1. Wer bin ich
2. Besitzerwechsel
3. Eingerichtet
4. Ein großer Sprung
5. Freizeitspaß
6. Steinfurt
7. Murkel
8. Ein Hund im Haus
9. Ferienzeit – Problemzeit
10. Als Kater im Frauenhaus
11. Zebrafinken
12. Als Kater im Herrenhaus
13. Umzug
14. Das neue Heim
15. Zuwachs 1: Mickey
16. Zuwachs 2: Woodstock
17. Zurück nach Kiel
18. Im alten Zuhause
19. Schon wieder…,
20. Die Viererbande
21. Mein letztes Zuhause
Ich heiße Tappi, ja, einfach Tappi. Einen Nachnamen habe ich nicht, das ist bei uns Katzen so üblich. Ich bin ein Kater, ein schwarzer Kater. Da meine Mutter – eine erfahrene alte Dame – das dumme Menschenvorurteil gegen schwarze Katzen, vor allem gegen schwarze Kater, kennt, hat sie mir einen kleinen weißen Fleck auf der Brust mitgegeben, als Zeichen, dass ich keineswegs ein böser bin. Wobei ich anmerken möchte, dass Katzen grundsätzlich freundliche Tiere sind. Es soll aber – wie bei jeder Regel – auch Ausnahmen geben.
Ich beherrsche eure Sprache, liebe Leserin, lieber Leser, d.h. ich verstehe sie, kann natürlich selbst nicht sprechen. Aber ich habe mit der Zeit gelernt, mit meinen kleinen Pfoten den Computer zu bedienen, wie sonst könnte ich meine Lebensgeschichte aufschreiben.
Geboren wurde ich in einem kleinen Dorf bei Kiel, in dem meine spätere Besitzerin Hella einen Kindergarten leitete. Von „Frauchen und Herrchen“ sprechen wir Katzen nicht gerne, das überlassen wir den Hunden, die sich leicht und freiwillig unterordnen. Ich war Nummer zwei in einem „Wurf“ von drei kleinen Kätzchen. Da die Natur es so eingerichtet hat, dass alle Tierbabys hübsch aussehen – „niedlich“ sagen die meisten Menschen – wurden wir von allen bewundert und gehätschelt und verwöhnt, vor allem von Heikes beiden Kindern. Ach, ich habe wohl noch gar nicht erwähnt, dass Heike die Mitarbeiterin von Hella war und in ihrem großen Haus und Garten bereits zwei Katzen hielt, jetzt waren es also fünf geworden. Dennoch bettelten die Kinder, alle drei Kleinen behalten zu dürfen, was die Erwachsenen aber für gänzlich unmöglich erklärten. Sie müssten alle aus dem Haus, entschieden sie bereits nach wenigen Tagen.
Wir hörten abends immer, dass sie bei den Eltern der von ihnen betreuten Kinder nachgefragt hatten, aber alle hatten abgewinkt: In Ottendorf hatte schon jede Familie ihre Katze, oft sogar mehrere, weitere wollten sie auf keinen Fall. Da waren sie auf die Idee gekommen, ihnen bekannte Stadtleute zu fragen, unter anderen auch die Chefin, also Hella. Die war nach Feierabend mit zu Heike gekommen und hatte sich unsere kleine Familie angesehen. Mich fand sie besonders interessant, weil ich der lebhafteste war, gleich an ihrer Hand knabberte und sie freundlich anmaunzte. „Ja, diese kleine schwarze könnte ich mir schon bei uns vorstellen. Katja und Anja würden sich freuen, sie wünschen sich schon lange ein Haustier.“ „Das ist keine kleine, sondern ein kleiner, ein Kater.“ „Umso besser, dann würden wir uns nie um Nachwuchs kümmern müssen, wie ihr jetzt.“ „Dann nimm ihn doch einfach mit!“ „Ne, ne, so einfach ist das nicht. Kai lehnt Haustiere strikt ab. Bei unseren vielen Reisen würde es immer Probleme mit der Unterbringung geben, sagt er.“ „Das ließe sich doch lösen. Ihr könntet ihn dann einfach für die Zeit wieder zu uns bringen.“ „Das klingt gut. Ich werde ihn fragen und ihm euren Vorschlag mitteilen.“ „Ich habe eine bessere Idee. Frage ihn nicht einfach, sondern…“
Nach wenigen Minuten hatte man eine Katzen-Reise-Tasche aus dem Keller geholt, mich dort hineingesteckt und dann zu Hella ins Auto gebracht. Ich fuhr nun zum ersten Mal in meinem Leben in einem Auto. Nein, angenehm war das nicht, aber es dauerte zum Glück nicht lange, dann hielt Hella und holte mich vom Rücksitz. Sie schloss die Tür eines großen Hauses auf – ich konnte durch das Fenster in der Tasche alles verfolgen – und stieg mit mir eine Treppe hoch, schloss wieder eine Tür auf, sagte den beiden Töchtern, die sofort aus ihrem Zimmer kamen: „Wartet!“ und ging mit mir einen Flur entlang. Sie nahm mich aus der Tasche und öffnete eine Zimmertür, hinter der Kai an seinem Schreibtisch saß. „Hallo“, sagte sie, „ich habe etwas mitgebracht.“ Sie setzte mich einfach auf den Stapel Hefte, die Kai gerade korrigierte – der kluge Leser (die Leserin natürlich auch) wird nun Kais Beruf mitbekommen haben: Lehrer. Ich war erst einmal erschrocken, legte mich platt hin, maunzte leise, schaute Kai an. Der schaute mich an. Ich wagte nicht, mich zu rühren. Ich hatte bei dem Gespräch zuhause verstanden, dass hier wahrscheinlich über meine Zukunft entschieden würde. Dann streckte Kai langsam die Hand aus und strich mir über den Rücken. Das war doch ein gutes Zeichen, oder? Ich tapste meinerseits mit der Pfote vorsichtig gegen seine Hand, miaute nun deutlicher. Das dauerte eine kleine Weile, dann kam Hella herein, sah uns zu. „Na Kai, wie wäre es…?“ „Der Kleine gefällt mir, wie heißt er denn?“ „Er hat noch keinen Namen, aber wenn ich sehe, wie er dich vorsichtig antappt, sollten wir ihn vielleicht Tappi nennen. Anja, Katja, kommt!“ Die beiden Mädchen stürmten herein, Anja nahm mich gleich auf den Arm. Das Eis war gebrochen, ich war aufgenommen im Hause Klein, in einer großen Wohnung in der Stadt Kiel.
Man stellte mir gleich in der Küche neben dem Abwaschbecken ein Katzenklo hin, zuerst mit einer einfachen alten Schüssel und Sägespänen, die Kai aus seinem Hobbykeller holte, dann kaufte man mir ein richtiges Klo mit breitem Rand, so dass ich in der Katzen-Streu buddeln und scharren konnte, ohne dass viel auf den Boden fiel. Wenn das geschah, schimpfte niemand: Der Küchenboden bestand aus Estrich, da konnte man fegen und wischen. Warum ich so fachmännisch über mein Katzenklo schreiben kann? Stubenrein zu sein, hatte ich in der kurzen Zeit bei meiner Mutter gelernt. Heike hatte dabei geholfen, war sehr streng gewesen, hatte geschimpft, als ich anfangs überall hinpinkelte und auch meinen kleinen Darm entleerte, wo es mich gerade überkam. Das war fast immer im Garten gewesen, aber auch da war das nicht erwünscht und ich bekam „Ausmecker“; so nannte man in Ottendorf das Ausschimpfen. Meine Mutter benutzte in der Ecke im Garten eine Kiste voller Sand und im Haus stand im Flur ein Katzenklo mit richtiger Streu, die sehr gut Feuchtigkeit aufsaugte und Gerüche weitgehend unterdrückte, zumindest dann, wenn man das große Geschäft ordentlich mit dieser Streu zuscharrte, was wir drei schnell lernten.
Katja hatte in den schlauen Büchern auch gelesen, wie man kleine Katzen zu ernähren hat: Ich wurde verwöhnt, hatte in der Küche immer eine Schale mit verdünnter Milch stehen und Fleisch mit Gemüse, aus Dosen meistens, extra für junge Katzen gefertigt. Mir ging es gut.
Auf dieser Fensterbank saß ich oft und schaute auf die Straße hinunter. Da war Leben. Im Haus war es den ganzen Vormittag über still, weil alle ihren auswärtigen Beschäftigungen nachgingen: Hella in den Kindergarten, die beiden Mädchen in ihre Schule, Kai in seine. Ich langweilte mich. In Ottendorf hatte ich in meinen ersten Wochen immer den Garten gehabt, konnte herumlaufen, mit meinen Geschwistern spielen. Hier war ich eingesperrt, alleine. Ich dachte manchmal, ich müsste einfach hinunterspringen und mich dann auf der Straße amüsieren…
Eines Tages ergab sich dazu die Gelegenheit: Hella hatte beim Aufräumen des Kinderzimmers das Fenster offengelassen, ich konnte auf die Schreibplatte der Kinder und von da auf die Fensterbank springen und dann…Ich hatte keine Erfahrung im Springen,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Bildmaterialien: Fotos Horst Kai Klein
Tag der Veröffentlichung: 25.12.2021
ISBN: 978-3-7554-0375-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle Katzenfreunde