Das Leben ist hart.
Das Leben nach dem Leben ist mindestens ebenso hart – wenn nicht gar noch härter.
Um es kurz zu machen...... ich bin ein Vampir! Und ich habe Probleme!
Sicher denkt ihr jetzt „Was kann ein Vampir nur für Probleme haben?“ Ich kann euch sagen, es sind unendlich Viele.
Mein größtes Problem ist, dass ich kein Blut sehen kann. Sicher versteht ihr nun, dass meine Probleme existenzieller Natur sind. Ich habe schon alles ausprobiert.
Als Erstes versuchte ich es mit Tierblut. Das erschien mir am nahe liegendsten. Leider war das ein totaler Fehlschlag. Blut ist nunmal Blut. Dann versuchte ich es mit geschlossenen Augen. Auch das klappte nicht. Normalerweise hat es ja einen leicht erotischen Touch, wenn ein gut aussehender Vampir am Hals einer Jungfrau hängt.
Bei mir war das etwas anders. Ich glaube, ich hab die Jungfrau etwas erschreckt, als begann, das ausgesaugte Blut wieder hervor zu würgen. Diese Situation war besonders schlimm für mich, da ich das gesamte Blut auf ihr weißes Kleid gespuckt habe, was den blutigen Effekt noch vergrößerte. Durch den Anblick des vielen Blutes bin ich dann ohnmächtig geworden. Peinliche Situation!
Ich erwachte gerade, als die Jungfrau am Telefon war und um Hilfe bat. Ich weiß nicht, ob sie die Polizei oder eher einen Notarzt rufen wollte, aber bevor ich in Erklärungsnotstand geriet, hab ich mich schnell durch das Fenster aus dem Staub gemacht.
Da ich mich nun trotz allem von etwas ernähren musste, hab ich herumexperimentiert. Von rohem Fleisch über Gemüse bis hin zu Tofu. Nichts hatte den gewünschten Effekt. Zum einen hatte ich auf nichts Appetit, zum anderen war nichts von all diesen Dingen richtig sättigend.
So musste ich doch auf Blut zurückgreifen, obwohl es mich nach wie vor anwiderte. Ich spezialisierte mich auf alleinstehende alte Damen. Das hat zum einen den Vorteil, dass sie meist schon so tüddelig sind, dass sie nicht verwundert sind, wenn man ihnen am Hals knabbert und Würgegeräusche von sich gibt, zum anderen geraten sie nicht gleich in Panik. Eines Nachts war ich wieder einmal zu Besuch bei einer älteren Dame. Sie schlief in ihrem Bett und gerade als ich mich genügend gesammelt hatte, um sie in den Hals zu beißen, fiel mein Blick auf eine Keksdose, die auf einem Tischchen stand. In diesem Moment überfiel mich ein Heißhunger auf Kekse. Ich öffnete die Dose und aß alle Kekse auf. Es war ein Wunder. Sie schmeckten ausgezeichnet und wie sich herausstellen sollte, machten sie mich über einen langen Zeitraum satt. Ich war glücklich. Endlich hatte ich etwas gefunden, wovon ich mich ernähren konnte. Somit bin ich wohl der einzige Vampir auf der Welt, der sich ausschließlich von Keksen ernährt.
Aber damit hörten meine Probleme nicht auf. Vampire sind dafür bekannt, unglaublich gut auszusehen und eine magische Anziehungskraft zu besitzen. Ich bin schon etwas eitel und lege großen Wert auf meine äußere Erscheinung. Was wiederum zum nächsten Problem führt: Da ich als Vampir nur nachts aktiv bin, schmeichelt es meinem Teint nicht wirklich. Ich besitze ja schon eine gewisse Grundblässe, die sich durch künstliches Licht leider noch verstärkt. So fühle ich mich entsetzlich unattraktiv.
Aufgrund meiner Minderwertigkeitskomplexe, begab ich mich daraufhin in psychologische Behandlung. Die Therapeutin war sehr nett und hatte wunderschöne Halsschlagadern. Wenn darin kein Blut fließen würde, wären die regelrecht zum Anbeißen gewesen.
Ich vermute, sie war etwas verwundert darüber, dass ich in jeder Sitzung eine Dose Kekse verspeiste, aber sie ließ sich nichts anmerken.
Nach wochenlanger erfolgloser Gesprächstherapie schlug sie mir vor, es einmal mit Hypnose zu versuchen.
Wahrscheinlich kann man Vampire nicht hypnotisieren. Außer einem angenehmen Gefühl der Schwerelosigkeit verspürte ich nichts und an meinem Komplex hat sich auch nichts geändert.
Also beendete ich die psychologische Therapie und beschloss, mir Hilfe bei einer Kosmetikerin zu suchen.
Ich hatte bereits damit begonnen, mein Äußeres mit Make up etwas aufzufrischen. Jedoch fehlte mir hierbei die Erfahrung, weshalb ich mich von einer Fachfrau beraten lassen wollte.
Das war auch wirklich hilfreich. Sie wies mich darauf hin, dass man rote Wangen nicht kreisrund aufmalt, ebenso wie es für Männer eher unvorteilhaft ist, rosa Lidschatten zu benutzen. Sie meinte, damit würde man aussehen wie ein Vampir. Was mich zu der Überlegung veranlasste, ob das nun gut, oder eher schlecht sei. Aufgrund ihrer Reaktion beschloss ich dann aber doch, auf rosa Lidschatten zu verzichten.
Seit ihrer Beratung werden meine Kenntnisse im Schminken immer besser und die Menschen starren mich nicht mehr so sehr an.
Was mich aber am allermeisten belastet, ist die Tatsache, dass ich bei Tage nicht hinaus gehen kann. Dafür habe ich bis heute auch noch keine Lösung gefunden. All die Dinge, die bei Sonnenschein am meisten Spaß machen, bleiben mir verwehrt. Etwa Schwimmen im See, Sonnenbaden oder Segeln.
Ich bin ein leidenschaftlicher Skifahrer. Auch dies macht in der Sonne mehr Spaß als bei Nacht. Zudem man nachts meistens alleine ist bei seinen Aktivitäten.
Einmal passierte es mir, dass ich bei meiner nächtlichen Skitour die Zeit vergaß und der Morgen dämmerte. Weit und breit war kein Unterschlupf zu finden und bis ins Tal hätte ich es niemals geschafft, bevor die Sonne aufgegangen wäre. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich in einer Schneeverwehung einzugraben und dort zu schlafen und zu warten, bis die Sonne wieder untergegangen war.
Die Kälte machte mir nichts aus. Aber die Angst, eine Schneeraupe könnte kommen und die Verwehung entfernen oder glätte ließ mich den ganzen Tag nicht richtig schlafen. Gott sei dank ist nichts passiert.
Seit dem war ich nicht mehr Skifahren...... viel zu gefährlich.
Nach diesem Vorfall befand ich mich in einer tiefen Depression. Wenn ich keine Kekse zum überleben gebraucht hätte, wäre ich überhaupt nicht mehr aus dem Haus gegangen.
So hatte ich mir gerade eine Dose dänische Buttercookies gekauft und befand mich auf dem Heimweg, als plötzlich aus einer Seitengasse eine attraktive junge Frau stürzte, die über und über mit Blut beschmiert war und direkt in mich hinein prallte. Wir stürzten beide zu Boden und waren sehr erschrocken. Als ich sie aber anblickte, erkannte ich sofort, dass auch sie eine Vampirin war. In ihren Augen erkannte ich blanke Panik, also nahm ich sie am Arm und lief mit ihr so schnell es ging zu meinem Haus.
Auch sie hatte erkannt was ich war und nachdem sie sich in meinem Badezimmer gesäubert hatte, erzählte sie mir in meinem Wohnzimmer von ihren Problemen.
Sie fühlte sich unzulänglich, weil sie als Vampir kein Blut sehen könnte. Gerade als wir uns trafen hatte sie versucht einen jungen Mann auszusaugen und hatte sich dabei übergeben. Als der Mann ich Panik geraten war, hatte sie die Flucht ergriffen.
Ich lächelte ihr zu und bot ihr von meinen Keksen an.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2012
Alle Rechte vorbehalten