„Hast du noch Worte zu sprechen?“, der Erzpriester des Auditiven sah seinen langjährigen Freund und Hohepriester traurig und ebenso missbilligend an.
Die Menschenmenge, die Zeugen des hohen Gerichts waren, schwiegen ebenfalls in Trauer und keiner wagte dieser schrecklichen Szenerie auch nur ein Wort beizuwiegen.
Hohepriester Avioron hatte das Schändlichste und Schrecklichste getan, was ein Mensch tun konnte. Und dieses Vergehen hatte nicht irgendjemand begangen, nein, ein Hohepriester - ein Mensch, der andere lehrte was zu sein hat und was keinesfalls sein durfte. Gerade ein ,solcher‘ hatte das Schlimmste aller Vergehen begangen.
Er war sein Freund gewesen, einer seiner engsten obendrein. Hohepriester Avioron hatte des Erzpriesters Vertrauen in seine Anhänger tief erschüttert und um wie viel musste das Vertrauen der Menschen in die Priesterschaft der Auditiven nun erschüttert sein? Eine Schande nicht nur für ihn, eine Schande für alle.
„Wir lehren falsche Worte,“, setzte er flehend an „die Schattenwesen, sind nicht durch und durch vom Bösen beseelt.“
Welch groteske Bemerkung. Hätte jeder andere ebendiese Worte gesprochen, so hätte man diesem Gehör geschenkt, doch nicht einmal das naivste Kind würde dem ehemaligen Hohepriester jetzt noch ein Wort geglaubt. Viel eher wäre es schreiend vor seinem ungeheuerlichen Anblick davongerannt.
Aus Aviorons Körper drangen Wogen der Schatten. Um seine Haut züngelte ein dunkler Schleier, ähnlich dem Qualm eines Feuers. Diese Schatten drangen nicht nur aus seiner Haut, sie drangen ebenso aus den Ohren, den Augen und aus seinem Mund, wenn er sprach. Ganz und klar der Beweis, dass ein Teil seines Körpers von einem Schattenwesen beherrscht wird.
Ja, momentan sah es so aus, als sei Avioron vollkommen Herr über seiner selbst, und vermutlich war er es auch. Doch die Schattenwesen sind unberechenbar, jederzeit können sie die Kontrolle über Aviorons Körper übernehmen und die schrecklichsten Dinge anstellen. Avioron wäre dann nur noch eine Marionette, seines Schattens. Sein Körper würde ihm nicht mehr gehorchen und durch seine Augen hindurch, müsste er mitansehen, wie er wahllos einen nach dem anderen abschlachtet. Die Geschichtsbücher sind gefüllt mit Fällen, die ebendiese Gräueltaten begangen hatten. Das Schattenwesen in sich heranwachsen zu lassen ist ein weitaus schlimmeres Verbrechen als Mord und so muss es auch bestraft werden. Verbannung in die Unendlichkeit - Eine Einbahnstraße auf der es kein Zurück gab - dies, würde Aviorons Bestrafung sein.
Der Erzpriester schüttelte den Kopf und seufzte schwer. Er war ein weltoffener Mensch, im kritischen Denken geübt und mit vielen Büchern belesen. Ja, die Schattenwesen waren böse. Sie stammen aus der Welt des Bösen und waren bis aufs Mark verdorben, so wird es in unzähligen Schriften wiederholt. Aber es gibt auch andere, ältere Schriften, die gegenteiliges besagen. Diese Schriften waren selten, in einer nicht mehr gebräuchlichen Schriftweise geschrieben und für die heutige Zeit schwer verständlich. Der Erzpriester allerdings hatte sich die Muße genommen um sie zu studieren. Erstaunlicherweise besagten sie selbiges, was auch Hohepriester Avioron versucht hatte mitzuteilen. Die Schattenwesen, sind nicht durch und durch vom Bösen beseelt. Es heißt zwar, die Schattenwesen seien das reine Böse, doch haben diese die Wahl sich für ihre Natur zu entscheiden, oder sie zu verleumden. Für gewöhnlich bringen sie Zerstörung, doch soll es auch Wesen geben, die ihre dunkle Kraft in Zaum halten können. Diese dunkle Kraft, für gute Zwecke eingesetzt, kann sogar ein Segen sein.
Der Wahrheitsgehalt dieser Schriften kann allerdings durch noch so genaue Überlegungen niemals dingfest machen. Vielleicht gibt es Schattenwesen die ihrer bösen Natur widersagen, doch unter keinen Umständen hätte Avioron es zulassen dürfen, dass sein Schatten mächtiger wird. Das Leben hunderter und aberhunderter Menschen aufs Spiel zu setzen, nur um diese alte Theorie bestätigen zu können. Das war kein Schritt in Richtung Wissensfindung, das war ein Schritt auf dem Pfade der Törichten und der Egoisten. Eine solch schändliche Tat musste bestraft werden.
„Mit wem spreche ich?“, fragte der Erzpriester „Bist du es, mein Freund Avioron, oder ist es das intrigante Spiel deines Schattens?“
„Ich bin es, Avioron. Glaub mir bitte.“, sagte er flehend „Mein Schatten trachtet nicht nach Blut, es lässt mir die Kontrolle über meiner selbst.“
Wie gerne würde er seinem Freund glauben. Doch genau dies wären auch die Worte, würde das Schattenwesen sprechen. Natürlich würde es alles versuchen um der Verbannung zu entrinnen. Es würde alles sagen, um von seinen Fesseln befreit zu werden.
Aber was, wenn Avioron die Wahrheit spräche? Was, wenn es ihm wirklich sein Leben führen ließe, wie er es mochte? Still zu sein und den Rest seiner Existenz zu beobachten und zu dienen. Wie lange würde es sich im Zaum halten können? Avioron wäre eine stete Gefahr, die jederzeit ausbrechen konnte. Nein, dieses Risiko war zu groß. Die Kräfte eines Schattenwesens waren zu mächtig. Es gab nur eine Lösung, für eine solche Situation und diese lautete Verbannung.
„Vollstreckt das Urteil.“, sagte der Erzpriester, ohne auf die Worte seines langjährigen Freundes eingegangen zu sein und richtete seinen Blick traurig zu Boden. Sein Herz wurde schwer und er wünschte sich, ein anderer wäre an seiner statt.
Nur noch wenige Schritte trennten ihn von der Unendlichkeit. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie die Tempelwachen ihn mit ihren Speerspitzen zum Gehen bewegten.
„Um der Auditiven Willen,“, brach der Erzpriester plötzlich aus „lasst ihm bitte seine Würde. Er war immerhin Hohepriester im Tempel des Auditiven. Ihr alle habt ihn als einen ehrenwerten Menschen gekannt. Keinesfalls verdient er es wie ein Schwein auf die Schlachtbank geführt zu werden.“, die Augen des Erzpriesters funkelten die Tempelwachen an. Dann sprach er ruhig, seine Worte an Avioron gewandt „Er wird seine letzten Schritte aus eigenem Antrieb gehen.“
Sein langjähriger Freund nickte ihm anerkennend und mit glasigen Augen zu. Das war das letzte mal, dass sie sich sehen würden. Seine Kehle wurde trocken.
In der Seele des Erzpriester brannte allerdings noch eine weitere Frage. Hatte Avioron die Wahrheit gesprochen? Würde ihm sein Schatten die Kontrolle über seinen Körper lassen? War es wirklich Avioron, der vor ihm stand, oder war es der Schatten, der alles versuchte, um zu entkommen. Ironischerweise konnte diese Frage leicht beantwortet werden. Würde das Wesen in ihm ausbrechen und versuchen zu entkommen, so war bewiesen, dass Avioron verloren war. Würde er allerdings seine Schritte in die Unendlichkeit fortsetzen, so war nicht nur bewiesen, dass es auch Schattenwesen gab, die dem Bösen entsagen konnten, nein, der Erzpriester hätte auch noch einen Freund verloren.
Der Erzpriester ballte die Fäuste. Seine Augen waren feucht und er war gespannt, wie die Sehne eines Bogens.
Mit der ihm noch verbliebenen Würde, schritt Avioron hohen Hauptes seinen Weg in die Unendlichkeit. Dann war er verschwunden.
Das Herz des Erzpriesters wurde schwer wie ein Klumpen Blei. Er hatte soeben seinen Freund in ewige Verbannung geschickt.
Tut mir leid Leute, vermutlich werde ich nicht weiterschreiben. In meinem Hirn sind zu viele Ideen und auf meiner Uhr ist zu wenig Zeit, sie alle aufzuschreiben. Deshalb werde ich einfach von überall den Prolog hochstellen (sodass ich die Geschichte nicht vergesse). Vielleicht noch ein, zwei Kapitel, mal sehen. Sollte euch das Zeug, dass ich zu Papier (Papier?) bringe gefallen, lasst es mich wissen. Wenn es Nachfrage gibt, schreibe ich natürlich weiter.
Weiterhin noch viel Spass beim Lesen wünscht,
Orland
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2012
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