Liebe Leser,
die Liebe und das Leben: Lieben wir das Leben oder leben wir, weil wir lieben?
Was fällt uns zum Thema Liebe und Leben ein?
Liebe berührt uns alle auf irgendeine Art und Weise.
Sie begegnet uns tagtäglich in ihrer ganzen Vielfalt.
Die Liebe zwischen zwei Erwachsenen, die Liebe der Eltern zu ihren Kindern
und umgekehrt, die Liebe zu unserem Haustier...
Aber auch die Liebe zu etwas: Männer lieben ihr Auto, Frauen ihre Schuhe - doch legen
wir mal die üblichen Klischees beiseite.
Es gibt die Liebe zur Musik, zur Malerei und,
nicht zu vergessen, die Liebe zur Literatur,
sonst hätten Sie nicht dieses Buch in der Hand!
Ich möchte Sie nun gerne mitnehmen, in meine Welt der Liebe und erzähle Ihnen
in meinen Gedanken, Gedichten und Kurzgeschichten von:
…........Verliebtsein.........
..................................Trennungsschmerz............
...Liebe und Mitgefühl............
….....Liebe zwischen Hoffnung und Abschied...
Alles Liebe
wünscht
Lindi Hays
"Gedichte" / Kurzgeschichten
"DU"
"Trennung"
"Warten"
"Mit Dir"
"Nirgendwo"
"Abschied"
Umarme Mich
Angst In Deiner Seele
Abschiedsbrief
"Lächeln"
"Angst"
Das Papierflugzeug, der Fisch und der Mond
Just A Song
"Smile In My Heart"
"An manchen Tagen"
"Zwischen Tag und Traum"
Einfach Fliegen...
"Der Clown"
"Vorstellung"
"Rockfestival"
Der Kristall
TAXI
-Das Buch ist mit passenden Gemälden oder Fotos von mir ergänzt worden-
"DU"
Wenn
der Wind auf dem Fluss ein Lied mir singt
Wenn
der Sonne erster Strahl durch die Zweige dringt
Wenn
Morgentau die Blüten trunken macht
Wenn
mein Herz mit dem Glück um die Wette lacht
Wenn
Regentropfen Symphonien
an mein Fenster klopfen
Wenn
Musik mich fortträgt ins Land der Träume
Wenn
im Schlaf ein Lächeln winkt mir zu
All das bist DU
Anmerkung der Autorin:
Diese Geschichte ist meiner großen Liebe gewidmet
und meinem wunderbaren Sohn, den ich über alles liebe!
Leseprobe:
Es war mal wieder einer dieser langweiligen Abende: Alle Bekannten und ihre Freundinnen hatten schon etwas vor; niemand hatte Zeit an diesem Freitag Abend.
Lustlos stand Michaela im Wohnzimmer ihrer kleinen Wohnung vor der Musikanlage und fuhr mit ihren schmalen Fingern über die CD-Sammlung. Aber dann konnte sie sich doch nicht entscheiden und schaltete das Radio ein. Im Fernsehen kam auch nichts Gescheites, wie sie mit einem Blick in die Zeitschrift feststellte.
"Na, hoffentlich wird das Wochenende besser..." murmelte sie nun frustriert vor sich hin und fühlte immer mehr schlechte Laune in sich hochkriechen. Früher hätte sie in solchen Fällen zum Alkohol gegriffen... aber das war gottlob vorbei. Sie hatte gelernt, mit ihren Erlebnissen und Ängsten umzugehen; gelernt, die Schatten der Vergangenheit zu bewältigen.
Michaela schmiss sich auf das Sofa, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte laut vor sich hin. In solchen Momenten spürte sie ihre Sehnsucht nach einer festen Beziehung; spürte dieses Gefühl von Einsamkeit und Leere, das tief in ihrem Herzen nagte. Dort, wo Chris seinen Platz gehabt hatte...
Ach, Chris... Zwei Jahre war es nun schon her, dass er starb, mit gerade mal 27 Jahren. Manchmal wachte sie nachts noch auf, wenn sie wieder davon träumte. Sie schloss ihre Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Der DJ im Radio erzählte von irgendeiner Veranstaltung, dann kam der nächste Musiktitel.
Plötzlich riss Michaela ihre Augen auf und fuhr erschrocken hoch – mit einem beklommenen Gefühl in der Magengegend: Dieses Lied! Den Sänger erkannte sie nicht, es war eine Cover-Version; aber dieses Lied... Voller Gefühl sang der Interpret davon, dass seine große Liebe ihn verlassen hatte und er sich so verloren fühlte. Es war genau das Lied, welches damals, kurz nach Chris' Tod, alles ausgedrückt hatte, was sie in ihrer Verzweiflung empfand. All ihren Schmerz hatte sie in dieser Melodie wiedergefunden... Und die Art, wie dieser Sänger es brachte - es war noch schöner, einfühlsamer als das Original. So intensiv kann es nur jemand singen, der den gleichen Schmerz erlebt hat, schoss ihr spontan durch den Kopf. Wer das wohl war? Angespannt wartete sie darauf, dass der DJ den Interpreten noch einmal nannte, doch das Programm ging nahtlos weiter.
Enttäuscht seufzte Michaela auf: Wenn sie es jetzt gewusst hätte... Gleich am nächsten Tag wäre sie losgegangen und hätte sich die Single geholt! Andererseits wusste sie von damals noch, wie das Lied hieß: Vanished Love... Vielleicht sollte sie im Laden einfach mal fragen?
Es ging ihr nicht mehr aus dem Kopf: Als sie am nächsten Morgen gegen zehn Uhr vom Samstagseinkauf zurückkam, ging sie noch in den kleinen Musikladen in ihrem Viertel. Aber Michaela suchte vergeblich nach der CD und traute sie sich dann doch nicht, danach zu fragen.
Zuhause war eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter:"Hier ist Mike! Hi Ela! Ruf mich mal so schnell wie möglich zurück, Süße; du musst mir dringend aus der Patsche helfen, ja? Bis dann!"
Michaela konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: Mike gab einfach nicht auf! Wie sagte er doch immer? Wir haben dieselben Interessen, wir heißen gleich; wir sind ein Traumpaar, du weißt es nur noch nicht! Er war, genau wie Chris damals, in der Musikbranche tätig. War für Veranstaltungstechnik im Bühnen- und Backstagebereich zuständig. Mike hatte sich in der Branche einen hervorragenden Ruf erworben und mittlerweile mehr als genug zu tun. Auf fast allen gängigen Pop- und Rockevents, die angesagt waren, war er zu finden. Und er war Chris bester Freund gewesen. Wenn sie so darüber nachdachte, dann musste sie zugeben, dass er sich wirklich rührend um sie gekümmert hatte. "Steig doch bei mir mit ein!" hatte er sie ständig gedrängt, "Du hast Ahnung vom Geschäft, du wärst echt ’ne Bereicherung!"
Sicher, sie hatte dieses Leben geliebt; dieses ständige unterwegs sein und all das Drum-herum. Zugegeben: Stressig war es auch, aber irgendwie zerrte es nie so an den Nerven, weil es gleichzeitig unheimlichen Spaß machte. Und Berührungsängste mit all den Stars hatte sie sowieso nie gehabt. Das war es auch wohl, was Mike so an ihr schätzte: Sie strahlte selbst in angespannten Situationen immer viel Ruhe aus und behielt den Überblick. Beinahe hätte er sie damals überredet, in seine Firma zu wechseln und ihren öden Bürojob aufzugeben. Aber Chris' Tod hatte alles geändert.
Schon etwas besser gelaunt, legte sie die Einkaufssachen auf den Küchentisch und suchte Mikes Handy-Nummer heraus. Er meldete sich sofort.
"Hi, Mike! Ela! Was liegt an?"
"Ela! Klasse! Du, hör mal, ich könnte ganz dringend deine Hilfe gebrauchen; hast du morgen schon was vor?"
"Nein, bis jetzt nicht. Um was geht's denn?"
"Wir haben morgen eine Großveranstaltung in Dortmund, mit Live-Übertragung fürs Fernsehen. Die läuft von 16.00 bis 20.00 Uhr; The Dome ist dir ja ein Begriff, nehme ich an..."
"Ja, logo! Du bist also dabei?"
"Ja! Und ich bin auch schon da, aber mir sind Leute krank geworden, ich fahre nicht mal mit Minimalbesetzung, Stress pur! Du bist meine letzte Rettung: Backstage ein bisschen koordinieren während der Live-Veranstaltung und so, Leute verkabeln... Ach, bitte sag' zu, Ela! Ulli muss morgen sowieso noch Equipment holen, der kann dich um sechs Uhr auf'm Truck mitnehmen! Du musst nur noch deine Klamotten packen, ja?"
"Puh... kommt überraschend..."
"Na los: Gib dir 'n Ruck, Süße! Tut dir gut, mal wieder auf die Piste! Und die Jungs vermissen dich alle schon... B i t t e !! Elaleinchen..!"
Michaela musste unwillkürlich grinsen: "Na gut... überredet..."
"Ja!! Geil! Ich wusste, du lässt mich nicht hängen! Ich sag' Ulli sofort Bescheid, dass du mitfährst!"
"Du Mike, hör mal..."
"Ja?"
"Sag mal... kannst du dich noch an das eine Lied damals vor zwei Jahren erinnern; also, das von Ammonite meine ich: Vanished Love, weißt du noch?"
Für einen Moment war es still am anderen Ende, dann erklang Mikes besorgte Stimme:
"Ela...", seufzte er, "wie könnte ich das ver-gessen. Das hast du ständig gehört, damals... Hey... ist alles in Ordnung mit dir? Du... ähm... du hast doch nicht wieder angefangen zu trinken, oder..?"
Michaela lächelte still vor sich hin: Er war wirklich ein guter Freund!
"Nein! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Mikey... wirklich! Nein, es ist was ganz anderes: Ich habe eine Coverversion gehört, die ich total gut finde und dachte, du weißt vielleicht, von wem das ist?"
"Na, da bin ich ja beruhigt. Aber ich glaube, Schätzchen, du bist nicht ganz auf dem Laufenden: Dieser Song stürmt zur Zeit die Charts! Auf welchem Planeten lebst du eigentlich, sag mal?"
"Haha, du Witzbold! Und, von wem ist das nun?"
"Also, pass auf; Onkel Mike klärt dich auf: Kannst du dich an einen Jamaikaner erinnern namens Daniel Davids? Der hatte vor ungefähr vier Jahren diesen Hit Forever und ich weiß noch, dass du den seinerzeit auch gut fandest... das war so Richtung Reggae, remember?"
"Hmm.... warte mal... War das der mit den langen Dreadlocks? Wo wir uns damals noch gewundert haben, warum der ohne ersichtlichen Grund wieder in der Versenkung verschwunden war?... Willst du damit sagen, dass der das singt?"
"Bingo! Und zufällig habe ich letztens noch Jens getroffen, der mit Cretu was gemacht hat und er erzählte mir, dass der nämlich den Davids jetzt produziert hat. Und der wiederum hat eigentlich nur einen Produzenten für die Single gesucht; aber die beiden waren sich dann wohl so grün und haben gleich ein ganzes Album zusammen gemacht... Ich wusste auch damals schon, warum der Davids von der Bildfläche verschwunden war, aber... na ja, zu dem Zeitpunkt wollte ich dir das lieber nicht erzählen, so angeschlagen wie du warst..."
"Wieso, gab es einen besonderen Grund?"
"Kann man wohl sagen..."
So erfuhr Michaela, dass besagter Musiker damals an einem Tumor erkrankt war, der ihn fast sein Augenlicht gekostet hätte. Und als ob so etwas nicht schon genug Pech gewesen wäre, hatte er dann bei einem Autounfall vor zwei Jahren auch noch seine Freundin verloren.
"Oh Mann, der arme Kerl..." Michaela war geschockt und meinte: "Ich glaube, Mike, da bin ich besser davon gekommen, wenn ich das höre! Jetzt weiß ich, warum der den Song so bringen kann! Wahrscheinlich fühlt er das Gleiche wie ich damals, als ich den immer gehört habe..."
"Hey, jetzt werd' mir nicht traurig, Ela... Hätte ich dir vielleicht doch nicht erzählen sollen."
"Ach was.... Ist schon in Ordnung. Weißt du, ich dachte nur gerade, dass man immer meint, man steht mit seinem Gefühl so alleine da; so als ob niemand anders es wirklich nachempfinden kann, was man durchgemacht hat... Na ja und dabei hat es andere noch viel schlimmer erwischt! Ach, Mikey, ich denke du hast Recht: Ich werde mich morgen ins richtige Leben stürzen und nicht mehr gelangweilt zuhause sitzen! Ab auf die Piste! Und weißt du was? Ich freue mich schon drauf!"
"Na, das hört man gerne! Das ist meine Ela! Und weißt du was? Ich freue mich schon auf dich !"
"Das glaube ich unbesehen!" Michaela lachte. "Also... Ach, soll ich um sechs an deiner Lagerhalle warten, fährt Ulli von da aus?"
"Ja, richtig... Alles klar! Dann bis morgen, Ela!"
"Okay, bis dann!"
Das Wochenende war gerettet! Michaela verspürte mit einem Male auch wieder gute Laune aufsteigen und Lust auf Action. Im Grunde wusste sie nur zu gut, wie sehr sie all das in ihrem Leben vermisste! Schnell packte sie das Eingekaufte weg und zog sich ihre Jacke wieder an. Eine viertel Stunde später stand sie schon im Musikladen und holte sich das neue Album vom Daniel Davids.
Wieder zuhause angekommen, konnte sie es kaum erwarten, die CD einzulegen; öffnete mit zitternden Fingern die Hülle. Dann legte sie sich aufs Sofa, nahm die Fernbedienung in die Hand, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Und genoss, was sie da zu hören bekam: Es war mit Sicherheit keines der üblichen 08/15 Alben, so viel stand schnell fest. Da kam etwas herüber, vor allem in den Texten; das war ihr nach den ersten Liedern klar. Und dann kam das siebte Lied: Michaela hörte genau zu und was sie da hörte, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken... Das konnte doch wohl nicht wahr sein; das war doch fast unmöglich! Dieser Mensch hatte in Worte gekleidet, wie sie sich damals fühlte und sang davon, wie er mit genau dem gleichen Schwermut ans Sterben gedacht hatte; sich vorstellte, hinaufzufliegen in den Himmel - dort, wo seine Liebste auf ihn wartete...
Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen hinunterliefen, so sehr berührte sie dieses Lied. Erschüttert stoppte Michaela den CD-Player, holte erst einmal tief Luft und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Oh mein Gott! schoss es ihr plötzlich siedend heiß durch den Kopf: Wenn ich den womöglich morgen treffe...
Sie sprang auf, schaltete ihren Fernseher ein und sah unter dem Videotext eines Musik-senders nach, wer alles für die Veranstaltung zugesagt hatte. Und da stand sein Name. Puh... Na dann... Es lief gerade eine Wunsch-Sendung und Michaela legte sich wieder auf das Sofa, während der VJ den nächsten Titel ansagte:
"....und der nächste Clip ist von Karin aus Düsseldorf für ihren Martin, ebenfalls aus Düsseldorf, und die Message lautet: Ich liebe dich, du Idiot! Na, so kann man es auch an den Mann bringen!" lachte der VJ, "Hier ist also Daniel Davids mit Vanished Love für dich, Martin!"
Da war er... der Mensch, der sie heute so auf-gewühlt hatte: Er hatte sich äußerlich nicht viel verändert, doch man spürte die Emotionen, die er in den Videoclip mit einbrachte; spürte, dass er meinte, was er sang.
Es würde schwer werden, ihm am nächsten Tag zu begegnen.
Für Michaela wurde es eine unruhige Nacht, denn all ihre Gedanken ließen sie nicht los. Die halbe Nacht hörte sie das Album rauf und runter; erfasste jede Nuance und jedes Wort mit allen Sinnen. Völlig aufgedreht fand sie nur schwer etwas Schlaf und war eigentlich froh, am nächsten Morgen früh aufstehen zu müssen.
"Hi Ela! Na, da hab ich ja die schönste Bei-fahrerin, die ich mir wünschen kann!" Ulli, der Truckfahrer begrüßte sie erfreut.
"Hi Ulli! Na, altes Haus... !"
Eine dreiviertel Stunde später parkte der Truck am Hinterausgang der Westfalenhalle, wo Mike bereits auf sie wartete.
"Ela! Hier bin ich!" rief er ihr schon von weitem zu. "Na, meine Süße", nahm er sie in den Arm, "alles klar?"
"Na, vom Feinsten!"
"Hier, dein All-Area-Pass, damit du mit "Fleischklops" keinen Ärger bekommst!"
Michaela musste lachen: "Ach Gott, na, wenn der hier Sicherheit macht, dann brauchen wir uns ja vor nichts zu fürchten, oder?"
"Fleischklops" war der Chef eines Security-Teams, das im Einlass-, Backstage- und Bühnenbereich für Ordnung und für die Sicherheit der anwesenden Künstler sorgte. Zu seinem Spitznamen war er gekommen, weil er groß und breit wie ein Kleiderschrank war und zum Frühstück gerne schon Buletten vertilgte. An dem kam wirklich keiner vorbei. Keiner – außer Ela.
Als Fleischklops sie vor der Bühne erblickte, strahlte er über alle vier Backen und brüllte laut durch die ganze Halle:
"Nein!!! Gibt's denn sowas? Meine Ela ist wieder da!! Komm zu Papa, meine Süße!!"
Er hatte einen Narren an ihr gefressen, das war nicht zu übersehen: Überschwänglich wurde Ela von seinen Muskelbergen in die Arme geschlossen und umhergewirbelt. Beide lachten und freuten sich über ihr Wiedersehen.
"Hi! Jochen, mein Herzblättchen! Wie geht's meinem großen Bärchen?"
Sie nannte ihn immer bei seinem richtigen Namen und ein aufmerksamer Beobachter konnte spüren, wie gut ihm das tat. Jochen war zwar ein Koloss von einem Mann, aber nicht einer der Intelligentesten. Das wusste er auch und trotzdem hatte er etwas aus sich gemacht: Er hatte seinen Security-Service aufgebaut, sich in der Branche etabliert und Respekt verschaffen; was für einen Mann seines Schlages nicht unbedingt üblich war. Ela hatte ihn immer schon mit Respekt behandelt, das machte ihn auf eine gewisse Weise stolz. Und auch wenn er genau wusste, dass er niemals eine Chance bei ihr haben würde, so taten ihm doch die kleinen "Flirtereien" mit ihr unheimlich gut. Bei ihr wurde dieser harte Kerl butterweich. Mike amüsierte sich jedes Mal aufs Neue darüber.
"Soso... ihr zwei Schwerverliebten! Treibt's mir nicht zu toll!" stichelte er auch prompt herum, "Leider muss ich dir Ela jetzt entführen..."
"Mike ist immer noch der alte Sklaventreiber!" seufzte Jochen, legte seine Hände aufs Herz und meinte zu ihr, mit schmachtendem Blick:
"Du weißt ja: Wenn du einen richtigen Mann brauchst..."
Ela lachte: "Ach, mein Bärchen.... Dann weiß ich ja, wo ich dich finde!"
Sie waren reichlich beschäftigt, den ganzen Morgen. Und ehe sich Michaela versah, war es schon Mittag.
"Und wir sehen erst mal zu, dass wir was zu essen kriegen!" beschloss Mike und schickte seine Leute in die Pause.
Michaela stimmte ihm zu. "Doch... einen Kaffee und was zu essen könnte ich jetzt auch ganz gut gebrauchen!"
"Ich denke, das haben wir uns auch verdient. Außerdem haben wir noch 'ne lange Strecke vor uns: Schließlich müssen wir bis heute Abend um acht durchpowern! Weißt du eigentlich, dass anschließend noch After-Dome-Party angesagt ist? Bleiben noch viele da, hab ich gehört... Musst du morgen arbeiten?"
"Ja... aber ich kann ja mit Ulli heute Nacht zurück, wenn ihr dann abgebaut habt..."
"Ich kann dich auch nach Hause bringen, Ela... Macht mir wirklich nichts aus, ehrlich!"
"Ach, Mike... lass gut sein! Ich fahre mit Ulli, okay?"
Ein wenig resigniert seufzte Mike nun vor sich hin und nickte.
Der Catering-Service war hervorragend und so gingen sie eine Stunde später gut gestärkt wieder an die Arbeit. Sie waren gerade am Durchgang zur Hauptbühne beschäftigt, als einer der Veranstaltungskoordinatoren, ein Herr Wagner, kam und Mike zur Seite nahm. Michaela sah ihn zustimmend nicken und gestikulieren. Dann kam er auf sie zu:
"Ela, du bekommst eine besondere Aufgabe: Der Daniel Davids kommt gleich und du weißt ja, dass er Sehprobleme hat. Darum hat mich der Herr Wagner gebeten, dass wir den Gang zur Bühne und alles andere einmal mit ihm durchchecken; außerdem will er sehen, ob er vorn herunterlaufen kann, ob die Spots ihn blenden und so... Du machst das, okay?"
"Ja, natürlich!"
Wie immer, ließ Michaela sich äußerlich nichts anmerken, aber sie fühlte nun doch ihre Knie ein wenig weicher werden.
"Sag mal, Mike, wo hast du denn eigentlich die Dolmetscher-Head-Sets hingelegt?"
"Da vorne, in einem von den kleinen Koffern. Guck mal da rein! Du ich muss mal eben rüber und sehen, wo Ulli mit dem Equipment bleibt..."
"Okay..."
Halb gebückt wühlte sie in den Koffern, um schließlich fündig zu werden. "Na also, da ist es ja... Huch!"
"Oh, I'm sorry..."
Wie aus dem Erdboden gewachsen, stand plötzlich Daniel Davids hinter ihr; entschuldigte sich freundlich, weil er sie erschreckt hatte.
"Sie kümmern sich um Daniel, sagte Mike..." Herr Wagner stand neben ihm.
"Ja, natürlich!" antwortete Michaela.
"Gut, dann überlasse ich Ihnen mal den Herrn Davids!" sagte er und verschwand.
Puh... Michaela hatte sich selten so unsicher gefühlt, doch als sie dann Daniel Davids in die Augen sah, war ihre Angst wie fortgewischt. Er machte einen sehr ruhigen und freundlichen Eindruck. Natürlich sprach Michaela fließend Englisch und so hatten sie keinerlei Probleme, sich zu unterhalten.
"Wie heißt du?" wollte er wissen.
"Oh, eigentlich Michaela, aber alle nennen mich Ela!"
"Ela... lächelte er, "hört sich nett an... Also, Ela, du bist so lieb und zeigst mir meinen Weg auf die Bühne... ja?"
"Ist mir ein Vergnügen!" lächelte sie zurück.
Das Eis war gebrochen; sie waren sich auf Anhieb sympathisch. Zusammen gingen sie den Weg entlang, sahen sich den Abgang von der Hauptbühne an.
"Kann ich das im Dunkeln sehen? Wie viele Spots habe ich wohl von vorne, die mich blenden könnten?..."
Es waren einige Details zu klären.
"Lass mich mal sehen..." überlegte Michaela laut, "ich muss gleich mal Markus dahinten fragen... Wie wäre es denn, wenn wir den Abgang zum Laufsteg hier zusätzlich mit einigen Leuchtpunkten markieren? Würde dir das helfen?"
Davids ging kurz herunter und wieder rauf: "Ganz so hoch ist es nicht, von daher kein Problem, aber Orientierungspunkte wären hilfreich..."
"Du würdest gerne näher zum Publikum, nicht wahr?... Markus? Kannst du mal eben herüberkommen?"
Gemeinsam fanden sie eine Lösung und zufrieden verließen Daniel und sie den Bühnenbereich.
"Vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast!" meinte er dann.
"Das habe ich doch gerne getan!" antwortete Michaela, etwas verlegen.
"Bist du nachher auch da und bringst mich auf die Bühne?" wollte er noch wissen.
"Ja, natürlich!"
"Okay... dann bis nachher!"
"Okay..."
Nachdenklich sah sie ihm hinterher: Zehntausend Sachen brannten ihr auf der Seele und am liebsten hätte sie ihm gesagt, wie sehr sein Song sie berührt hatte...
Aber schon war er verschwunden und die Arbeit ging weiter.
Sie sollte ihn erst am späten Nachmittag, kurz vor seinem Auftritt, wiedersehen. Auf der Hauptbühne hatte es plötzlich ein technisches Problem gegeben und Mike wurde ganz hektisch:
"Ela! Du musst Davids verkabeln: Zehn Minuten bis zum Interview! Nimm eins von den Head-Sets aus den kleinen Koffern, ja? Ich bin vorne... Du kommst klar?"
"Ja, ja! Hau schon ab!"
Sie kannte solche Situationen und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Davids wartete schon im Interview-Bereich und freute sich anscheinend, sie wiederzusehen:
"Ah... Ela!"
"Hi... So, wenn du dieses bitte in dein Ohr tun würdest, ja?... Okay... geht es so?"
"Ja..."
"Möchtest du das Kabel nach hinten führen oder lieber vorne über dem Pullover?"
"Lieber nach hinten... Kannst du das bitte unter den Pullover legen, sonst ziehen meine Haare mir die Schnur wieder aus dem Ohr..."
Kooperativ hielt er seine langen Dreadlocks hoch und Ela griff vorsichtig unter seinen Pullover. Es gab Künstler, die stellten sich wesentlich bescheuerter an, dachte sie im Stillen.
"Okay... der Kontakt ist dran... Wo möchtest du es festclippen?"
"Kannst du es wohl hinten in der Mitte an der Hose festmachen, da stört es am wenigsten... Danke!"
In diesem Moment kam auch schon der Moderator, der die Interviews machte und peilte die Lage: "Seid ihr schon fertig?"
"Ja, alles klar... Okay... läuft die Übersetzung, Daniel?" checkte Ela über ihr Head-Set den Kanal für den Dolmetscher.
Davids nickte zufrieden, bat Ela, den Ton noch ein wenig leiser zu stellen.
Jemand kam angerannt und sprach mit dem Moderator, der sich dann Davids zuwandte: "Also, im Moment scheint der Wurm drin zu sein! Die übernächste Gruppe ist noch nicht soweit... Wäre das okay, wenn wir jetzt erst das Interview machen und du dann in ca. 15 Minuten auf die Bühne gehst?"
"Kein Problem..." meinte Davids, dann bat er Ela: "Ich könnte einen Kaffee gebrauchen, wärst du so lieb?... Das heißt, wenn du gerade Zeit hast..."
"Ja, klar... schwarz?"
"Ja, Danke!"
Zwei Minuten später hatte er seinen Kaffee und nahm ihn dankbar in Empfang. Das Interview begann und Ela zog sich zurück, bis sie fertig waren. Dann musste Davids sich schnell umziehen und noch mal von der Maske abpudern lassen.
"Gib mir deinen Becher," bot Michaela an, "ich warte dann am Bühneneingang auf dich, okay?"
"Danke, nett von dir..."
Dann standen sie beide dort und warteten auf seinen Auftritt. Aus den Augenwinkeln betrachtete sie ihn: Er sah irgendwie erschöpft aus.
"Du siehst müde aus; warst du viel unterwegs?" sprach sie ihn an.
Gerührt lächelte er: "Ja... war wirklich viel in der letzten Zeit... Manchmal kommen etliche Termine eben ganz gedrängt aufeinander, dann wird es hektisch. Mal abgesehen vom Jet-Lag... Aber das kennst du ja sicher selbst zur Genüge, nicht wahr?"
"Ja... Okay, wir müssen raus, die Anmoderation beginnt!"
Er nahm sie einfach bei der Hand, als sie ihn im Dunkeln an seinen Platz führte.
"Gib ihnen dein Herz!" flüsterte sie ihm zu, worauf er sie nachdenklich ansah.
Daniel Davids spürte, dass da etwas Unausgesprochenes war.......
Es war einmal ein kleiner Junge, der sehr traurig war.
Einsam saß er auf den Stufen vor dem Hauseingang und wartete darauf...
ja, worauf eigentlich? Und warum war er so traurig?
Hier ist seine Geschichte:
Damals, als seine kleine Welt noch heil war, ja, da war alles schön. Da war seine Mama, die Mittags zu Hause auf ihn wartete, wenn er vom Kindergarten kam. Er war ja schon fast sechs Jahre alt und kam nach den Sommerferien in die Schule. Darauf freute er sich schon, denn auch sein bester Freund aus dem Kindergarten würde in die gleiche Schule wie er kommen und wenn sie Glück hatten, sogar in die selbe Klasse. Dann konnte er endlich lesen lernen und die vielen tollen Geschichten, die seine Mama ihm immer vorlas, selber lesen! Und überhaupt, das Leben war so spannend!
Sein Papa, der fuhr einen großen LKW, so einen richtig Großen, wisst ihr. Da durfte er in den Ferien schon mal mitfahren, das fand er ganz toll. Er und sein Papa hatten immer viel Spaß! Der konnte super Papierflugzeuge falten, das hatte er von ihm gelernt. Am liebsten ließen sie die vom Balkon herunter fliegen, weil nämlich fliegen konnten die echt toll! Überhaupt machte der Papa immer gerne Quatsch und dann lachten sie zusammen, bis sie nicht mehr konnten und die Mama meinte dann, dass sie eigentlich zwei Kinder hätte, aber das verstand der kleine Junge nicht so richtig, was sie damit meinte. Und einmal, da hatte der Papa die Mama ausgekitzelt und er hatte ihm geholfen und dann balgten sie alle zusammen auf dem Sofa herum und lachten sich kaputt! Ach, es war herrlich! Toll war es auch, wenn die beiden sich so lieb anguckten und knutschten; obwohl, na ja, ein bisschen eifersüchtig war er dann schon...
Und dann kam der Tag, an dem er nach Hause kam und Mamas Freundin Anna die Tür auf-machte und ihn mit in die Küche nahm, wo die Mama saß und ganz furchtbar weinte. Das machte ihm Angst. Und noch viel mehr, als seine Mama ihn schluchzend in ihre Arme schloss und kein Wort heraus brachte. So, wie die Anna ihn anguckte... und die Mama... Es war bestimmt was ganz Schlimmes passiert, das konnte er fühlen.
Dann nahm ihn die Anna beiseite, auf ihren Schoß und hielt ihn fest. Und sagte ganz leise: "Schätzelein... weißt du, die Mama ist so traurig, weil etwas ganz Schlimmes passiert ist..."
Da bekam er richtig Angst und guckte die beiden fragend an: "Warum weint Mama denn?"
Die Anna erklärte ihm: "Mama hat eine schlimme Nachricht bekommen, heute Morgen: Weißt du, die Firma, für die Papa LKW fährt, hat angerufen und Bescheid gesagt, dass Papa mit dem LKW einen Unfall hatte..." Und die Anna hatte dann auch Tränen in den Augen und konnte nichts mehr sagen.
'Dem kleinen Jungen schnürte sich die Kehle zusammen. Als wäre da in ihm drin eine Stimme, die ihm sagte, dass Mama wegen Papa so traurig war. Sein kleines Herzchen wurde plötzlich so schwer, als hätte jemand einen großen dicken Stein dort hinein gelegt. Und diese Stimme sagte ihm, dass sein Papa nicht wieder kommen würde.
"Is' Papa tot?"
Erstaunt sah die Anna ihn an und seine Mama hörte auf einmal mit dem Schluchzen auf und starrte ihn an.
Dann flüsterte sie: "Ja... Papa ist mit dem LKW ins Schleudern gekommen auf der Autobahn und dann die Böschung heruntergestürzt... sie konnten ihm nicht mehr helfen."
Sie nahm ihn in ihre Arme und er kuschelte sich an sie. Und ganz innen drin bei sich, so in Gedanken in seinem Herzen konnte er den Papa vor sich sehen: Wie er einmal lachte, als sie abends ein Papierflugzeug vom Balkon sausen ließen und sagte: "Der fliegt jetzt bis zum Mond! Und unsere geheimsten Wünsche lassen wir mitfliegen und der Mann im Mond, der liest sie dann und vielleicht gehen sie ja in Erfüllung!" Und er hatte seinen Papa angeguckt und kopf-schüttelnd gemeint: "Ach, Papa, den Mann im Mond gibt's doch gar nicht!" Der Papa hatte so schelmisch gelacht, ganz entrüstet getan und gesagt: "Wieso? Einer muss doch morgens das Mondlicht ausknipsen!"
Der konnte sich immer so einen schönen Blödsinn ausdenken...
Und als ob einer sein Herz nehmen und zusammenquetschen würde, tat es auf einmal so weh und er wusste: Das geht ja jetzt gar nicht mehr! Der Papa würde nie wieder kommen und nie wieder Blödsinn machen.
Das war eine schlimme Zeit, die da kam, für den kleinen Jungen. Er hatte nur noch eine Oma, aber die war schon alt. Und manchmal so streng, so ganz anders wie Mama und Papa. Seine Oma schimpfte oft mit der Mama und sagte zu ihr, wenn sie und der Papa doch wenigstens verheiratet gewesen wären, dann wäre alles nicht so schlimm, und wer das alles bezahlen sollte... und all solche Sachen, die er nicht wirklich verstand. Und seine Mama sagte ihm, dass sie wieder arbeiten gehen und er dann bei der Oma bleiben müsste, weil sie sonst kein Geld hätten, denn das hätte ja immer der Papa verdient. Und wenn Mama dann von diesem Amt wieder kam, dann weinte sie immer noch mehr und das machte ihn noch trauriger, als er sowieso schon war.
Am liebsten saß er auf seinem Bett und da weinte er manchmal ein bisschen, so ganz heimlich, weil die Mama das nicht sehen sollte. Die wurde immer trauriger und auch ihre Freundin Anna konnte sie nicht trösten. Seine Mama war immer öfter beim Doktor und nahm jetzt ganz viele Tabletten; das tat sie vorher nie. Und er bekam Angst, dass sie vielleicht krank war und auch sterben würde. Aber so etwas mochte er keinem erzählen..........
Texte: Orelinde Hays
Bildmaterialien: Orelinde Hays
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2013
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