Cover




Lasse dich nicht täuschen,
vom Glanze der Spiegeln.
Was dahinter verborgen liegt,
wird mit dir spielen.




Der Spiegel



„Psst! Hey! Yuri“, flüsterte ich, während unsere Mathelehrerin irgendwas über den Satz des Pythagoras an die Tafel schrieb. Sie drehte sich um und fragte: „Was ist los?“ „Yuri! Hier vorne spielt die Musik.“, motzte Frau Kirchner. Yuri schaute mich genervt an und ich schenkte ihr einen entschuldigenden Blick. „Und du liebe Miyaki darfst mir jetzt den Pythagoras aufstellen.“ Len, der Typ neben mir lachte, weil er genau wusste, dass ich es nicht konnte und diesmal sollte es auch nicht anders sein. „Also…Ehm… Ja wissen sie, ich konnte leider gerade nicht zuhören. Ich bin meinen Träumen verfallen, aber ich kann dafür wirklich nichts. Ich war plötzlich weg.“ Als die ganze Klasse in lautem Gelächter ausbrach wurde unsere Lehrerin sauer. „Das wars Miyaki! Ich schreibe dir eine sechs auf.“ Ich stöhnte auf und stoppte meinen Atem direkt, als ich ihren drohenden Blick sah.
Nach einer weiteren Ewigkeit klingelte es endlich. „Na Gott sei Dank, dass wir das noch erleben durften.“, sagte ich zu Yuri und grinste. „Jaja…Würdest du lieber aufpassen im Unterricht. Immer bekomme ich den Ärger ab.“, sprach sie während sie ihre Schulbücher in den Rucksack stopfte. „Wer hat denn bitte die Sechs kassiert?“, entgegnete ich ihr. Yuri grinste mich an und stellte fest: „Das kommt davon, wenn man nicht zuhört.“ Jetzt musste auch ich wieder grinsen. „Na los! Hauen wir ab.“, kam von mir. Gerade als wir aus dem Klassenzimmer gehen wollten rief Frau Kirchner: „Miyaki? Bleib bitte noch kurz da.“ Ich schnaufte genervt aus und erklärte Yuri, dass sie schonmal an das Schultor gehen solle.
Also machte ich mich zurück auf den Weg zum Pult. „Setz dich.“, befahl sie mir. Ich gehorchte und nahm vor ihr Platz. Sie korrigierte gerade noch unseren letzten Test und legte dann den Stift zur Seite. „So kann es nicht weiter gehen. Deine Noten werden immer schlechter und vom Unterricht bekommst du sowieso nichts mehr mit .“ Ich schaute auf den Boden und dachte nach. Ich wollte eigentlich etwas zu dem Gespräch beitragen, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen: „Auf jeden Fall möchte ich, dass du in der nächsten Woche mit in ein Campinglager fährst.“ „Boah, nee…Also echt nicht! Nächste Woche sind Ferien, da habe ich echt besseres zu tun.“, schrie ich jetzt einfach rein. Meine Lehrerin nickte und sagte: „Ist alles schon abgeklärt. Dein Vater hat zugestimmt und wenn du willst kannst du ja noch deine Freundin Yuri fragen.“ Ich schnappte mir meinen Rucksack und verschwand aus dem Raum. Ich konnte noch hören, dass sie mir folgendes nachrief: „Dann bis am Montag um neun Uhr vor der Schule.“
„Und? Was wollte sie?“, fragte Yuri neugierig als ich aus dem Gebäude stürmte.
„Yuri…“ Ich setzte meinen Schmollmund auf und sie verollte die Augen. „Was soll ich diesmal für dich tun?“, ergab sie sich dann. Ich grinste sie an und erzählte ihr von dem Campinglager. „Na gut. Aber nur weil du es bist.“, stimmte sie zu und ich viel ihr um den Hals. Deshalb mochte ich Yuri so sehr, sie war immer für einen da und kümmert sich auch mal. Wir kannten uns schon seit der ersten Klasse und hatten wirklich noch nie einen Streit. Außerdem teilten wir ganz viele gemeinsame Interessen, was uns noch mehr zusammenschweißte.
Als ich am Abend auf der Couch saß und Fernseh schaute, klingelte das Telefon.
„Hallo?“, fragte ich. „Ich bins… Len…“ Meine gute Laune verging direkt: „Was willst du Schlaumeier?“, motzte ich ihn an. „Gehst du auch in das Lager nächste Woche?“, kam es vom anderen Ende der Leitung. Ich verollte die Augen und entgegnete ihm genervt: „Ja… Noch was?“ „Ich wollte nur sagen, dass du besser ein Messer oder Pfefferspray mitnehmen solltest. Ich habe schon viele schlimme Dinge über dieses Lager gehört.“, erzählte er mir. Mich interessierte sein Geschwafel kein Stück und deshalb machte ich es kurz: „Alles klar. Tschüss“ Ich legte auf, schüttelte erneut den Kopf und ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zuholen.
„Ein Spiegel wird euch alle retten…“, hauchte es. Ich riss die Augen auf und mit einem Kung-Fu-Schlag drehte ich mich um. Doch da war niemand. Es war keiner zu sehen, ich musste mir die Stimme nur eingebildet haben.
Ich ging also wie geplant an den Kühlschrank, schnappte mir eine Flasche Cola und setzte mich wieder in das Wohnzimmer.

„Miyaki?“ Ich öffnete die Augen. „Miyaki. Sieh dir diese wunderschönen Spiegel an.“, sagte Yuri zu mir. Sie strahlte voller Freude und betrachtete alle Spiegel. „Das sind doch keine Spiegel.“, widersprach ich ihr. „Man kann sich doch gar nicht darin sehen.“ „Was laberst du denn da, Myiaki? Ich sehe mich doch auch.“ „Was? Sag mal, hast du eine Brille auf?“, fragte ich sie, während ich in den leeren Spiegel blickte. Nichts. Da war rein gar nichts zu sehen. Plötzlich spürte ich eine eiskalte Hand auf meiner Schulter: „Na Myiaki? Gefällt dir der Raum genau so gut wie deiner Freundin?“ Ich drehte mich um und schaute in ein unheimliches Gesicht, eines jungen Mannes. Er war groß und sehr dünn. Sein schwarzes Haar hing über seinen Augen, so dass ich diese nicht erkennen konnte. In diesem Moment befahl mir mein Gefühl zu lügen: „Ja…Die Spiegel sind wundervoll.“, brachte ich hervor. Der junge Mann lächelte und ich konnte weiße Zähne blitzen sehen. Dann ließ er meine Schulter endlich los und nickte zufrieden. „AH!!!“, schrie Yuri plötzlich. Schlagartig drehte ich mich um und sah Yuri, allerdings hinter Glas. Sie war im Spiegel eingeschlossen. Schnell rannte ich zum Spiegel und klopfte dran: „Yuri!!! Verdammt Yuri!“, brüllte ich mit Tränen in den Augen, während ich an das harte Glas schlug. „Hahahaha“, hörte ich eine böse Lache. „Lass´ dich nicht täuschen vom Glanze der Spiegel. Was dahinter verborgen liegt wird mit dir spielen.“, sagte die Stimme heiter in einem Ton, welcher mir die Rückenhaare aufstellte…



Ich schrak auf. Dann fasste ich mir an den Kopf und dachte laut: „Gott sei Dank. Es war bloß ein Traum.“ Ich nahm einen Schluck aus der Colaflasche und schaltete den Fernseher aus. Es war mittlerweile schon zehn Uhr gewesen und es war dunkel draußen. Ich beschloss mich abzulenken und ließ überall die Rolläden runter. Danach schmierte ich mir ein Marmeladebrot und während ich am Kauen war, klingelte das Telefon. „Hallo?“, sagte ich schluckend. „Ah ja, Myiaki. Ich wollte nur sagen, dass ich heute eine Nachtschicht einlege. Wir sehen uns dann morgen früh um elf Uhr, alles klar?“, erklärte mir mein Vater. Er hatte wie jeden Tag gearbeitet, aber normal kommt er um zehn Uhr nach Hause. Heute Abend sollte es nicht so sein. Ich wurde traurig und murmelte: „Ja, okay…“ „Sei nicht traurig und geh nicht zu spät ins Bett. Ich hab dich lieb.“, sagte er zum Abschied: „Ja und du überarbeite dich nicht. Ich hab dich auch lieb.“ Dann legte er auf. Langsam glitt der Hörer an meinem Ohr herab, dann drückte ich den roten Knopf. Ich war müde, jedoch hatte ich Angst, dass wenn ich ins Bett ginge sich dieser intensive Traum wiederholen könnte.
Nach einem langen hin und her, machte ich mich fertig und ging schlafen. Es dauerte nicht lange, bis ich einschlief.
„Miyaki!“ Ich drehte mich in meinem weichen und warmen Bett um. Langsam öffnete ich die Augen. „Miyaki, steh auf!“, hörte ich meinen Vater rufen. Plötzlich stand er in meiner Zimmertür. „Na los. Steh schon auf Spätzl, du willst doch nicht zu spät kommen, oder?“, fragte er. Ich zog mir die Decke über den Kopf, als er die Vorhänge aufzog. „Auf jetzt.“, sagte er und nahm mir meine Pandadecke weg. „Papa!“, schrie ich, doch gleich daraufhin musste ich wieder lächeln, als ich meinen Vater sah, denn er lächelte auch, wie immer. „Warum weckst du mich Samstags?“, wollte ich wissen. „Ich bin noch müde…“, gähnte ich. „Was?“, fragte mein Vater mit aufgerissenen Augen. „Es ist Montagmorgen Spätzl.“ Ich hasste es wenn der „Spätzl“ zu mir sagte, doch da er es mochte, sagte ich nie etwas dagegen.
„Häh?“, fragte ich verzweifelt. „Ich wollte dich nicht wecken, weil du so ruhig geschlafen hattest.“, erklärte er mir. „Und dann lässt man eine Person einfach mal das Wochenende verschlafen? Mensch Papa! Ich wollte doch am Samstag mit Yuki ins Kino gehen.“ „Ja, sie hatte angerufen und gemeint, dass ich dich ruhig schlafen lassen können. Sie hatte auch gesagt, dass ich dir mitteilen solle, dass sie sich den Film trotzdem anschaut und dir dann davon berichtet.“ „Super.“, brummte ich genervt und schlüpfte in meine Hausschuhe. „Na endlich.“, entgegnete mir mein Vater. Ich verollte die Augen, doch konnte ihm einfach nicht böse sein. Ich lächelte ihm nochmal zu und schlenderte ins Bad.
Nachdem ich mich fertig gemacht und meinen Koffer noch schnell zusammengepackt hatte, ging ich runter an den Frühstückstisch. Mein Vater hatte schon alles liebevoll hingestellt. „Papa?“, rief ich hoch, als er nicht im Wohnzimmer war. „Ich komme gleich.“
Also setzte ich mich an den Frühstückstisch und schenkte mir Kaba in die Tasse. Er hatte mir schon wieder die Winnie Pooh Tasse hingestellt. Mein Vater verstand einfach nicht, dass ich keine fünf Jahre mehr bin. Für ihn war ich immer noch sein kleines Mädchen, dass Winnie Puuh liebt.
„Myiaki. Es tut mir leid, aber du musst allein frühstücken. Vergiss nicht um neun Uhr an der Schule zu sein. Wir sehen uns dann erst wieder am Freitag Spätzl. Also viel Spaß und ruf mich heute Abend an.“ „Klar, aber mir die Winnie Pooh Tasse hinstellen.“, sagte ich schmollend. „Tut mir leid Spätzl.“ Er drückte mich noch schnell und verließ dann wie der Blitz das Haus.
Da saß ich, ganz auf mich allein gestellt. Naja, fand ich nicht schlecht. Ich ging an den CD-Player im Wohnzimmer und legte meine CD ein. Dann schaltete ich auf das Lied „It´s war“ und genoss es. Die wunderschöne Melodie und die dazugehörende Geschichte ließ mich immer wieder in Träume versinken.
Ding Dong, Ding Dong…
Ich schrak auf. „Shit!“, schrie ich und rannte zur Musikanlage, um sie abzustellen. Es war halb vor neun und der nächste Bus fährt erst fünf Minuten nach neun. Ich rannte in den Flur, schlüpfte in meine Chucks und in meine schwarze Lederjacke, schnappte mir meine Tasche und mein Koffer und rannte aus dem Haus.
Ich rannte wie von einer Tarantel gestochen zur Schule. Drei Minuten vor neun kam ich völlig außer Atem an.
„Miyaki. Du bist ziemlich spät.“, schimpfte Frau Kirchner mit mir. „Tut…Mir leid.“, keuchte ich. Yuri kam zu mir und versuchte mich aufzumundern: „Jetzt bist du ja da.“ Sie lächelte, doch ich hatte keine Luft mehr zum Atmen.
Wir setzten uns im Bus in die letzte Reihe und sofort schlief ich wieder ein. „Myiaki!“, schrie Yuri. Mühsam öffnete ich meine Augen und starrte sie fragend an: „Hä?“, entgegnete ich ihr gereizt, doch sie lächelte nur. „Du hast schon wieder geschlafen, was ist bloß los mit dir?“ Ich setzte mich auf und überlegte. Nach einer Weile drehte ich ihr wieder meinen Kopf zu und grinste sie an: „Keine Ahnung. Vielleicht bin ich einfach nur zu sehr gestresst.“ Frau Kirchner drehte sich um und sagte: „Dann kannst du dich ja mal im Lager entspannen.“ Sie lächelte und alle anderen natürlich auch. Im Prinzip war sie ja ganz lieb und lustig, aber dass sie mich unbedingt mit in ein Lager schleppen musste fand ich echt mies von ihr, vorallem weil sie wusste, wie sehr ich meine Ferien liebte.
„So Kinder, alles aussteigen.“, sagte unsere Lehrerin, als wir an einem See angekommen waren. Ich nahm meine Tasche und stieg aus dem Bus. Draußen schnappte ich nach Luft und musste feststellen, dass die Luft hier reiner war als in der Stadt, viel reiner. Der See an dem wir nun standen, glänzte türkis im Sonnenlicht.

Impressum

Texte: Das Cover habe ich selbst erstellt. Die Frau ist von deviantart.com
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch den aller wichtigsten Menschen in meinem Leben: Amy, Hanon und Hirozaki :* saranghae <333

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