mein letzter Bruder war irgendwo verschwunden. Niemand wusste, wo er war. Später traf ich ihn wieder. Ich werde auch davon erzählen. Aber später. Es war ein Horror für mich und meine Familie, das Ganze miterleben zu müssen. Nachdem meine Eltern alle meine Brüder verloren hatten, war nur noch ich am Leben. Mein Vater meinte, dass wir flüchten sollten und Aleppo verlassen. Es war kein Leben mehr in Aleppo, nur noch sterben. Genau das stände uns bevor, würden wir in Aleppo bleiben und nicht in die Türkei fliehen. Leider hörte sich alles nur einfach an, aber das war es nicht. Die Grenzen wurden sehr stark kontrolliert und wenn man Pech hatte, wurde man direkt an der Grenze erschossen. Eines Tages bekam ich mit, dass mein

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 09.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8323-9

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Als ich damals ein Praktikum machte, in dem Fluchtlingsheim in unserer Stadt, wurde ich damit beauftragt, mich um ein kleines Madchen zu kummern. Das Madchen hie Yasmin. Yasmin erzahlte mir ihre Geschichte, wie sie ganz alleine, mit zwolf Jahren, von Aleppo nach Deutschland fluchtete. Yasmin ist heute eine erwachsene Frau und meine beste Freundin. Yasmin bat mich, aus ihrer Geschichte, ein Buch zu schreiben. Eure Filomena und Yasmin

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