Da gab es also diesen kleinen Jungen namens Nils. Ich sage Euch: Niemand war so neugierig wie er!
Am schlimmsten war es natürlich in der Weihnachtszeit, wenn das Christkind seine Vorbereitungen traf. Einen Tag vor dem Heiligabend, nachdem das Wohnzimmer auf festlichen Hochglanz poliert worden war, wurde von seiner Mutter stets die Wohnzimmertür abgeschlossen.
"Damit das Christkind alles in Ruhe erledigen kann!" sagte sie jedes Mal. "Und damit neugierige kleine Kerle wie du nicht immer hinterher schleichen können!" fügte sie hinzu.
Ach, es war wirklich eine Qual! Da lag Nils abends in seinem Bett und fragte sich, was da wohl hinter der verschlossenen Tür vor sich ging. Und ob das Christkind wohl an sein Raumschiff gedacht hatte und ob es auch nicht die Bettwäsche von seinem Lieblings-Fußballverein vergessen hatte und ob vielleicht auch das Spiel dabei war und ob...
Und ob er vielleicht nicht doch mal eben ganz leise aufstehen und ob er nicht vielleicht ganz, ganz leise auf Zehenspitzen zum Wohnzimmer huschen und einen Blick durchs Schlüsselloch riskieren konnte?
Natürlich könnt Ihr Euch denken, was nun kommt:
Da hat sich der neugierige kleine Kerl doch bis vor das Wohnzimmer geschlichen und schielt durch das Schlüsselloch. Aber diesmal kam alles anders...
"Hey Du - was fällt dir ein!!" schimpfte plötzlich hinter ihm eine helle, quäkige Stimme.
Mit einem Riesenschreck plumpste Nils auf seinen Hosenboden. Erwischt! Er traute sich schon gar nicht mehr aufzusehen und sein schlechtes Gewissen ließ seine Bäckchen puterrot werden. Schon wartete er darauf, dass seine Mutter ihn beim Kragen packen und ins Bett zurückbefördern würde.
"Ich... ähm... ich wollte gar nicht gucken..." stammelte er schuldbewusst.
"Ach was!" quäkte die Stimme wieder. "Und was machst du hier, hä? Etwa Schlittschuh fahren?!"
Merkwürdig... seine Mama hatte doch gar nicht so eine komische quäkige Stimme...
Und dann sah Nils auch schon, wer sich da vor ihm aufgebaut hatte:
"Gestatten: Razz Fazz - ich bin der Rere Buaz! Weihnachts-Troll von Beruf! Für Recht und Ordnung zuständig! Arbeite also für das Christkind, verstehst du? Muss Acht geben, dass keine neugierigen Kinder sich die Überraschung verderben!" wetterte der kleine Wicht mit den funkelnden eisblauen Augen und der roten Knollennase, während er mit dem Zeigefinger drohte.
Ach du lieber Himmel! Nils schluckte: Was war das denn für einer? Der sah ja aus wie ein zu groß geratener Gartenzwerg!
Und der zu groß geratene Gartenzwerg sah ihn nun an und meinte:
"Also, mein kleiner neugieriger Freund: Was machen wir nun mit dir? Hä?"
Nils zuckte eingeschüchtert mit den Schultern: "Weiß nich..."
"Und: Was hast du schon gesehen durchs Schlüsselloch?... Na?"
Am liebsten hätte der kleine Nils jetzt geheult, denn er hatte bereits etwas entdeckt:
"Das Raumschiff lag unter dem Tannenbaum...", gab er zu, "und die Bettwäsche... Bist du jetzt böse auf mich?"
Mit einem Mal schmunzelte der Weihnachts-Troll verständnisvoll. Er setzte sich neben Nils, legte freundschaftlich seinen Arm um ihn und klopfte ihm nun beruhigend auf die Schulter:
"Weißt du was? Ich war als kleiner Troll auch so furchtbar neugierig! Aber sage mal: Kannst du dich denn jetzt noch richtig auf Heiligabend freuen; jetzt, wo du schon alles weißt und für dich die ganze schöne Überraschung weg ist?"
Mit einem großen Seufzer sah Nils dem Troll in die Augen und ein leises: "Nein..." kam schuldbewusst über seine Lippen und zwei dicke Tränen kullerten über die immer noch roten Bäckchen.
"Weißt du was!" stupste Rere Buaz ihm mit dem Finger auf die Nase. "Ich habe eine Idee!"
"Und was für eine Idee?" wunderte sich Nils.
"Bereust du, dass du geguckt hast?"
"Ja..."
"Und versprichst du mir, dass du nie nie nie und niemals wieder durchs Schlüsselloch guckst?"
"Ja!"
"Dann musst du den Weihnachts-Troll-Schwur sagen: Sprich mir also nach: Ich, Nils, verspreche..."
"Ich, Nils, verspreche..."
"hoch und heilig bei der Ehre aller Weihnachtstrolle..."
"hoch und heilig bei der Ehre aller Weihnachtstrolle..."
"von Mittel-Schlummerland bis Unter-Hummelstrand..."
"von Mittel-Schlummerland bis Unter-Hummelstrand..."
"dass ich - und jetzt musst du zehnmal n i e sagen, dass ist wichtig! - nie nie nie nie nie nie nie nie nie nie und niemals wieder..."
"das ich nie nie nie nie nie nie nie nie nie nie und niemals wieder..."
"weihnachtsneugierig sein werde!"
"weihnachtsneugierig sein werde!"
Puuh!! Das war ein schwieriger Schwur!
"Toll!" strahlte der Weihnachtstroll ihn nun an. "Das hast du gut gemacht! Und ich weiß ja eigentlich auch, dass du sonst ein ganz liebes Kerlchen bist und... na ja... Wir Weihnachts-Trolle haben da so unsere Möglichkeiten!" tat er ganz geheimnisvoll und rückte noch dichter heran an den kleinen Nils.
"Pass auf!" flüsterte er ihm ins Ohr. "Wir schicken dem Christkind eine Träne von dir, damit es sieht, dass du es wirklich bereust."
Geschickt nahm der Troll mit seinem Zeigefinger ein Tränchen von Nils' Backe. Dann schnipste er es "Ping!!!" hoch in die Luft, wo es zu einem winzigen blauen Sternchen wurde, das langsam verschwand.
"Uiiih!!!" rief Nils erstaunt aus.
"Und jetzt...", bat Rere Buaz, "schließe deine Augen... Dann bringe ich dich ins Bettchen... Razz Fazz!"
Da fühlte Nils mit einem Mal, wie seine Augenlider ganz schwer wurden...
"Hey, du alter Schnarchhahn!"
Am nächsten Morgen, dem Heiligabend, versuchte sein Papa, ihn wach zu rütteln.
"Sag mal, willst du gar nicht aufstehen? Du verschläfst ja noch das Christkind! Sonst bist du doch immer so neugierig und kannst es kaum erwarten!"
Müde rieb Nils sich über die Augen: "Christkind...?... Wieso Papa? Ist denn schon morgen Früh?"
Der Papa lachte: "Ja, du Held: Heute ist doch Heiligabend und nach dem Frühstück ist Bescherung!"
Mit einem Ruck war Nils jetzt hellwach: Die Zähne wurden im Vorbeiflug geputzt und in Windeseile war er angezogen und saß am Frühstückstisch.
"Na, mein Schatz, bist du denn schon neugierig, was das Christkind dir wohl gebracht hat?" wollte seine Mama wissen.
Fast hätte Nils sich an seinen Cornflakes verschluckt:
"Nein", erwiderte er hastig, "neugierig bin ich gar nicht!... Nur gleich, wenn wir ins Wohnzimmer gehen!"
Und dann war es endlich soweit:
Als das Weihnachtsglöckchen klingelte, öffnete seine Mama die Wohnzimmertür und als erstes sah man den wunderschönen Tannenbaum, dessen Lichterglanz das Zimmer hell erstrahlen ließ.
"Na, dann schau mal, was unter dem Christbaum für dich liegt!" schmunzelte der Papa und Nils stürzte sich auf seine Geschenke. Zwei glückliche Kinderaugen strahlten, als sie das Raumschiff, die Fußball-Bettwäsche und ein heiß ersehntes Spiel entdeckten.
Doch da war noch etwas eingepackt, das sich ganz weich anfühlte. Irgendwie traute sich Nils plötzlich gar nicht, es aus dem bunten Papier herauszuholen.
"Na, los - pack doch mal aus!" forderte der Papa ihn auf.
Und was glaubt Ihr, kam zum Vorschein?
Eine kuschelige Plüschfigur: Sie sah aus wie ein Gartenzwerg mit einer dicken Knollennase und blauen, funkelnden Augen...
"Das ist ein Troll!" erklärte der Papa seinem Sohn. "Ach, warte mal - wie heißt der noch? Irgendwie so ein komischer Name, steht da auf dem Etikett. Ach, hier: Der heißt Rere Buaz."
"Zum Schmusen - fürs Bett! Gefällt er dir?" wollte seine Mama wissen.
"Ja...!" kam es nachdenklich von Nils. Und er wunderte sich, warum ihm der so bekannt vorkam.
"Auf der Verpackung steht: Ich habe ein Geheimnis!... Hmm... Weißt du, was wohl damit gemeint ist?" fragte Nils' Papa die Mama.
"Zeig mal..." Sie studierte die Verpackung.
Und während Nils den knuddeligen Troll fest in seine Arme schloss und lauthals verkündete: "Der schläft jetzt immer in meinem Bett und den lasse ich nie nie nie und niemals wieder los!", schmunzelte die Mama plötzlich und meinte ganz verschmitzt:
"Ich glaube, ich kenne sein Geheimnis..."
Und Ihr: Kennt Ihr es auch ??? *
*Lies meinen Namen rückwärts...
Texte: Orelinde Hays
Bildmaterialien: Orelinde Hays
Tag der Veröffentlichung: 07.07.2009
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