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Der Elfenwald ist ein Ort, wo alle Zauberwesen friedlich miteinander leben. Es ist ein Ort der Harmonie, welche nur gestört wird, wenn die Hummelsummser wieder Unfug anstellen. Die Hummelsummser sind kleine Wesen, etwa so groß wie Schmetterlinge. Sie haben den pelzigen Körper einer Hummel, aber der Kopf ist mit einem langen, spitzen Schnabel ausgestattet und die Flügel sind mit Libellenflügeln zu vergleichen. Sie schimmern in allen Farben des Regenbogens. Hummelsummser kommen immer in Schwärmen vor. Wenn sie fliegen, sind sie in eine Wolke aus Feenstaub gehüllt. Genau mit diesem Feenstaub stellen sie jede Menge Unfug an.
Einmal haben sie auf allen Apfelbäumen die Äpfel durch Trauben ersetzt. Das fanden sie so lustig, dass in Folge auf Birnenbäumen Zwetschgen wuchsen, auf Kirschbäumen Erdbeeren und so weiter. Um dieses Durcheinander wieder in Ordnung zu bringen, war ein großer Aufwand nötig.
Die Elfe Dimirana ist das Wesen mit der größten Zauberkraft im Elfenwald. Sie ist eine beeindruckende Gestalt. Für eine Elfe ist sie außergewöhnlich groß. Ihr Haar ist silbern und immer kunstvoll geflochten. Sie trägt stets glänzenden Schmuck im Haar oder leuchtende Blüten, die im Elfenwald wachsen. Durch die gekonnte Anordung der Haare, kann man ihre spitzen Elfenohren sehen. Die schimmernden Libellenflügel auf ihrem Rücken sind trotz ihrer Größe von einer Zartheit, dass man nicht glauben möchte, dass sie in der Lage sind diese imposante Elfengestalt in die Luft zu tragen. Ihr wird von allen Bewohnern der größte Respekt entgegengebracht und sie wird zu Hilfe gerufen, wenn mal wieder ein Durcheinander zu beseitigen ist, der durch Hummelsummser oder fahrlässiges Zaubern entstanden ist.
Immer wieder muss Dimirana fehlgeschlagene Zauber der kleinen Fee Shamira rückgängig machen. Die kleine Fee Shamira ist noch sehr jung. Mit ihrem besten Freund, dem Einhorn streicht sie durch den Elfenwald und lässt sich neugierig auf jede Verlockung ein. Da der Elfenwald ein sehr magischer Ort ist, können solche Verlockungen ungeahnte Folgen haben. So hat sie einmal die Seerosen auf dem Waldsee wasserscheu gemacht. Das Ergebnis war nicht nur, dass die Seerosen unter allen Umständen versuchten, aus dem Wasser zu kommen - als sie wieder zu normalen Seerosen zurückverwandelt waren, waren sie alle erkältet und der Waldsee war wochenlang getrübt, da die Seerosen mit ihrem ständigen Niesen den ganzen Untergrund aufwühlten.
Wie alle Feen, ist auch Shamira eine äußerst hübsche Gestalt. Ihre weiße Haut schimmert in der Sonne. Das liegt am Feenstaub. Ihre langen seidigen Haare fallen wie Gold über ihre Schultern und die neugierige Stupsnase ist mit einigen wenigen Punkten verziert, die in der Menschenwelt als Sommersprossen bezeichnet würden. Auf dem Rücken trägt sie zwei kleine, zarte Flügelchen. Feenflügel unterscheiden sich durch Elfenflügel dadurch, dass sie breiter sind und außerdem nicht durchsichtig. Die Oberfläche der Flügel ist wie von Perlmutt, aber hauchzart.
Wie schon erwähnt ist Shamira eine sehr neugierige kleine Fee. Dimirana hat ihr schon viele Male ins Gewissen geredet, um sie zu einem vorsichtigeren Umgang mit der Magie und mit ihrem Zauberstab zu überreden. Shamira war auch immer einsichtig, aber nach einer gewissen Zeit war doch die Neugierde wieder stärker.

Eines Tages kam Shamira mit ihrem Einhorn zufällig an einen Ort, den sie noch nicht kannte. Ein seltsamer Ort. Es war ein kleiner Teich im Wald, aber das Wasser drehte sich ständig in einem Strudel. Wenn man in diesen Strudel blickte konnte man schemenhaft einzelne Bilder erahnen, aber bevor man etwas erkennen konnte, war das Bild auch schon wieder weitergespült und das nächste erschien.
Shamira wollte sich dem Strudel nähern, aber das Einhorn hielt sie zurück. „Bleib hier, du weißt nicht was das ist. Es kommt mir unheimlich vor. Es könnte gefährlich sein“ sprach es. „Ach was. Was soll schon passieren? Ich will doch nur mal sehen, ob ich die Bilder genauer erkennen kann.“ antwortete Shamira.
Sie ging also näher an den Strudel heran, das Einhorn dicht hinter ihr. Als sie direkt vor dem Wasser stand konnte sie noch immer die Bilder nicht genau erkennen. Immer wenn sie dachte, sie hätte etwas gesehen, war es auch schon wieder verschwommen. Da entdeckte sie einen Zuckerblütenbaum, der direkt am Ufer stand. Dieser Baum hatte einen Ast, der weit über den Teich ragte. „Wenn ich auf den Ast klettere, dann kann ich das Wasser von oben sehen. Dann kann ich die Bilder besser erkennen“ sagte Shamira und noch bevor das Einhorn etwas dagegen tun konnte, war Shamira auf den Ast geklettert und schob sich langsam nach vorne, bis sie fast über der Mitte des Strudels war. „Sei bloß vorsichtig!“ rief das Einhorn ihr zu, weil der Ast doch bedenklich schwankte. „Ich glaub ich kann was erkennen“ antwortete Shamira statt dessen. Sie beugte sich vom Ast hinab um der Oberfläche ganz nah zu sein, da rutschte plötzlich ihr Zauberstab aus ihrem Gewand und fiel in den Strudel. In diesem Moment schäumte der Strudel auf und wurde zu einem reißenden Sog. Die Bilder verschwanden und statt dessen zuckten Blitze im Wasser und die Farben wechselten von feurigem Rot zu giftigem Grün und endlosem Schwarz.

Shamira war zu Tode erschrocken und kletterte so schnell sie konnte wieder von dem Zuckerblütenbaum herunter. Am Ufer stand sie nun neben ihrem Einhorn und wusste nicht was sie tun sollte. Sicher war, dass sie wohl wieder Ärger mit Dimirana bekommen würde. Kaum, dass sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, tauchte Dimirana auch schon aus dem Wald auf.
Dieses Mal schien sie aber wirklich ärgerlich zu sein. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass dich von Dingen fern halten sollst, die du noch nicht kennst?“, schimpfte sie direkt los. „Dieses Mal hast du wirklich etwas sehr Schlimmes angestellt.“ Der Strudel tobte, schäumte und blitze weiterhin, als würde er nie wieder damit aufhören wollen. „Es war doch keine Absicht“, versuchte Shamira sich kleinlaut heraus zu reden. „Ich wollte doch nur die Bilder im Wasser sehen und dabei ist mir mein Zauberstab hinein gefallen.“ „Und genau das ist das Schlimmste, was unserer Welt passieren konnte. Du hast damit unser aller Leben in Gefahr gebracht.“ tadelte Dimirana weiter. Shamira wurde ganz elend zumute. „Wieso denn? Was ist denn so schlimm daran, dass er in diesen Teich gefallen ist?“ wollte sie wissen. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, was wohl passieren konnte. „Das ist kein normaler Teich“ sagte Dimirana „ Weißt du denn wirklich nicht, was das ist?“ Shamira verneinte. „Das ist der Weltenstrudel“, erklärte die Elfe weiter „sie verbindet unsere Welt mit der realen Welt. In der realen Welt gibt es keine Zauberkräfte mehr. Deshalb wurde vor vielen hundert Jahren der dunkle Fürst Ghazron dort hin verbannt. Er betrieb schwarze Magie und hatte die ganze magische Weld unterdrückt. Er war sehr mächtig. Seinem Zauber konnte niemand etwas entgegen setzen. Bis zu dem Tag als sich alle Zauberwesen zusammenschlossen. Es war ein gewaltiger Kampf, bei dem viele magische Wesen ihr Leben lassen mussten. Zum Schluss gelang es aber doch, ihm seinen Zauberstab wegzunehmen. Der Zauberstab wurde zerstört und Ghazron wurde in die Menschenwelt verbannt. Dort kann er keinen Schaden mehr anrichten. Es sei denn, er käme wieder in Besitz eines magischen Gegenstandes.“ „Und dieser magische Gegenstand ist mein Zauberstab.“ erkannte Shamira „Aber was wird denn passieren, wenn er ihn findet? Er ist doch in der anderen Welt.“
„Früher gab es dort noch Magie, aber irgendwann begannen die Menschen, nicht mehr an Zauberei zu glauben. Seit dem ist in der Menschenwelt die Magie ausgestorben. Wenn nun dein Zauberstab gefunden wird und jemand damit einen bösen, einen schwarzen Zauber begeht, dann wird unsere Welt dadurch zugrunde gehen“ erklärte ihr die Elfe.„Dann zaubere ihn doch einfach wieder zurück“ bat Shamira die große Elfe. „Das kann ich nicht. Keiner von uns kann von hier aus in der Menschenwelt zaubern. Wir können nur hoffen, dass dein Zauberstab irgendwo hin gespült wurde, wo ihn niemand findet.“ Shamira war sehr niedergeschlagen. Das hatte sie nicht gewollt. Durch ihre ständige Neugierde und Unachtsamkeit stand nun ihrer aller Leben auf dem Spiel. Der ganze Elfenwald war in Gefahr. „Ich kann ihn doch zurück holen“, fiel ihr da plötzlich ein „Ich springe einfach in den Strudel, dem Zauberstab hinterher und wenn ich ihn gefunden habe, kehre ich wieder hierher zurück.“ „Leider ist das nicht so einfach“ erwiderte Dimirana. „Wer aus unserer Welt hinüber geht in die reale Welt, der verliert sämtliche Zauberkräfte. Selbst wenn du den Zauberstab findest, kannst du ihn nur dort benutzen, denn dir ist der Rückweg versperrt. Die Legende besagt, dass man nur zurückkehren kann, wenn man ein anderes Wesen in der Menschenwelt findet, welches noch an Magie glaubt. Leider gibt es so etwas schon seit Jahrhunderten nicht mehr.“ „Und wenn ich den Zauberstab vernichte? Dann kann unserer Welt doch nichts mehr passieren?“ fragte Shamira weiter. „Nun ja, natürlich kann der Zauberstab kein Unheil mehr anrichten, wenn er vernichtet ist. Aber bedenke, dass du nicht mehr zurückkehren kannst und fortan in einer Welt leben musst, die vollkommen ohne Magie auskommen muss.“ war Dimiranas entmutigende Antwort.

Shamira musste den ganzen folgenden Tag immer wieder an ihren Zauberstab und die reale Welt denken. Bei jeder Kleinigkeit zuckte sie zusammen, weil sie mit dem Beginn der Zerstörung des Elfenwaldes rechnete. „So kann das nicht weitergehen“, sagte sie zu ihrem Einhorn „ich kann doch nicht in der ständigen Angst leben, dass unsere Heimat zerstört wird. Wenn ich hier bleibe, dann gehe ich mit dem Elfenwald unter. Wenn ich hinübergehe, besteht die Chance, dass ich unsere Welt retten kann. Selbst wenn ich mein Leben dafür opfern muss“ „Das kannst du doch nicht tun“ erwiderte das Einhorn. „Du richtest so schon immer genug Schaden an. Du weißt doch gar nicht, was dich in der anderen Welt erwartet.“ „Das ist mir egal. Ich muss den Zauberstab finden bevor Ghazron es tut und etwas Schlimmes passiert. Wenn ich dafür in der Menschenwelt bleiben muss, dann soll es so sein“
Das Einhorn versuchte noch lange, Shamira von ihrem Vorhaben abzubringen, jedoch vergeblich. Also blieb dem treuen Freund nichts anders übrig, als sich dem Abenteuer anzuschließen. „Dann werde ich eben mit dir gehen“ sagte es zu seiner kleinen Freundin. „Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen.“

In der kommenden Nacht, setzten sie ihren Plan in die Tat um. Heimlich schlichen sie sich zum Weltenstrudel, der sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatte. In der Nacht wirkte er noch unheimlicher als bei Tage. Die Bilder die nun wieder zu sehen waren, leuchteten irgendwie. Aber noch immer waren sie unkenntlich und verschwommen. Shamira und ihrem Einhorn war sehr unbehaglich zumute. Dies war eine Reise ohne Rückkehr. Dessen waren sich beide bewusst und trotzdem waren sie fest entschlossen, den Schritt zu wagen. Für den Elfenwald und für alle Freunde die sie hier hatten.
Das Einhorn schlug vor, gemeinsam hinein zu springen. Also griff Shamira mit ihrer Hand in seine lange seidige Mähne und beide nahmen Anlauf und sprangen mit einem großen Satz weit in den Strudel hinein.

Sofort spürten beide, wie der Sog sie nach unten zog. Die leuchtenden, schemenhaften Bilder zogen an ihnen vorbei und sie wirbelten immer weiter und weiter in den Strudel hinein. Mit der Zeit wurde der Wirbel langsamer und die Bilder deutlicher. Man konnte Menschen erkennen. Häuser, Straßen, Bäume und viele Dinge, die Shamira und ihr Einhorn noch nie gesehen hatten. Auf einmal schlugen beide hart auf und der Wirbel hörte auf, sich zu drehen.
Als sie sich umblickten, saßen sie Beide auf einer grünen Wiese. Um sich herum eine Gruppe von großen Tieren, die schwarz-weiß gefleckt waren und sie mit großen Augen gelangweilt ansahen. Die meisten dieser Tiere kauten in immer gleichbleibendem Rhythmus auf irgendetwas herum. Komische Gestalten! Shamira sah sich um und entdeckte, dass die Wiese von einem Zaun umgeben waren. Außen am Zaun lief ein Weg entlang. Um irgendwohin zu gelangen, mussten sie wohl diesem Weg folgen. Also stand Shamira auf und blickte sich nach einem Tor im Zaun um. Sie fand auch eines ganz in der Nähe. Als sie kurz davor war, das Tor zu erreichen, kam ein Mann auf dem Weg angelaufen. Er winkte mit den Armen und schrie ganz aufgeregt. Shamira war nicht ganz klar, ob der Mann etwas von ihr wollte und winkte unsicher zurück. Als er näher kam, konnte sie auch seine Worte verstehen. „... schon wieder so eine Rotzgöre. Ich habs genug mit euch Gesindel. Mach dass du weg kommst, bevor ich dich mit meiner Mistgabel aufsteche. Und nimm deinen Gaul mit. Sei froh, wenn ich dich nicht einsperren lasse.“ Shamira wurde klar, dass der Mann nicht sehr freundlich zu ihr war und schlüpfte schnell mit ihrem Einhorn aus dem Tor und lief weg, bevor der Mann sie zu fassen bekommen konnte. Er stand noch eine ganze Weile vor dem Tor und rief ihr mit erhobener Faust etwas hinterher.
Shamira folgte dem Weg, ohne zu wissen, wohin er sie führen würde und was sie weiter tun sollte. Ihr Einhorn folgte ihr mit hängendem Kopf. „Da haben wir uns auf etwas eingelassen, was?“ sprach sie zu ihm. Das Einhorn hob nur den Kopf und schnaubte leise. „Was ist mit dir?“ fragte Shamira „Geht es dir nicht gut?“ Als Antwort sah das Einhorn ihr traurig in die Augen und wieherte leise. Shamira war entsetzt. „Was ist denn? Was soll denn das? Wieso sagst du nichts? Was soll dieses Wiehern? Du bist doch kein Pferd!“ Aber da fiel es ihr auf. Ihr Einhorn hatte kein Horn mehr. Auch dieses innere Leuchten das jedem Einhorn zu Eigen ist war verschwunden. Genau wie sie selbst hatte es auch seine Magie verloren und war in dieser Welt nur noch ein Pferd. Shamira war so mutlos, dass sie sich auf einen großen Stein am Wegrand setzte und bitterlich anfing zu weinen. Was wollte sie hier eigentlich? Sie kannte sich nicht aus, sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte, sie hatte keine Zauberkräfte und bei ihr war ein Einhorn, welches nur noch ein Pferd war.

Plötzlich tippte ihr jemand an die Schulter. „Hallo?“ Shamira schrak auf. „Ist dir etwas passiert? Warum weinst du?“ Vor ihr stand ein dünnes Mädchen von etwa 12 Jahren, mit strähnigen blonden Haaren und abgerissenen Kleidern. „Ach es ist nichts“ antwortete Shamira. „Das kann ich mir aber gar nicht vorstellen - so wie du weinst. „erwiderte das Mädchen „Außerdem ist es schon seltsam, wenn ein Mädchen in einem weißen Kleid, mit einem Pferd, am Wegrand sitzt und weint, oder meinst du nicht? Also sag schon. Ich heiße übrigens Lina“ „Ich heiße Shamira und ich bin auf der Suche nach etwas. Ich bin neu hier und weiß nicht, wohin ich gehen soll.“ antwortete die kleine Elfe. „Na das trifft sich doch gut“, sagte Lina „dann können wir ja zusammen gehen. Ich habe auch kein Zuhause. Komm mit mir und erzähle mir, was du suchst“ Da Shamira keine Ahnung hatte, was sie sonst tun sollte, stand sie auf und ging mit Lina. Das Einhorn welches nun ein Pferd war, trottete brav hinter ihnen her. „Erzähl mir erst mal, wieso du ein weißes Pferd hast“ fragte Lina „es scheint dich zu mögen, denn es läuft dir ja hinterher wie ein Hund“ „Nun ja, er ist mein Freund“ antwortete Shamira einfach. „Na das ist mal eine Antwort. Wie heißt er denn?“ wollte das Menschenkind weiter wissen. Shamira zögerte. Ihr Einhorn hatte noch nie einen Namen. Im Elfenwald brauchten Einhörner keinen Namen. Man sagte, sie verlören ihre Einzigartigkeit, wenn man ihnen Namen gab. Also beschloss sie, ihm nun auch keinen Namen zu geben. Deshalb antwortete sie einfach nur „Unicorn. Er heißt "Unicorn“ „Das bedeutet doch Einhorn“ fragte Lina nach. „Nun ja“ sagte Shamira „wenn er ein Horn hätte, dann wäre er wohl auch eines“ „Da hast du recht. Er ist wunderschön“ Lina blickte das Pferd mit verträumtem Blick an.

Die beiden Mädchen liefen lange gemeinsam den Weg entlang, bis sie vor ein Dorf kamen. „Zeit, sich ein Abendessen zu verdienen“ sagte das Menschenkind. „Was kannst du denn?“ Erschrocken schaute Shamira auf. „Ich? Nichts? Was sollte ich denn können?“ „Na wenn du Essen kaufen willst, brauchst du Geld. Und um Geld zu verdienen, musst du etwas können. Ich zum Beispiel singe und tanze für die Menschen. Das gefällt ihnen und sie geben mir dafür ein paar Groschen. Davon kann ich mir dann Essen kaufen“ erklärte Lina. Da Shamira aber weiterhin darauf bestand nichts zu können, bot Lina ihr an, für sie beide Essen zu kaufen, wenn sie genug einnehmen konnte. Also gingen sie in das Dorf.
Es war bereits Abend und die Menschen im Dorf saßen im Zentrum um einen Baum herum und genossen den lauen Sommerabend. Als Lina den Platz betrat und mit großen Worten ankündigte, dass sie die Menschen unterhalten wollte, klatschten diese begeistert. So holte sie eine Flöte aus ihrer Tasche und begann eine lustige Melodie zu spielen. Sie spielte und tanzte dazu. Zwischendurch sang sie auch. Das Lied handelte von einem fahrenden Volk, welches das Leben in Freiheit genoss. Die Leute aus dem Dorf klatschten im Takt und freuten sich an der eingängigen Melodie. Doch plötzlich wurden die Leute richtig aufgeregt. Sie klatschten lauter und freudiger. Sie lachten und standen auf und tanzten mit. Shamira wusste gar nicht, was plötzlich mit den Leuten los war. Auch Lina schien verwundert zu sein über die Reaktion der Menschen. Obwohl sie natürlich weiterspielte. Shamira fiel auf, dass sie Zuschauer alle in eine bestimmte Richtung sahen. Sie schauten an ihr und Lina vorbei. Neugierig blickte sie sich um und sah hinter sich, ihr Pferd stehen und im Takt mittanzen. Mit den Vorderbeinen machte es die gleichen Tanzschritte wie Lina. Die Menge war hellauf begeistert. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Inzwischen hatte auch Lina entdeckt, was die Menschen so erheiterte und ging zu dem Pferd um mit ihm gemeinsam zu tanzen. Als sie mit ihrem Lied fertig war, forderten die Leute eine Zugabe. Und nach der Zugabe noch eine Zugabe. Und noch eine und noch eine. Lina und das Pferd tanzten bis die Sonne untergegangen war. Zum Schluss sammelte Lina mit ihrem Hut das Geld ein. Die Zuschauer waren so begeistert von der Darbietung, dass sie nicht geizig waren und den Mädchen viele Münzen in ihren Hut warfen.
„So viel Geld habe ich noch nie bekommen“ sagte Lina, als sie sich in einer Scheune ein Nachtlager bereiteten. „Dich und dein Pferd kann ich wirklich gut gebrauchen. Heute habe ich so viel Geld verdient, dass wir davon einige Tage leben können“ Shamira ging hinaus zu ihrem Pferd und streichelte ihm traurig den Hals. „Danke, dass du das getan hast. Da ich nichts kann, wovon wir leben könnten, kannst wenigstens du etwas. Auch wenn alle dich für ein Pferd halten.“ Unicorn legte seine Nase an ihren Hals und brummelte leise. „Ja ich weiß schon. Wir haben einen Zauberstab zu suchen. Wenn ich dich nicht hätte, würde ich das alles nicht überstehen“

Am nächsten Morgen frühstückten die beiden Mädchen noch den Käse und das frische Brot, das sie am gestrigen Abend erstanden hatten und machten sich dann auf ihren weiteren Weg. Shamira beschloss, Lina vorsichtig auszufragen, ob sie auf ihrer Reise etwas ungewöhnliches gesehen hatte. Vielleicht erhielt sie ja einen Hinweis darauf, wo der Zauberstab sein konnte. Tatsächlich berichtete das Mädchen ihr von etwas Ungewöhnlichem, was ihr vor wenigen Tagen passiert war. Sie wanderte in einem Tal bei sonnigem Wetter, als plötzlich Blitze zuckten und weit vor ihr in den Boden einschlugen. Es waren viele Blitze und alle schlugen in die selbe Stelle ein. Es muss in der Nähe eines kleinen Sees gewesen sein, soviel konnte sie erkennen. Dort wo die Blitze eingeschlagen hatten, bildete sich urplötzlich dichter Nebel und dieser schien von innen zu leuchten in seltsamen Farben. Das ging von Rot über Grün bis hin zu Schwarz. Als Lina das von Weitem sah, bekam sie Angst und änderte die Richtung in die sie ging, um möglichst weit von diesen unheimlichen Geschehnissen weg zu kommen. Am nächsten Tag hatte sie bei einer Vorstellung nicht viel Geld verdient und war deshalb etwas verärgert und hatte die Blitze und den Nebel auch schon wieder vergessen, als ihr ein Reiter entgegenkam, der ganz in Schwarz gekleidet war. Er hielt direkt auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Sein Schatten fiel über Lina und ihr wurde kalt. „Guten Tag junges Fräulein“ grüßte er mit rauer Stimme „Ich bin auf der Suche nach etwas das mir viel bedeutet. Habt ihr auf eurem Weg vielleicht etwas ungewöhnliches gesehen?“ Da der Reiter Lina Angst machte, erzählte sie ihm von den Vorkommnissen die sie beobachtet hatte. Als sie ihren Bericht geendet hatte, bedankte er sich nicht einmal und gab seinem Pferd die Sporen, so dass es beim losgaloppieren Lina fast umgestoßen hätte.
Shamira wurde ganz aufgeregt. Das musste Ghazron gewesen sein. Er wusste also von dem Zauberstab. Unicorn sah auch ganz aufgeregt aus. Wie sollte Shamira Lina nun dazu bekommen, wieder an diese Stelle zurück zu kehren. Schließlich war sie von dort gerade erst gekommen und war wohl nicht sonderlich erfolgreich mit ihrem Tanzen und Singen gewesen. Sie beschloss es mit der Wahrheit zu versuchen. Zumindest mit einem Teil davon. „Lina; du musst mir zeigen, wo diese Stelle war, an der du die Blitze gesehen hast.“ begann sie. Lina sah sie erstaunt an. „Warum sollte ich das tun? Wieso sollte ich wieder zurück gehen? Ich bin doch froh, dass ich dort weg bin.“ „Pass auf Lina“, redete Shamira weiter „ich weiß, wer dieser schwarze Reiter ist und ich weiß was er sucht. Es ist furchtbar wichtig, dass ich es vor ihm noch finde“ Lina wirkte skeptisch und nachdenklich. „Was ist denn so wichtig, dass ihr alle danach suchen müsst“ fragte sie. „Das kann ich dir leider nicht sagen, aber es ist lebenswichtig“ Linas Blick wurde weicher. „Nun“, sagte sie „schließlich habe ich kein Ziel. Insofern ist es egal wohin ich gehe. Und mit deinem tanzenden Pferd können wir überall genug Geld für uns drei verdienen. Also, worauf warten wir noch?“ Shamira war völlig erstaunt über Linas Entschlussfreudigkeit. Sie hatte nicht erwartet, dass es so einfach werden würde, sie zu überreden. So schlugen die Drei einen Weg ein, der sie wieder zurück führte.

Da sie ausreichend Nahrung mit sich führten und deshalb keine Vorstellung geben musste, kamen sie zügig voran.
Am Ende des dritten Tages, erreichten sie den Eingang zu dem Tal, von dem Lina gesprochen hatte. „Von hier ist es noch ungefähr ein halber Tagesmarsch, bis zu der Stelle, wo die Blitze und der Nebel waren“ berichtete Lina. Da es schon Nachmittag war und ihre Vorräte zur Neige gingen, beschlossen sie, im nahegelegenen Dorf eine Vorstellung zu geben und sich danach mit Vorräten einzudecken.

Das Dorf war angelegt, wie fast alle Dörfer. Im Zentrum gab es einen Dorfplatz mit einem Brunnen, einem großen Baum und einem Gasthaus. Bei schönem Wetter standen Bänke vor dem Gasthaus und auf dem Dorfplatz und die Bewohner genossen ihren Feierabend. Hier gaben Lina und Unicorn eine Vorstellung und wie erwartet waren die Menschen begeistert von dem Mädchen und ihrem tanzenden Pferd, so dass sie wiederum Lied um Lied und Tanz um Tanz spielen mussten. Als sie endlich fertig waren, war ihre Börse gut gefüllt und der Vorratsbeutel kurz vorm Platzen. Man hatte ihnen als Nachtlager eine Scheune zur Verfügung gestellt, in der sie weich und bequem im Stroh schlafen konnten.

In der Nacht wachte Shamira plötzlich auf, weil sie einen unangenehmen Druck am Hals verspürte. Schlaftrunken öffnete sie die Augen und konnte zuerst gar nicht ausmachen, woher dieser schmerzhafte Druck kam. Doch mit einem Mal war sie hellwach. Über ihr stand ein großer, schwarz gekleideter Mann, der einen Zauberstab – ihren Zauberstab – fest an ihren Hals drückte. „Wen haben wir denn da?“ fragte er mit seiner dunklen Stimme. „Wenn das nicht eine kleine Fee mit ihrem Einhorn ist“ Shamira wusste sofort, mit wem sie es zu tun hatte. „Ghazron!“ sagte sie nur. „Ganz recht. Mir scheint, ich bin berühmt!“ antwortete er „Und wer ist denn das?“ wollte er wissen und deutete auf Lina, die noch immer schlief. „Sie ist ein Mensch. Sie hat nichts mit unserer Welt zu tun“ gab die kleine Fee zurück „Lass sie in Ruhe“ Ghazron lachte. „Mal sehen. Wenn ich hier erst die Macht übernommen habe, wird sie vielleicht eine nette kleine Sklavin abgeben.“ Shamira wurde ganz übel bei der Vorstellung. Er hatte also ihren Zauberstab gefunden, aber sie wusste nicht, ob Ghazron ihn auch schon benutzt hatte. Wenn ja, dann war es für ihre Welt bereits zu spät. Aber auch die Menschenwelt war in Gefahr, unter seine böse Macht zu geraten. Dies konnte aber noch verhindert werden. Noch konnte er nicht viel Unheil angerichtet haben. Sie dachte brennend nach, wie sie Ghazron den Zauberstab entwenden konnte, aber im Moment war die Situation dafür äußerst ungünstig. Lag sie doch noch im Stroh und er hatte den Zauberstab fest an ihren Hals gedrückt. Eine falsche Bewegung und er könnte sie in einen Floh verwandeln. Also musste sie als erstes Ruhe bewahren und herausfinden, was er vor hatte. „Was willst du von mir?“ fragte sie deshalb. Er lachte laut und gehässig auf. „Was ich von dir will? Das ist eine gute Frage. Du bist meine Garantie. Du bist die Garantie dafür, dass ich die absolute Macht bekommen werde.“ Shamira verstand nicht. Er sprach weiter „Du bist hier in der Menschenwelt. So lange du hier bist, bist du selbst auch nichts weiter als ein Mensch. Da du aber einmal eine Fee warst, weißt du, dass Magie existiert....“ Er grinste sie böse an. Zuerst konnte die Fee seinen Ausführungen nicht folgen, doch dann verstand sie „Dadurch, dass ich an Magie glaube, kannst du durch mich zurück in den Elfenwald reisen“, erkannte sie „und willst dort wieder die Macht übernehmen!“ „Richtig und falsch“ erwiderte der schwarze Fürst. „Ich will die Macht haben. Aber der Elfenwald ist mir egal. Ich werde dorthin zurück kehren und die mächtigsten Zauberwesen hierher entführen. Dann werde ich den Elfenwald zerstören. Weil ihre magische Welt dann nicht mehr existiert, werden die Zauberwesen dann auch hier in der Menschenwelt wieder über magische Kräfte verfügen, denen ich mich dann jederzeit bedienen kann, weil ich sie in der Hand habe. Mit dieser gebündelten magischen Energie kann ich die ganze Welt beherrschen.“ Shamira erfasste das blanke Entsetzen. Was hatte sie da nur angerichtet? Durch ihren Leichtsinn stand nun die Zerstörung ihrer Welt bevor und die Unterdrückung der restlichen Welt. Das war das Schlimmste, was passieren konnte. Sie begann nachzudenken, denn sie musste unbedingt verhindern, dass Ghazron seinen Plan in die Tat umsetzte. Wenn er in den Elfenwald zurückkehren wollte, dann war auf jeden Fall schon mal sicher, dass er den Zauberstab noch nicht benutzt hatten. Wenn sie nun einen Ausweg fand, dann wäre vielleicht noch nicht alles zu spät.

Inzwischen war auch Lina aufgewacht. Mit ängstlichen Augen blickte sie Ghazron an. Sie schien sofort den Ernst der Lage erkannt zu haben, denn sie rührte sich nicht. „Ah, guten Morgen kleines Menschenkind. Auch schon wach?“ begrüßte Ghazron die zitternde Lina. „Draußen vor dem Dorf ist ein kleiner See. Dorthin werdet ihr mich nun begleiten.“ fuhr er fort. „Dort werde ich mein Werk vollenden“
Während er mit dem Zauberstab weiterhin auf Shamira zeigte, zog er mit der freien Hand Lina grob auf die Beine. Mit dem Zauberstab deutete er nun auf das Scheunentor um den Mädchen und dem Pferd klar zu machen, dass sie in diese Richtung voran gehen sollten. Inzwischen dämmerte es leicht und es wurde langsam hell.

So ließ er sie nun vor sich her gehen und wies ihnen die Richtung aus dem Dorf in Richtung Waldrand, wo man zwischen den Bäumen bereits einen kleinen Teich erkennen konnte. Auf dem Weg zum Teich suchte Shamira fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser Situation, aber ihr wollte nichts einfallen. Lina, die neben ihr her ging, war wie erstarrt. Sie reagierte wie eine Marionette. Unicorn, ihr Pferd war offensichtlich genauso beunruhigt wie sie, aber auch er konnte wohl nichts unternehmen. Endlich waren sie am Teich angekommen. Gleich würde alles zu spät sein.
Ghazron stellte sich mit dem Zauberstab an den Rand des Teiches. „Komm her“ befahl er Shamira. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging auf ihn zu. Mit jedem Schritt den sie dem Teich näher kam, begann das Wasser mehr zu sprudeln. Als sie nur noch wenige Meter vom Ufer entfernt war, erkannte sie, dass das Wasser sich inzwischen zu einem Strudel vereint hatte, der schemenhafte Bilder erkennen ließ. Der Weltenstrudel! Ghazron ließ sein grausames Lachen ertönen „Gleich werde ich wieder zurück im Elfenwald sein. Ob man sich freuen wird, mich wiederzusehen?“ Grob packte er Shamira am Arm und hielt sie fest. „Du musst nur am Ufer stehen, wenn ich hinein springe. Und schon bin ich in der anderen Welt. So einfach ist das“ Shamira liefen die Tränen über die Wangen. Sie wusste, jetzt war es zu spät.
Ghazron setzte zum Sprung an, um möglichst weit in den Strudel zu springen, als ganz plötzlich der Zauberstab in seiner Hand zu explodieren schien. Als hätte er sich die Hand verbrannt, ließ der schwarze Fürst den Stab fallen und so schnell, dass man es kaum glauben konnte, hatte Lina ihn aufgehoben. Was war da nur passiert? Shamira konnte erst jetzt erkennen, was geschehen war. Ihr Pferd hatte sich lautlos von hinten an Ghazron herangeschlichen und im richtigen Moment mit den Hufen gegen den Zauberstab geschlagen. Lina war sofort zur Stelle gewesen um ihn aufzuheben. Nun stand sie da. Unschlüssig, mit dem Zauberstab in der Hand. Ghazron schaute sie an und ging langsam auf sie zu „Gib mir den Stab“ sagte er leise zu ihr, ohne sie aus den Augen zu lassen „Es ist gefährlich was du da machst. Du weißt nicht, was du da in der Hand hältst. Gib ihn mir“ Er streckte die Hand nach dem Zauberstab aus. In diesem Moment ging eine Veränderung an Lina vor sich. Sie richtete sich auf, hob ihren Kopf, sah ihrem Gegenüber direkt in die Augen und richtete den Zauberstab genau auf ihn. „Oh doch.... ich weiß sehr wohl, was ich da in der Hand habe. Und ich weiß auch, das dieses Pferd ein Einhorn ist und Shamira eine Fee“ Shamira konnte gar nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Lina wusste was sie waren? Aber im Moment hatte sie keine Zeit darüber nachzudenken. Sie mussten, jetzt da sie den Ghazron den Zauberstab abgenommen hatten, überlegen, was sie mit ihm machen sollten. Wieder war es Lina, die wusste, wie es weitergehen sollte. „Shamira, nimm meinen Gürtel und fessle seine Hände“ Shamira tat wie ihr gesagt wurde. Lina hielt weiterhin den Zauberstab auf den dunklen Fürsten gerichtet und Shamira fesselte mit dem Gürtel seine Hände. Anschließend banden sie mit den Tragegurten von Linas Tasche auch seine Beine zusammen, so dass er auf der Erde saß, wie ein gut verschnürtes Paket.
Nun konnten sie sich Gedanken darüber machen, was weiter geschehen sollte. „Seit wann weißt du, was wir sind?“ fragte Shamira ihre Freundin „Ich wusste es vom ersten Augenblick an. Gleich als ich dein „Pferd“ gesehen habe war mir klar, dass ihr nicht aus dieser Welt seid“ „Aber woher?“ wollte Shamira wissen. „Meine Mutter“ war Linas Antwort. „Sie war einst selbst eine Fee, bevor sie in unsere Welt kam und zu einem Menschen wurde. Sie hat mir all die Geschichten aus dem Elfenwald erzählt. Auch die vom verbannten Ghazron. Vor ein paar Jahren ist sie gestorben. Mein Vater ist schon lange tot und seit dem ziehe ich alleine durchs Land.“ Shamira war wie vor den Kopf gestoßen. Sie hatten nicht nur den dunklen Fürsten gefangen, bevor dieser den Zauberstab benutzt hat und somit den Elfenwald gerettet. Nein, sie hatte auch noch eine Möglichkeit gefunden selbst wieder zurückzukehren. Lina wusste um die Magie, die auf der Welt herrschte. Also öffnete sie ihr den Rückweg – und tatsächlich – der Weltenstrudel war noch immer offen.
„Was sollen wir denn nun mit Ghazron machen“ wollte Lina wissen „Ich denke es ist besser, wenn wir ihn in unsere Welt mitnehmen.“ antwortete Shamira „Dort kann man ihn mit mächtigen Zaubern bändigen.“ Lina stimmte ihr zu. Einen Moment standen sie nun beieinander, ohne ein Wort zu sagen. Als aber das Einhorn kam und seine weiche Schnauze an Linas Wange drückte, erkannten sie, dass nun der Moment des Abschieds gekommen war. „Kann ich dir irgendwie für deine Hilfe danken“ fragte Shamira. Lina überlegte nicht lange. „Ja. Nimm mich bitte mit. Ich habe hier niemanden. Und ohne tanzendes Pferd ist es schwer Geld zu verdienen. Bitte nimm mich mit. Schließlich bin ich zu einem Teil auch ein Geschöpf des Elfenwaldes“ Shamira musste nachdenken. Was würde wohl Dimirana sagen, wenn sie ein Menschenkind mitbrachte? „Du würdest nicht mehr zurückkehren können“ war ihre knappe Antwort. „Das weiß ich. Und das will ich auch überhaupt nicht. Bitte nimm mich mit“ bettelte ihre Freundin weiter. „Nun gut. Schließlich hast du dabei geholfen, unsere Welt zu retten. Dann wird dir wohl auch die Erfüllung deines Wunsches zustehen.“
Also gingen die Mädchen mit dem Einhorn zusammen zu Ghazron, der noch immer auf der Erde saß. Gemeinsam zogen sie ihn hoch und führten ihn an den Rand des Weltenstrudels. Auf Shamiras Zeichen hin gaben sie ihm einen kräftigen Stoß. Das Einhorn ließ es sich nicht nehmen, mit den Hinterhufen tatkräftig mitzuhelfen. Der dunkle Fürst stürzte in den Strudel und wurde sofort in die Mitte gesogen. Man konnte noch sehen, wie er einige Male im Kreis herum wirbelte, dann verschwand er.

Nun standen die drei am Ufer und blickten sich an. Shamira und Lina fassten sich an den Händen und die Fee griff wieder in die Mähne des Einhorns. Gemeinsam sprangen sie in den Strudel und wie schon zu Beginn wirbelten sie wild herum und sahen Bilder an sich vorbei ziehen.
Endlich landeten sie auf moosigem Waldboden. Sie waren am gleichen Waldsee zurück gekommen, an dem sie ihre Reise begonnen hatten. Shamira blickte sich unsicher um. Plötzlich sah sie etwas und begann lauthals zu lachen. Ihre beiden Begleiter schauten in die gleiche Richtung und konnten ebenfalls ihr Lachen nicht zurück halten. Da hing Ghazron, eingesponnen wie in einem Kokon an langen seidenen Fäden zwischen den Bäumen und zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Um ihn herum ein Schwarm Hummelsummser, die wohl für dieses Werk verantwortlich waren.
„Danke, ihr Hummelsummser. Ihr wart genau zum richtigen Zeitpunkt hier.“ Lustig auf und ab schwirrend verabschiedeten sich die Hummelsummser mit einem lauten Summen und flogen in den Wald hinein. Kaum waren sie verschwunden, sprach von der anderen Richtung eine Stimme „Was ist denn hier passiert? Shamira, bist du das?“ Es war Dimirana, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Leicht eingeschüchtert drehte sich Shamira um und antwortete „Ja Dimirana. Ich bin wieder zurück und habe dir Ghazron mitgebracht.“ „Das sehe ich“ erwiderte Dimirana mit Blick auf den Zappelnden und einem leichten Grinsen im Gesicht. „Aber wie bist du wieder hierher zurück gekommen?“ „Mit meiner Freundin Lina!“ antwortete die kleine Fee „Sie ist ein Mensch und sie glaubt an die Magie. So hat sie den Weltenstrudel für mich offen gehalten und hat mich hierher begleitet“ „So, deine Freundin Lina... ein Mensch sagst du? Wo ist sie denn? Ich sehe gar keinen Menschen“ war die verwirrende Antwort der Elfe. „Na hier.....“ rief Shamira und deutete auf Lina die neben ihr stand. Da blieben ihr die weiteren Worte im Halse stecken. Neben ihr stand nicht mehr die Lina die sie kannte. Da stand eine kleine Fee. Ihre einst zotteligen Haare glitzerten in der Sonne. Ihre Haut war von einem Elfenbeinton der schimmerte und die Flügelchen auf ihrem Rücken wogten leicht auf und ab. Als Lina Shamiras Gesichtsausdruck sah, schaute sie an sich hinunter und schien selbst erst in diesem Moment zu erkennen, welche Wandlung mit ihr vorgegangen war. Sie strahlte übers ganze Gesicht. „Ich bin eine Fee! Genau wie meine Mutter“ freute sie sich. „Ja Lina! Das ist die Belohnung für deine Hilfe“ erklärte Dimirana. „Und nun, möchte ich alles ganz genau wissen.....“
So setzte sich die Gruppe auf einen Baumstamm und die beiden Feen und das Einhorn erzählten der Elfe, wie sie den dunklen Fürsten Ghazron gefunden, überwätligt und in den Elfenwald zurück gebracht hatten.

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Texte: © Cover erstellt von riedel
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2011

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