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Es begab sich dereinst im Orient, in der alten Stadt Daraan.
Noch heute erzählt man sich dort die Geschichte um ein geheimnisvolles Findelkind...

Jeder, der in Andalees Augen sah, war wie verzaubert, das war schon immer so gewesen.
Und heute, als junge Frau mit ihren zarten 25 Lenzen, übte sie diese Faszination umso mehr auf alle Menschen aus, die ihr begegneten. In ihrem offenen Blick wohnte eine wohltuende Wärme und man fühlte sich gleich verstanden und willkommen.

Andalee war ein Findelkind und von Amira und Zoltan aufgenommen worden, einem kinderlosen Ehepaar. Sie gaben ihr ein liebevolles Zuhause und Zoltan erzählte gerne von dem Abend, an dem er Andalee auf dem Heimweg in einer der schmalen Gassen im Armenviertel von Daraan gefunden hatte.
Schon als Baby war sie wunderschön gewesen: Mit einem Teint wie feinstes Porzellan und Haaren schwarz wie Ebenholz, sah sie die Menschen aus ihren hellen Augen an, die wie grüne Jade funkelten.
Und doch gab es da ein seltsames Geheimnis, das sie umgab:
Andalee sprach nicht. Was aber nicht bedeutete, das sie keine Stimme hatte. Zoltan nannte es "Das Wunder, durch das sie zu uns kam".
Und er berichtete von jenem bedeutungsvollen Abend...

"Ich war nach der Arbeit auf dem Heimweg und freute mich auf Amira, meine liebe Frau. Wir waren beide schon fast dreißig Jahre alt und wünschten uns sehnlichst ein Kind, doch das Schicksal hatte uns dies noch nicht zuteil werden lassen. Sicher, wir lebten nicht in den besten Verhältnissen, sondern am Rande von Daraan in einer eher bescheidenen Unterkunft. Aber wir waren glücklich! Amira arbeitete für ein paar Stunden als Zugehfrau bei einer der reichen Familien in der Nähe des Palastes von Sultan Rashid. Ich war froh, das ich für ein paar Tage im Steinbruch Arbeit gefunden hatte, nachdem die Werkstatt des Hufschmieds, bei dem ich gewesen war, einem Feuer zum Opfer fiel. Jedenfalls spürte ich jeden Knochen nach den Stunden im Steinbruch und beschloss darum, eine Abkürzung durch die hinteren Gassen des Armenviertels zu nehmen, um ein wenig früher zu Hause zu sein. Es war spät geworden, die Sonne versank langsam und tauchte alles in ihr warmes Abendrot. Beinahe wäre ich im Halbdunkel über einen achtlos da hingeworfenen Lumpensack gestolpert, als ich plötzlich seltsame Laute vernahm. Irritiert blieb ich stehen und lauschte. Es klang wie eine Art gurgelndes Singen, ganz zart und leise. Hm... aus einem der Hinterhöfe kam es nicht. Die Neugier trieb mich voran und führte mich zu einer abgelegenen Ecke, in der sich allerlei Unrat befand. Da! Jetzt hörte ich diesen seltsamen Klang wieder, kam des Rätsels Lösung immer näher. Was konnte es sein? Und plötzlich stand ich vor einer kleinen Kiste und darin lag... ein Baby! Das kleine Wesen mochte höchstens vier Wochen alt sein; lag da völlig unbekleidet und sah mich mit seinen großen Augen flehend an. Es war ein kleines Mädchen, von zierlicher Gestalt, mit pechschwarzem Haar und sie war wunderschön!
Nachdem ich vor Erstaunen zunächst wie erstarrt gewesen war, beugte ich mich hinunter zu ihr und sprach sie behutsam an: "Na, du kleine Schönheit, wer hat dich denn so einfach hier liegen lassen, hm? Hab’ keine Angst, ich werde mich um dich kümmern..."
Sie weinte und wieder hörte es sich an, als würde sie singen; eine zu Herzen gehende traurige Melodie. Doch als ich sie dann im Arm hielt, da lächelte sie mich an und aus ihren hellen Augen strahlte Vertrauen.
"Weißt du, was, meine Kleine: Ich nenne dich Andalee, das heißt Nachtigall, denn dein kleines glockenhelles Stimmchen ist das schönste, das ich je von einem Baby gehört habe..."
So kam Andalee zu uns. Und blieb bei uns, den ihre Eltern ließen sich nicht auffinden. Ja, und nun ist sie schon 25 Jahre alt, unser Schatz..."

Nachdem Andalee dem Kleinkind-Alter entwachsen war, hatten alle gehofft, das sie irgendwann anfangen würde zu sprechen, aber das tat sie nicht. Sie hatte zwar eine Stimme, doch schien sie keine Worte formen zu können. Statt dessen sang sie, formte jedes Wort wie ein kleine Melodie. Und seltsamerweise verstanden die meisten Menschen, was sie damit ausdrücken wollte. Es gab eigentlich niemanden, der sie nicht mochte, denn ihr natürliches frohes Wesen bezauberte jeden auf Anhieb. So war das Leben ihr wohlgesonnen. Und wenn sie lachte, das klang das wie ein kichernder Delphin und machte jeden um sie herum ebenfalls fröhlich.

"Ahmad!! Wo steckt er schon wieder?!"
Wutentbrannt war Sultan Siddig El Fadil Karim El Mahdi Rashid in die große Halle seines Palastes gelaufen, auf der Suche nach seinem Sohn und Erben, der sich mal wieder unbemerkt aus dem Staub gemacht hatte. Seine Frau Zaahirah war ihm nach geeilt und versuchte nun, ihn zu beschwichtigen.
"Mein Liebster, grämt Euch nicht. Ihr werdet sehen: In ein paar Stunden ist er wieder da; er braucht seine kleinen Freiheiten - denkt Ihr nicht?" Beruhigend strich sie ihm über die Schulter, lächelte ihn an und meinte: "Er hat das heiße Blut seines Vaters... das, was Euch damals für mich so attraktiv gemacht hat... Erinnert Ihr Euch, Sultan meines Herzens?" Und als sie ihn zärtlich küsste, war seine Wut schon fast wieder verraucht.
Schmunzelnd sah der Sultan seine Frau an: "Wie schafft Ihr es nur immer wieder...?" Dann seufzte er leise auf: "Denkt Ihr, ich bin zu streng, mit unserem Sohn?"
Ihr gütiger Blick signalisierte Verständnis: "Nein... Ihr seid ein Vater, der sich sorgt. Und dafür liebe ich Euch!"

Ahmad seufzte leise vor sich hin. Sein Blick ging in die Ferne und er schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Der Abendwind strich durch die Dattelpalmen und der Geruch von Gewürzen lag in der Luft, während in den Häusern die letzte Mahlzeit des Tages zubereitet wurde. Er hörte Menschen reden, Kinderlachen und sein Herz fühlte sich schwer an.
"Ahmad, lieber Freund, was ist mit dir? Du bist so trübsinnig... Welcher Kummer plagt dich?" Sein Freund Halil sah ihn von der Seite an und in seinem Blick lag echte Sorge. Sie saßen unter dem Küchenfenster im Hinterhof von Halils Großmutter Tovah. Es war Ahmads geheimer Rückzugsort; hier konnte er für ein paar Stunden vergessen, dass er der Sohn des Sultans war und dereinst diese große Bürde würde tragen müssen.
Halil war der Sohn von Yamina, der Köchin bei Hofe. Sie war Witwe geworden, als Halil noch ein Baby war. Zu ihrem Glück wurde damals eine Köchin gesucht und die Frau des Sultans erlaubte ihr, den Jungen bei Hofe groß zu ziehen. Und da Ahmad das einzige Kind des Sultans blieb und die beiden gleich alt waren, spielten sie oft zusammen und wurden beste Freunde. Oft half er ihm, sich aus dem Palast davon zu schleichen. Dann zog Ahmad seine alten Sachen an und beschmutzte sich das Gesicht; so fiel er draußen nicht auf. Und mit den Palastwachen war der junge Sultan gut Freund; sie drückten gegen kleine Gefälligkeiten gerne ein Auge zu.
Und jetzt sah Ahmad seinen Freund nachdenklich an:
"Weißt du... manchmal möchte ich nur ein einfacher Mann sein, weit weg von all den Verpflichtungen, die wir als Sultans-Familie haben. Aber natürlich bin ich mir auch der Verantwortung bewusst, die vor mir liegt. Ich möchte ein guter Sultan werden; einer, der auch das Volk hört, verstehst du? Ich bin fast dreißig Jahre und sehe, das mein Vater kränker wird. Bald wird meine unbeschwerte Zeit vorüber sein..."
Halils forschender Blick ruhte auf seinem Freund: "Aber da ist noch etwas, oder?"
Ahmads Blick wurde noch trauriger: "Mein Herz fühlt sich so leer an, ich sehne mich so nach der großen Liebe!"
Halil ahnte, was er meinte. Seine Eltern hatten vor, ihn zu verheiraten. Die Hochzeit war arrangiert und sollte in drei Monaten stattfinden. Er legte ihm seinen Arm tröstend um die Schulter:
"Komm, ich glaube, wir sollten besser wieder zurück gehen. Es ist schon spät!"
Resignierend raffte Ahmad sich auf:
"Du hast recht, es wird schon dunkel... lass uns eine Abkürzung nehmen, durch die hinteren Gassen!"
"Ahmad! Das ist zu gefährlich!" gab Halil zu bedenken. Aber da war sein Freund schon los gelaufen.

"Zoltan?" Amira rief nach ihrem Mann, der im Hinterhof mit der Reparatur eines kleinen Abstelltisches beschäftigt war.
"Ja, was ist denn?"
"Kommst du rein, die Linsen sind fertig!"
"Ja... komme gleich, Moment noch..."
Andalee stand neben ihrer Mutter an der Feuerstelle und hielt ihr einen Topf hin. Amira füllte ihn mit Linsen. "Gut, Liebes, bringe das Essen schnell zu Tante Farah, ja?"
Andalee nickte und machte sich auf den Weg. Farah war Amiras Schwester und lag krank zu Hause, ein paar Häuser entfernt.
"Aber gib acht und geh lieber vorne herum, hörst du?" rief sie ihr noch nach. Das Haus ihrer Schwester lag an der Grenze zu den dunklen Gassen, in denen sich viel Gesindel herum trieb. Doch Andalee war schon aus dem Haus geeilt.

"Als hätte ich es geahnt..." murmelte Halil und sah mit ungutem Gefühl auf die drei vermummten Gestalten, die sich ihm und seinem Freund Ahmad da in den Weg stellten. Das sie auf Raubzug waren, war nur zu offensichtlich: Der erste hatte bereits seinen Dolch gezückt und kam drohend auf sie zu.
Ahmad versuchte, sie zu beruhigen: "Bitte... wir haben nichts, was wir euch geben könnten!"
Doch plötzlich war einer der anderen beiden Männer auf ihn zugestürzt, hatte ihn herum gerissen und hielt ihm seine Klinge an die Kehle. Auch Halil wurde nun mit einem Dolch bedroht, während der dritte ihn fest hielt.
"Seid doch vernünftig, er hat recht, wir haben wirklich nichts, was wir euch geben könnten!" versuchte er verzweifelt, die Halunken zu überzeugen. Vor allem durfte ihnen nicht bewusst werden, wen sie da tatsächlich vor sich hatten!
Unsanft wurde er auf den Boden gestoßen. "Na los! Rückt schon raus, was ihr dabei habt!"

Andalee hatte den Schmerzensschrei Ahmads aus der Seitengasse gehört, als ihm der Arm nach hinten gedreht und der Dolch an die Kehle gesetzt wurde. Ihr Herz schlug schneller: Offensichtlich schien da jemand in Not zu sein. Sie stellte den Topf mit den Linsen ab, schlich sich vorsichtig an die Ecke der dunklen Gasse. Und sah, in welch gefährliche Situation die beiden jungen Männer da offensichtlich geraten waren. Was sollte sie tun? Wie noch nie zuvor in ihrem Leben bedauerte Andalee, das sie nicht sprechen und um Hilfe rufen konnte.
Für einen Moment schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Und mit einem Mal...
Eine tiefe innere Ruhe und Stärke erfasste sie und es war, als würde ihr Herz mit unendlicher Liebe und Zuversicht erfüllt.
Jetzt wusste sie, was zu tun war.

Irritiert hatten die Männer diesen seltsamen Gesang wahr genommen und dann sahen sie die junge Frau, die lächelnd auf sie zu kam.
Mit liebevollem Blick ging sie auf Halil und die beiden Männer zu, die ihn in Schach hielten. Ganz langsam senkte sie die Hand, die den Dolch hielt; strich dem verdutzten Mann sanft über die Schulter und dem anderen über seine Wange. Sie rührten sich nicht. Dann ging sie zu Ahmad und nahm seinem Widersacher den Dolch aus der Hand. Der ließ sein Opfer, wie hypnotisiert, los und wehrte sich nicht. Ahmad hielt sich den verdrehten Arm und sank stöhnend auf die Knie. Halil war langsam aufgestanden und kam zu ihm herüber. Als Andalee sich dann zu Ahmad beugte, sah dieser in die liebevollsten Augen, die er je erblickt hatte. Und sein Herz schien zu explodieren und ihm mit jeder Faser zu sagen, das sich so die wahre Liebe anfühlen musste.
"Wie... wie heißt du?"
Die schöne junge Frau lächelte nur, dann blickte sie zu den anderen Männern hinüber. Die wiederum sahen sich, immer noch völlig irritiert, an. Da erhob Andalee ihre Stimme und als würden sie erwachen, drehten sich die Halunken auf dem Absatz um und verschwanden im Dunkel der Nacht.
Wie verzaubert sah Ahmad in die Augen Andalees und stammelte erneut: "Bitte... sag' mir doch, wie du heißt... ja?" Noch nie hatte er soviel Liebe für jemanden gefühlt!
Andalee sah das schöne Antlitz unter dem aufgetragenen Schmutz und erkannte die Liebe in seinen Augen - und in ihrem Herzen.
Halil hatte sich derweil zu seinem Freund gehockt: "Geht es dir gut, Ahmad? Was ist mit deinem Arm?" Dann blickte er auf Andalee: "Habt Dank für Eure Hilfe! Das war sehr mutig! Bitte: Sagt Ihr uns, wer Ihr seid?"
Doch plötzlich wich Andalee schüchtern zurück, hob ihre Hand noch kurz zum Gruß und verschwand in der Seitengasse, so plötzlich, wie sie gekommen war.
"Wie seltsam..." murmelte Halil.



Der Mond erhob sich über Daraan und in den Häusern kehrte Ruhe ein. Einzig das Rauschen des Windes oder der Laut eines Tieres durchdrang die Stille der Nacht.
Ahmad war schon längst wieder in den Palast zurück gekehrt und hatte seinem Vater den Vorfall gebeichtet. Sultan Rashid war erstaunlich ruhig geblieben, obwohl er seinem Sohn eine Strafpredigt nicht ersparen konnte.
"Ich hoffe, dieser Vorfall hat dir bewusst gemacht, welcher Gefahr du dich aussetzt, wenn du dich da draußen ohne Schutz bewegst. Du kannst von Glück sagen, dass sie dich nicht erkannt haben!"
Schuldbewusst senkte Ahmad sein Haupt: "Ich weiß, Vater. Und ich kann Euch nur um Verzeihung bitten!"
Nachdenklich sah der Sultan vor sich hin: "Das ist eine seltsame Geschichte, mit der jungen Frau, die euch gerettet hat... Und du weißt nicht, wer sie ist?" Er bemerkte, wie die Augen seines Sohnes aufleuchteten.
"Nein... sie hat uns nicht geantwortet, ist dann fort gelaufen... Kann ich Euch etwas fragen?"
"Gewiss."
"Wie fühlt es sich an, die richtige Liebe? Ich sehe es, wenn Ihr Mutter anseht, wie sehr Ihr sie liebt; aber wie fühlt es sich an?"
Sein Vater lächelte weise: "Nun... es ist wohl so: Wenn sie einem begegnet, dann fühlt man es einfach! Hast du dich verliebt, mein Sohn?"
Ahmads Lächeln war ihm Antwort genug.

Yamina sah ihren Sohn mit ernstem Blick an: "Du weißt, das es auch anders hätte ausgehen können?"
"Das ist mir natürlich bewusst, Mutter." antwortete Halil. "Aber jetzt sag' endlich: Was weißt du über diese seltsame Frau?"
Er hatte seiner Mutter von der Rettung durch Andalee erzählt, von dem seltsamen Gesang der jungen Frau. Und zu seinem Erstaunen hatte sie schon von ihr gehört. Man erzählte sich, es sei ein Findelkind und seltsamerweise könne sie nicht sprechen, nur singen.

"Sie kann nicht sprechen?"
Am nächsten Tag hockten Ahmad und Halil zusammen und besprachen die Ereignisse der vergangenen Nacht.
Halil nickte. "Ja, sie kann nur singen. Seltsam, nicht wahr?" Dann schmunzelte er: "Hast du dich etwa verliebt?"
Der Blick seines Freundes wurde noch verklärter, dann packte er Halils Arm: "Ich muss sie wiedersehen!"

Wenn Ahmad sich einmal etwas vorgenommen hatte, dann konnte ihn nichts und niemand davon abbringen. Er setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um Andalee zu finden. Und tatsächlich: Sieben Tage später stand er, mal wieder als einfacher Mann verkleidet, vor ihrer Tür. Halil hatte ihn begleitet und sah, wie sein Freund plötzlich zögerte.
"Was ist denn? Was hast du?"
Verlegen biss sich Ahmad auf den Finger: "Ich... ich traue mich nicht..."
Es sah aus, als wolle er auf dem Absatz kehrt machen. Halil versuchte, ihn zu beruhigen.
"Was soll denn geschehen, hm? Mehr als dich abweisen kann sie doch nicht, oder?"
"Vielleicht weiß sie ja gar nicht mal mehr, wer ich bin! Sie hat mich bestimmt schon vergessen..."
Halil grinste ihn unverhohlen an: "Bei Allah, dich hat es ja ganz schön erwischt! So nervös habe ich dich noch nie wegen einer Frau gesehen!"
Ahmad seufzte auf, nahm allen Mut zusammen und wollte gerade an der Tür klopfen, als diese aufgetan wurde.
Erschrocken wich Amira zurück, sah die beiden Männer fragend an, die da so plötzlich vor ihr standen. "Was wollt Ihr? Kann ich Euch helfen?"
Ahmad hob entschuldigend seine Hände: "Verzeiht, gute Frau, es lag uns fern, Euch zu ängstigen. Aber wir... das heißt ich... also, ich suche nach einer jungen Frau. Sie soll hier leben, kann nicht sprechen... Kennt Ihr sie vielleicht?"
Amira sah in Ahmads Augen und wusste sofort, dass dies die beiden Männer sein mussten, denen ihre Tochter geholfen hatte. In seinen Augen strahlte das selbe verliebte Leuchten wie in den Augen Andalees.
Natürlich hatte sie ihr gestenreich erzählt, was geschehen war, und Amira hatte gleich gespürt, das Andalee sich auf den ersten Blick in den Unbekannten verliebt hatte.
Sie lächelte wohlwollend: "Ihr meint meine Tochter Andalee, nicht wahr? Die, die Euch in der Gasse geholfen hat?"
Ahmads Stimme klang aufgeregt: "Ja! Sie kann nicht sprechen... nur singen, richtig?"
"Ja, dann sprechen wir von der Richtigen!" Amira schmunzelte und sah auf Andalee, die unbemerkt von den beiden nach Hause gekommen war und nun hinter ihnen stand.
Und plötzlich hörte Ahmad den Gesang hinter sich, der ihn so fasziniert hatte. Überglücklich drehte er sich um und sah in Andalees Augen - die Augen, die er nicht hatte vergessen können!
"Da bist du ja..." murmelte er ergriffen.
Schüchtern stand sie nun vor ihm, strahlte in ihrer ganzen Schönheit und ihre grünen Augen funkelten schöner als die kostbarste Jade.
Ahmad ergriff ihre Hände, hielt sie behutsam fest. "Ich habe dich gesucht... konnte dir gar nicht danken, du warst so schnell fort..." Dann seufzte er glücklich auf: "Und alles in mir hat sich nach dir gesehnt!"
Sein Herz ging auf, als sie ihn anlächelte, ihre Hand hob und ihm zärtlich über seine Wange strich.
"Dir ging es auch so?" deutete er ihre Geste.
Sie nickte und ihre Stimme zwitscherte zustimmend.
Der junge Sultan war glücklich: "Meine kleine Nachtigall..." murmelte er. "Ich will dich nie wieder vermissen!"

So hatte das Schicksal Andalee und Ahmad zusammen geführt.
Sie verstanden sich auch ohne Worte und jeder schien immer zu ahnen, was der andere ihm mitteilen wollte.
Sein Vater war zunächst nicht sehr begeistert, da ja bereits eine Heirat für ihn arrangiert worden war. Doch Andalee schaffte es mit ihrem ganz eigenen Charme, alle zu bezaubern. Bald schon kannten alle ihre Zeichensprache und konnten sich mit ihr verständigen. Mit ihrem liebevollen Wesen gewann sie die Herzen der Menschen. Und nach einiger Zeit willigte der Sultan in eine Heirat ein.
Es begann eine glückliche Zeit für den jungen Sultan und seine Frau, die in der Geburt eines Sohnes und einer Tochter ihre Krönung fand.
Andalees Zeichensprache half vielen sprach- und gehörlosen Menschen, sich zu verständigen.
Und Ahmad wurde in der Nachfolge seines Vaters zu einem weisen Herrscher, der mit der Liebe in seinem Herzen sein Volk regierte.

Und wenn sie nicht gestorben sind...


Bedeutung der Namen:

Andalee = Nachtigall
Amira = M(musl.): Regentin, H(hebr.): Sprache, Worte
Zoltan = Sultan
Ahmad = M: des Lobes würdig, einer welcher lobt
Halil = lieber Freund
Zaahirah = M: blühende Blume, von heller, lieblicher Farbe, erhaben
Tovah = H: gut
Yamina = M: rechte Hand
Siddiq: = M: geradeheraus, aufrichtig, treuer Freund; aufrichtig in Wort und Tat,
Rashid = M: gebildet, sich auskennend

Impressum

Texte: Orelinde Hays
Bildmaterialien: Orelinde Hays
Tag der Veröffentlichung: 12.12.2010

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