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die Schwangere und der Sensenmann

Die Frau schleppte sich schmerzerfüllt durch die neblige Gasse. Sie atmete schwer und musste sich mit aller Kraft dazu zwingen einen Schritt vor den anderen zu setzen. Ihr Kind würde nicht darauf warten, dass sie am richtigen Ort war um es zu gebären. Der Vater hatte sich einen Monat zuvor tot gesoffen. Jetzt rächte es sich also, diese Liebe überbewertet zu haben, zu glauben, sie könne alles im Alleingang richten. Es war ihr nicht nur von einem Bekannten gesagt worden, sich von diesem Mann schwängern zu lassen sollte ihr größter Fehler werden. Nun spürte sie es am eigenen Leib. Unter der dreckigen Küchenschürze sah man noch nicht, dass ihr das Blut im Zusammenfluss mit dem Fruchtwasser an den Beinen herunterlief.

 

Die Wehen wurden von Welle zu Welle grausamer. Sie fühlte sich, als zerreiße das Baby sie innerlich. Als beabsichtigte es, sie beide zu töten. Schwitzend und wimmernd schlich sie krampfend die einsame Gasse, die ihr den widerlichen Geruch von Abfällen und Fäkalien in die Nase trieb entlang. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Haus ihrer guten Freundin – da sollte sie Hilfe bekommen. Nur bis dahin musste sie es schaffen, dann würde alles gut werden. Doch die Schmerzen wurden nicht besser und jeder Schritt fiel schwerer und schwerer. Allmählich fühlten sich ihre Beine zu schwach an, um das Gewicht ihres Körpers und den des Leibes in ihr noch viel länger zu tragen – geschweige denn, sie bis zum Haus zu schleppen. Die Frau röchelte, ihr ganzer Wille richtete sich auf ihr Ziel vor ihr. Wenn schon ihr Leben verhunzt war, so sollte zumindest ihr Kind es besser haben!

 

Nur noch ein kleines Stück trennte sie von der Treppe zum Haus ihrer Freundin und damit ihrer Rettung. Da spürte sie, wie sie etwas kleines, kaum merkbares an ihrer Schulter traf. Sie konnte es kaum wahrnehmen, doch war es da gewesen. Sie schaute entkräftet auf ihre Schulter, da war nichts. Schon war dasselbe Gefühl auch auf der anderen Schulter. Was war es?

 

Als sie schließlich ein Tropfen mitten auf ihrer Stirn aufkam, verstand sie. Es fing an zu regnen und sie war bereits so schwach, dass selbst diese kleinen Wassertropfen auf ihr wie eine schwere Last lagen. Ihr Ende nahte. Als der Takt der auftreffenden Regenbomben schneller und regelmäßiger wurde, hielten ihre Beine dem Druck nicht länger stand. Sie knickte ein und flog keinen ganzen Meter vor der ersten Stufe der Treppe rücklings auf den harten Boden. Unfähig aufzustehen, vermischten sich ihre Tränen der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung mit dem stärker werdenden Regen. Alles, wofür sie jetzt noch beten konnte, war dass die Tür des Hauses aufging und ihre Freundin sie hier entdeckte.

 

Nach einigen Minuten, in der die Schmerzen der Wehen sie langsam um den Verstand zu bringen schienen und ihre Augen sie nur noch verschwommen sehen ließen, erschien plötzlich am Rande ihres Blickfeldes ein Schatten. Der Schatten gehörte wohl einem Menschen, denn er kam immer näher und schließlich stand er vor ihr. Ein Mann - so glaubte sie - wohl wegen dem starken Regen in einen schwarzen Mantel gehüllt, das Gesicht unter einer Kapuze versteckt betrachtete sie nun stillschweigend. „Bitte, helfen Sie mir. Ich bekomme mein Kind, Hilfe!“, flüsterte sie kaum vernehmbar durch das Rauschen und Plätschern des Regens. Er aber, beugte sich zu ihr herunter und erwiderte: „Aber Kind, weißt du denn nicht wer ich bin?“ Die Frau war irritiert von dieser Antwort, sie versuchte mit dem Kopf zu schütteln, aber es half nichts – sie war nicht länger in der Lage ihren Körper zu bewegen. Der Fremde aber hatte auch so verstanden und ohne Umschweife zog er sich die Kapuze im strömenden Regen vom Kopf. Ein Schock durchfuhr die Frau und wäre sie dazu noch fähig gewesen, hätte sie vor Entsetzen aufgeschrien. Es war ein Totenkopf unter der Kapuze hervorgekommen. Nun sprach der freigelegte Schädel ohne weitere Umschweife: „Ich bin der Tod, dir in dieser Gestalt wohl eher unter Sensenmann bekannt. Ich bin hier, um ein Leben einzufordern.“ Die Frau bekam große Augen, sie war nicht bereit einfach so zu sterben. „Aber, ich trage ein Kind aus! Es braucht doch seine Mutter“, winselte sie. Der Tod aber lachte, während der Regen auf seinem kahlen Schädel aufschlug und ihm an den Seiten im Rinnsal herunterlief. „Ich sagte, ich fordere EIN Leben ein. Ich bin so gnädig und lasse dir selbst die Wahl. Willst du dein Kind leben lassen, oder rettest du dich lieber selbst? Es ist deine Entscheidung – doch wähle mit Bedacht, es gibt kein Zurück danach!“, erklärte er ihr mit erhobenem Knochenfinger. Sie traute ihren Ohren kaum. Der Tod ließ sie entscheiden, wen er mitnahm! Natürlich sollte er ihr Kind verschonen! Als sie es sagen wollte, legte er ihr seinen Finger auf den Mund und sagte ihr: „Überlege es dir gut, führe dir genau die Konsequenzen deines Handelns vor Augen!“ Sie überlegte nochmal. Dieses Kind war sobald es geboren war Vollwaise, hatte einen toten Trinker als Vater und eine bei der Geburt gestorbene Mutter, welche Chancen besaß dieses Kind noch etwas zu werden oder sein Leben auch zu genießen? War es vielleicht besser, es aufzugeben und es selbst nochmal zu versuchen – dies als Mahnung zu sehen ihr Leben besser zu gestalten und es mit einem ordentlichen Mann nochmal zu versuchen? „Wie lautet nun deine Entscheidung, Frau? Der Tod wartet nicht gerne!“, drängte er sie zu einer Antwort. Sie presste mit dem letzten bisschen Lebenskraft heraus: „Nimm mein Kind und lasse mich leben! Ich werde meine zweite Chance nutzen.“

 

Der Sensenmann aber rief: „Du opferst also dein Kind, um dich selbst zu retten? Du bist es nicht wert, dein Leben zu verschonen! Wärst du bereit gewesen, für dein Kind zu sterben, hätte ich euch beide hier gelassen – doch nun werde ich dich mit ins Reich der Toten nehmen!“ Die Augen der Frau weiteten sich vor Entsetzen – der Tod hatte sie hereingelegt! Sie wollte sich wehren, ihrem Protest Ausdruck verleihen, vergebens. Er legte seine Skeletthand auf ihren Leib und mit einem Rutsch, der ihr gefühlt jedes einzelne Organ zerschmetterte, wurde ihr Baby aus dem warmen Bauch in die nasskalte Gasse hinaus gedrückt und das blutende Bündel landete klatschend auf dem blutgetränkten, verregneten Boden. Der Frau entwich der letzte Atemzug, dann gab ihr Herz den Kampf auf. Mit einem Mal stand die Frau bleich und geisterhaft neben dem Tod und blickte nun auf ihr elendes Ebenbild herunter. Nicht begreifend, was gerade geschehen war, hörte sie auf einmal den Aufschrei eines weinenden Kindes. Erst Sekunden später, realisierte sie, dass es von ihrem soeben geborenen Kind kam. Das Kind schrie und schrie aus vollster Lunge und schließlich wurde es erhört. Die Haustür vor dessen Treppen das Kind lag, ging auf und eine adrett gekleidete Dame sah hinaus. Als sie das Kind und ihre bewusstlos daliegende Freundin auf dem blutigen Boden inmitten des Regens sah, rief sie sofort nach ihrem Mann und trat näher. Die Mutter des Kindes wollte zu ihrer Freundin gehen, auf sich aufmerksam machen – doch der Tod packte sie an der Schulter und meinte: „Deine Zeit auf Erden ist um, es ist nun soweit. Wir betreten jetzt mein Reich!“

 

Und mit diesen Worten zerrte er sie mit sich ins Totenreich.

die Puppe von Silverdorn

 

Einst lebte ein handwerklich sehr begabter Mann im Dorfe Silverdorn. Von der frühen Kindheit an, bis zum Tage seines Lebensabends begeisterte ihn Allerhand, doch nie kam ihm eine Familie in den Sinn, füllte die geliebte Arbeit doch den Tag für ihn. So fand er nun, alt und im Herzen einsam geblieben, seine Vorliebe für Puppen. Groß und klein, dick und dünn, zierlich und stabil. Er tüftelte und bastelte den Tag und die Nacht, erschuf sich selbst seine verweigerte Familie. Die Puppen waren heiß begehrt, er fertigte auf Wunsch auch welche an – niemals aber gab er eine für sich gefertigte ab. Sie waren sein Stolz, seine Familie – für ihn – lebten sie.

Jede von ihnen hatte ihr ganz eigenes Lächeln, einen eigenen Namen.

Die silverdorner Puppen waren in aller Munde. Umso trauriger der Tag, an dem das Lichte in der Werkstatt ausblieb und des Puppenmeisters Hand, erkaltete.

 

Seine Sammlung sollte in Ehren gehalten werden, so war es von ihm vorgesehen, so war es hinterlegt. Wie Menschen aber nunmal so sind, der Stadtrat brauchte Geld.

Für Geld, standen Maria, Annabeth, Maxi und genug weitere von ihnen auf einem Podest – zur Versteigerung.

Maria war besonders schön. Aus blassem Porzellan, war ihr kirschroter Lippenstrich besonders auffallend. Lockig braune Haare, die ihr über die Hälfte ihres Barockkleides hingen. Nur ihre schwarzen Augen, die strahlten Distanz aus.

Als der Hammer schließlich schlug, war das familiäre Band gerissen. Maria wurde übergeben, in wohlhabende Männerhände. Der Edelmann schenkte sie seiner Tochter, dass sie nun eine Beschützerin vor ihrem manchmal recht raufboldigen, älteren Bruder hatte. Das Mädchen war begeistert – endlich war sie nicht mehr alleine mit ihrem doofen Bruder. Sie spielte den lieben langen Tag mit Maria und es wurde ihr liebstes Stück. Der Bursche aber, sah das gar nicht gern. Sie war doch seine Schwester. Es war ihre Pflicht, ihn zu amüsieren!

Diese blöde Puppe, was hatte sich der Herr Vater dabei gedacht?

Der Tag kam, da fuhren sie zu dritt mit der

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Akandor Andor
Cover: pixabay.com / DasWortgewand
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2016
ISBN: 978-3-7396-7851-1

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