Ein lautes „Jippie! Jippie! Jay!“ hörte man weit über die vereisten Schneeflockenfelder hinweg, von einem Dorf zum nächsten und dieses das Herz erhellende Geschrei wollte einfach nicht abklingen. „Jippie! Jippie! Jay!“ hier und „Jippie! Jippie! Jay!“ da und „Jippie! Jippie! Jay!“ ertönte es abermals und abermals. Fritze Lorenz, ein mürrischer Kartoffelbauer, zog sich seine ausgelatschten, rissigen Gummistiefel über seine löchrigen, dafür sehr bunten Wollsocken und trat vor die große Hoftüre seiner Scheune. Er stemmte seine kräftigen, großen, rissigen Hände in die Hüfte und blickte über das große Feld, welches herrlich irisierend funkelte. „Um diese Zeit müsste es längst überall grün sprießen! Dreckskälte!“ Maulte er vor sich hin und winkte ab: „Ach!“ Obwohl er äußerlich drahtig, groß und schnellen Schrittes unterwegs war, glich seine innere Gefühlsgestalt einer übergewichtigen und dem Leben überdrüssigen Nilpferddame.
Sonja, seine Lieblingshenne, welche von ihm ein schönes, sonnengelbes Pulloverkleid gestrickt bekommen hatte, weil ihr einfach keine Federn wachsen wollten, gesellte sich gackernd neben ihn. „Ja, ja, ich weiß schon. Es ist, wie es ist! Was will man machen!“ Er sah zu ihr, sie blinzelte ihn mit einem Lächeln um den gelben Schnabel an und er nahm sie behutsam in seine Hände, hob sie hoch und steckte sie in den Latz seines übergroßen Blaumanns, seiner Lieblingsbekleidung. Es war genau genommen eine blaue Latzhose mit einer extra großen und aus bunter Wolle gestrickten Brusttasche, welche vorn auf dem Latz aufgestickt und von Fritze Lorenz fachmännisch vernäht worden war. In diese lustig bunte und kuschelig wollige Latztasche passte jede Menge hinein und es fand auch alles Mögliche darin Platz, all das, was Fritze Lorenz auf seinem Hof oder auf dem Feld so fand. Angefangen bei angeschlagenen Glasmurmeln über lustig geformte Stöckchen oder durch das Eggern aus der Tiefe der Erde wieder zum Vorschein gebrachte versteinerte Seeigel bis hin zu tierischen Findelkindern. Letztere päppelte er dann mit seinem großen Herzen und voller Hingabe wieder auf und er hatte bis jetzt jedes Findelkind retten können und ein jedes seiner tierischen Kinder wohnte seit dem auch bei ihm beziehungsweise ganz in seiner Nähe. Das war zum Beispiel die Henne Sonja, die angebissen und bis auf die letzte Feder gerupft in einer Feldfurche lag. Oder Petro, der Igel, der beim Nachbarn im Stromzaun hing und in letzter Sekunde von Fritze Lorenz aus dieser misslichen Lage befreit worden war. Petro zuckte manches Mal am Tage, beim Stehen oder Gehen, das Stachelkleid, das waren die Nachwirkungen der Stromstöße, aber Fritze Lorenz war sich sicher, dass sich das mit der Zeit wieder geben würde. Sein Igelfreund war jedenfalls guter Dinge und bedachte seinen Retter mit gesammelten und noch nicht ganz leer gelutschten Schneckenhäusern auch glänzende, rosafarbene Würmer schenkte er Fritze Lorenz. Diese Sitte hatte er sich womöglich bei den Katzen abgeschaut und so legte er seinem Lebensretter seine köstlichen Geschenke entweder auf die Matte vor die Haustüre, das war aber eher selten. Meistens zog er sein Geschenk-Getier unter großem Schnaufen durch die Katzenklappe und schleppte es bis zur Küche. Dann setzte er sich daneben und betrachtete stolz seine wertvollen Gaben und verteidigte sie fauchend gegen allzu neugierige Katzen, die es natürlich auch auf dem Hofe von Fritze Lorenz gab.
Wie alle Tiere bei Fritze Lorenz, war der eine weniger sonderbar, ein anderer dafür etwas mehr als nur sonderbar anzuschauen. Aber, das war ja auch kein Wunder, bei alldem, was sie in ihrem früheren Leben, also bevor sie zu Fritze Lorenz auf den Hof kamen, durchgemacht hatten. An vorderster Katzenfront stand der Chef, das war der rote Pirat Pierre. Der hatte nur noch ein Auge und trug eine maßgefertigte Augenbinde, die Fritze Lorenz extra für ihn gestrickt hatte. Er brauchte dafür einige Anläufe, doch nach dem dritten Strickversuch passte sie haargenau und Fritze Lorenz war sehr stolz auf sein Strick-Meisterwerk und Pirat Pierre war äußerst zufrieden mit seinem
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: GAB, Romy van Mader, Textverweise s. Quellangaben
Bildmaterialien: GAB, Romy van Mader, Danke an Alan Frijns, Bocholtz/Nederland (Nilpferd & Eichhörnchen)
Cover: Romy van Mader
Korrektorat: K. Armenti
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2024
ISBN: 978-3-7554-6705-2
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Widmung:
Für alle meine Freunde auf vier oder weniger Beinen.