Cover


Ich bin eine Hexe. Dieses Buch schreibe ich, weil ich ein für alle Mal mit den Klischees und Vorurteilen gegenüber Hexen aufräumen möchte.

Hexen sind alt, hässlich, bucklig, haben eine Stimme, die klingt wie eine Kreissäge und haben immer eine schwarze Katze auf der Schulter sitzen.

Das kann ich widerlegen. Zwar habe ich rote Haare, aber nur weil meine Naturfarbe ein langweiliges Dunkelblond ist. So lasse ich mir regelmäßig beim Friseur die Haare färben. Ich lege großen Wert auf mein Äußeres, deshalb trage ich tagsüber immer ein dezentes Tages-Make-up. Mein Kleidungsstil entspricht der neuesten Mode. Ich bin verheiratet, wohne in einem kleinen Eigenheim, welches mein Mann und ich vor 3 Jahren gekauft haben und habe eine süße kleine Tochter von 5 Jahren. Einzig das Klischee mit der schwarzen Katze stimmt. In meinem Fall heißt sie Minka und liegt eigentlich die meiste Zeit im Wohnzimmer auf dem Sofa.

Hexen sind böse Wesen, die schwarze Magie praktizieren, Zaubertränke brauen und ihre Opfer in Glaskugeln beobachten.

Nun, hexen und zaubern kann ich auch. Aber wir Hexen sind nicht mehr oder weniger böse als alle anderen Frauen auch. Wir helfen gerne, wenn jemand in Not ist, aber wir wünschen auch der jungen Kollegin unseres Mannes Pickel ins Gesicht, wenn sie ihm schöne Augen macht.

Zaubertränke brauen wir gar nicht. Zwar gibt es die alte Lehre des Zaubertrankbrauens und einige unter uns, sind dieser Kunst auch noch mächtig, aber in der heutigen Zeit ist es verhältnismäßig schwer, an die Zutaten zu kommen. Man stelle sich vor, es kommt eine junge Frau in eine Apotheke und verlangt dort nach gedörrten Froschaugen oder einer Bärenkralle aus der linken Vorderpranke. Mit viel Glück würde der Apotheker nicht sofort die nächstgelegene psychiatrische Klinik verständigen.
Deshalb werden heutzutage keine Tränke mehr gebraut.

Hexen müssen nur einen beliebigen Zauberspruch aufsagen, der ihnen gerade in den Sinn kommt und schon können sie damit alles zaubern, was sie möchten.

Zaubern ist eine schwierige Sache. Das Zaubern an sich ist nicht schwierig. Die Ausführung des Zaubers ist es, was in den meisten Fällen Probleme macht. Jeder Zauber braucht eine gewisse Aufmerksamkeit. Kein Zauber läuft von alleine. Wenn ich zum Beispiel mein Geschirr gespült haben möchte, so kann ich nicht einfach gespültes Geschirr zaubern. Dazu muss ich einen Zauber anwenden, der dann das Geschirr für mich spült. Auch das wäre kein Problem, wenn sich solche Zauber nicht verselbstständigen würden, wenn man sie nicht beaufsichtigt. Um mal bei dem Beispiel mit dem Geschirr zu bleiben: würde ich einen Geschirrspülzauber aussprechen und ihn dann alleine lassen, so wäre das Ergebnis sicher eine überschwemmte Küche, ein ordentlicher Haufen gespülter Scherben oder gar eine komplett tiefengereinigte Küche, inklusive allem, was sich darin befindet. So etwa auch Kochbücher, Pflanzen, Küchenradio, Katze etc.

Dann gibt es noch die Liebeszauber. Ein Liebeszauber lässt sich natürlich durchführen, ohne dass man etwas beaufsichtigen müsste. Genau das ist aber das Problem daran. Eigentlich verselbstständigen sich Liebeszauber immer. Ich persönlich kenne keinen Fall, bei dem ein solcher Zauber jemals die erwünschte Wirkung erzielt hätte. Oft wirkt es sich so aus, das der Bezauberte tatsächlich in eine Art „Liebesrausch“ verfällt. Aber nie in die gewünschte Person. Es kam sogar schon vor, dass Bezauberte sich in Nachbars Hund verliebten, oder in die 89-jährige Großmutter des besten Freundes. Zum Glück halten solche Zauber dann nicht besonders lange an. Verliebt sich der Bezauberte jedoch in jemanden, der die Liebe erwidert, so ist der Zauber für die Ewigkeit. Das ist für die Hexe die einst den Zauber aussprach besonders schlimm, da sie somit nie wieder Hoffnung auf den Geliebten Menschen haben kann.

Neben Liebeszaubern gibt es dann noch die sogenannten Vermögenszauber. Das sind Zauber, die zur persönlichen Bereicherung gedacht sind. Diese Zauber funktionieren schlichtweg überhaupt nicht. Ich kenne Hexen, die über verschlungene Umwege und Tricks versuchten, sich einen Vermögenszauber zu eigen zu machen, aber es hat nie geklappt.
Die Magie hat nun mal ihre eigenen Gesetze.

Hexen fliegen auf Besen durch die Luft

Dies ist das einzige Klischee, welches sich nicht gänzlich bestreiten lässt. Jede Hexe hat eine Leidenschaft fürs Fliegen. So gut wie jede Hexe hat auch ihr persönliches Fluggerät Zuhause. Das muss nicht immer ein Besen sein. In meinem Fall ist es ein Staubsauger mit Zyklontechnik ohne Saugkraftverlust. Den habe ich mir in mühevoller Kleinzauberei zu einem sportlichen Fluggerät umgebaut. Durch die Kombination eines Seitenwindumlenkzaubers mit einem Stellflügelzauber konnte ich die Flugstabilität mit einer besonders guten Kurvenlage in Zusammenspiel bringen, was mir ermöglicht schnelle, enge Kurven fliegen zu können, ohne dass mein Fluggerät dabei an Stabilität verliert. Im Moment arbeite ich noch an zusätzlichen Geschwindigkeitsfeatures. Zwar ist mein Staubsauger schon einer der schnellsten in meiner Region, aber ich liebe sportliches Fliegen und suche mir ständig neue Zauber, die mein Fluggerät noch besser machen können.

Leider ist uns Hexen das Fliegen nur nachts möglich, wo wir uns durch einen Sichtzauber schützen können. Das gefällt meinem Mann überhaupt nicht. Er ist stets besorgt, dass ich vom Sauger falle und freut sich natürlich auch nicht darüber, wenn ich nachts stundenlang unterwegs bin.
Also habe ich das nächtliche Fliegen auf ein Minimum beschränkt.

Ich hoffe, ich konnte mit den allgemeinen Klischees etwas aufräumen und klar darstellen, dass wir Hexen uns im Grunde nicht sehr von allen anderen Frauen unterscheiden. Denn genau genommen hat jede Frau ihren Zauber. Ob nun magisch oder nicht. Man muss nur genau hinsehen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /