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Inhalt

1. Vorgestellt: Ein kleiner Hund von Welt

2. Nicht Rasse – Klasse

3. Dressur – für Anka nur

4. Stunden am Strand

5. Stadt macht satt

6. Ein Tag so schwarz wie die Nacht…

7. …und dann hat jemand Licht gemacht

8. Sonnenschein?

9. Sonnenschein!

10. „Woodstock“

11. Mein neues Zuhause

12. Eingerichtet

13. Wetter und Unwetter

14. Lust und Frust

15. Wir Hunde fressen (fast) alles

16. Aus Schaden wird man klug

17. Ich habe nie so gefroren…

18. Ein Festessen

19. Paella

20. Fiesta, Fiesta Valenciana

21. Noch ein Feuerwerk

22. Liebesabenteuer

23. Ein feuerrotes Spielmobil

24. Ich ein Wachhund? Na klar!

25. Aus vier werden zwei

26. Ein wichtiger Besuch

27. Angst

28. Große Änderungen werfen ihren Schatten voraus

29. Umzug

30. Mein drittes Zuhause

31. Winter-Erfahrungen

32. Neue Abenteuer

33. Reha

34. Ich als Beschützer und Wächter? – na ja…

35. Ein Wiedersehen

36. Noch ein viertes Zuhause

1. Vorgestellt: ein kleiner Hund von Welt

Gestattest du, liebe Leserin, lieber Leser, dass ich mich vorstelle? Ich heiße Woodstock, ich bin ein Hund, genauer ein Rüde, also ein männliches Exemplar. Ich bin im Frühjahr geboren. Jetzt, wo ich mit meiner Geschichte beginne, ist es Herbst. Ich bin also nach eurem Menschenmaßstab ein großer Junge, manche würden auch sagen: ein Teenager oder Halbstarker.

 

Ich nehme einmal an, dass du dich über zwei Dinge wundern wirst oder sogar Einwände hast: Das sei doch kein Name für einen Hund, könntest du sagen. In Woodstock hat doch einmal ein großes Musikfestival stattgefunden, das hat diesen Orts-Namen bekannt gemacht. Tausende haben dort bei Wind und Regen ausgeharrt, um ihre Lieblings-Musiker zu hören, haben…aber ich wollte mich vorstellen und nicht die Geschichte meines Namens-Festivals ausbreiten. Wie ich zu dem Namen kam, werde ich später bei passender Gelegenheit erklären.

 

Das zweite wird sein, dass du erstaunt bist, hier meine Geschichte in deiner Sprache gedruckt zu sehen. Ihr Menschen habt keine Ahnung, wie gut wir euch verstehen. Obwohl wir ja nicht sprechen können und ihr nur selten mit uns – besser: zu uns - redet, „beherrschen“ wir eure Sprache sehr gut, wie gut, das werdet ihr nach dieser Lektüre selbst beurteilen können.

 

Ihr versteht uns viel schlechter als wir euch: Die meisten von euch können bei unserem Bellen gerade mal unterscheiden, ob es freudiges Gebell – etwa zur Begrüßung – ist oder ein wütendes, etwa wenn wir einen Einbrecher hören oder sehen. Vielleicht können sie auch noch ein Wimmern oder Jaulen als solches erkennen, wenn wir Schmerzen haben oder großen Hunger. Schon unser Knurren und das Hochziehen der Lefzen verstehen die meisten nicht als Warnung.

 

Aber ich schweife ab: Wie ich es geschafft habe, meine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in Buchform zu bringen, das ist mein Geheimnis. Ich will nur andeuten, dass ein kleines Buch, das ich bei dem Sohn meiner Familie auf dem Bett liegen sah, durchaus meine Fantasie anregte. Wie dann daraus mein Buch wurde…aber da die wichtigste Eigenschaft eines Geheimnisses ist, dass man es nicht verrät, sage ich weiter nichts.

 

Du wirst im Laufe der Lektüre merken, dass ich mich bemüht habe, dir mein Leben und mein Zuhause ein bisschen anschaulich zu machen, auch mit Bildern, die mir mein Herrchen zur 

Verfügung gestellt hat. Auch über typische Eigenarten meines jeweiligen Lebensbereiches teile ich einiges mit – in der Hoffnung, dass es dich interessiert.

 

Wie ich aussehe, siehst du auf dem Bild, das ich meinenAufzeichnungen vorangestellt habe, obwohl Bilder immer nur einen unvollständigen Eindruck vermitteln. Aber das kennst du ja sicher von deinen eigenen Porträts. Ich bringe hier und auch in anderen Kapiteln noch ein paar mehr. 

 

 

 

Ich bin etwa 50 cm groß, wobei man bei uns immer die Schulterhöhe angibt, den Kopf nicht mitmisst.

 

Bei Hunden fragt ihr Menschen meistens zuerst nach der Rasse. Ich muss gestehen: Mit meiner Rasse habe ich ein Problem. Ich weiß, dass reinrassige Hunde besonders geschätzt werden - und dass ich nicht reinrassig bin, wirst du auf den ersten Blick gesehen haben. Ich bin also ein Mischling. Auch dann wollt ihr immer wissen, welche Rassen sich da gemischt haben. Ich muss schon wieder ein Geständnis machen: Ich weiß auch das nicht. Ich kenne nur meine Mutter und die war (oder ist – ich habe sie ganz aus den Augen verloren) eine deutsche Schäferhündin. Sie hörte auf den Namen Anka und lebte in Spanien in einem großen Haus der Familie Meyer in dem kleinen Ort Sta Barbara in der Nähe von Valencia. Das war und ist eigentlich gar kein richtiger Ort, sondern eine Siedlung mit vielen Villen, „Urbanisation“ nennt man das in Spanien. Dort haben reiche Ausländer, vor allem Engländer, Franzosen, Deutsche, Skandinavier, Österreicher und ein paar Madrider ihre Villen gebaut. Fast alle bewohnten sie nur in den Sommermonaten, zogen im Herbst in ihre Länder bzw. ihre Stadt zurück: Die Arbeit rief. 

 

Diese Urbanisation war von einem sehr hohen Zaun umgeben. Es gab nur eine Zufahrt und die war streng bewacht. Der bewaffnete Wächter befragte jeden Besucher, der vor seiner Schranke auftauchte, was er in Sta Barbara wolle. Ging es um einen Besuch, eine Einladung, dann ließ er sich den Ausweis zeigen, rief bei den Gastgebern an und wenn er hörte, ja, die Familie Schneider sei mit zwei Kindern eingeladen, dann öffnete er die Schranke und ließ die Besucher durch. Weil also kaum ein Fremder die Möglichkeit hatte, heimlich in die Urbanisation zu gelangen, hatten die einzelnen Häuser nur kleine Hecken oder Zäune und die Türen zu den Gärten standen fast immer offen, zumindest am Tage.

 

Und deshalb konnte Mutter Anka von vielen Verehrern besucht werden. Da sie mehrere erhört hat, konnte sie mir nicht sagen, wer mein Vater wurde.

 

Ich kann mich natürlich nicht an meine Geburt erinnern, merkte aber bald, dass ich allein zur Welt gekommen war. Bei uns Hunden ist es ja üblich, dass wir als Drillinge oder gar Fünflinge geboren werden. Kommt man als einziger, hat man besonderes Glück, weil man alle Mutterliebe allein genießen kann und – was mindestens ebenso wichtig ist – allein alle Milch trinken kann, so viel, wie in den kleinen Bauch hineinpasst.

 

Ich hatte als Einzelsohn eine herrliche Kindheit. Das Wetter war meistens gut, der Garten war groß, es gab einen Sohn in der Familie, der mich liebte und mit mir spielte, mich verwöhnte. Alle riefen mich mit „Kleiner“ oder „Hundi“, was ich für einen genauso guten Namen hielt wie Anka. Dass man mir keinen richtigen persönlichen Namen gab, merkte ich gar nicht. Hätte ich das verstanden, hätte ich ahnen können, dass das ein böses Vorzeichen war.

 

Als ich etwas größer wurde, bekam ich die leckersten Fleisch-Mischungen zu fressen, zweimal am Tag war der Napf voll, den ich mit meiner Mutter teilte. In den ersten Monaten ließ sie mich immer zuerst fressen, so viel ich wollte, dann erst steckte sie ihre Nase in den Napf. Später änderte sich das. Manchmal kochte man uns auch etwas Feines, frisches Fleisch mit Gemüse gemischt, auch Fisch gab es, wenn etwas davon beim Abendessen übriggeblieben war.

 

 

2. Nicht Rasse – Klasse

 

Auch der vierzehnjährige Sohn Klaus war sehr an der Frage interessiert, was für einer Misch-Rasse ich denn nun angehörte. Und eines Tages sah ich, wie er seinen Computer einschaltete und auf dem Bildschirm Hundeköpfe erschienen. Ich war sofort fasziniert und höchst neugierig, setzte mich hinter ihn und sah zu, wie er ein Bild nach dem anderen aufrief, den Kopf schüttelte, weiterschaltete: Mal stimmte die Größe nicht, dann nicht die Farbe, dann war er zottelig statt glatt wie ich, mal standen die Ohren steil aufrecht, während meine meistens herunterhingen. Viele von diesen Hunden hatte ich bei uns in der Urbanisation schon gesehen, kleine krummbeinige Dackel, schöne braune Setter, kräftige Boxer, grimmig dreinschauende Kampfhunde, langhaarige weiße Windhunde, unglaublich dünne Jagdhunde…

 

Plötzlich stoppte er das flotte Weiterschalten.

„Höi“, hörte ich ihn rufen, „der könnte passen, das könnte der Vater von unserem Hundi sein! Das Gesicht stimmt, die Ohren auch. Wie heißt die Rasse? Broholmer? Das klingt dänisch, o ja aus Dänemark stammt diese Rasse tatsächlich. Und einige Dänen wohnen hier ganz in der Nähe. Das passt auch. Größe: 70 bis 75 cm. Oh, das ist zu groß. Aber er ist ja noch jung, wahrscheinlich wächst er noch.“

 

Klaus suchte weiter. Es dauerte lange, Dutzende Hundegesichter wanderten über den Bildschirm, nichts passte so recht. Klaus (und ich) hatten zwar keinen Beweis für die dänische Vaterschaft, sahen aber, dass es für meine Mischlings-Existenz eine gute mögliche Erklärung gab: Ich war zufrieden, eventuell eine internationale Mischung aus deutschem Schäferhund und dänischem Broholmer zu sein.

„Du hast zwar keine reine Rasse“, sagte Klaus, „aber für mich bist du dennoch einfach Klasse.“ Das Kompliment hörte ich gern.

3. Dressur – für Anka nur

 

An einem Samstagmorgen, sonnig wie fast immer, hörte ich Vater Jonas rufen: „Klaus, hol die Leine, ich mache die Fahrräder fertig, wir fahren zum Hundespielplatz.“ „Hunde“…das betraf also Mutter Anka und mich und „Spielplatz“ versprach Vergnügen. Mutter Anka wurde an die Leine gelegt, Vater Jonas nahm sie in die Hand, man fuhr los. Ich trug noch kein Halsband, man konnte sich darauf verlassen, dass ich immer ganz dicht bei meiner Mutter blieb. Es dauerte nur kurze Zeit, bis wir am Rande der Urbanisation zu einem abgezäunten Rasenplatz kamen, auf dem schon ein paar Hunde und ihre Besitzer*innen saßen und warteten.

 

Auch gab es allerlei Geräte, deren Sinn ich nicht kannte: verschieden hoch angebrachte Ringe, dünne Pfosten in der Erde, über die man eine leichte Bambus-Latte gelegt hatte, verschiedene Röhren, lange Balken dicht über dem Rasen, kleine Hütten. Ein Mann mit einer Trillerpfeife führte hier offenbar das Kommando. Immer wenn er pfiff, gingen Mensch und Hund an das nächste Gerät.

 

Ich sah schnell, dass der Platz wohl eher dem Vergnügen der Mensch diente. Für die Hunde – nein, ich musste nichts tun, durfte einfach nur am Rande sitzen oder mitgehen und zuschauen – wurde das eher Arbeit. Mutter Anka musste als erstes durch einen Ring springen: Da ihr das gelang, bekam sie zur Belohnung ein Leckerli, so ein gepresstes trockenes Stückchen Fleisch aus der Tüte. Dann sollte sie auf dem schmalen Balken entlanglaufen. Als sie abrutschte und auf dem Boden landete, bekam sie einen Klaps mit einer zusammengefalteten Zeitung. Das wird ihr sicher nicht wehgetan haben, machte ihr aber deutlich, dass man nicht zufrieden war. Beim dritten Versuch klappte es – ein Leckerli belohnte den Erfolg. Dann musste sie durch die langen Betonröhren laufen, besser: kriechen, was ihr nicht so leichtfiel wie dem Dackel, der vor ihr dran war. Umgekehrt war es dann beim Hochsprung: Während der Dackel schon an 20 cm scheiterte, konnte man bei ihr die Latte immer höher legen; erst als sie fast doppelt so hoch lag, wie sie groß war, warf sie das dünne Stöckchen herunter. Es gab dennoch ein Leckerli. Auch in und auf der kleinen Holzhütte konnte sie alles, was man von ihr verlangte. 

 

Die Hundebesitzer wünschten sich dann noch ein Wettrennen, aber der Mann mit der Trillerpfeife meinte, es mache wenig Sinn, Dackel und Pinscher gegen Schäferhunde und Windhunde „antreten“ zu lassen.

 

Dafür gab es nun andere Übungen für Mutter Anka. Sie musste sich auf das Kommando „Sitz“ auf die Hinterpfoten setzen – das kannte und konnte sie schon seit Jahren. Nun kam aber Vater Jonas auf sie zu und griff nach ihrer rechten Vorderpfote. „Gib Pfötchen!“ sagte er dabei. Anka überließ ihm eine Weile ihre Pfote, zog sie dann zurück. Diese Übung wiederholte sich viele Male. Danach sagte er nur noch „Gib Pfötchen“ und wartete. Anka verstand offenbar nicht, was er von ihr wollte. Er griff nun wieder nach ihrem Fuß und wiederholte den Befehl. Nun hatte sie offenbar verstanden: Er wollte, dass sie von sich aus die Pfote reichte, wenn ein Mensch vor ihr die Hand nach ihr ausstreckte. Als sie das zum ersten Mal tat, waren zwei Leckerli die Belohnung.

 

Danach sollte sie nicht nur auf den Hinterbeinen sitzen, sondern auch damit laufen. Jonas ergriff ihre Vorderbeine, hob sie an und marschierte dann rückwärts. Ihr blieb nichts anderes übrig, als auf den Hinterbeinen Schritt zu halten. Spaß machte ihr das offenbar nicht, aber sie lief ein paar Schritte, wurde wieder mit einem Leckerli belohnt. Danach packte er ihre Hinterbeine, hob sie hoch, und schob sie voran: Sie musste auf den beiden Vorderbeinen laufen. Damit hatte sie große Probleme, dachte sich wohl – wie ich – warum sollte sie auf zwei Beinen laufen, wo uns doch die Natur mit vier ausgerüstet hat? Nach einigen Versuchen – mit Zeitung und Leckerli bestraft bzw. belohnt, gelang aber auch das. Freiwillig machte sie das nie.

 

Ich sah bei anderen Hunden noch erstaunlichere Übungen, hörte dabei immer das Wort „Dressur“. Das machte offenbar den Herrchen - manches besonders den Frauchen – viel Spaß: Sie – nein nicht die Frauchen und Herrchen - schlugen aus vollem Lauf Purzelbäume, bauten Männchen und bettelten mit beiden Pfoten, gingen rückwärts…

 

Ich wurde zum Glück mit alledem nicht behelligt. Von mir verlangte man solche Leistungen nicht, war mit viel weniger zufrieden. Ich hatte in der ersten Zeit als Neugeborener – wie wohl alle Jungtiere und auch kleine Menschen – zuerst einfach dort gepinkelt und auch meinen Kot abgelassen, wo ich gerade stand, saß oder lag. Ich merkte schnell, dass das bei Herrchen und vor allem bei Frauchen nicht gut ankam. Zwar schimpften sie anfangs nicht, aber ihre Gesichter zeigten eindeutig, dass sie das schlimm fanden. Ich schaute dann, wie meine Mutter das erledigte. Ich sah, dass sie zu dem Zweck immer nach draußen in den Garten ging und eine bestimmte Ecke aufsuchte, in der man Sand aufgeschüttet hatte. Dort buddelte sie dann ein Loch, das sie nach erledigtem Geschäft zuscharrte. Ich gewöhnte mir das auch an und wurde sehr gelobt. „Hundi ist nun endlich auch stubenrein“, sagten sie zu ihren Bekannten und Freunden.

 

Auch ein paar andere Verhaltensweisen lernte ich von meiner Mutter. Bei „Sitz“ hatte man sich auf die Hinterbeine zu setzen und zu warten, egal, was geschah, bei „Platz“ hatte man sich hinzulegen, „bei Fuß“ bedeutete, dass man neben dem Befehlsgeber hergehen musste, möglichst genau neben ihm, im selben Tempo. Auch das Holen und Zurückbringen eines weggeworfenen Balls lernte ich, das machte mir sogar Spaß. Zu Anfang wollte ich immer den Ball behalten und damit weiterspielen, lernte aber bald, dass ich ihn sofort vor dem Frauchen oder Herrchen abzulegen hatte. Ebenso war es mit geworfenen Stöcken. Ich bemühte mich von Anfang an, Mutter Anka Konkurrenz zu machen, schaffte es aber nie, vor ihr am Ball oder Stock zu sein: Sie war mit ihren langen Beinen einfach schneller.

 

Das war´s dann aber auch schon. Offenbar erwartete niemand mehr von mir, einem Teenager oder Halbstarken…Wie gesagt, Versuche zur Dressur gab´s bei meiner Mutter nur.

4. Stunden am Strand - hochinteressant

 

Nach diesen Übungen fuhren wir nach Hause zurück. Die Hausherrin Gundula hatte bereits einen Sonnenschirm, große Decken und Handtücher und einen Korb und eine Kühltasche im Auto verstaut. Vater Jonas und Klaus zogen sich kurze Hosen und ein T-Shirt an, Klaus kam auf die hintere Sitzbank, wir beiden Hunde stiegen durch die Heck-Klappe ein. Unser Bereich war mit einem Netz gegen den Fahrgastraum gesichert.

 

Es ging nun einige Kilometer auf kleinen Straßen durch endlose Gärten mit Apfelsinen, Mandarinen und Zitronen, zuerst nach Osten, dann bogen wir nach Süden ab aufs Meer zu. Sagunto war unser Ziel. Das erkannte ich immer an der hohen Burgruine, die nicht weit vom Strand ihre zerstörten Mauern und Türme in den Himmel reckte:

 

Vater Jonas hatte bei unseren ersten Besuchen dem Sohn Klaus davon erzählt, dass hier vor langer Zeit die Römer gegen die Iberer gekämpft hatten. Auch den Namen Hannibal hörte ich mehrfach – aber ich konnte mit alledem nichts anfangen. Wer waren denn die Römer?

 

Zu dieser frühen Stunde war der breite Strand noch ziemlich leer, die Spanier tauchten selten vor Mittag hier auf. Wir konnten uns einen Platz hinter einem Steinwall aussuchen, der uns gegen den Wind aus dem Osten schützte. Herrchen Jonas breitete die Decken aus, auch eine für uns. Er spannte den Sonnenschirm auf, wir legten uns hin, zuerst aber in die Sonne. Die wurde uns dann schnell zu heiß und außerdem war das Liegen auf der Decke langweilig. Mutter und ich machten uns daher bald auf Entdeckungsreise.

 

Wir sahen recht schnell, dass wir nicht die einzigen Hunde am Strand waren. Überall sahen wir sie umherlaufen, sich jagend, bellend, Haken schlagend. Niemand war hier angeleint. Meine Mutter machte sofort mit und auch ich versuchte, die Hetzjagden mitzulaufen. Ich konnte aber nicht so recht das Tempo halten. Immer wieder brachen die anderen Hunde mitten im Laufen die Jagd ab, blieben stehen, erwarteten meine Mutter: Man umkreiste sich interessiert, beschnüffelte sie, erst im Gesicht, dann aber auch am Hinterteil. Das wurde meiner Mutter oft zu aufdringlich, sie fuhr dann herum, knurrte, fauchte, zeigte die Zähne, schnappte nach dem frechen Rüden: Die aufdringlichen waren immer Rüden.

 

Nach einer Weile kehrten wir auf die Decke zurück, ruhten uns aus. Mutter Gundula hatte aus ihrem Korb eine Tonschüssel hervorgeholt und sie mit Wasser gefüllt: Ah, das tat gut! Wir genossen die Sonne, legten uns nun aber so, dass wir zur Hälfte den Schatten des Sonnenschirmes abbekamen.

 

Es dauerte nicht lange, da stand Vater Jonas auf, rief „Kommt, ihr Hunde!“ Er ergriff einen alten Tennisball und ging zum Wasser hinunter, wir liefen hinterher. Klaus blieb liegen. Das Meer war nicht besonders aufgewühlt, aber die Wellen rollten doch mit einem halben Meter Höhe an den Strand. Zwei schwarze Hunde tobten hier herum.

 

Jonas warf nun den Ball in hohem Bogen ins Wasser und rief: „Los Anka, hol den Ball!“ Meine Mutter rannte sofort ins Wasser. Ich sah, wie die erste Welle sie von den Beinen riss, dann aber tauchte ihr Kopf wieder auf und sie bewegte sich auf den Ball zu. Ich war erstaunt und sah genau hin: Sie paddelte mit allen vier Beinen, das hielt sie offensichtlich über Wasser. Sie schnappte sich den Ball und kam zurück, legte ihn Jonas zu Füßen. Der nahm ihn sofort wieder auf und warf ihn erneut ins Wasser, nun aber nur halb so weit. „Los, Hundi, hol den Ball!“ Ich lief los, ins Wasser hinein. Aber schon die erste Welle schlug über meinem Kopf zusammen, ich war schockiert, kam prustend hoch und ging so schnell ich konnte wieder auf festen Boden zurück. Nee, ich war doch kein Fisch oder Krebs! Das gefiel meinem Herrchen gar nicht, wieder flog der Ball ins Wasser und wieder kann der Befehl: „Los Kleiner…!“ Ich ging nun vorsichtig hinein. Und als ich die erste Welle kommen sah, hielt ich den Kopf ganz hoch und spaddelte mit den Füßen, wie ich es bei meiner Mutter gesehen hatte. Und siehe da, es klappte! Mein Kopf blieb über Wasser, ich konnte schwimmen, drehte aber schnell um und kehrte ins Flache zurück. Den Ball holte meine Mutter. 

 

Zurück auf der Decke hörte ich, wie Jonas seinem Sohn erklärte: „Alle Hunde können schwimmen. Naja, sie schwimmen natürlich nicht so wie wir, es ist ein Paddeln, Hundepaddeln eben. Aber das reicht ja. Hunde ertrinken nie, auch nicht Kühe und Pferde. Katzen haben

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 18.09.2021
ISBN: 978-3-7487-9495-0

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Widmung:
Anja gewidmet

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