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Handtaschenräuberinnen

 

 

Kiel, 24. Juli 2014, kurz nach 18:00 Uhr

 

„Könnt ihr bitte kurz meine Tasche halten, ich habe einen Stein im Schuh?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stütze sich die Meisterdiebin Nadine Pottling an der Bushaltestelle auf die Schulter einer jungen Frau und begann ihren Schuh auszuziehen. Nele ließ schnell ihr neues iphone in ihre Parkertasche fallen, um mit ihrer Hand die fremde Frau stützen zu können. Unterdessen nahm ihre Freundin Melina die Handtasche entgegen.

Aus den Augenwinkeln sah Nadine auf der anderen Seite der Holstenbrücke einen Streifenwagen halten. Sie beeilte sich, den Stein aus ihren Turnschuh heraus zu holen. Hastig und mit viel Gewalt drückte sie ihren Fuß wieder hinein. Beim Aufrichten ihres Oberkörpers ging ihre Hand schnell in die Jackentasche ihrer menschlichen Stütze.

Da kam der 501er angefahren.

„Personenkontrolle. Können wir Ihren Ausweis bitte sehen!“

Nadine erstarrte zur Salzsäule. Die Polizei meinte wirklich sie.

Die jungen Dinger erkannten sofort die Lage und nutzten Nadines Unaufmerksamkeit. Im Nu waren sie mit Nadines Handtasche im Bus verschwunden.

„Ich habe meine Papiere und Portemonnaie heute Morgen zuhause liegen gelassen“, log Nadine.

„Umdrehen und Beine auseinander.“

„Das dürfen Sie gar nicht.“

„Gefahr in Verzug.“

„Gefahr? Bei mir? Übertreiben Sie nicht ein wenig, Herr Wachtmeister?“

Die Hände auf den stählernen Begrenzungszaun aufgestützt ließ sich die dreißigjährige Frau nach Waffen abtasten. Anschließend folgte sie den beiden Männern zum Streifenwagen. Sie musste zur Feststellung ihrer Personalien mit auf die Wache.

Kurze Zeit später war sie fast wieder an dem Ort, den sie vor nicht einmal fünfzehn Minuten mit eiligen Schritten verlassen hatte. In großer Hast war sie die Dänische Straße in westlicher Richtung gefolgt. Hatte schnell den Alten Markt überquert, um an der Holstenbrücke ihren Bus zu erreichen.

Jetzt war alles anders gekommen.

 

*

 

Plön, vier Stunden nach dem Handtaschenraub

 

„Ui. Hier sieht es ja ganz anders aus.“ Die aus dem Wasser aufgetauchte, junge Nixe Erendila strampelte mit ihren Händen und Füßen im Wasser und drehte sich dabei einmal um ihre Achse. Die knabenmäßig kurzen Haare der Dreiundzwanzigjährigen, welche ihr bis drei Zentimeter über die Ohren reichten, die Schulter aber noch nicht berührten, klebten klitschnass an ihrem Kopf. Ihre smaragdgrünen Augen glühten, zu einem spitzen Strich waren ihre violetten Lippen zusammengezogen, als sie ihre siebzehn Jahre ältere Begleitung vorwurfsvoll anstarrte.

„Das sehe ich selber. Kannst deinen vorwurfsvollen Unterton ruhig beiseitelassen.“ Nicht ganz so aufgedreht wie ihre junge Artgenossin, drehte sich die vierzigjährige Pfadfinderin Varinda ebenfalls um ihre Achse. Man sah an den Falten auf ihrer Stirn, dass sie tief in ihrem Gedächtnis grub, ob sie diesen Ort in ihrem Leben schon einmal gesehen hatte.

Varinda war wie Erendila eine Teichnixe aus der Anderswelt Luthalyen, ein Reich, das unter den Seen und unter den Teichen lag. Da Teichnixen oft von einem Gewässer zum anderen weit über Land laufen müssen, hatte ihre Gattung Beine anstelle einer Flosse, wie es die Artgenossinnen der Meere hatten.

Erendila und Varinda lebten jedoch schon seit langem auf der Erde, nur hin und wieder zog es sie zu Missionen in die archaische Anderswelt Luthalyen. Normalerweise benutzten sie beim Queren der Welten immer einen sagenumwobenen Teich im Weserbergland, wieso die Pfadfinderin beim Zurückkommen jetzt in einem fremden See aufgetaucht war, konnte sie nicht sagen. Irgendwo im unterirdischen Strudel musste sie einen Abzweig verpasst haben. Jetzt galt es, Ruhe zu bewahren und sich von der kleinen Frau an ihrer Seite nicht provozieren zu lassen.

Varinda war eine große, reife Frau von einen Meter und achtzig. Sie trug ihr glattes, dunkelbraunes Haar bis über die Schulterblätter. Es umrahmte ein markantes, längliches Gesicht, das entfernt Ähnlichkeit mit einem Greifvogel hatte. Aus diesem musterten zwei jadegrüne Augen lauernd ihre Umwelt. Sie verkündeten ebenso wie die sehnigen Arme und Beine der Frau, dass sie eine Kriegerin war. Das war neben dem Alter der größte Unterschied zu der jungen Frau an ihrer Seite.

Wie Erendila, hatte auch Varinda violette Lippen. Das lag an den vielen blauen Pigmenten in der Haut der Teichnixen. Das ganze Volk hatte blaue Körper in der Farbe eines Morgenhimmels, damit es sich im Wasser gut tarnen konnte. Eine weitere Gemeinsamkeit war eher charakterlich: Beide hatten unheimlich Spaß am Verführen und am Sex. Selber waren sie im Weserbergland zwar in festen Händen, aber wenn sie auf einem Abenteuer waren, waren keine Frauen und Männer vor ihnen sicher. Und sollte sich kein Opfer finden, wussten die beiden jederzeit, wie sie sich gegenseitig die Stunden versüßen könnten. Im Moment stand allerdings Gift zwischen den beiden.

„Hast dich beim Tauchen dem Anschein nach ganz schön vergaloppiert“, blökte die junge Frau mit dem knabenkurzen Haar. Sie wollte unbedingt Recht behalten. Oder zumindest das letzte Wort.

„Was du nicht sagst, du kleine Kröte.“ Zorn funkelte in Varindas Augen.

„Ich meine ja nur. Weißt du zumindest, wo wir sind?“, gab die Kleine schnell bei, da sie einem Ringkampf mit der Großen schier unterlegen wäre.

„In einem See, würde ich sagen.“

„Ach nee, da wäre ich nun wirklich nicht drauf gekommen. Ist ja kaum größer als unser Dorfteich, in dem wir sonst immer ankommen.“

„Deine bissigen Bemerkungen helfen mir nicht weiter, Erendila.“

„Bist du dir denn sicher, dass wir zumindest in der richtigen Zeit sind?“ Die kleine Nixe strampelte mit ihren Beinen und ruderte mit den Händen, damit sie nicht untergehen konnte. Dabei vollführte sie eine weitere dreihundertsechzig Grad Drehung, um sich in alle Richtungen umzuschauen. Leider hatte sich nichts verändert. Es war kein Trugschluss, sie waren tatsächlich nicht in ihrem Dorfteich.

„Woher soll ich das wissen. Ich war hier noch nie.“ Langsam war Varinda von den permanenten Sticheleien ihrer Gefährtin genervt. Irgendetwas war schief gelaufen. Aber was?

„Was würde die große Pfadfinderin vorschlagen? Was machen wir jetzt?“

„Schwimmen, was sonst. Also los, bewege deinen Fischschwanz, kleine Nixe.“

„Habe keinen.“

„Hättest wohl gerne einen?“

Erendila konnte den bissigen Spott ihrer Gefährtin nicht überhören. „Von einem Schwanz würdest eher du profitieren“, konterte sie böse.

„Du kannst dir auch einen Strap-On umschnallen, Mädchen – nur, damit du nicht schwanzlos bist“, wurde Varinda noch schlüpfriger.

An dieser Stelle fand es Erendila ratsam, das Thema zu wechseln. Kollegial fragte sie, wo die Große jetzt hinschwimmen wolle.

„Zu der Kuppel da drüben.“ Varinda nickte mit dem Kopf zu einem Hügel am gegenüberliegenden Ufer einer Stadt. Demnach schien sie kein Interesse zu haben, unter Menschen zu gehen.

„Da steht irgendein Gebäude drauf. Siehst du das, Varinda?“ Die Kurzhaarige kniff die Augen zusammen, um das im Schatten liegende Gemäuer besser erkennen zu können.

„Sieht aus wie eine Kapelle“, konterte die Große lässig, die in ihrem Kopf zwei Augen hatte, scharf wie ein Fernglas.

„Igitt“, platzte es aus der Losgeschwommenen, kleinen Nixe heraus.

„Halts Maul und schwimme weiter, Erendila. Oder lass es sein und ersaufe. Dann musst du nicht mehr schwimmen und brauchst mich mit deinem Geplärre nicht weiter zu nerven.“

„Bäh!“

 

*

 

Kiel, Fünfzehn Minuten nach dem Handtaschenraub

 

In Begleitung des Polizeimeisteranwärters Hansink und des Oberpolizeimeisters Mayer wurde Nadine Pottling durch die Flure der Wache geführt. Als sie auf Höhe der Türen war, die einen Mann beziehungsweise eine Frau zierten, trat vor ihr aus einem Seitengang ein Mann in ihren Weg, den sie auf keinen Fall begegnen wollte.

„Ich muss mal schnell hier hin. Wollen Sie mitkommen?“ Absichtlich provozierte Nadine die Wachleute, damit sie mit ihr nicht groß debattierten und sie sich dünne machen konnte.

„Wir warten hier draußen“, blieben die Beamten erwartungsgemäß sittsam.

„Und geben Sie sich keine Mühe, die Fenster sind von außen vergittert“, pflichtete der Kleinere der beiden bei. Kurz sahen die beiden Polizisten der eigentümlichen Frau von der Bushaltestelle hinterher, dann wandten sie sich der entgegenkommenden Gruppe zu. Gelassen grüßten sie ihre Kollegen, die gerade den Juwelier Fredeginger zur Aufnahme des Protokolls in ein Büro verfrachteten.

Jetzt fiel es den beiden Streifenbeamten wieder ein. Im Auto hatten sie von dem Überfall auf sein Juweliergeschäft gehört. Einem geglückten, denn der Dieb war entkommen. Bisher. Neugierig lauschten die auf ihre Personenkontrolle Wartenden im Flur an der offenen Tür ihrer Kollegen.

 

Die Frau hatte einen Nylonstrumpf über das Gesicht gezogen. Dadurch war sie schwer erkennbar gewesen. Sie hätte aber mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit braune Haare, berichtete der Juwelier. Sie müsste zwischen Dreißig und Vierzig sein, etwa 185 Zentimeter groß, sehr schlank, mit einer kleinen Brust. Dennoch einem den Proportionen entsprechend ausladenden Becken. Eindeutig kein Mann. Sie war in einem modernen Hosenanzug gekleidet, dunkelblau bis schwarz. Sehr elegant. Geschäftsfrau höherer Position. Aber jetzt fällt ihm auf, sie hatte schwarze Turnschuhe getragen. Bedroht hatte sie ihn mit einer alten, russischen Armeepistole. Langer dünner Lauf. Insgesamt sehr klein. Und sie kannte sich perfekt im Laden aus. Wusste, wo die wertvollen Sachen lagen, kannte jede einzelne Kamera. Am meisten hätte ihn überrascht, wie spielerisch sie mit Handschellen umgehen konnte. Bevor er sich versah, war er an den Heizungsrohren angekettet. Entweder war es eine Polizistin oder . . . sie wissen schon, was ich meine.

Polizeihauptkommissar Haydmüller verdrehte die Augen, nahm die Aussage auf, ließ sie unterschreiben und übergab ihn zur erkennungsdienstlichen Untersuchung.

 

*

 

Kiel, zwei Stunden nach dem Handtaschenraub

 

Nele und Melina saßen in Neles Zimmer in der Weststraße. Noch immer vollkommen überrascht, wie einfach es gegangen war, der Alten die Handtasche zu rauben. Ungeschoren konnten sie an der Haltestelle „Prieser Strand“ aussteigen und verschwinden. Keine Streife war dem Bus gefolgt. „Warum war die Alte mit den Bullen nicht hinter dem Bus her gefahren?“, beschäftigte es Melina, als sie in der Beute herum stöberte. „Die hatte sich einfach ihre Tasche stibitzen lassen. Nun ja, ihr Problem wird sicher gewesen sein, sich nicht ausweisen zu können. So musste sie mit aufs Revier.“

Eigenartiger Weise fand die stöbernde Melina keine Papiere in der Handtasche. Weder Pass, Führerschein noch Portemonnaie. Nichts wies auf die Identität der Besitzerin hin. Dafür sprang sie etwas Anderes an. „Ich fasse es nicht“, sprach sie ganz leise und fügte laut hinten dran: „Hol mal unterm Bett meine Schatzkiste hervor, Nele!“

„Buh!“, machte Melina, als ihre Freundin rückwärts kriechend unter dem Bett wieder hervorkam.

„Ahhh!!!!“ brüllte Nele auf und fiel rücklings auf den Boden. Wie ein Käfer lag sie da, mit allen Vieren in der Luft rudernd.

Melina riss sich die Strumpfmaske sofort wieder vom Kopf. Mit so einer Wirkung hatte sie nicht gerechnet.

„Du hast sie doch nicht mehr alle.“ Schimpfend wollte Nele auf Melina zustürzen.

Da hielt diese ihr eine Pistole entgegen.

Neles Augen wollten aus ihren Höhlen springen.

Melina amüsierte sich aufs Äußerste.

„Ist doch nur ein Spielzeug. Ein Feueranzünder oder so. Sieh her.“

Ein ohrenbetäubender Knall, gefolgt von einem splitternden Krach. Fassungslos stierte Nele auf die geplatzte Fensterscheibe.

„Ein Feuerzeug, soso. Sag mal, Melina, bist du denn völlig durchgeknallt? Was sage ich nur meinen Eltern?“

„Sind ja gar nicht zu Hause.“

In diesem Moment drehte sich draußen an der Haustür ein Schlüssel.

„Scheiße.“ Geistesgegenwärtig schloss Nele ihr Zimmer ab und kam zurück zum Bett gesprungen.

„Setze dich neben mich, Madame!“ Triumphierend klopfte Melina mit ihrer flachen Hand auf die Matratze. Anschließend tauchte sie diese in die Handtasche und zog sie wieder hervor.

Nele gingen die Augen über.

Melinas Hand war voll mit Schmuck.

„Wir werden nie mehr arbeiten müssen, Schätzchen“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin wie aus ganz weiter Entfernung an ihr Ohr dringen.

Langsam kam Nele zurück in die Realität: „Als hättest du in deinem Leben je schon einmal Hand angelegt.“ Sie war noch immer so verärgert, dass sie gar nicht verstand, was hier vor sich ging.

„Öfter als du auf alle Fälle“, verteidigte sich ihre Freundin. „Es stimmt doch, dass du noch Jungfrau bist, oder? Aber mit dem Geld, das wir hier verdienen können, können wir dir sofort einen schönen Mann kaufen“, spöttelt die Freundin.

„Das geht nicht, Melina. Wir müssen die Polizei rufen.“

„Beruhige dich, Nele. Denk erst einmal nach. Das hier wird bestimmt hunderttausend Euro wert sein. Wir werden schon einen Hehler finden, der mit uns reich werden will.“ Melina sah aus, als wäre sie eine Arnolda Schwarzenegger, der keiner was konnte.

„Wo ist übrigens mein Handy?“, fiel es Nele ein, als sie ihren Vorsatz umsetzen wollte, die Bullen zu rufen.

„Warte, ich rufe dich mal an, dann können deine Ohren es orten.“ Flink flitzte Melina über die Tasten, schon bimmelte es nicht allzu weit entfernt.

„Da, hörst du es? Es muss vom Balkon kommen“ ruft Nele etwas verstört auf. „Das muss meine Mutter gewesen sein. Oh diese alte Schlampe. Der werde ich irgendwann den Hals umdrehen. Hat sie meinen Parker schon wieder auf die Terrasse gehängt, nur weil er nach Zigarettenrauch stinkt.“

„Rede nicht so über deine Mutter“, gibt sich die Freundin altklug. Aber Nele hatte diesen Satz schon nicht mehr gehört. Sie hatte vorsichtig das kaputte Fenster geöffnet, war behände hinausgeklettert und schon auf dem Weg zur Terrasse. Von weitem sah sie, dass ihr Parker nicht über eine der Stuhllehnen hing. Fängt die Alte jetzt an, Ostern zu spielen? Na warte.

Nele bog um den dicken Rhododendronbusch.

Nur noch zwei Meter, bis zu den Stufen der Terrasse.

Nur noch einer.

Da kam das dicke Brett auf ihre Stirn zugesaust.

Ein dumpfer Knall.

Sofort sackte sie in sich zusammen.

 

*

 

Plön, vier Stunden und fünfzehn Minuten nach dem Handtaschenraub

 

„Oh, guck mal, hier liegt ein Kanu. Hast du uns gar in den Wilden Westen fehlgeleitet?“ Tausend Nadelstiche lagen in Erendilas Stimme.

„Indianer hatten keine Kirchen“, zischte Varinda zurück.

„Lass uns das Boot verstecken!“

„Das ist Diebstahl. Musst du immer nur Dönecken im Kopf haben?“

„Ich will es nur ein paar Meter weiter ins tiefe Schilf ziehen.“

„Um die brütenden Haubentaucher und Blesshühner aufzuscheuchen, nein. Vielleicht ist jemand in der Nähe, dem dieses Boot gehört“, wurde die Pfadfinderin schulmeisterlich, bevor ihr ein neuer Gedanke kam und sie mit abenteuerlicher Neugier in der Stimme ergänzte, dass es verdächtig wäre, an so einem einsamen Ort zu tiefer Nacht ein alleingelassenes Kanu zu finden.

„Absolut, Große. Da müssen wir sehr vorsichtig sein.“ Erendila stieg auf das Sensationsmäßige der Stunde sofort ein und bückte sich, um ihre Hände an den Bootsrand zu bringen. „Umso besser ist es, wenn wir ihm seine Fluchtmöglichkeit rauben.“

„Jetzt hast du selber gesagt, worum es dir eigentlich geht, um das Rauben.“

Die vorwitzige, junge Frau hatte ihre Füße schon weit nach hinten gestellt und ihr Oberkörper lehnte waagerecht zum Boden, damit sie mit Kraft das Kanu wegziehen konnte, da stutzte sie mitten in der Bewegung: „Still! Hörst du es, Varinda?“

„Ja, als wenn jemand mit einem Spaten in die Erde sticht und die Grassoden bei Seite legt.“

„Der will eine Leiche vergraben!“

„Ist ein guter Platz, hier bei der kleinen Kapelle und so nah am Wasser. So möchte ich auch einmal begraben sein.“

„Wenn wir das Kanu nicht gleich verstecken, kann das morgen schon der Fall sein, meine Liebe“, flüsterte die Kleine mit einem süffisanten Unterton und hoffte, endlich Zustimmung für ihr eigennütziges Tun von der viel reiferen Frau zu erhalten.

„Na los, ziehen wir es leise ins Wasser. Sonst beginnt mein Schätzchen zu weinen und der Totengräber schlägt uns mit seinem Spaten die Birne ein“, spöttelte die große Nixe und macht sich bereit, ihrer Artgenossin zu helfen.

Diese kommentierte den Großmut ihrer Gefährtin mit einem ihr so eigenem „Bäh!“

„Warte nur ab, Erendila, wenn wir aus der Gefahr sind, kommst du in eine neue brenzlige Situation.“ Mit einem geheimnisvollen Schmunzeln taxierte die reife Frau ihre junge Mitstreiterin.

„Ist Ihre Muschi schon so heiß, dass ich sie kühlen muss, Herrin?“ Die kleine Frau mit dem kurzen Haar Zog ihren Kopf ein, als würde sie einen Schlag erwarten. Als der ausblieb, richtete sie sich auf. Im fahlen Licht der Nacht leuchtete ihr Gesicht siegessicher.

 

*

 

Kiel, eineinhalb Stunden nach dem Handtaschenraub

 

Polizeioberrat Trollinger schnaufte vor Wut. Was seiner Figur und besonders seinem darin verhältnismäßig winzigem Herzen gar nicht gut tat. Alle Anwesenden befürchteten, dass er gleich einen Herzinfarkt erleiden könnte. Und als sein Kopf immer roter wurde, griff der erste zu seinem Handy.

Mitleid hingegen, Mitleid hatten sie nur mit ihrem Kollegen Polizeimeisteranwärter Hansink, auf dessen Kopf eine schwere Akte nach der nächsten einschlug. „Angelina Märkels, Rathausdamm 1 in Kiel!“, brüllte der Oberrat, „wie blöd muss man sein, diese Verarsche nicht zu erkennen! Habe ich denn nur noch Hornochsen in meiner Abteilung?“

„Aber sie hatte keine Papiere bei sich“, versuchte sich der Geschlagene zu rechtfertigen.

„Hätte ich auch nicht, wenn ich eine Bank ausrauben wollte.“

„Juwelier, Herr Oberpolizeirat.“

Polizeihauptkommissar Haydmüller verdrehte die Augen. Musste dieser Grünschnabel gerade jetzt den Oberpolizeirat verbessern. Chefs mögen es nicht, wenn man ihnen zeigt, dass sie Fehler machen. Chefs mögen es erst recht nicht, wenn jemand ihnen vor vielen anderen Leuten zeigt, dass sie Fehler machen. Und Chefs schlagen mit übertriebener Härte zurück, wenn das in Situationen geschieht, wo sie sich schon in Rage geredet haben.

„HERR HANSINK. SIE DURCHSUCHEN AUF DER STELLE ALLE PAPIERKÖRBE UND MÜLLTONNEN DER KIELER INNENSTADT. HABEN WIR UNS VERSTANDEN?!!!“

„Meinen Sie, die Diebin hat ihre Geldbörse weggeschmissen?“

„IHRE HANDTASCHE. VERFLUCHT NOCH MAL. UND EINES KANN ICH IHNEN SCHON JETZT VERSPRECHEN: WENN SIE SO WEITER MACHEN, WERDEN SIE ALS EWIGER POLIZEIMEISTERANWÄRTER IN DIE ANALEN KIELS EINGEHEN.“

Autsch. Das hatte gesessen.

Gerade wollte Herr Hansink darauf entgegnen, als eine bienengroße Fee aufgeregt vor seinen Augen mit den Flügeln schlug und ihn mit ihrem Zauberstab verhexte. So gelang es ihm im letzten Moment, die Worte herunter zu schlucken, demnach die In-Gewahrsam-Genommene ihnen immer beteuert hätte, die beiden Teenagerinnen im Bus ...

„Ist noch etwas, Herr Hansink?“ Lauernd hingen die Augen des Polizeioberrats an ihm.

„Nein. Nicht im Geringsten.“

„Nun, mir sah es aus, als hätten sie gerade einen Geistesblitz gehabt, wo sich die Handtasche befinden könnte.“

„Aber Herr ...“ Ein Tritt gegen sein Schienbein ließ ihn in Erinnerung rufen, ab wann es ratsam wäre, zu schweigen. Aber musste Hauptkommissar Haydmüller gleich so heftig zutreten? Verstohlen rieb er seine schmerzenden Knochen.

 

*

 

Plön, vier Stunden und fünfundvierzig Minuten nach dem Handtaschenraub

 

Zufrieden blickte Nadine Pottling auf ihr Werk. Die Grassoden hatte sie so behutsam wieder hineingesteckt, dass man schon in ein paar Tagen keine Spur ihrer nächtlichen Grabung erkennen könnte. Dennoch war die Zeit schneller vergangen, als sie geplant hatte. Gut, die Gören hatte sie nicht auf ihrer Rechnung gehabt. Glücklicher Weise ist alles gut ausgegangen. Was wäre nur geschehen, wenn sie der Kleinen nicht das Handy gestohlen hätte? So konnte ihr Kumpel Fred schnell den Wohnsitz der Gelegenheitsdiebin ausmachen.

In gebückter Haltung huschte Nadine jetzt im Schutz der Büsche zum Seeufer. Und blieb wie angewurzelt stehen. Hätte sie jemand in diesem Moment fotografiert, sie wäre als „die kleine Quasimoda mit dem Klappspaten“ auf die Titelseiten aller bekannten Magazine gehüpft.

Sie hüpfte jedoch nicht.

Sie stampfte wie Rumpelstielzchen auf dem leeren Platz herum. Leer, weil ihr Kanu nicht mehr da lag, wo sie es zurück gelassen hatte. Musste man heutzutage wirklich alles anketten? Gab es bei den Menschen keinen Anstand mehr, den Besitz eines Anderen zu respektieren? Sie erinnerte sich, wie sie als Kind ihr Fahrrad auf dem großen Spielplatz zwischen den beiden Schwentinenarmen vergessen hatte. Nach dem Mittagsessen hatte es immer noch neben der Schaukel gelegen. Damals war noch nicht jeder Mensch gleichzeitig ein Dieb gewesen.

Egal.

Sie musste weg. Den Koppelsberg verlassen. Ohne Spaten.

Schnell flog das Ding in einen dichten Busch Knackebeeren. Anschließend wartete sie eine Pause ab, bis kein Auto auf der Straße war, dann trat sie aus der Anlage heraus auf den Fußweg und bog nach links in die Ascheberger Straße ab.

Wie sie den großen Parkplatz vor Plön erreicht hatte, traf sie auf einen einsamen Gassigänger. Die Frage, wer von den beiden das gefährlichere Raubtier sein könnte, stellte sie sich leider nicht: Der kleine weiße Pudel oder der einsame Wolf.

Der Interessantere von beiden war jedoch eindeutig der Wolf.

Sofort war die große und recht schlanke Frau mit den langen, braunen Haaren damit beschäftigt, ihre Hormone in Schach zu halten. Schließlich hatte dieser einsame Wolf ein verdammt schönes Gesicht und eine extrem athletische Figur. Er mochte ein Meter fünfundneunzig messen, war schlank, etwa dreißig Jahre. Sein volles, schwarzes Haar gescheitelt. Eine lange, mit einem ultrastrongen Gel gehaltene Locke fiel ihm in die Stirn.

„Zu so später Nacht alleine unterwegs? Dabei treibt sich in letzter Zeit nachts so viel Gesindel zwischen den Seen umher, junge Frau“, begrüßte er Nadine mit tiefer, warmer Stimme.

Oh je Nadine, warum schlackern dir deine Beine so?

„Was Sie nicht sagen. Mir ist das gar nicht aufgefallen. Aber es scheint, als hätte ich jetzt einen Beschützer.“ Dabei beugte sie sich runter und kraulte liebevoll dem Pudel den Nacken.

„Sogar zwei“, ereiferte sich der junge Mann, um sich wieder ins Gespräch zu bringen.

„Mann. Sie scheinen ein richtiger Kavalier zu sein. Einer von der alten Sorte. Gerne begebe ich mich in ihren Schutz, mein Herr.“ Nadine richtete sich auf. Der Pudel schmiegte sich um ihre Beine, als sie den attraktiven Mann mit ihren Augen anklimperte.

„Wohin darf ich Sie denn begleiten?“ Förmlich bot der mann ihr seinen Arm ein.

„Prinzenstraße“, log Nadine und hängte sich bei dem Gassigänger ein.

„Das passt sich gut. Ich wohne in der Seestraße.“

Auf was spielt er an mit seinem „sich passen“?

„Ich denke, es ist kein Wunder, sich hier zu begegnen. Eine kleine Runde am Abend zu sternenklarer Nacht macht man nie weit weg von daheim.“ Nadine blieb stehen, schaute zum Sternenhimmel, danach zu dem Hund, der in seiner Unruhe einmal um sie herum spaziert und ihr auf dieser Weise ihre Füße gefesselt hatte. Das sollte doch kein böses Omen sein? Umso besser ist, dachte die attraktive Frau, dass ich ihm nicht gleich auf die Nase gebunden habe, auf dem Appelwarder zwischen Stadt- und Trentsee zu wohnen.

„Nun, so sind wir fast Nachbarn“, kam Herr Sedemünder auf die Prinzenstraße zurück zu sprechen und hängte nach, dass er es verwunderlich fände, eine so hübsche Frau dort noch nie getroffen zu haben. „An Sie hätte ich mich bestimmt erinnert.“

Nadine war sich in diesem Moment nicht sicher, ob sie diese macho-haften Augen gut finden sollte, die gerade ihren kleinen Busen und ihr großes Becken in Augenschein nahmen, als würde der Schlingel sich schon ausmalen, seine Hände auf ihr nacktes Fleisch zu legen.

„Wohne erst seit einem Monat hier“, erklärte Nadine ganz sachlich und vermied es bewusst, einen Streit mit ihrem selbsternannten Beschützer anzuzetteln. Zumindest hier draußen, wo keine weitere Seele unter Gottes Himmel flanierte. Und dann brach es in ihr los. Ihr war, als würden in ihrem Bauch millionen Doppeldecker bei einer Flugshow Pirouetten schlagen: „Hübsch“ hatte er gesagt. Herrjemine.

Langsam schlenderten die drei in der lauen Sommernacht an der Landstraße entlang. Flocke wuselte eifrig zwischen Nadines Beinen herum, nachdem sein Herrchen ihn gerügt hatte, einer ehrwürdigen Dame nicht die Füße zu fesseln. Dieses Herrchen selber machte den Eindruck, als hätte es lange Zeit kein Weibchen an seiner Seite gehabt. Das konnte und wollte Nadine nicht verstehen. Bei so einem Aussehen? „Ich würde ihn mit Sicherheit nicht von meiner Bettkannte stoßen“, sagte sie sich in Gedanken, als sie in dem Schönen eingehängt vor sich hin trottete.

In der Seestraße gingen sie auf dem linksseitigen Trottoir. Nach einiger Zeit blieb der Mann stehen. „Dort, in der zweiundzwanzig wohne ich. Und hier, im rechten Flügel der einundzwanzig soll es spuken. Deshalb ist das Haus seit dreißig Jahren unbewohnt.“ Dabei hob der Mann den mahnenden Zeigefinger. Nadine amüsierte sich über seinen ernsten Gesichtsausdruck. Anscheinend glaubte ihr Begleiter wirklich an diese Geistergeschichte.

„Dafür ist es aber ganz gut im Schuss, meinen Sie nicht auch? Na ja, das wird an den Gespenstern liegen, die es instand halten.“ Nadine löste sich aus dem Arm des Mannes, um sich aus einem Abstand heraus das geheimnisvolle Haus näher anzusehen. Ihr Gesicht wirkte dabei recht spöttisch.

„Wollen Sie sich über mich lustig machen, meine Dame?“ Energisch befahl Herr Sedemünder seinem Pudel, Platz zu machen, bevor er sich wieder der hochnäsigen Frau zuwandte.

„Um Gottes Willen nein. Wie käme ich dazu?“ Nadine kickte mit ihrer Fußspitze gegen den Zaun und hoffte, die hätte sich nicht einen lästigen Stalker eingefangen.

„Das ist gut. Sie sollten es nämlich wirklich nicht auf ihre leichte Schulter nehmen. Und eines möchte ich Ihnen zum Abschied noch verraten . . .“ Jetzt wurde der Mann ganz mystisch, bevor er flüsternd erzählte, die Geister sollten einen Schatz behüten.

Schlagartig war Nadines Interesse an dem Haus geweckt. Leer stehend und es gab etwas zu holen. Was wollte sie mehr?

„Es ist wirklich unbewohnt?“, musste sie sich unbedingt vergewissern.

„Aber wenn ich Ihnen das sage. Wer sonst als ich, der Nachbar, könnte es besser beobachten.“

Ein letztes Mal musterte Nadine Haustür und Fenster. Um keinen Verdacht zu erregen, beschloss sie, schnell weiter zu gehen.

Fünfzig Meter später bogen sie und ihre Eskorte nach rechts in die Prinzenstraße ein. Nadine war es nicht gelungen, ihren selbsternannten Retter los zu werden. Jetzt musste ihr unbedingt etwas einfallen. Vor ihm wollte sie nicht als Lügnerin dastehen.

Fortuna stand ihr anscheinend in dieser Nacht Pate. Oder vielleicht schon den ganzen Tag?

Mit routiniertem Auge erkannte die große Frau ein Haus, wo im Erdgeschoss die Rollläden herunter gezogen waren. Die Geranien auf dem Balkon sahen sehr wasserbedürftig aus. Aus dem Briefkasten quollen die Reklameblätter. Eindeutig. Die Besitzer waren verreist.

Galant bedankte sie sich für ihren „Begleitschutz“ und holte auf dem Weg zur Haustür heimlich ihren Dietrichbund heraus. In der geöffneten Haustür stehend blickte sie noch einmal zu den netten Herren hinter der Pforte zurück.

„Vielleicht trifft man sich mal wieder“, sagte dieser zum Abschiedsgruß.

„Wäre schön. Bei sternenklarer Nacht. Vielleicht schon morgen?“ Verdammt, da lag mehr Flehen in meiner Stimme, als ich gewollt hatte.

Mit klopfendem Herzen zog Nadine die Tür zu.

Darauf inspizierte sie die Wohnung.

Es juckte ihr in den Fingern.

Das Problem: Es gab einen Zeugen.

Wohl oder übel musste sie ihre Triebe im Zaum halten.

Am Schlüsselbord neben dem Spiegel hing der Ersatzschlüssel.

Das passte gut.

Demnächst die Tür mit einem Schlüsselbund zu öffnen würde keinen Verdacht erregen. Schon gar nicht in männlicher Begleitung. Schon gar nicht in seiner Begleitung.

Um sich mit der Wohnung und speziell mit dem Bett vertraut zu machen, beschloss Nadine Pottling spontan, hier zu übernachten.

Sie kochte sich einen Espresso, erkundete auf dem Kalender in der Küche, dass die Wohnung noch zehn Tage verwaist bleiben würde und legte sich mit warmen Gedanken in das Bett. In ihrer Vorstellung waren es seine Hände, die ihren Körper inspizierten und sie an der richtigen Stelle in eine wundersame Entzückung versetzten.

 

*

 

Plön, vier Stunden und fünfzehn Minuten nach dem Handtaschenraub

 

Der skandinavische Krimi war beendet. Kommissar Sedemünder zog sich seine warme Jacke über und griff zur Hundeleine. Flocke, wie er seinen weißen Pudel getauft hatte, sprang aufgeregt an seinem Bein empor.

In der Küche lief noch der Polizeifunk.

Sie gaben gerade die Personenbeschreibung einer Frau bekannt, die ein Juweliergeschäft ausgeraubt haben sollte.

Nach diesem mörderischen Krimi im Fernsehen konnte dieser banale Diebstahl nicht sein Interesse wecken. „Der Schmuck ist sowieso schon in Polen“, sagte er sich. Seine Kieler Kollegen waren nicht zu beneiden.

Er schlenderte zur Hamburger Straße, kreuzte diese und stieg in den Wald. Einen Polizeibeamten mit Wachhund konnte der dunkle, nächtliche Wald nicht schrecken. Auf dem Waldweg ließ er Flocke von der Leine. Sie schlugen die Richtung zum Parkplatz am Kleinen Plöner See ein. Dort traf er auf eine einsam in der Nacht spazierende Schönheit. Ganz in Schwarz gekleidet. Unheimlich hübsch anzusehen. Seine „Lady in Black“. Die Frau seiner Träume. Immer vor seinem inneren Auge, wenn er dieses Lied von Uriah Heep mitsang.

 

*

 

Plön, zur gleichen Zeit, als Nadine mit dem Kommissar, von dem sie nicht wusste, was für einen Beruf der schöne Mann nachging, mitten auf dem Kleinen Plöner See

 

Erendila und Varinda hatten in dem gekaperten Kanu die Mitte des kleinen Sees erreicht. Hinter Ihnen lag der kleine Hügel mit der Kapelle, vor ihnen die Häuserzeile der Grundstücke am See. Ein Haus fiel ihnen besonders auf, da darin kein Licht brannte. Die Pfadfinderin mit den Falkenaugen rieb sich das Kinn, als sie ihrer Gefährtin zuraunte, die Fensterläden im Erdgeschoss schienen verschlossen zu sein.

„Dann weiß ich ja, wo wir uns heute einquartieren werden.“ Erendila, die vorne im Kanu kniete, wandte ihren Kopf zu der hinter ihr Sitzenden, die das Boot mit dem Ruder führte. Ein zweites war nicht vorhanden, sonst hätte die kleine Nixe natürlich der älteren Dame geholfen. „Warum hast du das Paddel ins Boot gelegt, Varinda? Willst du, dass wir mitten auf dem See in dieser Ölsardinenbüchse übernachten sollen?“

„Fändest du das nicht romantisch, Erendila? Das wäre bestimmt eine Nacht, die wir beide nicht so schnell vergessen würden.“ Liebevoll zwinkert die große Blauhäutige, die an den Augen schon Krähenfüße hatte, weil sie stets wie ein Raubvogel nach Beute oder Feinde ausspähen musste. Im Augenblick hatte sie eine Beute fest in den Augen. Zwangsläufig fühlte sich die junge Nixe, als wäre sie ein Ameisenhaufen. Überall auf der Haut kribbelte es, doch weil später Abend war, krabbelten die Vielbeiner in ihren Bau und hinunter zu der Höhle, wo die Königin hauste. Dieses war bei der jungen Nixe der Schoß. Oh-Je.

Erendila sog die klare Luft der Nacht ein, um sich abzulenken von ihren anrüchigen Gedanken. Sie roch ihren noch immer feuchten Wildlederanzug, sah vor ihrem inneren Auge, wie Varinda unter knallender Sonne mit wehenden Haaren über die Ebene ritt. Die Lederfransen an ihren Hosenbein- und Armnähten tanzten im Wind. Wie eine Trapperin aus dem Indianerland wirkte die große Pfadfinderin mit dem Raubvogelgesicht. Dieser Aufzug kam in Luthalyen sehr gut an. Luthalyen, die andere Welt, die unter den Seen und Teichen lag. Es verschaffte der Kriegerin noch mehr Respekt als nur ihr Name. Obwohl allein schon dieser in der Anderswelt bei all ihren Gegnern Furcht einflößen ließ. Doch in diesem Anzug wirkte die große Nixe um etliches männlicher, stärker, gefährlicher. Genau diese Unerbittlichkeit machte Erendila so an.

Das war nicht immer so.

Erendila erinnerte sich an das erste Abenteuer mit Varinda. Da war sie mit der Pfadfinderin und dem attraktiven Krieger Merander hinab nach Luthalyen getauft, um gegen den übermächtigen Usurpator Harsiander zu kämpfen. Jenem Despoten, der Erendilas Eltern ermorden ließ. Wo sie als Frischgeborene nur dem Tod entging, weil die Eltern das Mündel einer Wanderin zwischen den Welten übergaben: Varinda. Diese fand auf der Erde Paten, die sich dem blauen Findelkind annahmen. Was die damals selber noch junge Wanderin nicht verstand, die Stiefeltern waren eine Räuberbande, die das junge Nixenkind schon bald als Lockvogel missbrauchten, um den Wald querende Händler in einen Hinterhalt zu locken.

All die Jahre, wenn Varinda einmal bei ihrer jungen Artgenossin auf der Erde nachschaute, sah Erendila die Pfadfinderin immer als eine große Schwester an. Unnahbar war diese in ihrem Wesen, unerreichbar für das Waisenkind, das gerade einmal wusste, wie man das Wort Schwert schrieb. Heute wusste Erendila diese Waffe auch zu führen.

Dieser Aufstieg zu einer angehenden Kriegerin ließ plötzlich in Varindas Augen ein neues Interesse an das Waisenkind aufflackern. Plötzlich schätzte sie Erendilas mittlerweile zu einer Frau entwickelten Körper völlig neu ab. Eindeutig mit der Bedeutsamkeit, mit denen Nixen Männer taxieren, bevor sie sich diese ins Bett ziehen.

Das war Erendila anfangs unangenehm. Zudem irritierte die junge Nixe das eigene Gefühlschaos. Bisher hatte sie darunter gelitten, sich gegenüber der siebzehn Jahre älteren Artgenossin immer klein zu fühlen, jetzt musste sie sich einer eher schlüpfrigen Zugewandtheit erwehren. Und das zu einem Zeitpunkt, wo sie in Merander den ersten, kleinen Anker in ihrem bis dahin schwerwiegenden Leben gefunden hatte.

Doch je länger die Gefährten durch das in einen Krieg gefallene Luthalyen streiften, desto näher kamen sich die beiden Nixen. Und als alle drei wieder auf der Erde waren, ging die Mélange à Trois los.

Bis dahin hatte Erendila nie einen Gedanken daran verschwendet, mit der attraktiven Pfadfinderin in die Kiste steigen zu können. Was, wie schon angedeutet, daran lag, dass sie bis über beide Ohren in Merander verknallt war und ihm in gewisser Weise dankbar ergeben war, da er es war, der sie aus den Klauen der Räuber befreit hatte.

Mittlerweile ist sie mit diesem Burschen vermählt. Das hält die gereifte Erendila aber mittlerweile nicht davon mehr davon ab, sich auch außerehelich sexuell zu betätigen. Schließlich ist sie eine Nixe, in anderen Kulturkreisen auch Nymphe genannt, ein Ausdruck, der für das Wort Nymphomanin Pate stand.

Urplötzlich wurden Erendila bei diesen Gedanken zwei Tatsachen bewusst: Ihr über alles geliebte Merander saß daheim in Hameln und wusste nichts von der Irrfahrt der beiden Teichnixen; diese wiederum wussten selber nicht, ob sie in der Gegenwart oder ein längst vergangenen Zeit aufgetaucht waren. Um nicht kirre zu werden, drehte sich die Frau mit der burschikosen Frisur auf ihrem Sitz zu ihrer Gefährtin. Diese hatte das Paddel noch nicht wieder in die Hand genommen. Allem Anschein nach meinte sie es ernst mit einer romantischen Nacht unterm Sternenzelt. Na gut, dann sollte die Schöne es kriegen.

Kurzentschlossen stand Erendila auf, ging vorsichtig in dem wackelnden Kanu zu ihr herüber, drehte sich um, setzte sich zwischen den Beinen der Gefährtin auf den Bootsrumpf und bettete ihren Kopf in Varindas Schoß.

Augenblicklich begann eine Hand mit dem kurzen Haar der jungen Frau zu spielen, die andere kreiste auf dem Bauch der kleinen Gefährtin, deren Kleidung noch immer klamm war. Diese feuchte Kühle störte die junge Frau nicht, sie fühlte sich durch die Hände der Pfadfinderin geborgen und umsorgt. Sanft legte sie ihre Hand auf die Hand der Streichelnden und führte diese in großen Kreisen von ihren Bauch an immer weiter nach oben. Nebenbei drehte sich das Boot um einhundert und achtzig Grad, so rückte wieder der kleine Hügel mit der Kapelle in ihr Gesichtsfeld. Genau in diesem Moment zog ein erleuchteter Personenzug am gegenüberliegenden Ufer entlang.

„Sieh mal, Varinda, das sieht aus wie ein Lindwurm, der aus seiner Höhle gekrochen ist und nun übers Land kriecht.“

Varinda, die ihre Augen nur noch an den Körper der jungen Geliebten geheftet hatte, schaute hoch. Tatsächlich bot sich ihr ein idyllisches Bild. Der dahin kriechende Wurm aus Licht, die Kapelle im Schatten eher zu erahnen als zu sehen und über ihnen das wolkenlose Firmament.

„Das ist die Welt, in der wir leben“, begann die junge Nixe zu philosophieren, „Ich fühle mich mitten in ihr, sie ist ein Teil von mir. Eine nie geahnte Glückseligkeit überkommt mich, ein Gefühl unendlichen Friedens.“

Vergessen waren die Schrecknisse in Luthalyen. Vergessen die Neckereien von vorhin. Jetzt liebte Erendila einfach alles. Die Welt, sich und Varindas Hand, die von oben in ihr Hemd eindrang und sich gradlinig zu der jungen Brust vorarbeitete. Schnell knöpfte Erendila ihr Hemd auf, dass sich auch Varindas zweite Hand auf ihr heißes Fleisch legen konnte. Wie ein Aal wand sie sich unter ihren Streicheleien und schubberte dabei ihren Kopf im Schoß der reiferen Freundin.

In Kürze werde ich diesen lecken. Erendila wird ganz aufgeregt bei dieser Vorstellung. Vor lauter Vorfreude konnte sie ihre Zunge nicht mehr in Zaum halten. Stets schob sie diese zwischen ihre Lippen hervor. Bis Varinda den Waschlappen mit einem schnellen Griff einfing. Das fühlte sich für die junge Frau maßlos aufregend an, ihre Brüste hingegen beschwerten sich, in Stich gelassen worden zu sein. Varinda kümmerten diese lüsternen, festen Möpse in diesem Moment nicht mehr, sie hatte anderes vor.

Ohne den Fang loszulassen stieg die Große nach hinten über ihre Bank, kniete sich dahinter, beugte ihren Oberkörper vor und brachte nun ihre Zungenspitze an den Anfang des eingefangenen Organs.

Erendila zuckte, ein elektrischer Schlag fuhr durch ihren ganzen Körper.

„Hallo mein kleiner Zitteraal“, hauchte die Pfadfinderin daraufhin der Eingefangenen liebevoll ins Ohr.

 

 

 

Wieder und wieder tippte sie mit ihrer Zungenspitze gegen Erendilas zwischen ihren Fingern eingequetschte Zunge. Ein Stromschlag nach dem nächsten ließ das Küken erbeben. Schlagartig wurde die Scheide der Frau mit dem kurzen Haar ganz feucht. Gerne hätte sie dort jetzt die Finger der Freundin gewusst.

Diese wanderten leider nicht in Erendilas Hose. Varinda nahm nun mit ihrer freien Hand die linke Brustwarze ihrer süßen Nixe zwischen Daumen und Zeigefinger und begann das aufregende Fleisch zu zermahlen. Vor Genuss hätte die Kleine am liebsten laut aufgestöhnt. Ihre gefangene Zunge jedoch machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Einen Strich, der ganz ihre Zustimmung fand.

Die vorwitzige Nixe hatte das Gefühl, als wäre ihre Brustwarze pulverisiert, da griff sich die Schöne mit dem langen Haar kurzerhand die zweite und zermalmte auch diese. Gefühlt.

Der Lustschmerz ließ Erendila heiß werden. Ungeduldig zuckelte sie mit ihrer Zunge. Diese wollte endlich aktiv werden, brannte darauf, zu erfahren, wie Varindas Mund jetzt schmecken würde, mehr noch aber, wie viel Honig schon in dem Lusttöpfchen der Großen zu naschen wäre.

Die Frau mit dem markanten Gesicht und den Krähenfüßen an den Augen gab schlagartig ihren Fang frei. Augenblicklich drehte sich Erendila ungeachtet der Finger an ihren Brustwarzen, welche diese jetzt arg verdrehten, bevor die Kleine sich mit einem Ruck befreien konnte. Eine Sekunde später war ihre Zunge im Mund der Pfadfinderin.

Erendila kam es erlösend vor, die Zunge der Gefährtin an ihrer zu fühlen. Wie sie um die Zunge der Liebhaberin kreiste, deren Gaumen ausleckte oder nass über deren Lippen fuhr. Mit fiebrigen Händen band die junge Frau dabei das nasse Hemd der Pfadfinderin auf. Je weiter sie beim Aufschnüren nach unten vordrang, desto mehr schob die Große ihren Körper vorwärts. Bis sie eine gute Position hatte, um ihre Hände in Erendilas Hose flutschen lassen zu können. Unversehens glitten die Finger bis in die nasse Spalte der jungen Frau. Als Varinda die irre große Bereitschaft ihrer Artgenossin wahr nahm, stöhnte sie lustvoll aus.

Unterdessen hatte die Kleine die lange Lederschnur endlich aus den Ösen der Weste befreit. Sofort schlug sie die Seiten der Oberbekleidung beiseite und machte sich mit ihrem Mund über den üppigen Busen mit seinen breiten Höfen und den kräftigen Nippeln der Gefährtin her. Genüsslich kaute sie auf diesen großen Knospen herum während unten schlanke Finger in ihre Tiefe eindrangen.

„Du schmeckst nach Teich und Algen“, foppte die junge Frau unversehens. Prompt kniffen unten Finger und Daumen grob in eine vor Lust angeschwollene Klitoris. Genau das hatte die Frau mit dem kurzen Haar beabsichtigt. Sie stand total auf der Art, wie Varinda ihr an ihren intimen Stellen Schmerzen zubereiten konnte. Nebenbei lästerte die reife Frau, wenn der Busen dem jungen Küken nicht munden täte, könne sich der naseweise Mund ja die Stelle einer Frau suchen, die nach Fisch schmecken würde.

Das ließ sich Erendila nicht zwei Mal sagen. Schnell öffnete sie die Hose der Gefährtin. Dann schob sie diese zusammen mit dem neckischen Höschen abwärts. Als beides der Großen um die Knöchel hing, zwängte Erendila ihren Kopf zwischen die strammen Oberschenkel der Kriegerin und rieb mit ihrer Stirn deren Kitzler. Allmählich brachte die geil gewordene, junge Nixe erst ihre Nase in die saftige Furche der reifen Dame, dann ihre Zunge. Schmatzend und schlürfend labte sie sich an dem Nektar, der in Strömen floss.

„Der fischige Geschmack deiner Möse berauscht mich, Varinda“, schmatze Erendila ein paar Worte heraus, „nichts auf der Welt ist leckerer.“

„Du machst mich so scharf, Süße, ich muss mich mit deinem Gesicht einfach ficken.“

„Nur zu, Herrin, dafür bin ich ja da.“ Absichtlich rieb die Frau mit dem kurzen Haar ihren Nasenrücken über die Klit der Herrin. Auf und ab, nach links und nach rechts.

Unvermittelt nahm die Beglückte den Kopf ihrer Sklavin in beide Hände und dirigierte ab nun das Gesicht durch ihren Schoß. Dabei profitierte sie von dem großen Verlangen ihrer Freundin sowie deren wilder Lust. Stets versuchte eine Zunge bei diesem harten Spiel trotzdem noch in die Furche zu kommen, erarbeitete sich ein Mund immer wieder neue Situationen, um an den Schamlippen saugen zu können, fanden Zähne stets von Neuem die Gelegenheit, in ein dick geschwollenes Lustzäpfchen beißen zu können.

Für einen Moment versuchte die junge Nixe, ihre Finger zur Unterstützung in die reife Venusmuschel zu schieben, die Pfadfinderin erachtete dieses aber als völlig überflüssig und unterband den Versuch der jungen Gespielin. Lang und hart benutzte sie Erendilas Gesicht als Dildo-Ersatz, bis sie mit lauten Schreien der Lust mitten auf dem Kleinen Plöner See kam.

Den Kopf ihrer Freundin gab die Frau mit den langen Haaren indessen nicht frei. Wohlig rieb sie ihr nasses Geschlecht über das niedliche Gesicht, schob ihre Schamlippen über ein neckisches Näschen, brachte das Zentrum ihres Pos über eine permanent unanständige Zunge. Diese war sich nicht zu schade, sanft den Anus der Freundin zu lecken.

„Das das Kanu nicht gekentert ist, grenzt an ein Wunder“, raunte die Pfadfinderin, als sie sich auf ihrem Sitz weit zurück lehnte und ihre Rosette der Zunge der Gespielen intensiver anbot.

Als diese sich mit viel Elan in das Hinterstübchen bohrte, packte sich die reife Kriegerin erneut den Kopf der Sklavin, zog sich deren Nase abermals tieft in ihre Lustgrotte und wiegte sich sanft hin und her, bis das Nachbeben abgeklungen war.

Erendila ließ sich gerne in dieser Art benutzen. Ihr überkam sogar ein riesiges Gefühl der Nächstenliebe, als sie zart gegen das nasse und wundervoll riechende Geschlecht ihrer Herrin gedrückt wurde. Obwohl sie selber keinen Höhepunkt erlebt hatte, kam sie sich vor, als könnte sie das ganze Universum umarmen. Sie empfand in der Tat eine sehr große Genugtuung darin, sich als willenloses Objekt in die Hände der reifen und erfahrenen Frau zu begeben, einfach um zu schauen, was diese mit ihr anstellen würde. Dieser Fick unterm Sternenhimmel in einem wackelnden Kanu war dabei etwas sehr Besonderes gewesen. Jetzt aber wollte Erendila nur noch eines: Sich mit ihrer Liebhaberin in ein weiches Bett kuscheln und selber verwöhnen lassen.

„Langsam wird mir kalt, Süße“, bewog sie aus diesem Grunde Varinda, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen.

Die Ruderin zog sich erst die Hosen wieder hoch, dann griff sie zum Paddel. Die Weste offen gelassen, stach sie in See. Erendila ergötzte sich bei dem Rest dieser Überfahrt an den verlockend schwingenden, großen Melonen der blauhäutigen Kriegerin.

Kurs hielt diese auf das große Doppelhaus, deren linke Hälfte die ganze Zeit über unerleuchtet geblieben war. Im Stillen amüsierte sie sich dabei über die sich ihr zugekehrte Freundin, die mit ihren Augen die wippenden Möpse der Ruderin mit einem regelrechten Heißhunger verschlang. Vorhin hatte Varinda ihr Kälbchen vom Euter weggezogen, um es sich an ihre Muschi zu drücken, weil das Bedürfnis nach einem schnellen Fick übergroß geworden war. Bei der nächsten Gelegenheit aber wird sie ihre Sklavin dazu anhalten, lang und ausgiebig an ihren dicken Titten zu knabbern.

„Varinda, morgen Abend müssen wir wieder zu der Kapelle rudern, um das auszubuddeln, was der Typ dort versteckt hat“, wurde die junge Nixe plötzlich sehr tiefsinnig und schaute an ihrer attraktiven Liebhaberin vorbei zu den Koppelsberg, an dessen Fuß gerade ein weiterer Personenzug wie ein Lindwurm dahin kroch.

„Für ein Grab war es zu klein“, erinnerte sich die Pfadfinderin, „und wenn du dir bis morgen ein eigenes Ruder besorgst, können wir über diese Expedition neu verhandeln.

„Könnte ich mich mit Liebesdiensten von dieser grässlichen Arbeit frei kaufen?“ Die junge Nixe klimperte mit ihren Augen und hatte ein so rührseliges Gesicht aufgesetzt, dass der Pfadfinderin ein kleines Lächeln über das Gesicht huschte.

„Einverstanden, ich werde mir eine böse Sache für dich ausdenken, Erendila. Schließlich ist es viel Arbeit, eine Prinzessin durch die Landschaft zu kutschieren.“ Gütlich schaute die Frau mit dem Raubvogelgesicht ihre Gefährtin an, als sie unbekümmert das Ruder durch das Wasser zog.

„Wenn es zu klein für ein Grab war, vielleicht für eine Urne“, knöpfte Erendila an ihre Gedanken an.

„Oder ein Schatz.“ Varinda glaubte daran zwar nicht, aber sie wusste, ihr Küken ist über Sensationen immer mächtig heiß zu machen. Jetzt amüsierte sie sich im Geheimen, wie ihre niedliche Gefährtin Luftschlösser baute, was sie alles mit dem Geld kaufen würde, das sie Morgen ausgraben werden.

Unterdessen bugsierte die Kriegerin ihr Kanu zwischen den beidseitigen Schilfgürteln hindurch, um am Ufer des Gartens des geheimnisumwitterten Hauses anzulegen.

 

 

 

 

 

Unerwartete Gäste im Haus am See


Leise zogen die beiden Nixen das Kanu ans Land. Dann schoben sie es an die buschige Begrenzung zum Nachbarsgrundstück und bedeckten es notgedrungen mit etwas Reisig, Schilf und einigen frisch geschlagenen Ästen.

Ein Kanu wird in diesen Breiten nicht häufig vorkommen.

Ein gestohlenes noch viel weniger.

Dann huschten sie zum Haus.

Auf seiner linken Seite konnten sie ein kleines Kellerfenster eindrücken.

Gefährlich war diese Stelle schon, denn hier stand das Nachbarhaus sehr nah und die Hecke war extrem licht. Zum Glück war im Nachbarhaus vor einigen Minuten alles Licht ausgegangen. Sicherlich lagen die Bewohner nun schon in ihren Betten.

Als die beiden Kanufahrerinnen hinein geschlüpft waren, standen sie in einem winzigen Gästezimmer mit zwei Betten. Es roch herrlich nach gestärkter Wäsche.

„Komm Varinda, lass uns sofort unter eine dieser dicken, weißen Bettdecken springen.“

„So völlig ungeduscht? Auf keinem Fall.“

„Wo du recht hast, hast du recht. Komm, gehen wir das Haus durchsuchen.“

Zehn Sekunden später prallte Varinda gegen Erendilas Rücken und stieß sich an deren Hinterkopf beträchtlich ihr Kinn.

„Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, du sollst nicht so unvermittelt stehen bleiben.“ Varinda war wütend auf ihren kleinen Tollpatsch und rieb sich mit stechenden Augen ihr Kinn. Hätten diese töten können . . .

Sie waren in diesem kurzen Flur gerade einmal fünf Meter gegangen. Wieso musste die Kröte da schon wieder stoppen?

„Was, was . . . ist . . . denn das?“, stotterte die kleine Nixe.

„Eine Heißmangel. Ach du Scheiße. Das ist ja eine richtige Waschküche, wie es sie früher einmal gab.“

„Und wofür ist dieses Ding mit den großen Walzen, diese Heizsonstwas?“

„Da werden kleine, vorwitzige Gören durchgezogen, damit sie lernen, sich zu benehmen.“

„Tut das nicht weh?“

„Und ob. Sonst wäre es ja keine Strafe. Soll ich es an dir einmal ausprobieren?“

„Unterstehe dich. Du willst doch nicht, dass deine kleine Wärmflasche platt wie eine Flunder wird? Vor allem diese Körperteile.“ Und schon hatte Erendila die Hand ihrer älteren Begleitung auf ihre Brust gelegt.

„Kleiner Nimmersatt. Lasse uns das noch ein wenig aufheben. Ich bin richtig neugierig auf dieses Haus geworden. Da vorne links geht ein weiterer Flur entlang.“ Achtsam zog sich Varinda die Hand von ihrem fantastischen Busen.

„Nach dir.“ Erendila wedelte mit ihrem Arm, deutete eine Verbeugung an und wies mit der Hand in den Flur.

„Alter Schisser. Aber für meine körperliche Unversehrtheit ist es wirklich ratsam, wenn ich vorgehe.“ Kurz war der spottende Blick, den die große Nixe der kleinen zuwarf.

„Ich sehe halt so gerne deinen breiten Rücken“, beschwichtigte die Kleine und schaute dabei spitzbübisch auf.

„Hm?“

„Und deinen fetten Arsch, natürlich.“

„Das wirkt schon glaubwürdiger. Nur . . . findest du ihn wirklich fett?“ Unsicherheit lag in den Augen der Pfadfinderin, als sie sich mit beiden Händen über ihre Halbkugeln fuhr und an der Seite nach unten schaute.

„Nein, er ist genau richtig. Hat tolle Formen und genug Fleisch, seine Wange daran zu schmiegen.“

Schon war Erendila hinter ihrer Freundin in die Knie gegangen. Fest umklammerte sie deren Oberschenkel. Unmöglich, in dieser Stellung weiter zu gehen. Dann rieb sie ihre Wange an deren Po.

„Ich hatte später gesagt.“

„Nur ein ganz klein wenig.“

„Nein, Erendila.“

„Nur eine Minute schmusen, bitte.“

„Nein.“

„Sei doch kein Unmensch, Varinda.“

„Ich bin kein Mensch.“

„Ach du, meine liebste aller Nixen.“ Und während Erendila ihre Wange weiterhin über den lederbespannten Po ihrer Geliebten wandern ließ, fuhren ihre Hände von vorne an den Innenseiten Varindas Oberschenkel nach oben. Mit ihren Zeigefingern erregte sie deren Lustzentrum.

„Aber nur eine Minute.“ Varinda stützte sich auf der schmalen Kommode rechts ab und ließ sich von Erendila die Hosen runter ziehen. Kaum war ihr Po frei gelegt, schob sie ihn nach hinten, um die Haut Erendilas Wange besser fühlen zu können. Sich dieser weichen Art des Streichelns völlig hingegeben, blieben ihre Augen auf eine kleine, rechteckige Schatulle hängen. Porzellan oder Steingut, fragte sie sich. Vorsichtig berührten ihre Fingerspitzen den runden Knauf in der Mitte. Gerade als sie den Deckel anheben wollte, spürte sie Erendilas Zunge sich in ihre Ritze zwängen. Wenn sie ihrem kleinen Liebesteufel jetzt keinen Einhalt gebieten würde, kämen sie heute Nacht nicht einen Meter mehr weiter. Aber irgendetwas stimmte in diesem Haus nicht. Das spürte die große, erfahrene Kriegerin sofort. Jetzt musste sie sich zusammen reißen: „Die Minute ist schon lange um.“

„Dann machen wir halt noch eine.“

„Nein.“

„Wie trotzig dein Nein immer rüber kommt, Varinda. Gefällt es dir nicht?“

„Es gefällt mir sogar sehr, Herzchen.“

„Dann lass mich gefälligst weiter lecken.“

„Nein.“ Varinda griff in die Haare der hinter ihr knienden, kleinen Nixe und zog sie am Kopf zu sich hoch. Dann drehte sie sich um und gab ihr einen langen Kuss: „Ich habe keine Ruhe, bevor ich nicht weiß, was hier im Hause vor sich geht. Ich habe ein komisches Gefühl. Komm! Lass uns weiter gehen!“

Mit zerknirschtem Gesicht zog Erendila Varindas Gürtel wieder fest. Genug Zeit, dass Varinda den Deckel der Schatulle öffnen konnte. Glasperlen. Wie langweilig. Schöner Goldschmuck wäre interessanter gewesen.

Im Anschluss schritten sie links durch eine Tür ins Treppenhaus. Die Türen zur Wohnung im Erdgeschoss waren verschlossen. Etwas knarrte die alte Holztreppe mit ihren breiten und abgegriffenen Stufen. Sie roch nach Bohnerwachs. Ein Geruch, den Varinda ein halbes Leben lang nicht mehr vernommen hatte.

Die Tür zur ersten Etage ließ sich öffnen.

Erneut standen sie in einem kleinen Flur.

Halb rechts vor ihnen ging es in die Stube, hart rechts in die Küche. Links am Ende des Flures waren zwei Türen nebeneinander. Beide führten jeweils in ein Schlafzimmer. Im linken gab es an der rechten Wand ein breiteres Waschbecken. Die Stube war altmodisch eingerichtet. An der Wand gegenüber thronte ein riesiger, dunkelbrauner Stubenschrank. Rechts eine rustikale Sofagarnitur und ein höhenverstellbarer, schwarzer Tisch mit Goldkante. Hinter der Stube schloss sich die Veranda mit Blick über den See an.

Die Küche war groß. Mit weißen Möbeln, einer blaubespannten Eckbank und einer Spüle, über der ein Fünf-Liter-Boiler hing.

„Duschen?!“, neckte die Kleine. „Und wo bitte ist die Toilette? Das alles sieht mir reichlich altertümlich aus, Varinda, wo hast du uns hingebracht?“

Varinda wurde immer mulmiger. Aber sie wollte den Frechdachs an ihrer Seite nicht verängstigen. Hatte sie sich beim Tauchen vielleicht mehr verfranst, als sie ursprünglich angenommen hatte? In diesem Haus schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Und es war beileibe kein Museum. Alles war noch in Funktion. Wo waren sie wirklich angekommen? Noch nie hatte sie von einer Nixe gehört, dass sie durch die Zeiten gereist war.

„Lass uns nach oben gehen“, sagte die große Frau mit dem langen Haar

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Mikka Tornesch
Bildmaterialien: © Dmitry Bruskov, https://de.fotolia.com & © Andrey Guryanov, https://de.123rf.com
Cover: Mikka Tornesch
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2020
ISBN: 978-3-7487-5566-1

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