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Was hatte er doch für mitleidige Gefährten. Gilgamar war mit dem Entschluss des Großkönigs alles andere als zufrieden. Da schickte man ihn auf die Jagt um einen leibhaftigen Drachen zu erlegen und die einzigen Gefährten, die seinen Rücken decken sollen waren ein Magier und ein Elf.
Doch er konnte den Gesichtspunkt des Großkönigs verstehen. Gilgamar war zwar ungebildet, aber keineswegs unwissend. Sowohl Zaroir, der Magier, Svjawlyn der Elf und er, Gilgamar, waren zu Schandflecken des geeinten Reiches geworden. Gemeinsam hatte man ihnen die Aufgabe erteilt, bis ans Ende der Welt zu reisen, dort in die Höhle des Drachen zu gehen und ruhmreich mit seinem Kopf, im Schlepptau, zurückzukehren. Alle drei wussten, dass es eine Reise in den Tod war und doch hatten sie dem Gesuch des Königs Folge geleistet. Die Schandflecken mussten aus den blütenweißen Kleidern, der königlichen Garderobe, entfernt werden.
Gilgamars Geschichte war so einfach wie banal. Damals, in Zeiten des Krieges, war er ein gefeierter Held gewesen. Wo er sein Schwert geschwungen hatte, kehrte man siegreich aus den Schlachten zurück. Er war ein Mann, der die Gesetze des Krieges wie kein zweiter kannte. Das Schwert war ih gewissermaßen in die Wiege gelegt worden und mit den Jahren verfeinerte er diese Fertigkeit, bis ihm niemand auch nur annähernd das Wasser reichen konnte.
Doch so sehr er auch den Umgang mit Schwert und Schild verstand, so sehr er auch die Listen und Finten des Krieges kannte, so wenig vermochte er ein ruhiges und geselliges Leben in Zeiten des Friedens führen. Gilgamar war ein gefeierter Held, der bereits in seinen Lebzeiten in den Texten der Skalden und Barden besungen wurde. Doch war der Krieg zu Ende und er hatte sein geliebtes Schwert ins Heft stecken müssen.
Der Wind war ihm aus den Segeln genommen worden. Die ungestüme Bestie in ihm eingesperrt und gezähmt. Er fand sich in einem Leben wieder, für das er zwar gekämpft hatte, zudem er allerdings passte, wie die Faust aufs Auge.
Aus Gilgamar war ein aggressiver Schläger geworden, dessen Besuch, in Gaststuben, stets mit Trümmern endeten. Sobald auch nur einen Tropfen des benebelnden Getränkes seine Lippen berührten, war Gilgamar in seinen Gedanken an die Gesetze des Schlachtfeldes zurückversetzt. Und allem Unglück war Gilgamar stets betrunken. Ein Kriegsheld wird in Zeiten des Friedens nun mal nicht gebraucht. Er hatte sein Lebenswerk erreicht und mit diesem Erreichen hatte er alles verloren.
Die Beschwerden waren schließlich auch bis zum Hofstaat vorgedrungen und so war es dazu gekommen, dass diese, ihn, nach kurzen Überlegungen, zu einem Drachenjäger erklärten. Wer vermochte dies besser, als ein gewiefter und gerissener Held des Schlachtfeldes. Dennoch würde es nicht reichen um zu überleben. Er war der einzige, der die Kunst des Schwertes verstand und eine Gruppe aus drei Mannen, waren einem Drachen noch lange nicht ebenbürtig.
Gilgamar jedoch war mit Stolz und Ehrgefühl der Bitte des Großkönigs nachgekommen. Nicht Aufgrund der Tatsache, dass man dem Großkönig seine Bitten nicht abschlug, sondern aufgrund der Tatsache, dass sein Leben nun endlich wieder einen Sinn hat. Die Ehre und der Ruhm rief nach ihm. Ein neues Kapitel in seinem Leben war aufgeschlagen worden. Die Skalden und Barden sangen nun Lieder über Gilgamar und seine Reise zu dem Drachen, dem sie den Namen Dragoran gegeben hatten. Es war zwar ein neues Kapitel in seinem Leben, aber es war zugleich auch sein letztes. Doch es war ein Kapitel in dem sein Leben in den höchsten Formen umschrieben wurde.
Die ihnen erteilte Aufgabe des Großkönigs, verbreitete sich im Reich wie ein Lauffeuer und jeder wusste über ihn, dem Elfen und dem Magier bescheid. Jeder wusste, dass sie die drei waren, die den Mut und die Entschlossenheit besaßen, sich einem leibhaftigen Drachen zu stellen. Aus Gilgamar war bereits eine Legende zu Lebzeiten geworden und was, wenn nicht das, würden die Tore zu den Hallen Sheyrs im Reich der Toten öffnen? Er würde mit den Helden vergangener Tage zusammen an der goldenen Tafel Sheyrs sitzen und mit ihnen Gerstensaft trinken und über die Heldentaten ihrer Lebzeiten sprechen.
Gilgamar war bereit für den Drachen, er konnte es kaum erwarten ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. So glänzend seine Motive allerdings waren, so bemitleidenswert waren die des Magiers.
Aus Zaroir war ein alter Mann geworden. Er hatte lange ergraute Haare und einen ebensolchen Bart. An seinem Gesicht konnte man schon die tiefen Furchen des Alters lesen. Zaroir war ein Mensch, der dem Tode näher, als dem Leben war und das war auch der Grund warum man ihn zu den drei Gefährten zählte.
Die Magie war ein kompliziertes Spiel, das Gilgamar noch nie vollends verstanden hatte. ,Manipulation der Materie‘, so sagte man in Gelehrtenkreisen. Gilgamar hatte keine Ahnung, was mit diesen Worten gemeint war. Doch was er verstand, war, dass man mit ihrer Hilfe, die Dauer des Lebens verlängern konnte. Zaroir war Hochmagier des Großkönigs gewesen und nicht nur des gegenwärtigen Großkönigs. Er war auch der Hochmagier der beiden vorangegangenen Großkönige gewesen. Zaroir hatte das Lebensalter eines Menschen zweimal erreicht. Doch umso länger man den Tod hinauszögerte, umso mehr Magie kostete es ihm unter den Lebenden zu verweilen. In wenigen Jahren hätte Zaroir nicht mehr genug Magie, um einen einfachen Taschenspieler-Trick ausführen zu können. Er würde als alter gebrechlicher Mann, wie jeder normale Mensch, in einem Bett seine letzten Tage verbringen. Machtlos, Magielos und Unnütz, der Schrecken eines jeden Magiers.
Dies war sein Grund sich der Reise anzuschließen. Er wollte noch im Vollbesitz seiner Kräfte aus dem Leben scheiden.
Die Geschichte des Elfen war weitaus komplizierter. Svjawlyn war unter seinesgleichen in Ungnade gefallen. Man hatte ihn aus dem Reich der Elfen verbannt, aufgrund Dingen, derer er den Menschen nicht anvertrauten wollte. Gilgamar hasste den Elfen mit jeder Faser seines Herzens. Er war der Innbegriff von allem was ihm Missfiel und das war auch der Grund warum er mit von der Partie war. Svjawlyn war ein Wesen das nur mit Wort und Intrige seine Ziele zu erreichen versuchte. Es waren die Charakterzüge, welche man von Elfen kannte und ebendiese Charakterzüge machten sie auf Menschen schwer zu sprechen.
Svjawlyn war ein Meister des Spieles der Intrige. Mit simplen Worten hatte er es vermocht, in den Hofstaat des Großkönigs aufgenommen zu werden. Er gehörte zu den obersten Befehlshaber des Königs und war zu einem hohen Entscheidungsträger geworden. Seine Fäden reichten weit und niemand hätte ihn als Feind gewollt. Doch Svjawlyn hatte die Voraussicht des Großkönigs unterschätzt. Auch wenn er mit Worten gut umzugehen vermochte, so hatte der König das Ziel seines Strebens erkannt. Oder zumindest hatte er Vermutungen angestellt, welche alle der Wahrheit entsprechen konnten. Svjawlyn hatte es auf den Thron abgesehen. Natürlich konnte man ihm nichts nachweisen, dafür spielte der Elf sein Spiel viel zu gut. Dennoch war er eine zu große Gefahr geworden und somit war auch aus Svjawlyn ein Drachenjäger geworden.
Auch er hatte es nicht gewagt, dem König seine Bitte auszuschlagen. Er kannte die Konsequenzen nur zu gut. In seinem speziellen Fall, wäre es Verbannung gewesen. Verbannung aus der Welt der Elfen und Verbannung aus der Menschenwelt. Das konnte selbst für Svjawlyn kein Gutes Ende mehr nehmen. Und wo sollte er anschließend hingehen? Zu den Zwergen? Ein Wesen der Natur und des Waldes, unter der Erde und unter Wesen des Gesteins und der Schmiede? Nein, soweit würde es niemals kommen. Auch konnte er nicht zu den Orks gehen, diese würden ihn sicherlich gerne als einen saftigen Happen empfangen. Noch schlimmer waren die Aussichten bei den Trollen und seinen Todfeinden, den Albaen.
Nein, Svjawlyn hatte eingesehen, dass sein Leben verwirkt war und so sah er es ein, dass er dem Gesuch des Königs nachzukommen hatte. Auch er malte sich das Ende mit dem Tode aus, denn sollte er als Held zurückkehren, würde man ihm eine weitere Aufgabe erteilen, die mit seinem Tode enden sollte.

Im Grunde waren sie alle drei Todgeweihte, die das Reich der Lebenden zu verlassen hatten. Doch es würde ein ehrenvoller Tod sein, für sie alle. Dafür war Gilgamar dem Großkönig dankbar. Er hätte sie genauso gut eines Nachts von einem Assassinen meucheln lassen können. Gilgamar selbst hatte ein solches Ende schon oft seinen Widersachern beschert.
„Wenn das alles vorbei ist, werde ich meinen Anteil des Schatzes für Frauen ausgeben.“, sagte Gilgamar vergnügt. „Ich möchte sie alle durchprobiert haben.“
Auch wenn sie alle drei den Ausgang ihrer Reise kannten, so wollte ein Teil von ihnen diese Tatsache nicht wahr haben und so sprachen sie über ihren Erfolg, heckten Strategien aus, um den Drachen zu Fall zu bringen und ließen sich auch sonst nicht ihre trübe Stimmung anmerken. Als Belohnung hatte der Großkönig den dreien, ihn seiner Güte und der Gewissheit ihres Todes, den gesamten Schatz des Drachens versprochen.
„Du junger Lüstling.“, entgegnete ihm der Magier „Sollten die Legenden wirklich stimmen und es einen Drachenschatz geben, so werden auch die Legende des Fluches des Drachenschatzes stimmen.“
„Wie wirr du doch sprichst, alter Mann. Bei dem Fluch handelt es nur um Märchen, die man in die Welt gesetzt hatte, um abenteuerlustige Tölpel und törichte Kinder vor sich selbst zu schützen.“, entgegnete ihm Gilgamar.
„Ihr seid beide nicht von allzu großer Weisheit gesegnet.“, mischte sich nun auch der Elf ein. „Sowohl der Schatz, als auch der Fluch sind Ammenmärchen. Benutzt doch einmal eure bescheidenen Menschengehirne. Wieso sollte ein Drache einen Schatz besitzen? Welchen Zweck sollte dies erfüllen? Was soll sich ein Drache damit kaufen? Nein, wenn von einem Schatz die Rede sein soll, dann handelt es sich nicht um Gold und Juwelen, sondern um des Drachen Fleisches, des Drachen Blutes, als wohl auch seiner Gebeine.“
Eingebildeter Elf. Auch wenn Gilgamar wusste, dass seine Reise mit dem Tode endete, wollte er sich nicht auch noch die letzte Aussicht auf Freude nehmen lassen. Wie er ihn doch verabscheute. Seine zierliche Gestalt, so zerbrechlich wie ein Jüngling. Und diese bartlose, glatte Haut im Gesicht, er sah aus wie ein Weib. Noch nicht eine ehrenwerte Schlacht hatte er geschlagen. Die einzige Waffe die er zu führen vermag, war der Bogen. Eine Waffe der Heimtücke und der List. Während andere sich mutig und heldenhaft in das Kampfgetümmel stürzen, steht er, sicher am Rand des Feldes, und schießt einen Pfeil nach dem anderen ab, gewiss der Tatsache, dass er letzten Endes, wie auch die Schlacht ausgehen mag, unter den Lebenden sein würde.
Auch wenn Gilgamar Befehlshaber vieler Truppen war und Bogenschützen oft für seine Ziele eingesetzt hatte, so verachtete er trotz allem solch Waffen der Heimtücke. Aus ihnen konnte keinerlei Ehre hervorgehen. Aber so waren die Elfen nun mal: ehrlos!
„Ihr habt vermutlich recht, Svjawlyn.“, sagte Zaroir und tat sich sichtlich schwer seinen Namen korrekt auszusprechen.
Gilgamar hatte sich nie die Mühe gemacht seinen Namen ordnungsgemäß auszusprechen. Dies hätte nur einen Knoten in der Zunge zufolge gehabt. Nur Elfen konnten sich solch dämliche Namen ausdenken. Wenn Gilgamar von der zierlichen, weibischen Gestalt etwas wollte, so sprach er ihn schlicht mit ,Elf‘ an, aber für gewöhnlich versuchte er es Gespräche mit solchen intriganten und verschlagenen Individuen zu meiden.
„Und ob es einen Drachenschatz gibt.“, sagte Gilgamar hitzig.
Er wollte es nicht wahr haben, dass dieser eingebildete Elf, mit wenigen Worten, einen seiner frühesten Kindheitsträume für blödsinnig erklärte.
„So entnehme ich deines schwachen Geistes die Annahme, dass du dem Ammenmärchen des Drachen Blutes Glauben schenkst.“
Gilgamar brauchte eine Weile, um die gestelzten Worte des Elfens verstanden zu haben.
„Selbstverständlich ist es wahr und wenn du mich noch einmal beleidigst...“, Gilgamar sprach nicht zu Ende. Anstelle dessen zog er sein Schwert aus der Scheide und hielt es dem eingebildeten Wicht unter die Kehle.
Die Legende über das Blut des Drachens war ebenso alt wie die Legende über seinen Schatz. Um genau zu sein handelte es sich um eine Lindwurm-Legende der alten Zwerge. Es hieß, dass derjenige, der in des Drachens Blute bade, unverwundbar werde. Auch dies war einst einer seiner Kindheitsträume gewesen. Einen Drachen zu töten, um in seinem Blut zu baden. So schön diese Kindheitserinnerung auch gewesen war, er hatte dem Elfen mehr aus Trotz, als aus festem Glauben geantwortet.
„Ruhig Blut, mein Freund.“, sagte der Elf hämisch, der dem kalten Stahl unter seiner Kehle nicht den geringsten Interesse zollte. „Wir wollen doch keine unüberlegten Entschlüsse fällen.“
So vornehm sich dieser dürre Grünschnabel auch ausdrückte, er hatte Recht. Ihre Chancen zu dritt einen Drachen zu erledigen waren mehr als gering. Doch die Chancen zu zweit, ohne der Hinterlist des Elfen und seines Bogens, waren geringer als schlagartig von Sheyrs Zepter niedergestreckt zu werden.
Gilgamar senkte seine Waffe und der Elf ließ ein überlegenes Grinsen sehen, welches seine kristallweißen Zähne zum Vorschein brachte. Auch wenn Gilgamar sich für einen überlegten und vorausschauenden Menschen hielt, am liebsten wäre es ihm, für kurze Zeit über diese Ideale hinweg zu sehen und dem Elfen einfach seinen makellos schönen Schädel von den Schultern zu schlagen.
Gilgamar setzte sich wieder auf den Baumstamm zu Zaroir und löste mit seinem Messer ein Stück Fleisch von dem Fuchs, den sie erlegt und gebraten hatten. Um genau zu sein musste man hinzufügen, dass ihn der hochnäsige Elf, mit seinem heimtückischen Bogen zu Fall gebracht hatte, aber daran versuchte Gilgamar keinen Gedanken zu verschwenden.
Schon zu Beginn ihrer Reise hatte Gilgamar den Appetit des Magiers bewundert. Der alte Mann aß, die Menge an Fleisch welche für gewöhnlich zwei ausgewachsene Männer verschlangen. Anscheinend brauchte es viel Nahrung, um seine Magie und seinen geschwächten und gebrechlichen Körper aufrecht zu halten. Das glatte Gegenteil dazu, war der Elf. Svjawlyn schien sich von Luft und Sonne zu ernähren. Kein Wunder, dass er so dürr war. Mit solchem Appetit würde er nie die Muskeln eines Mannes aufbauen können, welche man brauchte, um ein furchterregender und respektabler Krieger zu sein.

Ein Tag folgte dem anderen und oft waren Momente verstrichen, an denen Gilgamar am liebsten seine Ideale ablegen wollte und diesem ehrlosen Ränkeschmied, anstelle des Drachens, den Gar ausmachen wollte. Dieser zierliche Wicht verstand es, ihm noch den letzten Nerv zu rauben. Dabei spielte er sein Spiel so gut, dass er selbst noch immer unter den Lebenden weilte. Doch auch Gilgamars Geduld würde einmal erschöpft sein. Gut für ihn, dass sie in diesem Moment die Höhle des Drachens erreichten.
Hier, in diesem trostlosen Gebirge, musste sich wirklich das Ende der Welt befinden. Gilgamar musste sich eingestehen, dass er ein wenig Angst hatte. Eine Kante der Welt könnte abbrechen und mit ihnen ins Nichts stürzen. Einen solchen Tod würde er sich an Sheyrs goldener Tafel sicherlich nicht verzeihen können. Er würde das Gespött der Toten sein. Ein Tod ohne Ehre. Nein, Gilgamar musste von der Klaue eines Drachens getötet werden.
Zu dritt standen sie vor der Höhle des Drachens. Keiner sprach ein Wort, keiner brachte den Mut auf, den ersten Schritt ins Ungewisse zu wagen. Da kniete sich Gilgamar in den Staub, um zu seine Götter zu beten. Auch Zaroir tat es ihm gleich. Nur der Elf blieb stramm auf seinen storchartigen Beinen stehen und blickte verächtlich auf die beiden Menschen herab.
„Sheyr.“, murmelte Gilgamar vor sich hin. „Mögest du uns in unserer dunkelsten Stunde, mit dem Licht deiner Weisheit, zu einem ruhmreichen Ende führen. Auf das wir dein Wohlgefallen ernten und du uns an deiner goldenen Tafel speisen lassen wirst.“
Mit diesen Worten richteten sich Gilgamar und Zaroir auf.
„Menschlicher Aberglaube.“, sagte Svjawlyn zu sich selbst, aber bedacht darauf, dass Gilgamar jedes Wort mit anhören konnte.
Gilgamar packte der Zorn und das Blut schoss ihm wild in den Kopf. Mit geübter Hand zog er sein Schwert und machte einen großen Schritt auf den Elfen, so dass dieser ungeschickt nach hinten stürzte.
„Sprich noch ein frevelhaftes Wort über die Götter, Heide, und ich schwöre dir, bei meiner Ehre und allem was mir heilig ist, ich werde dich wie ein Schwein ausbluten lassen und deinen toten Leib meinen Göttern opfern.“
Mit diesem Ausbruch hatte Svjawlyn nicht gerechnet, doch er war klug genug einzusehen, dass jedes von ihm gesprochene Wort sein Tod bedeutet hätte.

Die Ausmaße der Höhle waren riesig. So riesig, dass selbst ein ausgewachsener Drache sich bequem bewegen konnte. Aus der Tiefe des Höhleninneren, hörten die drei Gefährten das Schnauben der Bestie. Auch vermuteten sie, dass die heißen Temperaturen im Inneren von dem Ungetüm herrührten. Aufgrund des gleichmäßigen Schnaubens, vermuteten sie, dass der Drache schlief. Leisen Fußes bewegten sie sich an das Ungeheuer heran. Zaroir hatte eine magische Kugel aus gleißendem Licht geschaffen, welche ihnen den Weg erleuchtet hatte und die nun die vollen Ausmaße der Bestie beschien. Dieses Geschöpf der Legenden war wahrhaft riesig. In seiner Fantasie hatte Gilgamar sich diese Wesen immer als riesige geflügelte Echsen vorgestellt, aber selbst nie an seine eigene Vorstellungen geglaubt. Umso mehr staunte er, dass die enormen Ausmaße seiner Vorstellungen wirklich den Tatsachen entsprachen. Und dann blühte Gilgamars Herz auf. Der Drachenschatz. Es gab ihn wirklich! Schwach, von der leuchtenden Kugel Zaroirs, war er im Hintergrund zu erkennen.
Svjawlyn zog einen Pfeil aus dem Köcher und spannte seinen Bogen. Vielleicht gelang ihm ein gut gezielter Treffer, an einer verwundbaren Stelle, sodass sie ihn kampflos erlegen konnten. Doch das Knirschen, des sich spannenden Bogens, hatte den Drachen aufgrund seiner riesigen Ohren und seines überentwickelten Gehörs aufgeweckt. Als Svjawlyn dies merkte, versuchte er noch zu retten was zu retten war und vollendete den Angriff. Die Präzision des Elfen war erstaunlich. Obwohl die riesige Echse beim Anblick ihrer Besucher heftig herumwirbelte, traf Svjawlyns Pfeil zielgenau, über des Drachens Augen, an der Stirn. Doch die Knochen des Drachens waren dick und stählern und somit hatte der abgefeuerte Pfeil sie nicht durchbrechen können.
Blitzartig sprang der feige Elf hinter einen Fels und spannte seinen Bogen erneut. Zaroir hatte um sich ein magisches Schild geschaffen und versuchte langsamen Schrittes aus dem Blickfeld und dem Interesse des Drachens zu weichen. Gilgamar hatte einen anderen Kampfstil ergriffen: Den Angriff. Gilgamar hatte sich auf diesen Kampf gut vorbereitet. Er trug leichte Rüstung aus Leder, was es ihm ermöglichte, sich flink und geschickt zu bewegen und hatte eigens, für diesen Kampf einen ganz besonderen Schild mitgebracht. Zaroir hatte ihm versichert, dass diesem Stück Metall Magie inne wohnte. Gilgamar merkte zwar keine Veränderung an der Beschaffenheit seines Schutzes, aber Magie war immer schon etwas ,unsichtbares‘ gewesen.
Während Gilgamar geduckt unter seinem Schild und mit gezogenem Schwert auf den Drachen zu rannte, merkte er an diesem etwas Sonderbares.
Er trug eines der Insignien, welche für gewöhnlich nur Herrscher trugen. Der Großkönig beispielsweise war auf vielen Bildern mit Insignien abgebildet. Sein wichtigstes Symbol, die Krone, wies ihn als einen Herrscher aus. Das Zepter, war das Zeichen seiner Macht, Bücher, die Insignie der Weisheit und der goldene Apfel das Symbol der Erdverbundenheit. Aber selbst, der königliche Umhang, das Schwert, das Wappen und die Lanze hatten einen Symbolgehalt.
Die Insignie welche der Drache auf seinen Vorderbeinen trug, waren zwei Armreifen. Es war das Symbol des Reichtums. Es war eines der Symbole, die man nicht oft erblickte, da sie als anmaßend galten. Dennoch waren sie existent.
Bei dieser Erkenntnis war Gilgamar irritiert und sein Lauf stockte, doch schnell hatte er die Fassung wieder gewonnen und setzte seinen Lauf mit erneuter Entschlossenheit fort. Da traf ihn plötzlich der Feueratem der Bestie. Gilgamar konnte sich noch rechtzeitig hinter seinem Schild verbergen, sodass sein gesamter Körper von der sengenden Hitze geschützt war. Doch da passierte etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte. Die Druckwelle des feurigen Atems schleuderte ihn samt Schild in hohen Bogen zurück.
In der selben Zeit hatte Svjawlyn einen weiteren Pfeil abgefeuert, welcher abermals im Kopf des Drachens stecken blieb. Was einen Menschen getötet hätte, schien für den Drachen nur ein Nadelstich zu sein. Denn obwohl er leicht aufzuckte, setzte er den Lauf ungehindert auf Gilgamar fort, um sein todbringendes Werk zu vollenden. Glücklicherweise wurde er von der Magie des Magiers abgelenkt. Zaroir hatte mit seiner unheimlichen Macht Steine aus der Höhlendecke gelöst, welche nun mit voller Wucht und vollem Gewicht, auf die geflügelte Echse hinabstürzten.
Anscheinend hatte der Drache einen sechsten Sinn für Magie, denn er hatte zielsicher die Richtung zu Zaroir eingeschlagen und war daran seinen Angreifer anzugreifen. Gilgamar hatte blitzartig reagiert und die Situation richtig eingeschätzt. Als der Drache seine Kehrtwendung angetreten hatte und sein Schwanz ihn zu erschlagen drohte, konnte er diesem geschickt entgehen und sein Schwert, welches er im Flug fest im Griff behalten hatte, ihm in den langen Schwanz rammen, sodass er nun von den mächtigen Schritten der Bestie nachgezogen wurde. Das schwere unhandliche Schild hatte Gilgamar bei seinem Sturz nicht in Händen halten können und war in der Dunkelheit verschwunden.
Der Drache hatte in seinem Lauf Halt gemacht und setzte erneut an, um einen Feueratem zu erzeugen. Nur war sein Ziel diesmal der alte Mann. Diese Gelegenheit machte sich Gilgamar zunutze und richtete sich wieder auf. Während Zaroir sich mithilfe seiner Magie vor dem feurigen Atem zu schützen versuchte, war Gilgamar zu seinem rechten Hinterbein vorgelaufen und hieb mit seinem Schwert eine klaffende Wunde in das Fleisch. Der Drache knickte zur Seite und Gilgamar musste sich in Sicherheit bringen. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Zaroir auf die Knie gefallen war, jedoch immerhin noch, dank seiner Magie, am Leben war.
Der Schmerz hatte den Drachen wieder auf ein neues Ziel aufmerksam gemacht. Dieses war nun wieder Gilgamar. Nur hatte er diesmal nicht seinen Schild zur Verteidigung. Es hätte ihm auch keinen Nutzen erbracht, denn nun wagte der Drache einen Angriff mit seinen scharfen Zähnen und seinem monströsen Gebiss. Dem riesigen Maul konnte Gilgamar nicht entgehen. Im Laufe der Jahre hatte er sein Geschick gut einzuschätzen gelernt, sodass er wusste, dass dies sein Ende war. Doch sein Gott Sheyr, hatte ihm eine weitere Chance geschenkt. Der feige Elf war doch tatsächlich aus seinem Versteckt getreten, um ein besseres Schussfeld zu haben und hatte zielsicher einen Pfeil in des Drachens rechtes Auge geschossen.
Schmerzverzerrt brüllte das Ungestüm auf und richtete sich dabei auf seinen Hinterbeine. Doch durch den Schnitt den Gilgamar ihm zuvor zugeführt hatte, konnte er sein eigenes Gewicht nicht halten und brach zusammen, direkt auf Gilgamar. Doch Gilgamar hatte dies rechtzeitig kommen sehen und hatte sich weggerollt.
Der heftige Schmerz des Drachens ließ diesen einen Tobsuchtsanfall erleiden. Wie wild wirbelte er im Kreis, spie ziellos seinen feurigen Atem und peitschte mit seinem Schwanz umher. Einer dieser Peitschenschläge traf Gilgamar auf der Brust und er flog abermals in hohen Bogen durch die Höhle. Doch diesmal stand er nicht mehr auf.

Schwindlig erhob sich Gilgamar. Er musste wohl für einen kurzen Moment das Bewusstsein verloren haben. Der Kampf war jedenfalls noch im Gange. Seine Ohren verweigerte ihm den Dienst, er konnte alles nur noch gedämpft wahrnehmen, als befände er sich unter Wasser. Schwindlig tastete er den Boden nach seinem Schwert ab. Dabei merkte er, dass ihm der Schwanzschlag des Drachens eine Rippe gebrochen hatte. Doch noch war er im Rausche des Adrenalins, was den positiven Effekt hatte, dass er den Schmerz nicht spürte. Noch nicht. Die Wahl seiner Rüstung hatte ihm das Leben gerettet. Wo die Lederrüstung nachgegeben hatte und wo ihm eine Rippe gebrochen worden war, hätte sich die Rüstung aus Eisen verbogen und ihm die Luft zum Atmen genommen.
Gilgamar stürzte sich erneut ins Kampfgetümmel. Noch im Lauf wischte er sich das Blut von der Stirn, welches ihm in die Augen zu rinnen drohte. Der Drache wirkte erneut seinen feurigen Atem gegen Zaroir, welcher sich mit einem immer schwächer werdenden Schild zu schützen vermochte. Wie ein Berserker stürzte Gilgamar über den Drachen her und rammte ihm sein scharfes Schwert bis zum Heft zwischen die Rippen.
Wieder war ein schmerzhaftes Brüllen des Drachens zu hören. Ruckartig drehte er sich zur Seite, was zweierlei zur Folge hatte. Einerseits wurde Gilgamar samt seines Schwerts, welches er immer noch in eisernem Griff hielt zur Seite geschleudert. Andererseits wurde durch die ruckartige Drehung sein Schwanz ein weiteres Mal herumgewirbelt, welcher Svjawlyn schwer traf und ihn an der Höhlenmauer zerquetschte. Der erste der drei Gefährten war gefallen, hier hatte ihm seine begnadete Rhetorik nicht helfen können.
Während der Drache halb geblendet einen weiteren Feuerstoß gegen die Stelle sandte, an der Gilgamar noch zuvor sein Schwert in des Drachens Leib gerammt hatte, erhob sich Gilgamar erneut vom Boden und rannte mit erneuter Entschlossenheit auf das Ungetüm zu. Solange er noch mit Feuer speien beschäftigt war, wollte Gilgamar seine Chance wagen. Seitlich lief er an dem Drachen vorbei zu dessen Schädel. Als dieses endlich sein Feuer eingestellt hatte, ergriff Gilgamar das kurze Zeitfenster und rammte sein Schwert in das noch gesunde Auge des Drachens, was diesen vollkommen blendete.
Wieder stellte sich der Drache unter Schmerz auf seine Hinterbeine und wieder ließ Gilgamar nicht von seinem Schwert los. Die Wucht des Schwungs, lies ihn vollends auf der Schnauze der Bestie landen. Durch die vielen Schmerzen und Wunden die dem Drachen bereits zugefügt worden waren, stürzt dieser schwer zu Boden und mit ihm Gilgamar. Doch Gilgamar, von einer erneuten Flut aus Adrenalin gepackt, ergriff die ihm gebotene Chance und nutzte diese auch. Er zog sein Schwert aus dem blinden Auge des Drachens und rammte es erneut, diesmal mit voller Wucht, hinein, sodass die Schwertspitze bis zu seinem Gehirn vordrang und dem Drachen vollends tötete. Puffend löste sich der Drache in Rauch auf, der wie von Geisterhand ins Freie, aus der Drachenhöhle geweht wurde.

Nur die Armreife, die Insignien des Reichtums, welche der Drache zuvor noch um seine Vorderbeine getragen hatte, waren von ihm übrig geblieben und waren auf ein menschliches Maß zusammengeschrumpft. Doch Gilgamar hatte dafür keine Aufmerksamkeit. Mit einem erschöpften und siegreichen Lächeln sah er zu dem Magier, der wie er, keuchend und nach Atem ringend im Staub der Drachenhöhle saß.
Keiner von ihnen sprach ein Wort. Es waren auch keine Worte nötig um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen. Nach einer geschlagenen Minute spürte Gilgamar auch die gebrochene Rippe in seinem Leib. Diese war Anlass genug um sich endlich auf seine zitternden Beine zu erheben. Er wollte den Schatz betrachten, über den er und Zaroir nun verfügten.
Am Wege dorthin bemerkte er erstmals die Armreife welche der Drache zuvor getragen hatte und hob sie auf. Das war das erste wertvolle Stück, welches er der Höhle entnahm und welches Stück konnte besser sein als die Insignie des Reichtums.
Als Gilgamar sich die Armreifen angelegt hatte, merkte er etwas sonderbares, was anschließend in Schrecken und Panik überging. Die Armreifen zogen sich um seine Handgelenke und seine Hände verwandelten sich in Klauen.
„Was geht hier vor.“, fing Gilgamar in Panik an zu schreien.
„Der Fluch.“, schrie Zaroir und war wie ein Jüngling auf seinen alten Beinen zu Gilgamar geeilt.
Blaue Magie strömte aus seinen Händen und schienen, die Macht der Armreifen einzudämmen. Doch dann hatte Zaroir seine gesamte Kraft aufgebraucht und fiel ohnmächtig zu Boden. Die Macht der verfluchten Armschienen nahm wieder die Oberhand und Gilgamar verwandelte sich weiter, in das Ungeheuer, welches er zuvor erlegt hatte.
„Nein.“, schrie er, als er sich seiner Lage vollends bewusst wurde, doch aus seiner Kehle drang kein menschlicher Laut mehr. Die Gedanken der Bestie übermannten sein Bewusstsein und schon war auch der letzte Rest von seiner Existenz verschwunden.
Mit einem Feueratem vollendete der Drache sein Werk und auch der letzte Angreifer war Geschichte. Gilgamar hatte nun eine neue Aufgabe: Er musste seinen Schatz hüten.

Anm. des Autors: Armreifen haben keinen Symbolgehalt. Zumindest nicht den des Reichtums.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.03.2012

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