Gedankenverloren radelte der junge Historiker Dr. Brandon Lennard über das Gelände seiner Universität. Er fühlte sich wohl hier in San Francisco, denn diese Stadt hatte er schon immer gemocht. Umso größer war die Freude gewesen, als es mit einer Dozentur in seinem Fachbereich Archäologie geklappt hatte. Vor drei Semestern hatte er mit seiner Arbeit hier begonnen. Es machte ihm Spaß und das schien sich wohl auch auf seine Studenten zu übertragen, denn seine Vorlesungen waren immer überfüllt. Wenn man ihn sah, konnte man ihn selbst noch für einen Studenten halten. Mit seinen 1,70 m war er nicht gerade sehr groß. Seine dunkelbraunen, lockigen Haare trug er schulterlang, meistens zu einem Zopf zusammen gebunden. Das ließ ihn, trotz seiner 26 Jahre, auf den ersten Blick noch recht jung erscheinen. Seine Studenten schien er allerdings gut im Griff zu haben. Zwar gewann er durch seine lockere Art schnell ihre Zuneigung, doch andererseits bewies er auch genügend Gefühl für Autorität, um sich als Lehrkraft eine klare Position zu verschaffen.
Brandon musste an seine Mutter denken. Sie hatte ihn allein großgezogen, lebte jetzt in Atlanta. Er hatte eine ganze Weile nichts mehr von ihr gehört. Seinen Vater kannte er nicht. Das Einzige, was er von ihm wusste, war, dass sie beide das gleiche Muttermal in Form eines kleinen Ahornblattes an der linken Wade hatten, ansonsten hüllte seine Mutter sich in Schweigen und war nicht bereit, die Identität des Vaters preiszugeben. Angeblich wusste er nichts von der Existenz seines Sohnes.
Zur Zeit machte Brandon sich Gedanken um eine Studentin im ersten Semester, die eines seiner Nachmittags-Seminare besuchte. Ihretwegen war er auf dem Weg zu Direktor Farnham. Anscheinend gab es da ein Problem. Schon länger war ihm aufgefallen, dass sie manchmal völlig grundlos kicherte, unkonzentriert reagierte und oft fahrig wirkte. Der Versuch, sie vorsichtig darauf anzusprechen, war jedoch kläglich gescheitert: Sein Angebot, dass sie sich vertrauensvoll an ihn wenden könne, falls da Probleme irgendwelcher Art wären, war barsch abgeschmettert worden. Und das geheime Getuschel unter den Studenten in irgendwelchen Ecken war von ihm nicht unbemerkt geblieben. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Studenten. Daher registrierte sein wacher Verstand sehr schnell, wenn man ihm ungewohnter Weise aus dem Weg ging; als solle er nicht mitbekommen, was da ablief. Leider bestätigte sich sein Verdacht dann auch, als er von einer Mitbewohnerin der Studentin ins Vertrauen gezogen wurde. Sie war drogenabhängig und an der Uni selbst schien sich so etwas wie ein Drogenhandel etabliert zu haben. Die Zeit war reif um zu handeln!
Direktor Miles Farnham fuhr sich durch seinen ergrauten Schopf, nachdem Brandon ihm die Sachlage geschildert hatte. Insgeheim seufzte er ein wenig und fragte sich, warum er sich mit seinen 64 Jahren nun auch noch mit so einem Problem herumschlagen musste. Er liebäugelte schon länger mit dem Gedanken, endlich in den Ruhestand zu gehen und sich nur noch dem Schreiben von Fachliteratur zu widmen. Nachdenklich schaute er seinen jungen Dozenten an. "Nun... ich denke, Sie haben völlig Recht, Doktor Lennard. Wir müssen in dieser Angelegenheit etwas unternehmen. Sicherlich ist niemand von uns daran interessiert, dass solche Dinge den guten Ruf unserer Universität schädigen!"
Sein Gegenüber nickte zustimmend: "Was meinen Sie, soll ich mich mal mit der örtlichen Polizei in Verbindung setzen?"
Farnham schüttelte den Kopf, dann schmunzelte er jedoch und meinte: "Ich weiß Ihr Engagement zu schätzen, aber das ist nicht nötig. Wissen Sie, ich spiele am Wochenende zufällig Golf mit dem Polizeipräsidenten. Verbleiben wir einfach dahingehend: Ich werde mit ihm eine Lösung besprechen und Sie dann in Kenntnis setzen... sagen wir Anfang nächster Woche?"
"Gut, einverstanden!" Brandon erhob sich von seinem Stuhl. "Ich warte also auf Ihre Nachricht!" Dann verabschiedete er sich höflich und ging erleichtert von dannen.
Farnham sah ihm hinterher. Wer hatte gedacht, dass sie mit diesem jungen Mann einen derartigen Glücksgriff machen würden? Zunächst war er skeptisch gewesen, als ihm damals die Bewerbung vorgelegen hatte. Brandon Lennard war ihm einfach zu jung erschienen für eine Dozentur. Immer wieder hatte er seinerzeit dessen Unterlagen durchgesehen und sich gefragt, wie Brandon es schaffen konnte, schon so früh sein Studium abzuschließen und als Fünfundzwanzigjähriger in seinem Fachbereich Südamerikanische Kultur zu promovieren. Und alles hatte er mit Auszeichnung bestanden. Manchmal kam er ihm sogar viel zu ernsthaft vor für sein Alter. Doch Farnham gefiel der Eifer, mit dem der junge Dozent seine Arbeit verrichtete. Anscheinend war er immer auf dem Laufenden, was auch seinen Studenten zugutekam. Seine Vorlesungen waren dabei, Kultstatus zu erreichen und schienen nie langweilig zu sein. Die Universität hatte seit Beginn seiner Tätigkeit einen sprunghaften Anstieg bei den neuen Einschreibungen verzeichnet. Da die Studenten auch merkten, dass ihre Probleme ihn nicht unberührt ließen, war er zum Anfang des neuen Studienjahres mit überwältigender Mehrheit zum Vertrauensmann der Studentenschaft gewählt worden. Miles Farnham lächelte still vor sich hin. Der junge Doktor Lennard hatte Leben in den verstaubten Lehrkörper gebracht - das musste er zugeben!
Auszug aus Kapitel 1
Es klopfte energisch an der Tür seines kleinen Büros und Brandon fuhr erschrocken zusammen, denn er war völlig in neue Unterlagen vertieft gewesen. Aufgescheucht nahm er seine Lesebrille ab und sah auf die Uhr: 18:30... Ach herrje, das hatte er ja völlig vergessen, wahrscheinlich war es der Cop vom Drogendezernat.
Irritiert sah Nathan Wallace sich um, nachdem er eingetreten war. "Entschuldigung... ich suche Doktor Lennard?"
Brandon musste schmunzeln. "Ich bin Doktor Lennard, nehmen Sie doch bitte Platz!"
Wallace zeigte Brandon vorschriftsmäßig seinen Dienstausweis und stellte sich vor:
"Agent Nathan Wallace, Drug Enforcement Administration."
Sie schüttelten sich die Hände und waren sich gleich sympathisch.
Nathan Wallace wurde ziemlich schnell klar, dass sein Gegenüber gewillt war, sich ernsthaft und mit allen Konsequenzen für seine Studenten einzusetzen.
Brandon hatte ebenfalls sofort das Gefühl, mit Nathan an den richtigen Mann geraten zu sein. Dieser burschikose, drahtige Typ, der ihm nun gegenüber saß, machte einen entschlossenen Eindruck. Mit der Materie schien er sich ebenfalls bestens auszukennen, hatte unter anderem Undercover–Erfahrung. Sehr schnell waren sie in ein intensives Gespräch verwickelt. In dessen Verlauf stellte sich auch heraus, dass Brandons Verdacht keineswegs unbegründet war. Bereits seit geraumer Zeit hatte die DEA seine Uni im Auge, man hatte sogar schon daran gedacht, einen verdeckten Ermittler einzusetzen. Natürlich war es in diesem Fall ideal, wenn man mit Brandon einen Kontaktmann hatte, dem die Studenten vertrauten. Bei ihm würde sicherlich niemand Verdacht schöpfen.
Sie hatten sich schon fast eine Stunde unterhalten, als Nathan meinte, ob Brandon nicht vielleicht Lust habe, noch auf ein Bier mitzukommen. Er wolle sich sowieso noch mit seinen Kollegen Eddy und Ben treffen.
"Dann könnten Sie sich gleich kennen lernen, wie wär's?"
Brandon nickte. "Ja, warum nicht! Ist das weit weg von hier?"
"Nein. Wir wollen uns im Skylab treffen, kennen Sie das?"
"Ja, klar! Liegt noch im Uni-Viertel, da bin ich manchmal."
"Wollen Sie selber fahren oder kann ich Sie mitnehmen?"
"Ach, ich werde mit dem Rad hinfahren - ich habe nämlich kein Auto!" grinste Brandon.
Nathan war erstaunt. "Kein Auto? Gibt's so was auch?... Sind Sie 'n Öko-Freak oder so?"
Ein amüsiertes Lachen war die Antwort. "Keine Bange. Ich werde Sie nicht zum Körnerfressen überreden!"
Nathan lachte ebenfalls. "Na, dann bin ich ja beruhigt! Also, dann treffen wir uns dort in... sagen wir einer viertel Stunde?"
"Abgemacht! Ich packe meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg!"
"Okay - wir treffen uns an der Theke, ja?"
"Alles klar! Bis gleich!"
"Wo bleibt Nat denn so lange?"
"Na, vielleicht unterhält er sich immer noch mit diesem Archo-Doc?"
Eduardo Nuriega und Benjamin Thomas warteten im Skylab bereits an der Theke. Als das nächste Mal die Kneipentür aufging, wurden sie anscheinend wieder enttäuscht.
"Nur 'n Student...", murmelte Eddy und bestellte sich noch ein Bier.
Fünf Minuten später öffnete sich die Tür erneut und die beiden staunten nicht schlecht, als Nat hereinkam, auf den "Studenten" zuging und ihn mit herübernahm.
"Jungs! Darf ich euch Doktor Lennard vorstellen! Und das hier sind also meine weltbesten Kollegen und Freunde Eddy und Ben!"
Es wurde noch ein längerer Abend, nachdem sie in Fahrt gekommen waren. Der förmliche Umgangston zwischen ihnen war schnell ad acta gelegt. Brandon hatte sofort seinen Spitznamen weg:
"Also, Lenny!", klopfte Eddy ihm auf die Schulter, "Dann werden wir mal einen Schlachtplan austüfteln, wie wir die Jungs hochnehmen!"
Aber Brandon gähnte müde: "Seid mir nicht böse, Leute - heute nicht mehr; ist schon spät! Ich muss jetzt wirklich nach Hause, morgen früh um zehn habe ich Vorlesung!"
"Ja, und?", wunderte sich Eddy, "Dann kannst du doch länger schlafen als wir!"
"Eigentlich nicht. Ich bin immer schon früh unterwegs, weil ich vorher erst noch Papierkram erledige!"
Er tauschte noch seine Handy-Nummer mit Nat aus, verabschiedete sich von seinen neuen Bekannten und radelte davon.
"Scheint ja ein ausgeschlafener Bursche zu sein!", meinte Eddy.
"Das kannst du laut sagen!", stimmte Nat ihm zu, "Ich glaube, der hat einiges auf dem Kasten!"
"Zuerst wirkt er ja wie so ein Studenten-Jüngelchen", sinnierte Ben vor sich hin, "aber wenn man sich näher mit ihm unterhält, merkt man, was für einen hellwachen Verstand er hat. Na, dann... auf unseren neuen Mitarbeiter!"
"Oh jaaa... weißt du, Nat, reifere Semester haben einen geschulten Blick dafür!", witzelte Eddy herum und spielte damit auf Bens Alter an. Mit seinen 37 Jahren war er der Älteste von ihnen dreien, während Nat mit seinen 28 und er selbst mit seinen 29 Jahren fast die Jüngsten ihrer DEA-Einheit waren.
Ben drohte ihnen lachend mit dem Zeigefinger. "Na ist ja gut, wenn die "reiferen Semester" euch Jüngelchen auf die Finger schauen!"
"Immerhin habe ich "Jüngelchen" schon 'ne fast vierjährige Tochter!", brüstete sich Nat, "ich habe schon damit angefangen, da hast du noch in die Windeln geschissen!"
"Angefangen...?" Eddy konnte es ebenfalls nicht lassen. "Ich glaube, unser Benny-Boy hat den Sexualkundeunterricht in der Schule wohl verpennt, oder? Aber wir sind ja nicht so, Alter", klopfte er Ben dann "mitfühlend" auf die Schulter, "wir erklären dir natürlich gerne, wie es geht...!"
"Oh Gott, hör sich einer diesen Kindergarten an!", tat Ben entnervt und alle drei lachten.
Ihr lockeres Miteinander hatte ihnen schon oft geholfen, über erlebte Dinge hinweg-zukommen. Ernst genug war ihr Job leider allzu oft. Darüber hinaus waren sie wirklich gute Freunde geworden. In ihrer Dienststelle hatten sie schon einen Spitznamen, weil sie auch privat ständig zusammen hockten: Die drei Musketiere, denn sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel.
Jedenfalls waren sie sich einig an diesem Abend: Mit Lenny hatten sie einen guten Verbindungsmann an der Uni.
Die interne Einsatzbesprechung der DEA erfolgte zwei Tage später. Man hatte einen jungen Kollegen aus der Sitte hinzugezogen, der sowieso für einen Wechsel zur DEA vorgesehen war. Gerald Foster sollte undercover als Student im zweiten Semester an Brandons Uni eingeschleust werden. Angeblich von seiner alten Universität verwiesen, hatte man ihm jedenfalls eine lupenreine Vergangenheit verschafft und einen erstklassigen schlechten Ruf.
Nat, Eddy und Ben wurden für den Fall als zuständig erklärt und kontaktierten Brandon, der dann zu einer internen Besprechung mit ihrem Vorgesetzten gebeten wurde. Er bekam einen Sonderberater-Ausweis, damit er sich bei der DEA und bei einem eventuellen Einsatz frei bewegen konnte. Einige Formalitäten folgten noch, dann sollte er auf weitere Anweisungen von den drei Musketieren warten.
"Herrje, Nat...", schüttelte Brandon den Kopf, als Nathan ihn anschließend im Wagen mit nach Hause nahm. "Wie könnt ihr bei so viel Bürokrimskrams noch die ganzen bösen Jungs fangen, sag' mal?"
Nat lachte und grinste ihn an: "Ach, sowas machen wir mal so eben nebenbei, weißt du!"
"Haha... schon klar!", meinte Brandon, dann schüttelte er plötzlich mit dem Kopf und schmunzelte vor sich hin.
"Hey, was ist so lustig?", wollte Nat sofort wissen.
"Ach, ich dachte nur gerade, hätte ich Eddy und Ben so getroffen, ich hätte nie vermutet, dass die beiden Cops sind."
"Wieso das?" Nat runzelte seine Stirn.
"Also, ich finde, Eddy sieht aus wie der "Latinlover" schlechthin, so als sei er gerade aus einem Model-Katalog entsprungen..."
Nat lachte sich ins Fäustchen. "Na, sage ihm das bloß nicht. Genauso benimmt er sich nämlich auch, sobald die holde Weiblichkeit aufkreuzt!"
"Tja, und Ben ist einfach so der Typ biederer Familienvater, oder?"
"Genau das", wurde Nat jetzt ein wenig nachdenklich, "wäre er gerne. Ich glaube, seine Frau und er haben ungefähr zehn Jahre versucht, Kinder zu bekommen und haben inzwischen ihren Traum von einer Familie begraben..."
"Oh, das tut mir leid für ihn", meinte Brandon mitfühlend. "Ist ein netter Kerl, ich mag ihn gerne!"
"Ja, da kann ich dir nur beipflichten. Aber sag mal, Lenny, hast du noch was vor heute Abend?"
"Nee, eigentlich nicht, wieso?"
"Komm doch mit zu mir zum Abendessen, wie wär's? Dann kannst du mal meine Familie kennen lernen, ja?"
"Ach... ich weiß nicht... Deine Frau rechnet doch bestimmt nicht mit Besuch und ich will bei euch nicht so unerwartet hereinplatzen."
"Blödsinn! Carol kennt das. Eddy und Ben, die kommen auch öfters hereingeschneit. Also: Du fährst mit, keine Widerrede!"
Brandon schmunzelte, leicht überrumpelt, und sah ihn von der Seite an. "Kriege ich jetzt noch Handschellen verpasst oder hast du mich schon adoptiert?", kam es dann ganz trocken.
Nat lachte lauthals los. "Na, ich sehe schon, du passt gut in unser Team!"
Somit stand Brandon einige Minuten später in Nats Haus.
"Carol? Wo bist du?", rief Nathan nach seiner Frau.
"Hier! In der Küche!"
"Hi, Schatz!" Er gab ihr einen Begrüßungskuss. "Ich habe Lenny mitgebracht!"
Ein sympathisches Gesicht, umrahmt von kastanienbraunem, schulterlangem Haar, lachte Brandon an und er wurde aufs Herzlichste von Carol begrüßt: "Wie schön! Lerne ich also den berühmten "Archo-Doc" endlich mal kennen! Grüß dich! Ihr kommt ja gerade passend. Setz dich doch, Lenny! Dann können wir gleich zusammen Abendessen, ja? Du bleibst doch noch, oder?"
Nat grinste: "Er hat keine Wahl. Ich habe ihn adoptiert!"
"Okay, dann sind die Familienverhältnisse ja schon geklärt...", schmunzelte Carol.
"Sag mal, Schatz, wo ist denn unsere kleine Kröte?", suchte Nat nach seiner Tochter.
"Lucy ist hinten im Garten - holst du sie eben?"
Brandon zog seine Jacke aus und hängte sie über eine Stuhllehne. Dann nahm er Carol die Teller aus der Hand. "Warte - ich helfe dir mit dem Tischdecken."
"Daddy... wie heißt der?"
Nat stand mit der kleinen Lucy in der Tür. Wem sie ähnelte, war nicht zu übersehen, nur, dass ihre Haare noch ein wenig rötlicher leuchteten als die ihrer Mutter. Aufmerksam wurde Brandon von oben bis unten gemustert.
Er ging in die Hocke und reichte der Kleinen seine Hand: "Ich heiße Brandon. Aber du kannst auch Lenny sagen. Hi, Lucy!"
"Hi!" Lucy zog ihre Stirn kraus und mit einem kritischen Blick beäugte sie Brandons Haare.
"Du... bist du ein Mädchen?"
"Aber Lucy! Wie kommst du denn darauf?", wunderte sich Nat.
Brandon hockte immer noch vor ihr. "Ja, sag mal, warum meinst du das denn?"
"Nur Mädchen haben so lange Haare!"
"Tja, da hast du sicherlich Recht. Die meisten Jungs haben nicht ganz so lange Haare... Ich glaube, ich muss sie mir mal wieder schneiden lassen", gab Brandon ihr recht.
Vorsichtig fuhr Lucy mit ihrer Hand über seine Backe und stellte fachkundig fest: "Aber einen Kratzebart hast du, wie Daddy... Du bist doch ein Junge! Und außerdem", fügte sie hinzu, "hast du keinen Busen."
Carol lachte: "Nachdem ihr die anatomische Seite abgecheckt habt, könnten wir ja jetzt essen, oder?"
Brandon fühlte sich wohl in der lockeren Stimmung und nahm gerne Platz. Verschmitzt sah er Nat an. "Na, ich hoffe, bei einem halben Mädchen machst du die Adoption jetzt nicht wieder rückgängig!"
Nat lachte: "Na gut, ist genehmigt."
Schon meldete sich Lucy kauend zu Wort: "Du, Lenny... spielst du gleich mit mir?"
"Oh, oh", grinste Nat verstohlen, "der Härtetest!"
Brandon schmunzelte: "Du, ich denke, Lucy, ich muss erst mal fragen, ob das noch geht. Ich weiß ja gar nicht, wann du ins Bett musst."
Prompt schmollte die Kleine schon, während Carol meinte: "Na ja, eigentlich gleich, gegen sieben... Aber ich denke, heute machen wir mal eine Ausnahme, weil du Lenny ja gerade erst kennen gelernt hast. Heute darfst du mal bis halb acht, ja?"
Schon wollte Lucy vom Stuhl aufspringen, aber Carol ermahnte sie: "Halt, halt, Miss Ungeduldig! Schau mal, Lenny ist ja noch gar nicht fertig mit dem Essen und du auch nicht!"
Prompt stopfte Lucy sich ihre restliche Schnitte in den Mund und kaute mit vollen Backen was das Zeug hielt. Auffordernd sah sie Brandon mit noch vollem Mund an:
"Kannzunichschnellerkaun?"
Der hatte Mühe ernst zu bleiben und tat so, als habe er sie nicht verstanden. "Du, ich kann dich so schlecht verstehen, wenn du den Mund voll hast. Weißt du, eigentlich esse ich nämlich lieber langsam, weil ich sonst Bauchschmerzen kriege..."
Dankbar für die Schützenhilfe kniff Carol ihm ein Auge zu und meinte zu ihrer Tochter: "Hey... ihr habt gleich noch genug Zeit, okay?", während Lucy, immer noch mit vollen Backen, vor sich hin seufzte.
"Ja, ja...", stellte Nat fest, "das Leben kann schon hart sein!"
Später, nachdem die kleine Lucy im Bett war, saßen sie noch gemütlich zusammen und unterhielten sich.
"Sag mal, Lenny", überlegte Carol, "wie bist du denn eigentlich ausgerechnet auf Archäologie gekommen? Also, ein ganz normaler Berufswunsch ist das ja nun nicht unbedingt, oder?"
"Hmm...", zuckte Brandon mit den Schultern, "weiß ich auch nicht so genau. Irgendwie habe ich mich immer schon für Geschichte und so was interessiert, habe dann ein Stipendium bekommen..." Schmunzelnd erinnerte er sich: "Als Kind habe ich meine Mum schon ständig mit meinem Schatzsuche-Tick genervt. Ich glaube, ich war zehn, als Indiana Jones in die Kinos kam. Ab da war's dann völlig vorbei! Sie musste mit mir die Bibel durchforsten, weil ich mir einbildete, ausgerechnet ich könnte herausfinden, wo die Bundeslade geblieben sei. Na ja, hat sich dann von selbst erledigt." Er lächelte. "Sie hat immer gerne die Geschichte von dem vergrabenen Schatz im Garten zum Besten gegeben..."
"Erzähl doch mal!", bat Carol.
"Ich war ihr mal wieder auf den Wecker gefallen, wo man denn wohl einen Schatz finden könnte und so. Daraufhin kam sie auf die Idee, hinterm Haus, dort, wo sie ihre Blumen pflanzen wollte, einige alte Sachen zu vergraben, damit ich endlich mal was entdecken konnte. Jedenfalls hat sie dann ganz listig Rückenschmerzen vorgetäuscht und bat mich, ihr beim Umgraben zu helfen. Na ja, Lust hatte ich keine, das weiß ich noch ganz genau. Also habe ich ziemlich widerwillig zum Spaten gegriffen. Kurze Zeit später stieß ich dann auf etwas und muss wohl ganz hektisch angefangen haben zu schaufeln. Total aufgeregt hätte ich die Sachen ausgebuddelt und die wildesten Vermutungen angestellt, wie alt die wohl sein könnten und so..."
"Wie lieb von deiner Mum!", fand Carol. "Ich kann mir direkt vorstellen, wie schwer es ihr gefallen sein muss, sich nicht zu verraten."
"Allerdings!", lachte Brandon vor sich hin. "Sie amüsiert sich heute noch königlich, wenn sie sich daran erinnert. Und ihr werdet es nicht glauben: Die kleine Tonvase, die ich damals ausgegraben habe, die habe ich immer noch. War schließlich mein erster "archäologischer" Fund! Das Teil ist irgendwie so was wie mein Talisman geworden."
"Und dein Vater, was hat der dazu gesagt?", wollte Carol wissen.
Brandon zuckte mit den Schultern. "Meinen Vater habe ich leider nie kennen gelernt."
"Oh, tut mir leid, das wusste ich nicht!", entschuldigte sich Carol.
"Ach, macht doch nichts."
"Deine Mutter weiß aber schon, wer dein Vater ist?", hakte Nat nun nach.
"Jetzt lässt er wieder den Cop raushängen!", wies Carol ihren Mann zurecht und stupste ihn in die Seite. Nat schien die Stichelei gewöhnt zu sein.
"Doch, das weiß sie natürlich!", ging Brandon bereitwillig auf seine Frage ein. "Ganz genau sogar, hat sie gesagt, weil nur ein Einziger in Frage käme. Wie auch immer: Jedenfalls war sie keine, die mit vielen rumgemacht hat. Im Gegenteil, sie muss wegen mir ganz schöne Schwierigkeiten auf sich genommen haben, weil sie zu ihrer Schwangerschaft stand. Sie war damals gerade mal zwanzig, aber sie wollte mich unbedingt und ist dafür von ihren Eltern rausgeschmissen worden..."
Das machte Carol neugierig. "Und später, hat sie sich wieder mit ihren Eltern versöhnt?"
"Nein, ich habe sie leider nie kennen gelernt. Es gab immer nur Mum und mich. Na ja, und manchmal einen Freund, den sie hatte..."
"Lebt sie auch hier, in San Francisco?"
"Nein, sie ist nach Atlanta gezogen, konnte dort einen besseren Job bekommen..."
Es war noch etwas später geworden, sie hatten sich über alles Mögliche unterhalten. Brandon hatte sich wirklich wohl gefühlt bei Nats Familie, dachte lächelnd an die kleine Lucy, die ihm noch eine Gute-Nacht-Geschichte abgerungen hatte.
Als er an diesem Abend im Bett lag, hatte Brandon zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, an einem Ort zu Hause zu sein und richtige Freunde gefunden zu haben.
"Ach, der ist aber sooo süüüß!"
Die junge Dame am anderen Ende der Theke schien schon reichlich getankt zu haben und kicherte noch ausgelassener als ihre beiden Freundinnen. Diese ermahnten sie bereits: "Sarah! Sei ruhig, er guckt schon!"
Brandon hatte natürlich längst mitbekommen, dass sich das Gespräch der drei Ladies dort um ihn drehte und schmunzelte amüsiert. Er wartete im Skylab auf Nat, der sich zu verspäten schien.
Plötzlich stand besagte Sarah auf wackeligen Füßen neben ihm und zwei unternehmungslustige Augen funkelten ihn an: "Hi!"
"Hi", erwiderte er höflich, während er versuchte, nicht zu grinsen.
Schon kam ihre Frage: "Was macht denn ein so netter Mensch wie du ganz alleine hier an der Theke?"
"Ach, das ist einfach: Ich warte auf meinen Freund!", erklärte er ihr vertrauensvoll mit freundlicher Miene, worauf ihr prompt herausrutschte:
"Och, schade... Bist du schwul?"
Jetzt konnte er sich ein amüsiertes Grinsen aber doch nicht mehr verkneifen: "Nee... nur verabredet!"
Ihre Freundinnen hatten mittlerweile schon beschlossen, dieser "Romanze" ein Ende zu setzen.
"Sarah, jetzt komm! Du hast genug für heute!... Entschuldige, sie hat ihren Einstand etwas zu ausgiebig gefeiert!"
"Schon gut!", lächelte Brandon ihnen hinterher. "Hauptsache, ihr bringt sie heil nach Hause!"
Kurz bevor die Frauen die Kneipe verlassen hatten, war Nat hereingekommen.
"Hi, Lenny! Was waren das denn für drei Grazien?", fragte er neugierig nach.
Brandon erzählte ihm amüsiert, was passiert war.
Dass die Geschichte noch nicht zu Ende war, konnte er in diesem Augenblick nicht wissen. Und so betrat er am nächsten Morgen ahnungslos das Einführungsseminar für die Erstsemestler, das sie ihm mal wieder aufgebrummt hatten.
"Einen wunderschönen guten Morgen! Mein Name ist Dr. Brandon Lennard. Ich bin Ihr Dozent für den Fachbereich Archäologie und speziell für den südamerikanischen Kulturraum..."
Sein Blick ging durch die Runde und prompt entdeckte er ein bekanntes Gesicht. Freundlich nickte er Sarah zu und fuhr mit seiner Einführung fort.
Sie saß unten in der ersten Reihe des Hörsaals und war puterrot angelaufen. Am liebsten wäre Sarah Burns an diesem Morgen im Erdboden versunken. Da war der Typ, mit dem sie im Skylab geflirtet hatte, auch noch ausgerechnet ihr Dozent! Na, das fing ja gut an! Gott, war das peinlich!
Im Stillen amüsierte Brandon sich königlich. Doch er war einfach nicht der Typ, der jemanden vor versammelter Mannschaft durch den Kakao zog.
"Sag mal", wurde Sarah prompt von ihrer Banknachbarin angesprochen, "kennst du den Typen etwa? Und woher?"
Sarahs Gesicht hatte inzwischen wieder normale Farbe angenommen. "Ach, was heißt kennen... Der war gestern Abend in derselben Kneipe wie ich, daher kennt er mich."
"Ach, der ist süß, oder? Ich meine, so einen Dozenten kann man sich doch nur wünschen, habe ich Recht? Ich heiße übrigens Angie... Angie Chang!"
"Sarah Burns. Und du hast Recht. Ach", seufzte Sarah still vor sich hin, "der ist wirklich süß!"
Angie erkannte gleich die Lage. "Dich hat's ja richtig erwischt, was?"
"Hey!", zischte ihr Nachbar ärgerlich. "Seid mal ruhig, man kriegt ja gar nichts mit!"
So vertagten die beiden ihr Gespräch auf später.
Am nächsten Morgen lag ein Zettel in Brandons Postfach. Er war vom Direktor, der ihn um 15 Uhr zu einer Besprechung bat.
"Hi, Mrs. Marshall! Ist er da?"
Miles Farnhams Sekretärin begrüßte ihn: "Ja! Er erwartet Sie schon. Gehen Sie ruhig durch, Dr. Lennard!"
Er klopfte höflich, dann betrat er das Zimmer des Direktors. Dort saß bereits ein junger Mann. Brandon konnte sich direkt denken, wer es war.
"Dr. Lennard! Schön..." Farnham schüttelte ihm die Hand und deutete auf den anderen Gast. "Darf ich Sie mit Gerald Foster bekannt machen?"
Foster begrüßte Brandon und der fügte hinzu: "Alias Eugene Tyler, nehme ich an!"
Sein Gegenüber lachte und antwortete: "Ich sehe schon: Die drei Musketiere haben ganze Arbeit geleistet."
Der Direktor war offensichtlich verdutzt und so klärte Brandon ihn auf. "Ich wurde bereits von der DEA instruiert über die verdeckte Ermittlung, die Mr. Foster hier durchführen soll."
"Tja, meine Herren, dann bleibt in der Angelegenheit wohl nicht mehr viel zu sagen für mich!" Farnham erhob sich und reichte Gerald Foster die Hand. "Mr. Foster, ich wünsche Ihnen viel Glück für Ihr Unterfangen, hoffen wir, dass es in unser aller Sinn gelingen möge! Dr. Lennard wird sicher jederzeit für Sie da sein, denke ich. Wenn Sie uns dann wohl entschuldigen, ich habe noch kurz etwas mit ihm zu besprechen."
"Ja, natürlich! Auf Wiedersehen, Direktor Farnham!"
"Wie wär's", schlug Brandon Foster vor, "wenn du schon mal zu meinem Büro gehst, da vorne, am Anfang des Flurs. Dann könnten wir uns gleich noch kurzschließen, ja?"
"Okay, bis gleich - ich warte dort!".............................................................
Auszug aus Kapitel 2
Vier Tage später klopfte es ganz zart an der Bürotür. Brandon drehte sich auf seinem Stuhl herum und sah auf die junge Frau, die schüchtern eintrat.
"Señor Lennard?"
Sie war nicht größer als er selbst und ihre schulterlangen Haare umrahmten das zarte Gesicht, aus dem ihn zwei haselnussbraune Augen fragend ansahen. Er musste unwillkürlich an das Märchen von Schneewittchen denken: Eine Haut wie Elfenbein, Haare schwarz wie Ebenholz... Niedlich, wie sie seinen Namen aussprach...
Und erst ihr Lächeln: Es war bezaubernd, von einer so anrührenden Unschuld, dass es ihn auf der Stelle gefangen nahm. Und für einen Moment sprachlos machte.
"Ähm... Hola! Miss Ramos, nehme ich an?" Er hieß sie in seinem schönsten Spanisch willkommen und bat sie, Platz zu nehmen.
Tatikas Herz hatte wild geklopft, als sie draußen vor der Tür gestanden hatte. Doch als sie jetzt vor ihm saß und sich mit ihm in ihrer Muttersprache unterhalten konnte, ließ ihre Nervosität deutlich nach. Dieser junge Doktor schien ein angenehmer Mensch zu sein. Kurz erzählte er in fließendem Spanisch von seiner Zeit an der Uni in Cuzco. Als sie dann auch noch von ihrer gemeinsamen Vorliebe für die Inka sprachen, war das Eis endgültig gebrochen. Brandon genoss es, mal wieder in Spanisch plaudern zu können - er mochte die Sprache.
Doch dann meinte Tatika: "Señor Lennard..."
"Oh, bitte," unterbrach er sie, "sag' doch einfach Brandon, ja?"
Verlegen lächelte sie ihn an, was ihn noch stärker dahinschmelzen ließ. "Gut, Brandon. Bitte, lieber ich möchte sprechen in Amerikanisch. Dann lernt sich die Sprache besser und alle Vorträge und Arbeit auch sind in deine Sprache. So ist das besser, ja?"
Ihre holprige Aussprache klang wie Musik in seinen Ohren und je länger sie sich unterhielten, desto wärmer wurde ihm ums Herz: Sie hatte ihn im Sturm erobert.
Er lud Tatika zum Mittagessen ein und zeigte ihr anschließend alles bei einem Rundgang übers Uni-Gelände. Sie unterhielten sich noch über viele Dinge und spürten beide eine große Sympathie füreinander.
Am Wochenende darauf war Brandon bei Nats Familie eingeladen. Lucy feierte ihren vierten Geburtstag.
Nat erkundigte sich bei Brandon neugierig nach Tatika: "Und? Wie läuft es, mit deiner Studentin?"
Die Reaktion seines Freundes sagte ihm alles, denn zum ersten Mal sah er seinen Freund total verlegen reagieren und murmeln, dass sie ganz nett sei und so und das übliche.
Er hatte ihn daraufhin nur vielsagend angegrinst: "Ach, komm, hör auf, Lenny! Das sieht doch ein Blinder, dass du völlig von der Rolle bist! Du bist verknallt!"
Und dann ergoss sich auch schon Brandons Gefühlsausbruch über ihn und er musste sich noch den ganzen Abend anhören, was alles so süß an Tika sei und überhaupt...
Die Tatsache war nicht zu leugnen: Es hatte ihn schwer erwischt.
Für Brandon und Tatika begann eine wundervolle Zeit.
Am Montag der darauffolgenden Woche hatte Brandon sie in die erste Vorlesung mitgenommen und seinen Studenten als "...meine Assistentin, Señorita Tatika Ramos von der Universität in Cuzco, die mich nun für ein Jahr begleiten wird in den Vorlesungen und Seminaren..." vorgestellt.
Tatika hatte ein Zimmer im Studentenwohnheim. Dort schien sie sich einigermaßen wohl zu fühlen, lernte schnell einige Zimmernachbarinnen kennen, unter anderem Angie Chang. Die nahm sie ein wenig unter die Fittiche, als sie merkte, wie unerfahren Tatika in vielen Dingen war, was das Leben hier anbelangte. Auch Brandon hatte das schnell festgestellt. Man konnte merken, dass sie streng katholisch aufgewachsen war. Er machte sich ein wenig Sorgen deswegen, hatte Angst, sie könnte an falsche Freunde geraten. Ihm selbst gegenüber hatte sie schnell ihre Befangenheit abgelegt. Tatika spürte genau, dass er einen lieben und gutmütigen Charakter hatte. Außerdem verhielt er sich immer sehr höflich und zuvorkommend, machte nie irgendeine anzügliche Bemerkung. Dass sie zu Anfang noch viele Fehler machte, belastete sie. Doch er beruhigte sie und meinte nur, es sei doch nicht schlimm.
"Wenn man irgendwo neu ist, muss man alles erst einmal richtig kennen lernen. Außerdem solltest du bedenken, dass hier vieles anders abläuft als in Peru. Und wenn man mit etwas nicht vertraut ist, kann keine Frage zu dumm sein. Frag mich alles, was du willst! Du bist fleißig und klug, du schaffst das schon!", machte er ihr Mut. Sein Lob tat ihr gut.
Die ersten Wochen vergingen für Tatika wie im Flug und langsam, aber sicher verlor sich ihre Unsicherheit, was Brandon zufrieden registrierte.
Irgendwann saßen sie zum Mittagessen in der Mensa und unterhielten sich.
Tatika hatte sich mit Angie Chang und Sarah Burns angefreundet und das beruhigte ihn. Bei den beiden wusste er sie in guten Händen. In Erinnerung daran, wie er Sarah kennen gelernt hatte, konnte er sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen.
"Warum du lachst jetzt, Donnio?", hatte Tatika verdutzt gefragt, worauf er ihr die Story mit Sarah erzählte.
Kichernd hielt sie sich die Hand vor den Mund: "Oh! Das ihr war bestimmt sehr... wie sagt man... embarazoso!"
"Oh ja! Und ob ihr das peinlich war! Sie tat mir richtig leid, als sie puterrot anlief... Dabei wollte ich ihr eigentlich nur damit signalisieren, dass ich ihr die Sache nicht übel nehme... Na ja, ich glaube, mittlerweile weiß sie das auch..."
"Mensch, hast du das gesehen?", meinte Michael Whitfield, einer von Brandons älteren Studenten, zu seinem WG-Mitbewohner und Kommilitonen Matthew Thompson. Sie saßen auch in der Mensa und beobachteten die beiden. "Entweder bin ich blind oder unseren Doc hat's schwer erwischt! Stimmt doch, oder?"
"Da könnte ich dir recht geben!", grinste Matthew, "ist kaum zu übersehen, mit welchen Dackelaugen der die anschaut... lässt total den Charmeur raushängen! Die ist aber auch süß, oder?", begann er nun selbst zu schwärmen. "Mann, so eine Perle könnte mich auch schwach werden lassen!"
Michael lachte: "Ich glaube, gegen die Konkurrenz bist du machtlos. Und ich fürchte fast, dass die Señorita auch in ihn verschossen ist, so, wie die ihn anhimmelt."
"Ob die schon 'ne Nummer geschoben haben?", überlegte Matthew laut und Michael schüttelte den Kopf.
"Kann ich mir nicht vorstellen... Die macht irgendwie so einen schüchternen Eindruck, so als ob die noch nicht viel Erfahrung hat. Ich glaube nicht, dass die gleich mit jedem in die Kiste steigt!"
Matthew lachte und frotzelte herum: "Also, nichts für dich, du alter Schürzenjäger!"
"Ha ha ha....", grinste Michael und zeigte den berühmten Mittelfinger.
Die Tage vergingen und mit der Zeit gewann Tatika auch in den Vorlesungen und Seminaren an Sicherheit, hatte schnell gelernt, Dinge selbständig zu erfassen und vorzubereiten. Manchmal staunte Brandon nicht schlecht über das Fachwissen, welches sie an den Tag brachte.
"Bei ihr kann man wirklich sagen "Stille Wasser sind tief!" hatte er zu Nat gemeint, "sie wirkt manchmal fast noch wie ein Schulmädchen, aber du glaubst nicht, welches Potenzial in ihr steckt!"
"Und? Tut sich eigentlich was zwischen euch?", war Nat neugierig geworden.
Seufzend sah Brandon seinen Freund an: "Na ja... irgendwie traue ich mich nicht so richtig... Ist eine zwiespältige Situation für mich, weißt du. Schließlich bin ich sozusagen so was wie ihr Vorgesetzter..."
"Mensch, habt ihr wirklich so eine lange Leitung oder seid ihr zu blöd?", schüttelte Nat verständnislos seinen Kopf. "Das ihr ineinander verknallt seid, sieht doch ein Blinder! Nur ihr beide scheint das nicht zu schnallen!... Jetzt guck nicht schon wieder so ernst! Also, manchmal bist du auch so ein richtiger Problem-Wälzer, weißt du das? Ich würde mir wünschen, dass du die Dinge mal lockerer angehst!"
Brandon zog seine rechte Augenbraue hoch, wie immer, wenn ihm etwas nicht passte. "Ich glaube nicht, dass das so leicht ist, Nat! Du verstehst das nicht. Sie ist einfach noch nicht so weit, glaube ich..."
"Ich glaube eher, mein Freund, du bist vielleicht ein wenig zu schüchtern! Es geht mich ja nichts an, aber... na ja, manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du nicht viel Erfahrung mit der Damenwelt gesammelt hast, oder? Du erzählst nie von früheren Freundinnen und so..."
Nathan hatte anscheinend voll ins Schwarze getroffen, denn sein Freund wirkte auf einmal sichtlich verlegen. "Na ja... ich habe halt immer nur gelernt... ist schwer mit einer Beziehung, wenn man als Streber gilt, weißt du." Doch dann schmunzelte Brandon plötzlich vor sich hin: "Da gab es mal eine, an meiner Uni damals, die war auch "spätberufen", wenn du so willst. Aber in Cuzco...", grinste er nun, "da bin ich dann richtig in die "Lehre" gegangen, könnte man sagen! Das war die Schwester von Pedro, aus meiner WG..."
"Hört sich an, als hättest du da eine Menge dazugelernt!", grinste nun auch Nat.
"Das kannst du laut sagen! Ich weiß auch nicht, warum sie ausgerechnet an mir einen Narren gefressen hatte... Jedenfalls wusste ich danach, wie man eine Frau glücklich macht."
"Schon gut... ich will's ja auch gar nicht im Detail wissen. Jedenfalls beruhigend zu erfahren", meinte Nat dann, "das du nicht ganz von vorne anfangen musst!"
"Ach, weißt du... irgendwie... Ich mag eigentlich nur was mit einer Frau anfangen, wenn ich so richtig verliebt bin... verstehst du?"
"Du stellst ja ganz schöne Ansprüche!", frotzelte Nat. " Na ja, ist auch dein Bier, Kumpel... Apropos Bier: Kommst du heute Abend mit? Eddy und ich wollen noch was unternehmen."
"Nein, geht nicht, leider... muss noch was fürs Seminar morgen Nachmittag vorbereiten."
"Na, dann... Ich muss los... Man sieht sich!"
Einige Tage später saßen Tatika und Brandon bei ihm zu Hause und waren mit den Vorbereitungen für eine Vorlesung beschäftigt.
"...und das bestätigt diese Theorie, oder was meinst du dazu?... Hey, Señorita Ramos!"
Irritiert sah Tatika auf, sie hatte seine Frage gar nicht mitbekommen. "Was?... Was ist?"
Seufzend schob Brandon seine Unterlagen auf die Seite, nahm Tatika die Mappe aus der Hand und setzte sich neben sie auf das Sofa.
"So... und jetzt erzählst du mir erst mal, was mit dir los ist! Ich merke schon seit ein paar Tagen, dass etwas nicht stimmt... Du siehst müde aus, schläfst du nicht genug? Oder hast du irgendein Problem? Sage mir, wie ich dir helfen kann!"
Als wäre sie bei etwas erwischt worden, errötete sie leicht und schlug verlegen die Augen nieder.
Brandon fühlte sich ein wenig hilflos in dieser Situation: Jemandem wie Tatika, der von schüchternerer Natur war, fiel es sicher schwer, sich mitzuteilen. Am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen.
"Hey, Tatika... Tika mia... Hat dich jemand geärgert? Wenn ja, dann komme ich und verhaue ihn!", versuchte er ihr mit einem Witz die Peinlichkeit zu nehmen.
Tatika musste unwillkürlich lachen. Doch dann sah ihn wieder so betrübt an. Es war einer von ihren Blicken, die ihn jedes Mal noch verliebter in sie machten und er schmolz mal wieder dahin.
"Hey... Tika mia - warum bist du traurig?", legte er freundschaftlich seine Hand auf ihre Schulter.
Jetzt liefen ihr ein paar Tränen hinunter: "Ich es nicht weiß, Donnio, was los ist..."
Er sah sie liebevoll an, tätschelte ihre Wange: "Tika... vielleicht hast du einfach nur Heimweh, hm?... Schau mal: Du bist das erste Mal weit weg von zu Hause. Das ist alles nicht so einfach für dich, vieles ist so anders hier..."
"Ich vermisse mein Mama und Papa...". Immer noch liefen die Tränen.
Es ging Brandon ans Herz und er legte zaghaft seinen Arm um sie. "Tika... ich bin zwar nicht deine Mama, aber ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst. Ich hoffe, das weißt du."
Sie nickte, lehnte sich etwas an ihn an und hörte auf zu weinen. Brandon strich sanft über ihr Haar und es schien ihr gut zu tun. Er spürte keinen Widerstand. "Ich mag dich Tika... Und es tut mir weh, wenn du traurig bist!"
Plötzlich richtete sie sich auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie sahen sich tief in die Augen und ihr Blick verriet ihm ihre Zuneigung. Zögernd näherten sich ihre Lippen, um dann in einem sanften Kuss zueinander zu finden.
Tika lächelte ihn verliebt an: "Zuhause ich habe keinen Freund, der auf mich wartet, weißt du..."
"Ach, Tika mia!", nahm Brandon glücklich ihre Hand in seine, "ich fürchte, ich habe mich tatsächlich in dich verliebt. Ich hatte bloß ein bisschen Angst... Na ja, immerhin bin ich dein Vorgesetzter und ich wollte zudem nicht, dass du dich bedrängt fühlst..."
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und sie küssten sich erneut. Plötzlich klingelte Brandons Telefon und sie fuhren erschrocken auseinander.
"Ja, Lennard."
"Hi Lenny, Nat! Wir wollen uns heute Abend im Skylab treffen, um acht Uhr. Hast du Bock, kommst du auch?"
"Oh... Nat... ehrlich gesagt... schlechtes Timing, verstehst du. Ich sitze hier mit Tika. Wir arbeiten noch …"
Nat war der Unterton in Brandons Stimme nicht entgangen und amüsiert stocherte er im Wespennest: "Ach so... ihr arbeitet noch! Nennt man das jetzt so?"
"Ha ha..."
"Na, ich verstehe schon... dann will ich nicht weiter stören, mein Alter... Also, melde dich mal, okay? Und viel Spaß noch beim Arbeiten!"
"Ich melde mich, Bye!"
Er legte auf und nahm wieder neben Tika Platz. Die schöne Stimmung schien irgendwie dahin zu sein.
"Tika... ich habe keine Lust mehr zu arbeiten..." Er nahm seine Unterlagen und packte sie zur Seite. "Lass uns aufhören für heute, ja?"
Unsicher nahm sie ebenfalls ihre Sachen, legte sie zusammen und meinte: "Dann werde ich mal nach Hause fahren..."
"Hey... so war das doch nicht gemeint! Ich wollte dich doch nicht rausschmeißen. Ist doch noch früh - ich dachte, vielleicht machen wir noch was zusammen?"
Ihr unsicherer Blick sprach Bände und Brandon wurde schlagartig bewusst, dass sie glaubte, er wolle jetzt mit ihr schlafen. Ihre ganze scheue Art, was diese Dinge anbelangte. Sie war ihm von Anfang an sehr unerfahren vorgekommen. Mit einem Mal schoss ihm die Erkenntnis durch den Kopf, dass er womöglich der erste Mann in ihrem Leben sein würde.
"Tika, meine Liebe... Du musst nicht denken", nahm er nun zärtlich ihre Hand und streichelte sie sanft, "nur weil wir uns jetzt geküsst haben, dass ich auch sofort mit dir schlafen will... Ich finde es schöner, wenn man sich langsam kennen lernt... Du musst im Moment viele Eindrücke verarbeiten, du hast Heimweh und all das... Und wenn du eine nähere Beziehung zu mir lieber nicht möchtest, dann kann ich das verstehen... Na ja, dann sind wir halt gute Freunde! Das Wichtigste für mich ist, dass du dich wohl fühlst. Also hab' keine Angst und sag mir einfach nur, was du gern möchtest, einverstanden?"
Erleichtert sah sie ihn an und lächelte: "Du bist sehr lieb, Donnio... Ich möchte mit dir sein... und kennen lernen... langsam..."
Sie küssten sich und glücklich hielt Brandon sie in seinen Armen, drückte sie zärtlich an sich.
"Donnio..."
"Hm?"
"Das ist so schön wie bei mein Mama im Arm..."
"Na siehst du...", küsste er sanft ihre Stirn, "auch in der Fremde kann man ein bisschen zu Hause sein..."
"Hast du dich auch allein gefühlt, als du warst in Cuzco?"
"Oh ja, am Anfang schon... Aber ich hatte Glück, weil ich ja sofort in einer WG wohnen konnte. Hatte ich dir, glaube ich, schon erzählt, ja? Mit Juan und Pedro, Ramirez hatte das fürsorglich für mich organisiert..."
"Das waren die beiden, wo immer so viel, wie heißt das... disparate... gemacht haben?"
"Oh ja!", lachte Brandon, in Erinnerung daran. "Blödsinn hatten die beiden ständig im Kopf!"
"Und... hast du eine Freundin gehabt in Cuzco?"
"Hey..!", amüsierte er sich, "du bist ja richtig neugierig!" und fing an, sie mit seinem Finger zu stupsen und zu kitzeln.
Tika kicherte verlegen und versuchte, sich zu wehren, was Brandon wiederum noch alberner werden ließ. "Neugierig, neugierig!"
"Oh, na warte du!", lachte sie und ihr südamerikanisches Temperament kam durch: "Ich dir werde auch bekitzeln!"
Bekitzeln... Es war einfach süß, wie sie sich manchmal ausdrückte. Er konnte nicht anders, brach in hilfloses Gelächter aus und ließ Tika die Oberhand gewinnen in ihrem kleinen Kämpfchen. Und ehe sie sich versahen, waren sie zwischen Sofa und Couchtisch auf dem Boden gelandet und lagen sich küssend in den Armen. Das Eis war gebrochen.
"Wallace..."
"Lenny... Hi, Nat! Na, wie war's gestern Abend im Skylab?"
"Lenny! Ich hätte dich heute sowieso noch angerufen... Ach, war ganz lustig - wie immer... Aber was ganz anderes: Gerald hat uns informiert, dass was im Gange ist."
"Du meinst bezüglich der Dealer? Hat Gerry Kontakt bekommen?"
"Ja... aber außer in ein paar harmlosen Sachen ist er wohl noch nicht weitergekommen. Jedenfalls will er morgen was provozieren und er bat mich, dir auszurichten, du sollst dich morgen in der Vorlesung über nichts wundern... oder hat er gesagt Seminar, das weiß ich jetzt nicht mehr so genau... egal... Jedenfalls hat er morgen was vor."
"Wahrscheinlich eher im Seminar morgen Nachmittag, denn in einer Vorlesung ist der direkte Kontakt eigentlich nicht so gegeben... Na ja, solange er Tika außen vor lässt, soll mir das egal sein!"
"Ach ja... deine Tika!" Brandon konnte seinen Freund förmlich durchs Telefon grinsen sehen. "Wie war's denn noch mit deiner Tika gestern Abend? Ich wusste gar nicht, dass es schon so ernst ist mit euch beiden!"
"Ernst ist es, Nat! Aber", seufzte Brandon ins Telefon, "na ja, du weißt ja, wie schüchtern sie ist..."
"Das habe ich gemerkt, als sie letztens das erste Mal bei uns war. Unser "Don Juan" Eddy ist ja mächtig abgeblitzt bei ihr, obwohl er sein feinstes Spanisch aus der Hosentasche gekramt hat. Du willst also sagen, ihr habt noch gar keine Nummer geschoben?"
"Nein... Aber das ist mir auch egal, weißt du. Ich will bei ihr nichts falsch machen und außerdem hat sie's gerade nicht so einfach, hat Heimweh und so..."
"Lenny, ich glaube wirklich, du bist total verliebt in die Frau!"
Am anderen Ende war es für einen Moment still, dann erklang Brandons seufzende Stimme:
"Das bin ich wirklich, Nat... Für Tika würde ich alles tun, alles, was sie glücklich macht!"
"Na dann... Hör mal, Lenny: Du hast Tika doch nicht eingeweiht, oder?"
"Um Gottes Willen, wo denkst du hin?! Es ist das Beste, wenn sie von nichts weiß - sie würde sich sonst bestimmt verraten, weil sie sich Sorgen macht oder so... Nein, nein, desto weniger sie weiß, desto besser!"
"Na, dann bin ich ja beruhigt... Okay... Gerry oder du, ihr sagt mir Bescheid, was gelaufen ist, ja?... Also, Lenny: Man sieht sich!"
"Ja, klar! Mach's gut! Bis dann!"
"Okay, bis dann!"
"Mr. Tyler! Das reicht jetzt!"
Gerald war tatsächlich so gut, dass er schon fast wirklich anfing, Brandon zu nerven.
Jetzt baute er sich auch noch provozierend vor ihm auf und blickte ihn herausfordernd an: "Und? Was wollen Sie tun? Mich rausschmeißen?!"
Die anderen Seminarteilnehmer blickten sich verlegen an. Ihr Dozent schien innerlich vor Wut zu kochen, die Stimmung war mehr als unangenehm.
Michael Whitfield versuchte zu vermitteln: "Komm, Tyler! Beruhige dich und setz' dich wieder hin!"
Ganz ruhig, aber bestimmt sah Brandon seinen Studenten jetzt an.
"Also, Mr. Tyler, Sie haben die Wahl: Entweder entschließen Sie sich dazu, wieder vernünftig mitzumachen..."
"Oder was?!"
"Oder ich werde persönlich für Ihre Exmatrikulierung sorgen!"
Das war deutlich. Im Seminarraum war es mucksmäuschenstill.
Tyler und Lennard starrten sich in die Augen. Dann schien Tyler sich umdrehen zu wollen, besann sich aber plötzlich eines anderen. Man hörte laut und deutlich ein: "Arschloch!!" und zum Schrecken aller Anwesenden sauste Tylers geballte Faust mit voller Wucht in das Gesicht seines Dozenten. Während es Brandon von den Füßen geholt hatte und er benommen am Boden lag, rauschte Tyler mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen hinaus.
Michael Whitfield und Sarah Burns stürzten sofort hin und halfen ihrem Doc wieder auf die Beine.
"Das gibt ein schönes Veilchen!", stellte Whitfield fest, während das Opfer sich stöhnend sein Gesicht hielt.
"Au Mann... der kann was erleben!", murmelte Brandon, "dem werde ich die Hölle heiß machen!".............................................................................
Auszug aus Kapitel 3
"Carol Wallace."
"Hi Carol, Lenny!"
"Lenny, Hi! Du, Nat ist nicht da..."
"Ich weiß, ich wollte auch mit dir sprechen - kannst du gerade reden?"
"Ja... was ist los, Probleme?"
"Ja, mehr oder weniger... Es geht um Tika."
"Habt ihr euch verkracht?"
"Nein, nein! Es ist nur so - ich könnte deine Hilfe gebrauchen und da wir uns demnächst bei euch zum Grillen treffen wollen, da dachte ich, du könntest dich mal mit Tika unterhalten... Das heißt, natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht?"
"Worum geht es denn?"
"Na ja... es ist so: Wir waren noch nicht intim miteinander, verstehst du... Ich dachte, du könntest vielleicht mal so von Frau zu Frau mit ihr reden..."
"Vielleicht will sie noch nicht mit dir schlafen?"
"Doch, das ist es ja gerade..."
"Das verstehe ich nicht. Wo liegt dann das Problem? Willst du nicht?"
"Doch schon..."
"Aber?... Lenny, mach's nicht so kompliziert!"
"Na ja, ich glaube, sie scheut sich, mir zu sagen, dass sie in ihrem Alter noch nie mit einem Mann intim war... Ich weiß nicht so recht, wie ich das anfangen soll..."
"Ach so, jetzt verstehe ich. Du meinst, ob ich mich mal –ganz diplomatisch– herantasten und mit ihr darüber reden kann?"
"Ja! Das wäre wirklich toll, wo sie doch so schüchtern ist in gewissen Dingen. Ich... ich traue mich einfach nicht, verstehst du? Aber ich will auch nichts falsch machen."
"Das kann ich machen, Lenny, keine Sorge! Ich kriege das schon hin. Vielleicht braucht sie einen Frauenarzt... Die Pille nimmt sie ja wahrscheinlich nicht, oder?"
"Nicht, dass ich wüsste."
"Okay, alles klar... Du denkst dann an Kondome, ja?"
"Ja, natürlich, Safer Sex ist doch selbstverständlich! Abgesehen davon soll sie ja auch nicht sofort schwanger werden." Er musste schmunzeln. "Man merkt, dass du noch mit Jugendlichen arbeitest."
Carol war gelernte Sozialarbeiterin und vormittags stundenweise in einem Jugendtreff beschäftigt.
"Weißt du, eigentlich wollte ich meine Mum um Rat fragen, aber die konnte ich mal wieder nicht erreichen..."
"Der Kontakt scheint im Moment ja wohl ziemlich abgebrochen zu sein, sehe ich das richtig?"
"Ja, leider... Irgendwie scheint's nie zu klappen, wir hinterlassen uns immer nur Nachrichten auf dem Anrufbeantworter... Jedenfalls bin ich dankbar, dass ich dich um Hilfe bitten kann."
"Hey, das ist doch wohl selbstverständlich unter Freunden!"
"Lieb von dir, Carol!"
"Mache ich doch gern! Also, bis dann!"
"Okay, bis dann! Mach's gut! Und grüß mir meine kleine Freundin, ja?"
"Ich werde es Lucy ausrichten!"
Lächelnd legte Carol den Hörer auf. Ihr hatte die rücksichtsvolle Weise, mit der Lenny Frauen behandelte, schon immer gefallen. Irgendwie hatte er eine angenehme, feinfühlige Art. Man konnte sich mit ihm, wie mit einer besten Freundin, immer gut über Probleme unterhalten.
Brandon ahnte ja nicht, wie turbulent die nächsten Tage werden sollten.
Zusammen mit der Seminargruppe waren Tika und er vollauf damit beschäftigt, alles für die Inka-Ausstellung im Museum vorzubereiten. Offiziell wusste man immer noch nicht, wann genau die Exponate in San Francisco eintreffen würden.
"Was meinen Sie, Dr. Lennard, werden sie Donnerstag oder Freitag geliefert?", fragte ihn sein Student Norman Clifford nun schon zum x-ten Mal.
Brandon gab sich ahnungslos. "Keine Ahnung! Ich hoffe sehr, dass wir die Exponate möglichst bald bekommen Es gibt noch einiges vorzubereiten."
Doch mittlerweile wusste er ja nur zu gut, aus welchem Interesse heraus Clifford nachfragte. Wer hätte das für möglich gehalten... dachte er im Stillen. Ausgerechnet Clifford, der immer so zurückhaltend wirkte... Geschickte Tarnung!
Die DEA hatte sich natürlich schon längst mit dem Zoll arrangiert. Die Kisten würden ohne Stichprobe anstandslos durchgehen. Allerdings würde man sie bis zum Freitagmittag zurückhalten. Brandon hatte sich jedoch ausdrücklich erbeten, dass man Tika von der ganzen Aktion fernhielt. Sie sollte unter einem Vorwand beim Zoll festgehalten werden, da angeblich Papiere fehlten. Brandon würde sie dann bitten, sich darum zu kümmern und sobald Tika mit den Unterlagen auf dem Weg zum Museum war, sollte Nat dort auftauchen und sie in alles einweihen. Da die Ausstellungs-Eröffnung jedoch bereits am Sonntagvormittag um 11:00 Uhr sein sollte, würde man die Stücke dann in aller Eile zum Museum transportieren und mit der Registrierung beginnen. Allen war jedoch ein Rätsel, wie die Drogendealer an die Ware kommen wollten. Es musste irgendwie über Norman Clifford laufen und darum hatte man beschlossen, ihm direkt in die Hände zu spielen: Am späteren Abend sollte Brandon dann plötzliche, kolikartige Bauchschmerzen vortäuschen und mit Verdacht auf Blinddarm ins Krankenhaus gehen. Die Lagerräume des Museums befanden sich im Keller, mit einer Laderampe am Hintereingang. In der ganzen Hektik würde er dann Norman Clifford die Codekarte für diesen Eingang in die Hand drücken und ihn bitten, sich um alles zu kümmern.
Es lief wie am Schnürchen.
"Was ist los, Brandon? Geht's dir nicht gut?"
Michael Whitfield war, wie immer, ein aufmerksamer Beobachter.
Brandons Taktik schien aufzugehen. Er hatte sich schon mehrmals verstohlen den Bauch festgehalten und zog sich nun stöhnend an einer Kiste wieder hoch, deren Etikettierung er überprüft hatte. "Lass nur, Michael, es geht wieder..."
"Sieht aber nicht so aus! Warte, lass mich das mit der Liste machen!"
"Ach was..." Schon war Brandon zur nächsten Kiste geeilt und bückte sich, um dann ganz demonstrativ stöhnend in die Knie zu gehen. "Ich glaube, du hast Recht, Michael. Wenn du so nett wärst... Ich glaube, ich muss mal zur Toilette verschwinden."
"Geh ruhig – ich kümmere mich um alles. Keine Sorge!"
Die anderen Studenten hatten nun ebenfalls mitbekommen, dass es ihrem Dozenten nicht gut ging.
"Was hat er?", fragte Sarah Burns besorgt und Michael zuckte ratlos mit den Schultern: "Keine Ahnung... Komm, lass uns weitermachen! Hilfst du mir mit der Registrierung?"
Das tat Sarah gern. Sie verstanden sich gut, Michael und sie.
Brandon war aus dem Keller hochgegangen zum Büro des Museums, wo Nat bereits auf ihn wartete.
"Und? Wie läuft es?"
Er grinste: "Ich hatte gerade meinen ersten "Schmerzanfall"! Es läuft alles wie geplant, würde ich sagen... Was hat Tika gesagt?"
"Ich glaube, sie ist sauer auf dich, weil du sie nicht eingeweiht hast... Jetzt ist es kurz vor 19 Uhr... wie läuft es weiter bei euch da unten?"
"Im Moment sind wir noch bei der Registrierung beziehungsweise beim Auspacken der Exponate... Wirklich zu dumm, dass der Lagerverwalter "krank" ist und wir die ganze Arbeit allein machen müssen... Ich würde mal sagen, so ungefähr zwischen 21 und 22 Uhr erwischt es mich dann – wäre das okay für euch?"
Bestätigend nickte Nat ihm zu und zückte sein Handy, um den Rest des Teams zu informieren. Brandon ließ noch ein wenig Zeit verstreichen, dann ging er zurück in den Keller.
"Na... geht's wieder?", kam Michael sofort auf ihn zu.
"Doch, doch..." versuchte Brandon sich ein möglichst gequältes Lächeln abzuringen.
Sie fuhren fort mit ihrer Arbeit. Aus den Augenwinkeln hielt er Norman Clifford ständig im Visier. Es hatte den Anschein, als sei er an bestimmten Exponaten besonders interessiert, doch wenn Brandon sich diese genauer anschaute, konnte er nichts Besonderes entdecken. Bei allen war es eigentlich unmöglich, irgendwo im Inneren etwas zu verstecken. Außer... Ihm kam ein Verdacht. Vorsichtig klopfte Brandon, als er sich unbeobachtet fühlte, einen der Gegenstände ab. Womöglich waren es hohle Duplikate? Doch er konnte nichts feststellen. Na ja... dann würde es sich halt zeigen müssen, ob die Aktion umsonst gewesen war.
Gegen 21:30 Uhr kam ein günstiger Moment. Brandon stand mit Michael zusammen, während sich Clifford außer Sichtweite am anderen Ende des Lagers befand. Michael musste er unbedingt solange ausschalten, bis Clifford die Codekarte in Händen hatte. Denn er war es, der sonst als erfahrenster Student immer automatisch die Leitung der Gruppe übernahm. Er hätte zwangsläufig ihm die Karte geben müssen. Gerade wollten sie gemeinsam einen Gegenstand aus einer Kiste nehmen, als Brandon mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammensackte.
"Brandon! Was ist los?"
"Oh verdammt... ich habe so starke Schmerzen im Bauch!", stöhnte Brandon gekonnt. "Mir wird schlecht... Ich glaube, es ist der Blinddarm... Bitte, Michael, gehe ins Büro und rufe einen Krankenwagen!"
"Ich hab mein Handy dabei, ich kann's schnell von hier aus machen!... Hey, Leute! Kommt mal her!", rief er die anderen zur Hilfe.
Jetzt kam Brandon tatsächlich ins Schwitzen. Daran hatte er nicht gedacht. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen...
"Das geht von hier nicht, Michael! Das war mal ein Schutzbunker. Außerdem muss der Wachdienst wegen der Laderampe Bescheid wissen, die Treppe schaffe ich nicht mehr!"
"Okay, ich laufe schnell rauf! Sarah, kümmere dich um ihn!"
Brandon lag eindrucksvoll am Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Die anderen halfen ihm, sich aufzurichten. Clifford stand genau neben ihm. Passender ging es nicht mehr. Brandon griff in seine Hosentasche, angelte nach der Codekarte und drückte sie Clifford in die Hand. "Norman... Ich vertraue Ihnen die Codekarte an, für den Hintereingang... Sorgen Sie dafür, dass alles ordentlich abgeschlossen ist, ja? Ich verlasse mich auf Sie!"
"Ja natürlich, Doc – ich kümmere mich darum!", nahm Clifford hocherfreut die Karte in seine Hände.
Schon kam Michael zurück in den Keller geeilt: "Alles klar: Der Wachmann hat den Krankenwagen gerufen und lässt dann die Rampe herunter, dann können die mit der Krankentrage direkt nach unten..."
Zehn Minuten später lag Brandon bereits im Krankenwagen und wurde abtransportiert. Natürlich kam er nie im Krankenhaus an. Alles war sorgfältig arrangiert worden. Zwei Blocks weiter traf er dann auf Nat. "Ist glatt gelaufen!", konnte er ihm berichten. "Clifford hat die Codekarte."
"Großartig! Unsere Beobachtungsposten haben Stellung bezogen – jetzt müssen wir nur noch abwarten, was passiert..."
"Hör mal, Nat", fiel Brandon ein, "bist du sicher, dass tatsächlich Rauschgift irgendwo da drinnen versteckt ist?"
"Wieso?", fragte Nat irritiert.
"Ich habe mir die Sachen angesehen. Da war nicht der geringste Platz in den Exponaten, um darin irgendwas zu deponieren. Außer, es wären gut gemachte, hohle Duplikate. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Austausch stattgefunden haben soll!"
"Es muss aber da sein! Unsere Hunde haben eindeutig angeschlagen beim Zoll!"
"Die Kisten waren aber leer!"
"Die Kisten!", rief Nat. "Wir haben es wahrscheinlich mit einer "Mogelpackung" zu tun!"
"Du meinst, die haben einen Hohlraum oder so?"
"Genau das!"
"Nat... kann ich dabei bleiben?"
"Von mir aus... Wenn du dich zurückhältst!... Hast du deinen Sonderausweis dabei?"
"Ja, habe ich!"
"Okay, dann los!"
"Wo ist Tika jetzt?"
"Sie wartet im Wagen der Einsatzleitung auf dich."
"Ich dachte, du wolltest sie nach Hause schicken – hattest du mir versprochen!"
Seufzend grinste Nat seinen Freund an: "Hattest du im Ernst angenommen, dass sie zu Hause sitzen bleibt und dort Däumchen dreht?"
Brandon runzelte seine Stirn: "Du hast ja Recht, wohl kaum!"
Alle waren gespannt, wie die Dealer auf die veränderte Situation reagieren würden. Leichter konnte man es ihnen wirklich nicht machen. Zumal es offiziell in dem alten Lagerraum selbst noch keine Videoüberwachung gab, nur auf den Zugangsfluren und draußen vor dem Hintereingang.
Gerry saß nun ebenfalls auf heißen Kohlen, ob er von seinen Kontaktleuten einen Anruf bekommen würde. In dem Fall würde er vorher den Ort der Übergabe wissen und die DEA somit vor den Dealern eintreffen können.
Norman Clifford jedenfalls hatte schnell reagiert. Nachdem die Studenten ihre Arbeit beendet hatten, verließen sie das Gebäude gegen 22:30 Uhr durch den Hinterausgang.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis Clifford erneut am Vordereingang auftauchte und den Wachmann um Einlass bat: "Entschuldigung!", tat er schüchtern. "Ich komme gerade vom Krankenhaus..."
Natürlich war der Wachtposten eingeweiht und spielte mit: "Und? Wie geht's Doktor Lennard?"
"Er wird schon operiert, glaube ich. War wohl tatsächlich der Blinddarm... Aber was anderes, weswegen ich noch mal hier bin: In der Eile ist seine Jacke unten liegen geblieben, mit seiner Brieftasche und so. Er hat mich gebeten, seine Sachen für ihn zu holen." Er deutete auf die Sporttasche in seiner Hand. "Die Codekarte hat er mir auch gegeben, aber ich dachte, bevor Sie glauben, da sind Einbrecher oder so..."
Der Wachmann schien hoch erfreut: "Ach, das ist nett! Wissen Sie was: Sie geben mir die Karte für den Hintereingang wieder und ich gebe Ihnen die andere – dann können Sie von hier aus in den Keller und müssen nicht extra hintenherum!"
"Ja, prima, vielen Dank! Ich beeile mich auch!"
Schon eilte er hinunter in den Lagerraum. Dort war er gut zu sehen auf der versteckten Kamera. Zielgenau steuerte er verschiedene Kisten an, entfernte aus den Hohlräumen etliche Päckchen Kokain und stopfte sie unter eine Jacke, die sich in der Tasche befand. Dann ging er wieder nach oben und verabschiedete sich höflich vom Wachmann. Vorsichtig nahm die DEA die Verfolgung seines Wagens auf................................
"Oh!"
Mit einem Ruck schoss Brandon im Bett hoch: Er hatte wohl vergessen, den Wecker zu stellen.
"Was ist..?" Schlaftrunken machte Tika neben ihm ihre Augen auf.
"Ich habe verpennt! In einer halben Stunde ist Vorlesung... Bleib' ruhig liegen, du kannst ja nachkommen!"
In Windeseile suchte er seine Klamotten zusammen, packte seine Tasche und sprang unter die Dusche. Dann schwang er sich, noch mit halbnassen Haaren, auf sein Rad und düste los.
Mit fünf Minuten Verspätung betrat er den Hörsaal. Er ging zum Pult, nahm die Unterlagen aus seiner Tasche und heftete sich das Mikro an die Brust: "Einen wunderschönen guten Morgen!"
"Morgen!" schallte es zurück, während in den vorderen Reihen schon einige Studenten grinsten wegen seiner nassen Haare. Sie nutzten jede sich bietende Gelegenheit zu einem kleinen Schlagabtausch. Das hatte sich schon, wie ein Ritual, eingebürgert. Genauso wie der höfliche Ton, der das Ganze noch ein wenig auf die Spitze trieb. So auch jetzt: "Ach, sagen Sie, Doktor Lennard: War die Nacht zu lang oder die Zeit zum Duschen zu kurz - Ihre Haare sind ja noch nass!"
Brandon blieb lässig: "Ach, Mr. Whitfield, einen wunderschönen guten Morgen auch Ihnen!" Er griff sich an den Kopf: "Nasse Haare sagen Sie? Tja, gut beobachtet: Da habe ich anscheinend wohl zu lange im Internet gesurft!"
Im Hörsaal brach Gelächter aus, so liebten sie ihren Doc!
Michael Whitfield ließ nicht locker: "Und Ihre reizende Assistentin, wo ist die? Surft die noch im Internet?" grinste er vielsagend.
Erneut ging Gelächter durch die Reihen: Mittlerweile wusste natürlich jeder, dass die beiden ein Paar waren und seit kurzem auch zusammen bei Brandon wohnten.
"Aber, aber, Mr. Whitfield... Kennen Sie nicht die neue Regelung?" kam es prompt retour.
Michael Whitfield zuckte fragend mit den Schultern.
Und bekam postwendend seine Antwort: "Na, vorlaute Studenten müssen doch jetzt ein Extra-Semester machen: Ein Knigge-Semester!" Schmunzelnd streckte Michael ihm schon den erhobenen Daumen entgegen, während ein anderer Kommilitone in den Saal rief: "Hey, Whitfield, so viele kannst du ja gar nicht absolvieren, wie du nötig hättest!" und das Ganze im Gelächter der Studenten unterging.
Als er am Nachmittag in sein Büro kam, wartete schon eine E-Mail auf ihn. Sie kam aus Cuzco, von Carlos Ramirez. Es war eine verdammt gute Nachricht: Er teilte ihm mit, dass man endlich Mittel für eine Expedition bewilligt bekommen habe. Sie würde in Ecuador stattfinden, auf der alten Inka-Route, am Fuße des Pichincha-Gebirges, ungefähr 25 km von Quito entfernt. Und einer der bekanntesten Experten für den mittel- und südamerikanischen Kulturraum, Prof. Dr. Gregory Harrison, hatte seine Teilnahme zugesagt.
Wow, dachte Brandon bei sich, mit Harrison zusammen arbeiten... das wär's noch! Dann las er weiter und glaubte seinen Augen kaum zu trauen: Ramirez schrieb, dass er ihn als dritten Experten vorgeschlagen habe!
Brandon rieb sich die Augen: Hatte er jetzt schon Halluzinationen?! Doch da stand es schwarz auf weiß! Da stand sein Name! Und Ramirez bat umgehend um Bestätigung.
Er hatte es ein paar Mal versucht, doch immer mit dem gleichen Ergebnis: Der Anschluss unter dem Namen seiner Mutter existierte nicht mehr. Selbst übers Internet war in den örtlichen Registern keine Eintragung zu finden.
Als er mit Tika an diesem Abend von der Uni zurückkam, lag Post im Briefkasten: Ein freundlicher Nachmieter hatte den Brief an seine Mutter netterweise zurückgesandt und darauf vermerkt, dass sie unbekannt verzogen sei.
Er hatte sich auf die Couch gesetzt, hielt den Brief in seinen Händen und rang mit seiner Fassung. Tika setzte sich daneben und legte ihren Arm auf seine Schulter. "Donnio mio... es tut mir so leid! Du musst sehr enttäuscht sein von deiner Mama...."
Brandon sah sie an und seine Augen füllten sich mit Tränen: "Weißt du... ich wollte ihr einfach nur sagen, wie glücklich ich bin... von uns erzählen, von der Expedition... So, wie man einer Mutter das eben erzählt. Ewig nur diese dämlichen nichtssagenden Nachrichten auf dem AB... wenn überhaupt. Aber anscheinend bin ich ihr mittlerweile völlig egal! Ich verstehe das nicht!"
"Aber mir du bist nicht egal!" Zärtlich nahm sie ihn in die Arme und er weinte sich seine Enttäuschung von der Seele.
Bei Tika fühlte er sich zu Hause.
Es war alles sehr schnell gegangen: Nachdem der ganze Papierkram erledigt war, hatte man die Expedition zu Beginn der Semesterferien im Juli festgesetzt. Das Beste an der Sache war, dass ihm eine studentische Hilfskraft zustand. Keine Frage, auf wen die Wahl da fiel. Tika war begeistert: Sie würde ein Praktikum dort vor Ort absolvieren können und auch noch fast zuhause sein, denn sie kam ja aus Quito. Ihre Eltern freuten sich schon sehr darauf, sie wiederzusehen - und ihren Freund, von dem sie so begeistert sprach, kennen zu lernen.
So kam es, dass Tika und Brandon sich zwei Wochen vor Beginn der Expedition von ihrer Uni verabschiedeten und bereits nach Ecuador flogen, um einige Zeit bei Tikas Eltern zu verbringen.
"Ach, Tatika, mein Schätzchen! Es ist so schön, dich hier zu haben!"
Sie saßen alleine in der Küche, Mutter und Tochter, und hatten sich viel zu erzählen.
Liebevoll strich Carmen Ramos ihrer Tochter über den Rücken: "Und deinen Donnio mögen wir auch!"
Brandon machte gerade mit Tatikas Vater einen Spaziergang.
Fast verlegen lächelte Tatika ihre Mutter an, griff ihre Hand und drückte sie: "Ach, Mama... ich bin so glücklich! Ich liebe ihn!"
"Das musst du wohl wirklich... Ich habe gesehen, dass er deinen Anhänger trägt: Aus meiner kleinen Tika ist eine junge Frau geworden... Habe ich Recht?"
Tika war klar, worauf sie anspielte und sah sie offen an: "Mama... er hat mir viel Zeit gelassen, musst du wissen. Du sollst nur tun, was du wirklich willst, hat er immer gesagt. Und dass er warten kann. Oh, Mama... er war so... so zärtlich, so vorsichtig... So habe ich es mir immer vorgestellt, weißt du... Ich habe nicht gedacht, dass es so schön sein kann!"
"Sieht aus, als meinte er es wirklich ehrlich mit dir." Sie schmunzelte. "Ist ja auch nicht zu übersehen, wie verliebt er dich anschaut! Wird einem ganz warm ums Herz, wenn man euch zwei so sieht!"
Für einen Moment schwiegen sie sich an, dann wagte Carmen endlich zu fragen, was ihr auf der Seele brannte: "Und? Wie stellst du dir eure Zukunft vor? Willst du in Amerika bleiben?"
Tika seufzte und zuckte unschlüssig mit den Schultern. "Das kann man jetzt noch nicht sagen... Allerdings, Donnio hat ja keine Familie..."
"Aber da war doch noch seine Mutter?"
"Er hat versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Anscheinend wohnt sie gar nicht mehr in Atlanta. Stell dir vor: Er weiß nicht mal, wo sie jetzt lebt! Sie hat es nicht für nötig gehalten, ihm das zu sagen! Es hat ihm wirklich sehr weh getan!"
"Der arme Junge! Und jetzt?"
"Na ja... er sagte mal was von einer Gast-Dozentur in Cuzco, die sie ihm wohl angeboten haben... Ich glaube, Ramirez würde ihn auch gerne für immer herüberholen!... Ach, wir werden sehen, Mama! Erst mal müssen wir jetzt die Expedition vorbereiten und zu Ende bringen!"
"Wann müsst ihr weg?"
"Morgen ist erst mal ein Arbeitstreffen in der Uni hier vor Ort. Professor Dr. Harrison ist schon in Cuzco bei Ramirez. Die beiden treffen wohl heute Abend hier ein, müssen aber übermorgen erst noch wieder nach Cuzco zurück."
"Ist das nicht sehr umständlich? Ich meine, warum bleiben sie denn nicht sofort hier? Ihr wollt doch Anfang nächster Woche aufbrechen, oder?"
"Ach Mama, du glaubst nicht, wie viel Probleme so eine Expedition macht! Ramirez kämpft immer noch mit irgendwelchen Genehmigungen, die nicht vorliegen. Und technisches Material fehlt noch... ich habe mir früher so etwas auch einfacher vorgestellt!"
Zwei Tage später saßen Carlos Ramirez und Gregory Harrison in Cuzco abends noch bei einem Glas Wein zusammen.
"Und?" Ramirez sah seinen Kollegen gespannt an: "Was halten Sie nun von unserem jungen Dr. Lennard? Habe ich zu viel versprochen?"
Gregory Harrison sah Ramirez an und lachte: "Schon gut, schon gut! Ich muss ja zugeben, dass meine anfängliche Skepsis unbegründet war. Offen gestanden: Der Junge beeindruckt mich!" Verschmitzt lächelte er vor sich hin: "Hat er damals schon, mit seiner ersten Veröffentlichung im Fachblatt!... Er und seine Tatika, total verliebt die beiden! Sie ist aber auch ein nettes Mädchen, nicht wahr?"
"Ja! Und eine der besten Studentinnen, die ich je hatte!"
"Können Sie sich noch erinnern? Als wir in dem Alter waren? Voller Tatendrang und Entdeckergeist! Ganz unter uns: So einen Sohn hätte ich mir gewünscht!"
"Sie haben keine Kinder?"
"Nein - das ist uns leider versagt geblieben. Meine Frau war bedauerlicherweise nicht dazu in der Lage."
"Na, an Lennard als Sohn hätten Sie sicher ihre helle Freude, was?" Ramirez grinste: "Indiana Jones und sein Papa, sozusagen!"
"Weiß Gott!" lachte Harrison zustimmend. "Wir alten Semester dürfen auch noch unsere Träume haben, nicht wahr?"
"Ach, Gregory... wenn ich bedenke, wie lange wir um die Mittel gekämpft haben und in zwei Tagen ist es endlich soweit, dann werden wir in Quito sein! Und glauben Sie mir: Auch in uns steckt noch ein Indiana Jones!"
Die beiden lachten und Harrison fügte schmunzelnd hinzu: "Senior!"
Die Vorbereitungen in Cuzco waren besser als erwartet gelaufen: Eine knappe Woche später stand alles Nötige in Quito bereit und die ersten Helfer waren bereits vom Expeditionscamp zurückgekehrt, wo sie die sanitären Anlagen aufgebaut hatten. Als nächstes nahmen sie das Zeltlager in Angriff, in dem die Teilnehmer während der Dauer untergebracht wurden. Richard Davidson, der technische Camp Leiter, fuhr mit Brandon, Tatika und sechs anderen Helfern vor, zum Fuße des Pichincha, entlang der alten Inka-Straße.
Es war der elfte Juli – Brandons 27. Geburtstag.
"Passen Sie mir gut auf, Lennard, dass alles richtig läuft!" rief Gregory Harrison ihm noch zu, als sich die Jeeps in Marsch setzten. Er selbst und Ramirez mussten noch einige Dinge erledigen. Unter anderem warteten sie noch auf ein Periskop, welches von Cuzco noch nicht eingetroffen war. In zwei Tagen würden sie dann nachkommen.
Die Anfahrt war beschwerlich: Fast sechs Stunden brauchte man mit den Jeeps, durch zum Teil recht unwegsames Gelände. Es war schon später Nachmittag, als endlich die Schlafzelte aufgebaut waren und alle gönnten sich eine Pause. Am Abend wollte man noch gemeinsam grillen und ein bisschen Brandons Geburtstag feiern.
"Na los, komm!" Brandon zog Tika vom Feldbett in dem Zweimann-Zelt hoch, in dem sie in der nächsten Zeit campieren würden.
"Ich aber wollte noch Sachen auspacken, Donnio!"
"Das kannst du auch nachher noch! Los, heute Nachmittag haben wir noch mal etwas Zeit für uns, bevor morgen die Arbeit losgeht! Komm, lass uns jetzt etwas spazieren gehen, sonst... " Er grinste sie schelmisch an.
"Sonst was?"
"Sonst muss ich dich ganz fürchterlich auskitzeln!" drohte er ihr lachend, worauf sie sich geschlagen gab und kichernd ihre Arme um seinen Hals schlang. Brandon drückte sie zärtlich an sich und sah ihr in die Augen: "Tika mia... Jetzt könnte ich glatt...", seufzte er und küsste sie sanft, "aber das werden wir uns hier in der nächsten Zeit wohl verkneifen müssen, schätze ich..."
Eine leichte Röte stieg in ihr Gesicht; sie wurde immer noch so süß verlegen, wenn es darum ging...
"Ach, guck! Unsere Turteltäubchen verziehen sich..."
Fernando, einer der studentischen Helfer im Camp, grinste sie vielsagend an, als sie durch das Lager liefen und, Arm in Arm, Richtung Dschungel verschwanden.
Sie waren etwa fünf Minuten auf dem Zufahrtsweg entlang geschlendert, als Brandon auf einen Felsvorsprung zeigte, der am oberen Ende in ein kleines Plateau zu münden schien.
"Hey, wie wär's: Sollen wir da mal raufklettern? Ist bestimmt 'ne tolle Aussicht von da!"
Tika stimmte zu und so schlugen sie einen Pfad in den Dschungel ein, bis sie am unteren Rand des Felsens angelangt waren.
"Hm..." schüttelte Brandon seinen Kopf. "Ich glaube nicht, dass wir da irgendwo heraufklettern können... alles nur dorniges Gestrüpp drum herum..."
Tika stand mit dem Rücken zum Felsen und schien ganz in Gedanken zu sein.
"Was ist, Tika, kommst du?"
Immer noch stand sie da, wie angenagelt.
"Tika - was hast du?"
Irritiert wollte er auf sie zugehen, doch sie hob plötzlich abwehrend ihre Hände: "Nein! Bleib stehen da!"
"Wieso, was ist denn?" hielt er verwundert inne.
"Donnio... bitte... versuche mal, deine Augen zu schließen..."
"Was? Wieso?"
"Bitte! Tu es einfach!"
"Na, gut..." Er tat, wie ihm geheißen.
"Und jetzt, bitte, versuche nur zu fühlen... also, ob es ist warm oder kalt für dich, ja? Verstehst du?"
"Ja... warm ist mir! Worauf willst du hinaus?"
"Gut! Und jetzt, Donnio, komm her zu mir und stell dich hin hier, wo ich bin, hörst du, ja?"
Er trat neben sie, immer noch ratlos, was sie wohl vorhaben mochte.
"Und jetzt du musst wieder schließen deine Augen und fühlen, ja?"
Sie hatte seine Neugier angestachelt. Brandon schloss seine Augen. "Und jetzt?"
"Warte... warte eine Moment... bitte..."
Es dauerte eine Weile... und mit einem Mal verspürte er es auch und öffnete irritiert seine Augen: "Was ist das?!"
"Du hast es auch gefühlt?" rief Tika aufgeregt.
"Ja! Es ist plötzlich so kalt, wenn man länger hier steht. Merkwürdig!"
"Ja! Es wird kalt!"
"Da muss etwas hinter dem Gestrüpp sein, etwas, dass Kälte verursacht..." überlegte er laut und ging in die Hocke. "Man kann kaum durchgucken..."
In Tikas Augen glänzte der Forschergeist und gemeinsam suchten sie nun nach einer durchgängigen Stelle im Gebüsch. Es gestaltete sich äußerst schwierig, denn das Dornengestrüpp erwies sich als sehr dicht. Schließlich nahm Brandon einen abgebrochenen Ast zu Hilfe. Zusammen bogen sie an einer aussichtsreichen Stelle den Busch auseinander und Tika kroch auf allen Vieren ein Stückchen hindurch. Plötzlich schrie sie auf: "Donnio!!!"
"Was ist, hast du dir wehgetan?"
"Donnio - hier ist ein Loch! Von einer Höhle oder so!!!" rief sie und krabbelte weiter. Jetzt hielt es ihn natürlich auch nicht mehr und er kam ihr hinterher.
Dann hockten sie gemeinsam vor dem etwa 1,50 m hohen und 1,00 m breitem Felsspalt, der von ein wenig Gestrüpp umgeben war.
Über dem Eingang war ein Symbol in den Fels gemeißelt: Es sah aus wie ein Ei, über dessen oberem Ende vier sternförmige Symbole in Kreuzform angeordnet waren.
Fast andächtig strich Tika mit der Hand darüber und sah Brandon an: "Der lange Kreis... Viracocha!"
Brandon klopfte das Herz bis zum Hals: "Tika! Wir haben was entdeckt!... Da, darüber... das könnten vier Sonnen sein... Ich denke, du hast recht: Es hat vielleicht was mit Tiki-Viracocha zu tun, dem Sonnengott!"
Als sie hineinblickten, stellten sie fest, dass es im Inneren der Höhle wieder heller zu werden schien.
"Das Licht muss kommen durch dem Felsen, wo wir wollten klettern." überlegte Tika.
"Ja, du hast wahrscheinlich Recht!... Was meinst du: Sollen wir reingehen oder erst die anderen informieren?"
Sie sahen sich an: "Reingehen!" kam es wie aus einem Munde.
Die Öffnung war gerade groß genug, um hindurch zu schlüpfen. Man musste drei, vier Meter sehr gebückt gehen, bevor die Höhlendecke höher wurde und man schließlich stehen konnte. Und was sie dort fanden, überstieg ihre Vorstellungskraft bei weitem!
Die eigentliche Höhle im Inneren des Felsens war etwa vier Meter breit und fünf Meter lang. Ihre Höhlendecke lag bei etwa drei Metern und verjüngte sich nach oben zu einem etwa zwei Meter breitem Loch, durch das die Sonne schien. Jetzt, gegen Abend, war das Licht eher spärlich, aber wenn die Sonne genau im Zenit über der Höhle stand, wurde sie wahrscheinlich richtig erhellt. Brandon schluckte, sah seine Tika an und ergriff ihre Hand. "Tika... siehst du, was ich sehe?!"
Überwältigt sahen sie sich um:
Das, was da in der Mitte des Raumes stand, war von Menschenhand geschaffen worden und zwar vor langer Zeit. Es sah aus wie eine Art länglicher Tisch, mit einer Vertiefung in der Mitte, aus dessen Innerem Wasser kam, anscheinend eine Quelle. Der Boden des Beckens war ganz fein mit Gold ausgeschlagen und reflektierte das Sonnenlicht. Auf seinem Rand waren lauter Symbole eingraviert, die eindeutig auf den Sonnengott der Inka hinwiesen. Und an der Felswand, die dem Eingang gegenüber lag, entdeckten sie eine Malerei.
"Sieh mal... ", zeigte Brandon auf einzelne Symbole, "Das hier bedeutet Wasser oder Fluss, soweit ich weiß..."
"Und hier ist das Zeichen wieder für Viracocha!"
"Ja... und hier.... siehst du das? Ein Tempel oder ein Königshaus..."
Vorsichtig tauchte Tika ihre Hand in das Wasser: "Es ist ganz weiches Wasser...", stellte sie fest und probierte es, "Trinkwasser!"
Jetzt hielt Brandon ebenfalls seine Hand hinein, bis auf den Grund. Das Becken hatte eine enorme Tiefe, die man so nicht vermutet hätte, jedenfalls versank er fast bis zur Schulter darin. Die Art, wie es gestaltet worden war, verursachte wohl eine optische Täuschung. Am vorderen Rand befand sich eine Art Ausguss, so dass überschüssiges Wasser wieder abfließen und im Boden versickern konnte.
"Wow! Eine Badewanne!" entfuhr es ihm.
Prompt fing Tika an zu kichern und spritzte ihn ein wenig nass.
"Na warte!" Er schnappte sie, nahm sie in die Arme und küsste sie leidenschaftlich. In ihnen beiden hatte die Entdeckung eine große Euphorie ausgelöst und ihre Herzen klopften wild. Sie hatte ihre Arme um ihn geschlungen und sich an ihn gedrückt. Und als sie sich dann tief in die Augen sahen, wussten sie, was geschehen würde...
Seine Lippen fanden ihre, glitten auf ihrem Hals hinab und suchten ihre Brüste, während ihre Hände unter sein T-Shirt wanderten und seinem Reißverschluss fanden. Geschickt hob er sie auf den breiten Rand des Beckens und ließ seine Lippen ihre Reise fortsetzen. Tika stöhnte heftig und mit jeder Berührung mehr wuchs ihrer beider Lust, vergaßen sie alles um sich herum - in ihrem "Liebestempel".....
Der Überfall kam ohne jede Vorwarnung:
Die acht Männer hatten sich unbemerkt von drei Seiten an das Camp herangeschlichen und Richard Davidson spürte plötzlich den Lauf einer Waffe an seiner Schläfe. Und er war nicht der einzige, dem es so erging. Sie hatten alle vor dem Hauptzelt zusammengetrieben und sich in einer Reihe aufstellen lassen. Jedem wurden die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und alle mussten auf die Knie gehen. Niemand von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
"Wer hat hier das Sagen?!" schrie man sie an.
Richard Davidson meldete sich.
"Sind das alle?" wurde er angeschnauzt.
Schnell bejahte er und hoffte inständig, dass die anderen dichthalten würden und dass der junge Doktor und seine Freundin noch weit weg waren. Er sah die nackte Angst in den Augen seiner jungen studentischen Helfer.
"Bitte..." wagte er zu fragen, "könnten Sie uns erklären, was das alles soll?"
Sie erfuhren es: Der Anführer des Überfallkommandos, den sie Jack riefen, trat vor sie hin und gab ihnen zu verstehen, dass sie dem Carlos-Kartell in die Quere gekommen seien. Dass man hier in den Bergen versteckt operiert habe und es ungesund sei, hier herumzuforschen. Und, dass es ihm leid täte, aber man in dieser Gegend Forscher auf keinen Fall gebrauchen könne.
Es waren die letzten Worte, die sie in ihrem Leben hörten.
"Oh Donnio, ist das nicht grandioso?! Das ist so eine schöne Geburtstagsgeschenk für dich! Ich bin so aufgeregt!"
"Und ich erst! Ich kann's kaum erwarten: Was wohl die anderen zu unserer Entdeckung sagen werden?!
Hoffentlich", grinste er Tika an, "haben die nicht schon gedacht, dass wir im Dschungel verschollen sind!"
Sie gingen gerade wieder in Richtung Zufahrtsweg, als sie mehrmals nacheinander einen Knall hörten. Irritiert hielten sie inne.
"Was war das, Donnio?"
"Ich weiß nicht, Tika... Hörte sich an wie... Schüsse... oder?"
Sie zuckte mit den Schultern: "Das ist unheimlich... Es hat doch keiner von uns ein Gewehr, oder doch?"
"Doch... Richardson, soweit ich weiß. Vielleicht hat er ein Tier erlegt?"
Ratlos sahen sie sich an.
"Bleib' du hier im Gebüsch, Tika! Ich gehe am Weg mal vorsichtig gucken, ob ich was sehen kann, okay?"
Er wollte schon losgehen, als zwei heftige Detonationen sie erschrocken zusammenfahren ließen. Das war schon mehr als merkwürdig: Irgendetwas ging da vor sich!
Gemeinsam schlichen sie sich nun vorsichtig bis zum Weg und sahen von weitem, was die Detonationen verursacht hatte: Die beiden Jeeps, die vorne am Zufahrtsweg parkten, waren explodiert! Und etwas weiter vorne konnten sie jemanden mit einer Maschinenpistole in der Hand erkennen.
Ängstlich ergriff Tika Brandons Hand: "Donnio... was ist da passiert? Wer sind die?!"
Er musste selber schlucken, legte den Finger auf den Mund und bedeutete ihr, leise zu sein. "Wir müssen uns vorsichtig an das Lager heranschleichen", flüsterte er ihr zu, "nur so können wir sehen, was wirklich da los ist... Oh Mann... Harrison und Ramirez wollen erst übermorgen gegen Mittag hier eintreffen!... Tika, wir können ohne die Jeeps hier nicht weg... Wir müssen irgendwie mit ihnen Kontakt aufnehmen... Ich muss versuchen, an mein Satelliten-Handy zu kommen... Los, lass uns gehen, okay?"
Traurig sah sie Brandon mit ihren großen, braunen Kulleraugen an: "Was du glaubst, Donnio... ob die anderen sind in Ordnung?"
"Ach, Tika..." Er nahm sie in seine Arme. Für einen Moment hielten sie sich engumschlungen fest und versuchten, sich gegenseitig Mut zu machen. Dann strich er liebevoll über ihr Gesicht: "Geht's?"
Tika nickte und sie machten sich auf den Weg... ihre Augen angstvoll auf das Unbekannte gerichtet.
Auszug aus Kapitel 5
Während Tika in einiger Entfernung wartete, hatte Brandon es geschafft, sich von hinten ins Zelt zu schleichen. Aber gerade, als er seinen Rucksack mit dem Handy holen wollte, wurde er doch noch erwischt.
"Tika lauf weg! Zu Viracocha!!" Er versuchte noch, sie zu warnen und hoffte, dass sie es bis zur Höhle schaffen würde.
Kurz darauf hörte er ihr Schreien und einer der Männer zerrte sie an den Haaren herbei, vor das Gemeinschaftszelt, wo sie ihn auch hingebracht hatten. Als er dort hineinsah, musste er gegen seine aufsteigende Übelkeit ankämpfen: Da lagen die anderen... erschossen.
Der Anführer der Gruppe, dieser Jack, war ein eher besonnener Typ, ruhig, aber bestimmt. Brandon war aufgefallen, dass er Amerikaner zu sein schien und er fragte sich, was ihn wohl zu diesem Trupp verschlagen hatte. Jedenfalls sah es so aus, als würden die Anderen ihm bedingungslos gehorchen. Er hatte befohlen, sie erst mal nicht zu erschießen, bis man sicher sei, dass sich niemand anders mehr hier herumtreiben würde. Brandon sah Tika an: Auch sie hatte die Toten gesehen und stand, wie versteinert vor Angst, neben ihm.
Doch jetzt waren sie erst einmal der Willkür von diesem Juan Martinez ausgeliefert, der ihn im Zelt entdeckt hatte. Aus seinen Augen sprach blanker Hass und eines wurde Brandon in diesem Moment erschreckend klar: Dieser Mann war der Gefährlichste von allen.
Er hatte sich Brandons Rucksack geschnappt und begann, darin herumzuwühlen.
Siedend heiß durchfuhr es Brandon: Der Scherzausweis der DEA! Wenn er den in seiner Brieftasche entdeckte und nicht erkannte, dass er unecht war... Oh Gott! Er spürte, wie ihm der Schweiß hinunterlief, spürte seine Knie butterweich werden. Bloß nichts anmerken lassen...
Doch es war zu spät: Triumphierend hielt Juan Martinez seine Entdeckung in der Hand und fuchtelte wild damit herum.
"Was haben wir denn hier? Hä?! Einen Bullen haben wir hier, Leute!!!" Er hielt das Dokument in die Runde. "Einen "Sonderberater der DEA"! Ich sag dir was, Bulle: Das ist hier einen Scheißdreck wert, dein Sonderberater - einen Scheißdreck, hörst du??!! Und was soll das überhaupt sein: Experte für Apathologie? Kannst du mir erklären, Bulle, warum ihr euch nicht vernünftig ausdrücken könnt? Oder hat euch eure Weisheit schon so ins Gehirn geschissen?" versuchte er, Brandon der Lächerlichkeit preiszugeben.
Augenblicklich war Brandon klar, dass dieser Mann ihm den Scherzausweis sowieso nicht glauben würde und versuchte, eine andere Erklärung finden: "Das hat mit Pathologie zu tun, Gerichtsmedizin... ich habe ein paar Semester Pathologie gehabt..."
Jetzt trat dieser Juan so dicht an ihn heran, dass er seinen stinkenden Atem roch - und die Pistole spürte, die er ihm unter sein Kinn presste.
"So, so, Bulle..." Martinez grinste hämisch. Dann entfernte er sich wieder ein paar Schritte. "Dann bist du also so ein Leichenfledderer! Na, mal überlegen: Dann kommt es dir ja sicher auf eine Leiche mehr oder weniger nicht an..."
Und dann brüllte er, noch während er ihnen den Rücken zuwandte, ein lautes: "Hab ich Recht, Bulle??!!" in den Dschungel.
Brandon spürte die Anspannung in jedem einzelnen Muskel und die Angst schien das Adrenalin tonnenweise in seinen Körper zu pumpen.
Er reagierte ohne nachzudenken und warf sich mit einem Ruck schützend vor Tatika, als Juan Martinez sich ganz plötzlich umdrehte und einen gezielten Schuss auf sie abgab.
Im Fallen riss er sie mit um und spürte noch den heißen Schmerz, der seine linke Rippenseite durchbohrte, bevor er bewusstlos am Boden lag.
Tatika beugte sich schluchzend über ihn: "Nein! Donnio, bitte, sag' doch was!"
Als Brandon die Augen wieder öffnete, sah er, wie dieser Jack plötzlich neben Juan stand und ihm seine Pistole in den Nacken drückte.
"Was glaubst du, was du hier tust?!" herrschte er ihn an.
Alle anderen zuckten merklich zusammen, selbst Juan wurde mit einem Mal zuckersüß: "Nichts... schon gut... reg' dich ab!"
Ungerührt hielt Jack weiter seine Waffe auf ihn gerichtet: "Du lässt die Finger von dem Bullen... und auch von der Frau, ist das klar?!"
Juan versuchte, die Sache ins Lächerliche zu ziehen, um vor den anderen sein Gesicht nicht zu verlieren: "Hey, Mann, alles klar... Hähä... willst wohl gerne deinen schwulen Schwanz in ihn reinstecken, was?!"
Und während die anderen verstohlen grinsten, traf Jacks schnelle Faust ihn direkt ins Gesicht und schickte ihn zu Boden. "Hat noch jemand einen Kommentar?" fragte er ganz ruhig in die Runde.
Ein stilles Kopfschütteln war die Antwort.
Er steckte seine Waffe weg. "Seht zu, dass wir fertig werden - wird Zeit, dass wir ins Lager kommen!"
Die anderen sechs Männer gingen ebenfalls und Jack kam nun auf die beiden zu.
Tatika zitterte wie Espenlaub. Er sah Brandon direkt an, sein durchdringender Blick fixierte ihn einige bange Sekunden lang; ohne das auch nur die geringste emotionale Regung in seinen Augen zu sehen gewesen wäre. Dann wandte er sich plötzlich ab und ging zu seinem Jeep, aus dem er einen Erste-Hilfe-Kasten mitbrachte.
Er drückte Tatika den Kasten in die Hand. "Wir müssen jetzt los. Zu Fuß. Leg deinem Freund einen Druckverband an, damit die Blutung aufhört, kannst du das?"
Sie nickte.
Dann sah er Brandon eindringlich an: "Besser du schaffst es zu Fuß, Kleiner... sonst müsste ich dich gleich hier erschießen. Verstanden?"
Brandon sah ihn an und nickte, worauf Jack ihm seine Hand entgegenstreckte und Tatika half, ihn hochzuziehen. "Okay... seht zu, dass ihr fertig werdet." Dann wandte er sich ab.
Instinktiv spürte Brandon seine Chance, wusste, wenn er diesen Mann auf seiner Seite hatte, dann gab es für sie eine Überlebenschance. "Hey..?"
Jack drehte sich um, sah ihn wieder so durchdringend an: "Was?!"
Brandon setzte den freundlichsten Blick auf, zu dem er imstande war: "Danke."
Tatsächlich schien Jack irritiert, jedenfalls erwiderte er nichts und ging zum Jeep zurück.
Dafür fand Juan Martinez sich wieder ein und schnauzte Tatika an: "In zehn Minuten gehen wir! Sieh zu, dass du Lockenköpfchen auf die Beine kriegst!"
Die Luft wurde immer schwüler und der Schweiß rann ihm aus allen Poren. Es war ein unwegsamer Trampelpfad durch den Dschungel am Fuße des Pichincha, der auch schon so genug Mühe machte. Und dieser bohrende, brennende Schmerz in seinen Rippen schien ihm kaum Platz zum Atmen zu lassen. Keuchend setzte er einen Fuß vor den anderen, Tatikas besorgten Blick auf sich geheftet. Der Verband war schon völlig durchgeweicht von der blutenden Wunde und färbte sein T-Shirt rot.
Sie waren etwa zwanzig Minuten gelaufen, als er plötzlich stöhnend auf die Knie sackte, zitternd und kreidebleich im Gesicht.
"Kurze Pause, Leute!" befahl Jack, der immer hinter ihm gelaufen war. "Er kann sich einen Moment ausruhen."
Tatika hatte ihn in den Arm genommen, gab ihm aus der Flasche zu trinken, die Jack ihr gereicht hatte und kühlte seine Stirn mit einem nassen Tuch.
Brandon sah sie an, als wolle er den Anblick ihrer Augen in sich aufsaugen. "Tika..." flüsterte er leise. "du darfst auf mich keine Rücksicht nehmen... wenn du fliehen kannst, dann tu es - hörst du!"
Sie kämpfte kopfschüttelnd mit ihren Tränen, küsste ihn auf die Stirn und flüsterte entschlossen: "Nein! Ich liebe dich! Wenn dem sein soll, dann wir sterben zusammen!"
"Ach... Tika mia..."
Schon stand Jack vor ihnen: "Ich würde jetzt sagen, wir müssen weiter! Also, Kleiner, sieh zu, dass du auf die Beine kommst!"
Brandon verstand selbst nicht, woher er die Kraft nahm, wieder weiter zu laufen. Aber irgendwie ging es.
Es musste gehen.
Nach knapp einer weiteren viertel Stunde Fußmarsch waren sie endlich am Ziel: Ein gut verstecktes Camp, aus der Luft nicht sichtbar, mit zwei Bunkern: Einem Waffendepot und einem Drogendepot.
Brandon hatte zuletzt nur noch mechanisch einen Fuß vor den anderen gesetzt und apathisch vor sich hingestarrt. Ein Marsch durch die Hölle, bei dem jede Sekunde zu einer Ewigkeit zu werden schien.
"Bringt die beiden in mein Depot!" hatte Jack befohlen.
Doch bis dahin kam Brandon nicht mehr: Lautlos war er zusammengesackt und hatte das Bewusstsein verloren.
"Na schön..." murmelte Jack, dann befahl er zwei von seinen Männern: "Ich nehme die Frau, ihr tragt ihn rein, los!"
Sie wurden in das Waffendepot gebracht, einem halb unterirdischen Bunker. Die Waffen lagerten in einem abgeteilten Raum, der durch eine Art Gefängnisgitter geschützt war. Dort schloss man sie ein. Im hinteren Teil des Bunkers schien hinter einer Bretterwand noch ein abgeschlossener Raum zu sein, jedenfalls deutete eine Holztür darauf hin. Jack und seine Leute gingen wieder und schlossen von außen ab.
Tatika versuchte, Brandon einigermaßen bequem hinzulegen. Es war angenehm kühl im Bunker und langsam kam er wieder zu Bewusstsein.
"Tika..." stöhnte er geschwächt. "Was ist passiert?"
"Du bist einfach umgekippt," streichelte sie sein Gesicht. "viel von dein Blut verloren..."
"Wo sind wir?"
"Ist ein Bunker. Muss das Lager sein, sie wollten gehen... sieh bloß die Sachen hier, Donnio: Alles Waffen!"
Brandon stöhnte.
"Hast du Schmerzen?"
"Ja, und mir ist total schwindelig... Ach Tika mia... in was sind wir da bloß hineingeraten?"
Sie nahm ihn noch fester in ihre Arme. "Ich hab' Angst..."
"Ja... ich auch, Tika... Ich muss immer an die anderen denken, wie sie da lagen, kaltblütig erschossen!" In seinem Blick lag eine gewisse Resignation. "Ich wollte, ich könnte wenigstens dich von hier wegbringen..."
"Ach, du...", strich sie ihm sanft übers Haar, "du hast schon Held spielen gemusst und dich vor mich schmeißen... Ist dem nicht genug Held?"
Brandon lächelte vor sich hin und fühlte sich merkwürdig glücklich in diesem Moment: Er liebte ihre holprige Sprache, jeden ihrer süßen, kleinen Fehler... Doch dann sah er sie ernst an: "Ich liebe dich, Tatika! Wenn wir hier rauskommen..."
"Ja?"
Er musste mehrmals Luft holen, dass Reden strengte ihn an: "Wenn wir hier rauskommen: Tika - willst du mich heiraten?"
Jetzt konnte sie nichts mehr gegen die Tränen tun, die aus ihren Augen schossen: "Ja, Señor Lennard - ich will deine Frau sein! Ich liebe dich!"
Er sah in ihre liebevollen Augen und wusste, dass er diesen Blick nie wieder aus seinem Gedächtnis würde löschen können. Ein zärtlicher Kuss besiegelte ihr Versprechen.
Es drang schon kein Tageslicht mehr durch das kleine Fenster des Bunkers, nur ein paar einsame Motten zogen unter dem spärlichen Bunkerlicht ihre Kreise, als Jack hereinkam. Sorgfältig schloss er den Eingang von innen zu, öffnete dann das Gitter. Tatika schluckte ängstlich, als er auf sie zukam. Was würde jetzt geschehen?
Brandon war eingenickt, Jacks Stimme weckte ihn auf: "Wie geht's ihm?" fragte der und ging auf die Knie, während er auf das blutdurchtränkte T-Shirt sah. Dann schüttelte er den Kopf und fuhr sich nachdenklich mit der Hand durchs Gesicht: "Er hat schon viel zu viel Blut verloren... Los, hilf mir, ihn rüber zu bringen!" deutete er auf die verschlossene Tür im hinteren Teil des Bunkers.
Gemeinsam hievten sie Brandon hoch, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Es sollte sich herausstellen, dass in dem anderen Raum Jacks privates Quartier war. Sogar ein Feldbett stand dort, auf das er Brandon legte.
"Los!" befahl er Tatika: "Zieh ihm das T-Shirt aus und entferne den Verband: Wir müssen die Kugel rausholen!... Schau mich nicht so entsetzt an! Er hat sonst keine Chance!"
Jack war ein Mann, der nicht lange fackelte und der sich genau auszukennen schien. Bevor Brandon sich versah, hatte er ihm seine Hände am Kopfende des Bettes festgebunden, so das er mit gestrecktem Oberkörper dort lag. Er hatte einen Verbandskasten mitgebracht, nahm eine Mullbinde heraus und hielt sie Brandon vor die Nase: "So, Kleiner: Die nimmst du jetzt zwischen die Zähne, damit du dir nicht auf die Zunge beißt! Es wird nämlich weh tun, aber ich muss dir die Kugel rausholen – verstanden?"
Brandon hatte keine Wahl.
Tatika sah die Tränen in seinen Augen, sah, wie er sich die Binde zwischen die Zähne schieben ließ und zitterte vor Angst und Schmerz.
"Halte seine Beine gut fest, hörst du!" befahl ihr Jack und sie tat, wie ihr geheißen.
Das Desinfizieren der Wunde brannte höllisch und Brandon biss verzweifelt auf die Binde, während sein lautes Stöhnen durch den Mull drang. Sein Puls hämmerte in den Schläfen wie ein Presslufthammer.
"Tut mir leid, Kleiner..." murmelte Jack, "aber das ist erst der Anfang..."..........................................
Soweit also die Leseprobe!
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Einfach schreiben unter post@orelindehays.de
Texte: Orelinde Hays
Bildmaterialien: Orelinde Hays
Lektorat: K. Kummer
Tag der Veröffentlichung: 22.06.2013
Alle Rechte vorbehalten