Der Sonnenuntergang war wunderschön. Die Sonne spiegelte sich im ruhigen Meer und keine einzige Welle war zu sehen. Die untergehende Sonne tauchte es in ein orange-rot. Es würde nicht mehr lange dauern und sie wäre im Meer versunken. Das tat sie jeden Abend. Es hatte etwas beruhigendes etwas so normales zu sehen. Etwas zu sehen, was sich jeden Tag aufs neue wiederholte und immer so wunderschön war. In einem Leben voller Schmerz und Trauer, war es schon fast ein Wunder so etwas vollkommenes zu sehen. Nur noch ein paar Sekunden und sie würde für heute verschwinden. 5, 4, 3, 2, 1 und weg war sie. Das Meer glänzte immer noch orange-rot. Nicht mehr lange und auch diese Färbung würde von der Finsternis der Nacht verschluckt.
Jeden Abend schaute ich mir an, wie die Sonne von der Nacht vertrieben wurde. Ich tat es schon seit mehreren Monaten. Warum wusste ich nicht so genau aber es gab mir Kraft weiter zu machen. Egal was passierte. Ich wartete noch bis es komplett dunkel war als ich mich auf den Weg zu meinem Haus machte. Es war nicht weit, nur ungefähr 100 Meter vom Strand entfernt. Es war ein schönes großes, neues, modernes Haus. Ich mochte es gern. Vor allem mochte ich es, dass es so nahe am Strand war und ein bisschen abseits von den anderen Häusern stand. Der Sand war noch warm von der Sonne. Schon überall im Haus brannten die Lichter und auf der Veranda saß meine Mutter und schrieb an einem ihrer neuen Bücher. Meine Mutter war Autorin und ihre Bücher waren alle ein großer Erfolg. Mein Vater war mindestens genauso erfolgreich. Er war irgendetwas wichtiges in der Filmbranche. Und ich? Ich war seine kleine Prinzessin. Ich war verwöhnt und mein Leben war perfekt. Ich hatte alles was man sich wünschte. Die beste Familie, die besten Freunde und am wichtigsten den besten Freund.
„Gute Nacht, Mommy.“ Meine Mutter schaute von ihren Laptop auf und lächelte mich an. Sie sah sehr müde und traurig aus.
„Gute Nacht, mein Schatz. Schlaf gut. Sammy kannst du Dad noch sagen, dass er July ins Bett bringen soll?“
„Aber Mom. Dad ist doch gar nicht zu Hause. Du solltest auch schlafen gehen. Ich bringe July ins Bett.“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ging ins Haus. July war meine kleine Schwester, sie war gerade mal neun. Ich fand sie im Wohnzimmer auf dem Sofa. Zusammengerollt schlief sie da neben unserer kleinen süßen Hündin Loona. Ein weiß-brauner Chihuahua. Der süßeste überhaupt. July sah so wunderschön aus. Ihre lockigen Blonden Haare fielen ihr wirr ins Gesicht. Sie war dünn und klein und zuckersüß. Ich schüttelte sie sanft und sie machte ihre großen blauen Augen auf und schaute mich an.
„July, ich bring dich ins Bett. Du kannst gleich weiter schlafen“, flüsterte ich. Ihre Augen schauten mich nur verschlafen an. Ich nahm sie an der Hand und führte sie die Treppe nach oben in ihr Zimmer. In dem meiner Meinung nach ein wenig zu viel rosa war. Ich legte sie in ihr Himmelbett, gab ihr einen Kuss und wollte gerade gehen.
„Sammy, kannst du noch ein bisschen da bleiben?“, flüsterte sie.
„Klar. Und jetzt leg dich hin und schlafe.“
„Singst du LaLeLu?“ Das hatte meine Mutter früher immer getan, als wir beide noch sehr klein waren. Also fing ich an zu singen: „LaLeLu, nur der Mann im Mond schaut zu, wenn die kleinen Kinder schlafen, nun schlafe auch du! LaLeLu, neben dem Bett stehen zwei Schuh, die genauso müde sind, leg dich zur Ruh!“ Als ich fertig war, war sie schon eingeschlafen. Ich saß noch eine Weile auf der Bettkante und hörte ihrem gleichmäßigen Atem zu.
Irgendwann ging ich selber ins Bett. Davor schrieb ich wie jeden Abend noch in mein Tagebuch.
Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Dad geweckt. Er strich mir liebevoll die Haare aus dem Gesicht und sagte ich könne zum Frühstück kommen. Es kam nicht oft vor, dass Dad in der Früh noch da war und mit uns zusammen frühstückte. Schnell ging ich ins Bad und machte mich fertig. Als ich mir gerade meine Schuluniform anzog kam July ins Zimmer. Sie setzte sich auf mein Bett und schaute mir dabei zu wie ich meine weiße Bluse zuknüpfte. Dann zog ich den schwarzen Blazer darüber und den schwarzen Rock an. Ich drehte mich zu ihr um und schaute sie fragend an.
„Du siehst so hübsch aus.“ Es klang so ehrlich wenn sie es sagte.
„Danke, Prinzessin.“ Ich nahm sie in den Arm. Gemeinsam gingen wir nach unten und setzten uns an den Tisch. Unsere Eltern waren schon da.
„So meine Süßen. In zehn Minuten fahre ich euch in die Schule. Und was haltet ihr davon wenn wir am Wochenende zusammen etwas machen, wie wärs mit Morgen gleich?“
„Ja, Daddy, können wir zusammen Filme schauen? Bitte Daddy?“ Julys Augen strahlten.
„Wenn Sammy nichts dagegen hat, dann können wir das machen.“ Er lächelte. Allerdings konnte man July nie etwas ausreden, denn sie hatte sich perfekt Loonas Hundeblick ab geschaut und dem konnte man nicht widerstehen. Dad machte in jeder freien Minute die er hatte, etwas mit uns. Nur leider kam das nicht so oft vor, wenn wir Glück hatten einmal die Woche. Aber wenn es etwas wichtiges gab, war er immer für uns da.
„Klar. Ich würde mal sagen, du suchst dir zwei oder drei aus und dann schauen wir sie an.“ July freute sich riesig.
Auch im Auto redet sie noch davon welche Filme sie denn gerne sehen würde. Zuerst brachten wir July in ihre Schule, die Clover Avenue Elementary School. Sie stieg aus und hüpfte zu ihren Freunden die vor dem Eingang warteten. Die College Ready Acadamy High, war noch weiter weg. Aber meine Schule war die beste die man sich wünschen konnte. Es gab einen Schwerpunkt auf Fotografie und ich liebte es Fotos zu machen. Es war eins der wenigen Dinge die ich wirklich konnte. Ich machte Fotos von allen schönen Dingen die ich sah oder erlebte. Zuhause in meinem Zimmer stapelten sich mehrere Fotoalben.
Vor der Schule warteten meine beiden besten Freundinnen Ally und Zoe auf mich. Wir erzählten uns alles und machten auch alles zusammen. Gemeinsam waren wir die Clique schlechthin auf der High School. Wieso ich dazu gehörte wusste ich immer noch nicht so genau. Denn ich hatte nichts besonderes getan. Ich war einfach nur mit Zoe und Ally befreundet. Als wir vor drei Jahren nach Los Angeles zogen, kannte ich hier keinen. Ich fühlte mich allein gelassen und vermisste mein altes Leben und als ich einmal während einer Stunde aus Klo gegangen war um allein zu sein, fand ich Zoe heulend in einer Kabine. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Irgendwann beschloss ich sie zu trösten, sie einfach in den Arm zu nehmen. Damals war ich 13 und sie 14. Zuerst wollte sie, dass ich sie in Ruhe lies, aber dann als sie merkte das ich nicht gehen würde, erzählte sie mir, dass ihr Vater gestorben war und sie damit nicht klar kam. Und seit diesem Moment waren Zoe und ich Freunde. Ally war schon immer ihre beste Freundin, aber es dauerte nicht lange, dass auch ich dazu gehörte. Und jetzt sind wir unzertrennlich. Beide rannten auf mich zu, als sie unser Auto sahen. Leider eines das nicht so leicht zu übersehen war. Aber hier war es nichts besonderes einen Porsche oder andere teure Autos zu fahren.
„Hey Süße!“ Ally nahm mich in Arm und drückte mir einen Starbuckskaffee in die Hand. Zoe kam und umarmte uns beide auf einmal.
„Gruppenkuscheln!“, rief sie und lachte. Jedes Mal wenn ich die beiden sah, war ich happy.
„Auf geht’s Mädels!“ Ich hackte mich bei ihnen ein und gemeinsam ging ich zu meinen ersten beiden Kursen. Musik und Englisch. Und dann sahen wir uns endlich wieder. Für die 20 Minuten setzten wir uns in die Cafeteria. Ich erzählte ihnen von dem geplanten Familienabend am Samstag. Sie fanden es süß.
„Mensch, Sam, sei froh, dass du so eine geile Familie hast.“ Zoe schaute mich ein klein wenig neidisch an. Denn als ihr Vater tot war, kam ihre Mutter nicht mehr mit ihr klar und sie wurde zu ihren Großeltern abgeschoben. Sie liebte sie, keine Frage, aber manchmal wünschte sie sich eben doch eine richtige Familie. Ich wollte gerade etwas zu ihr sagen, als ich zwei Hände auf meinen Schultern spürte. Mit einem Lächeln drehte ich mich um und sah in Rileys Gesicht. Er gab mir einen Kuss. Riley und ich waren jetzt schon seit drei Monaten zusammen. Wir waren glücklich.
„Zoe, Ally, darf ich euch meinen Schatz mal eben wegnehmen?“ Er lächelte sein süßestes Lächeln, bei dem man einfach nicht 'nein' sagen konnte.
„Klar nimm sie mit. Sam wir sehen uns später beim Lunch. Viel Spaß!“ Ally grinste mich an. Riley nahm mich an der Hand und führte mich na draußen in den Schulhof. Wir setzten uns auf eine der Bänke in die Sonne. Er schaute mich an und lächelte.
„Sammy, ich liebe dich.“
„Ich dich doch auch! Das weißt du.“
„Ja,“ er kniete sich vor mir auf den Boden und nahm meine Hand, „ich würde mich sehr freuen mit dir auf den Ball zu gehen. Und bitte, bitte sag ja.“ Er schaute mich an und in seinen Augen konnte ich sehen wie unsicher er war. Es war so gar nicht seine Art, Angst vor etwas zu haben. Schon gar nicht vor so etwas, bei dem er sich sicher sein konnte. Jedes Mädchen an der Schule würde mit ihm dorthin gehen wollen. So ziemlich jedes Mädchen wollte etwas von ihm.
„Natürlich will ich.“ Erleichtert nahm er mich in den Arm und küsste mich. Wie jedes Mal wenn er das tat, hatte ich ein kribbeln ihm Bauch, das sich an fühlte wie ein Feuerwerk. Ich wünschte mir, dass dieser Augenblick ewig dauern würde, nur leider war er viel zu schnell vorbei.
Nach der Schule gingen Ally, Zoe und ich noch in einen Starbucks in der Nähe. Er war überfüllt. Wir mussten ewig für unseren Kaffee anstehen und danach war unsere Laune am Tiefpunkt. Wir setzten uns vor das Gebäude auf den Parkplatz und schlürften unseren Kaffee. Keiner hatte noch große Lust etwas zu erzählen. Wir waren alle müde und erschöpft. Ich freute mich schon riesig auf das Bad das ich nehmen würde wenn ich zu Hause war. Allerdings dauerte das noch zwei Stunden. Ally brach als erstes das schweigen.
„Sam, erzähl. Was gab es so wichtiges mit Riley?“ Ein strahlen huschte mir über das Gesicht.
„Er hat mich zum Ball eingeladen.“
„Wow. Sam, wie geil!!“ quietschte Ally. Ally war immer laut und freute sich fast über alles. Manchmal war es echt nervig aber manchmal war es auch einfach genial. Zoe saß ganz still da uns sagte nichts. Sie schaute uns noch nicht einmal an. Wir beide wussten nicht was los war. Normalerweise freute sie sich auch riesig, wenn einer von uns etwas tolles passierte. Ally hatte schon lange ein Date für den Ball und Zoe doch auch. Ich verstand nicht was los war? Ich kniete mich neben sie.
„Alles okay? Was ist denn los?“
„Nichts ist okay. Ich freu mich für dich, Sam, keine Frage aber es war gerade nur so unpassend.“
„Wieso das denn?!“ Ally und ich schauten uns an und konnten es uns eigentlich schon denken.
„Kyle hat heute Schluss gemacht. Er geht mit einem anderen Mädchen auf den Ball. Er hat sie am Wochenende auf einer Party kennen gelernt und sie war wohl besser als ich.“ Sie schaute uns an und Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Oh nein. So ein Arsch. Dem werd ich etwas erzählen. Der kann sich auf was gefasst machen..“ Ally war sauer, aber das half Zoe jetzt auch nicht. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie verstand, dass sie jetzt besser die Klappe halten sollte. Zoe nahm ich in den Arm und sie weinte. Langsam und liebevoll strich ich ihr über den Kopf. Der absurde Gedanke Riley könnte Schluss machen, kam mir in den Kopf. Allein bei der Vorstellung, könnte ich heulen. Riley und ich hatten schon öfter Streit gehabt, aber wir haben es immer geschafft uns wieder zu verstehen. Der Gedanke er könnte mich betrügen und mit mir spielen machte mich fertig. Wenn ich bei dem Gedanken schon so fertig war, wie musste es dann Zoe gehen. Die beiden waren ein Jahr zusammen gewesen.
Ein Leben mit einem andern Freund konnte ich mir im Moment nicht vorstellen. Ich hatte ja keine Ahnung, was mir noch so alles passieren würde. Das schon morgen alles anders sein könnte.
Als wir Zoe getröstet hatten, beschloss sie, dass sie gerne alleine sein würde, um sich über alles im klaren zu werden und Ally meinte, sie würde noch zu ihrem Freund fahren. Ich wollte nur noch nach Hause und in die Badewanne, mein Leben genießen und hoffen es wäre immer so schön. Als ich die Haustüre auf schloss, kam mir July entgegengelaufen. Sie strahlte über das ganze Gesicht und umarmte mich. Sie wollte mich gar nicht mehr loslassen und ich genoss es, von ihr geliebt zu werden. Niemals, für nichts auf der Welt würde ich sie hergeben. Sie war mein Ein und Alles. Ohne sie wäre ich nicht ich.
„Sammy! Ich werde bei der Schulaufführung, die Hauptrolle spielen dürfen!“ July hatte ein unglaubliches Schauspiel Talent. Sie durfte schon immer die Hauptrollen bei Theaterstücken spielen und sie stand auch schon bei einem richtigen Film vor der Kamera. Sie war ein Ausnahmetalent. Egal was sie machte, sie war gut darin. Sie spielte unglaublich gut Klavier und in der Schule schrieb sie nur gute Noten. Sie tanzte Ballett und spielte Basketball. Sie fing letzten Sommer mit Surfen an und konnte es schon fast so gut wie ich und ich surfte jetzt schon seit 7 Jahren. Ich konnte nichts so gut wie sie. Ich schrieb auch gute Noten aber bei weitem nicht so wie sie. Ich spielte ein bisschen Gitarre aber bei weitem nicht auf ihrem Niveau. Und nun ja mehr machte ich eigentlich nicht. Ich konnte noch gut Schauspielern, aber das wusste so gut wie niemand. Ich wollte nicht Schauspielerin werden, so wie July. Und wahrscheinlich würde sie es locker schaffen. Immerhin war sie es jetzt ja eigentlich schon. Ich stand manchmal ein bisschen in ihrem Schatten, aber ich gönnte ihr alles. Unsere Eltern liebten uns beide und deswegen war das auch kein Problem. Natürlich war ich manchmal eifersüchtig, aber ich denke, dass ist normal.
„Wow! July, wieso wundert mich das nicht?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht weil du Hellsehen kannst?“
„Nein, meine Süße, dass kann ich nicht und ich denke, es ist gut so.“
July glaubte gern an Märchen und Geschichten, manchmal kam es einem so vor, als ob sie in einer anderen Welt leben würde. Meine Mutter nannte sie liebevoll, kleine Fee. Und für Daddy, waren wir beide Prinzessinnen. Wobei July, mehr aussah wie eine Prinzessin. Alle behaupteten zwar, dass wir genau gleich aussahen, aber ich war der festen Überzeugung, dass July hübscher war.
„Du Sammy. Ich hab mir Filme ausgesucht.“
„Die wären?“
„Ich will unbedingt Hachiko und Ratatouille anschauen.“
„Finde ich gut!“ Ich kannte zwar beide Filme schon auswendig, aber es waren eben ihre Lieblings filme und um ehrlich zu sein mochte ich sie beide auch. Auch wenn ich bei Hachiko immer weinen musste, wenn der Hund 10 Jahre am Bahnhof auf sein totes Herrchen wartete.
July rannte wieder hoch in ihr Zimmer. Abwesend und immer noch über den Tag nachdenkend, lies ich mir heißes Wasser in die Wanne und legte mich rein. Ich dachte darüber nach, was wäre wenn Riley mich mit einer anderen betrügen würde. Mit einem hübschen Mädchen, dass vielleicht einfach besser war. Es waren schreckliche Gedanken. Ich wüsste nicht, was ich tun würde. Ich wäre vollkommen allein und aus der Bahn geworfen. Riley war alles was ich hatte. Ich liebte ihn, nein ich vergötterte ihn. Wie sollte ich ohne ihn zurechtkommen. Er war mein bester Freund und mein fester Freund zugleich. Ihn zu verlieren würde bedeuten, dass ich wieder allein wäre. Klar hatte ich Ally und Zoe und meine ganzen anderen Freunde und meine Familie. Aber keinen Riley mehr der immer für mich da ist und zu dem ich immer kommen kann. Egal was passiert ist. Und ihm würde ich auch alles wirklich alles verzeihen. Für ihn würde ich auch alles machen. Gott, ich wäre tot ohne ihn. Fühlte sich Zoe so? Oder war sie stark genug um es einfach abzuschließen. Ich würde ihr später eine Sms schreiben, ob ich irgendetwas für sie tun kann. Aber diese Sms schrieb ich nie. Warum wusste ich nicht genau.
Das Wasser war soo schön warm und der Schaum roch so gut nach Zitronen, wie ich es liebte einfach in der Badewanne zu liegen und nichts zu tun.
Heute würde ich den ganzen Abend nichts zu tun haben. Das heißt ich könnte endlich einmal meine Fotos auf meinem Rechne sortieren und entwickeln lassen. Dann könnte ich nächste Woche eine Collage für July machen, das wünschte sie sich schon seit Wochen. Wir hatten sogar schon zusammen Fotos gemacht. Am Strand. Sie sind alle total schön geworden. Fotografieren war eines der wenigen Dinge, die ich besser konnte als July. Auch zeichnen konnte ich besser. Aber das wars auch schon mit meinen Talenten. Aber ich war mehr als zufrieden mit meinem Leben.
Nach eineinhalb Stunden wurde das Wasser langsam kalt und ich fühlte mich gezwungen, aus der Wanne zu gehen und mich wieder fertig zu machen.
Als ich abends vor dem Schlafen gehen noch die Fotos sortierte und die Bilder für July bestellte, fiel mir wieder ein, dass ich Zoe eine Sms schreiben wollte. Ich suchte mein Handy, dass mal wieder keinen Akku hatte. Scheiß BlackBerry!! Dann war es schon wieder so weit, dass die Sonne unterging und ich ging nach draußen, lief den Weg zu den Dünen hinunter und setzte mich in eine Düne und schaute ihn mir an. Leise zählte ich wieder von zehn runter und wartete bis es dunkel wurde. Jeden Abend war es wieder aufs neue einzigartig und doch gleich. Der Sonnenuntergang war etwas Heiliges für mich. Aber keiner wusste, dass ich ihn mir jeden Abend anschaute. Meine Familie dachte ich würde joggen gehen und meine Freunde wussten davon gar nichts. Das war mein kleines Geheimnis. Warum ? Ich habe keine Ahnung. Diesen Moment will ich einfach mit niemandem teilen und wenn ich es irgendwann vielleicht tun würde, dann mit einem ganz besonderen Menschen. Einer dem ich mehr vertraute als July oder Riley oder meinen besten Freundinnen. Ob ich diesem Jemand je begegnen werde? Und wenn ja, wann? Und wieso? Und wer würde es sein? Was hatte es dann zu bedeuten? Vielleicht wird der Sonnenuntergang auch immer mein Geheimnis bleiben. Vielleicht aber auch nicht?
Als es ganz dunkel war, machte ich mich auf den Weg zurück zum Haus. Wie immer schien es wie eine kleine Sonne in den Dünen. Heute saß meine Mutter nicht auf der Terrasse, sondern mit meinem Daddy und July auf der Couch.
„Sammy, setze dich doch zu uns?“, fragte meine Mutter und klopfte auf den freien Platz neben mir.
„Nein, tut mir Leid Mommy. Ich glaub ich geh ins Bett, Schule war heute so anstrengend und ich bin müde.“
„Macht nichts, mein Schatz. Schlaf gut und träum was Schönes,“ mein Vater warf mir eine Kusshand zu und ich fing sie mit den Händen auf und legte diese auf die Stelle an der mein Herz war. So machten wir das immer. Schon als ich ganz klein war. Und das machten nur ich und mein Vater. Das war unser Ding.
„Gute Nacht, Sammy“, flüsterte July, vollkommen gebannt von dem Film den sie anschauten. Meine Mutter stand auf, gab mir einen Kuss auf die Stirn und setzte sich dann wieder auf das Sofa.
Ich ging in mein Zimmer, zog mir meinen Pyjama an und legte mich ins Bett. Ich kuschelte mich unter die Decke und taste im Dunkeln nach meinem Handy. Aber während ich versuchte eine Sms zu tippen, schlief ich ein.
* * *
Am Montagmorgen klingelte mein Wecker wieder einmal viel, viel zu früh. Das Wochenende war viel zu kurz und ich hatte immer etwas zu tun. Am Samstag den Familientag und am Sonntag war ich mit Ally und Zoe auf einer Party. Dementsprechend war ich auch müde. Mühsam schleppte ich mich ins Bad und erst unter der Dusche wurde ich einigermaßen wach. July platzte ins Bad und schrie: „Sam! Beeile dich. Mommy, ist schon sauer. Wir fahren in zehn Minuten!“
Na toll, wie sollte ich das schaffen? Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie funktionierte es. Mehr Schlecht als Recht aber zehn Minuten später saß ich mit meiner Schwester im Auto meiner Mutter. Zoe war nicht in der Schule, wegen der Sache mit Kyle. Dafür holte mich Riley vom Auto ab und küsste mich.
„Da ist ja meine Sammy-Maus! Wir kommen zu spät zu Mathe.“ Er grinste und ich spürte die bösen Blicke der anderen, neidischen Mädchen. Aber ich ignorierte sie, sie gefielen mir schon fast. Ich hatte etwas, was alle wollten und ich würde es nie freiwillig hergeben. Für nichts auf der Welt.
„Seit wann interessiert die Mathe?“ Ich stupste ihn neckend mit meinem Ellenbogen an.
„Schon immer“, scherzte er. Gemütlich gingen wir ins Schulhaus. Riley hatte mir den Arm um die Schultern gelegt und ich genoss es ihm zu gehören. Ich konnte nicht verstehen wieso er sich für mich entschieden hatte, unter all den hübschen und netten Mädchen. Warum ausgerechnet mich? Seine Erklärung war, dass er es nicht wusste, ich gäbe ihm etwas, dass ihn ganz macht.
Leider hatte der Lehrer uns auseinander gesetzt mit der Begründung wir würden uns zu viel mit Dingen beschäftigen, die nichts mit Mathematik zu tun haben. Nur, weil wir knutschend versucht haben seinem langweiligem Unterricht zu folgen. Aber bitte, wenn er meint.
Von meinem Tisch aus konnte ich Riley genau beobachten. Er saß auf seinem Stuhl und versuchte der monotonen Stimme des Lehrers zu folgen.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wo ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Wir waren damals auf Klassenfahrt in Kanada. Ursprünglich sollten wir alle Skifahren oder Snowboarden. Ich war damals im Fortgeschrittenenkurs beim Snowboarden. Aber nach dem ersten Tag hatte ich mir beim Rail fahren den Fuß gebrochen und konnte nicht mehr fahren. Während die anderen draußen auf der Piste waren, saß ich in unserem Zimmer oder im Aufenthaltsraum und unterhielt mich mit den Lehrern, die nur als Aufsichtspersonen mitgefahren sind. Am dritten Tag kam Riley dazu. Er hatte sich die Hand gebrochen, wie wusste er selber nicht. Wir verstanden uns von Anfang an, redeten viel und auch wenn die anderen Schüler wieder da waren, machten wir alles gemeinsam. Nach dem Skilager waren wir beste Freunde und es dauerte noch eineinhalb Jahre und kamen wir zusammen. Ally und Zoe freuten sie riesig, als ich es ihnen erzählte. Sie hatten schon immer gesagt, eines Tages würden wir zusammen kommen. Besonders schlimm wurde es, als Riley und ich auf dem Ball der 10. Jahrgangsstufe zum Königspaar gewählt wurden. Alle waren der Meinung wir wären ein so süßes Pärchen. Aber natürlich hofften sie alle, Riley würde sich eines Tages in sie verlieben. Was er vielleicht irgendwann sogar tun würde, was ich nicht hoffte.
Riley drehte sich zu mir um, verdrehte die Augen und warf mir eine Kusshand zu. Die Mädchen um mich herum fingen an zu tuscheln und zu kichern. Oder machten es wie Olivia und warfen mir einen Blick zu, der mich töten sollte. Bevor ich auf die Schule kam war Olivia mit ihrer Clique, die Queen an der Schule. Sie ist wunderschön, aber ihr Charakter ist schrecklich. Sie ist hinterlistig, falsch, arrogant und alle müssen das tun, was sie will. Dann haben Ally, Zoe und ich ihr ihren Platz streitig gemacht. Die anderen wollten lieber etwas mit uns machen, als mit ihr und das passte ihr natürlich gar nicht. Sie beschloss uns zu hassen und dachte sich alle möglichen Dinge aus um uns bloßzustellen. Doch am Ende stand immer nur sie blöd da, weil wir nicht so reagierten, wie sie hoffte. Einmal zum Beispiel hat sie Ally ein Glas Cola über den Kopf geschüttet. Zuerst war Ally sauer und wie, aber dann bekam sie einen Lachanfall und bewarf sie mit Pommes. Am Ende war eine riesige Essensschlacht in der Cafeteria entstanden und alle amüsierten sich, außer Olivia. Zur Belohnung bekamen wir alle sogar den Rest des Tages frei, da die Lehrer und Putzfrauen die Cafeteria wieder in Ordnung bringen mussten. Alles in allem ein gelungener Tag, nur unsere Outfits waren danach im Arsch.
Während ich so vor mich hin träumte, bemerkte ich nicht die Lautsprecher durchsage. Erst als John mich von der Seite anstupste, bemerkte ich sie.
„... Ich wiederhole, Samantha Coleman, bitte ins Direktorat kommen.“ Mein Herz blieb stehen und ich ging Alles durch, was ich gemacht haben könnte, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein. Alle starrten mich an. Riley lächelte aufmunternd aber auch er schaute verwirrt. Ich konnte nicht aufstehen, ich traute mich allgemein nicht, mich zu bewegen.
„Samantha, willst du nicht gehen?“ fragte mich der Lehrer. Ich nickte langsam und stand auf. Ich zitterte und hatte Angst ich könnte hinfallen. Beim Hinausgehen sah ich Olivia grinsen. Natürlich gefiel es ihr, wenn ich in Direktorat musste. Wenn ich doch nur wüsste warum! Mir kam der Weg ins Direktorat noch nie so lange vor. Naja ich wurde auch noch nie unter der Stunde gebeten zu kommen. Als ich endlich da war, zitterte ich immer noch. Vorsichtig öffnete ich die Tür und die nette Sekretärin lächelte mir zu.
„Samantha, gut, dass du so schnell kommen konntest.“ Sie klopfte an die Tür des Direktors. „Himmel, Mädchen, du bist ja ganz blass. Du musst keine Angst haben, es ist nichts Schlimmes.“ Sie lächelte und öffnete die Tür. Wie in Zeitlupe ging ich hinein.
Es ist nichts Schlimmes, es ist nichts Schlimmes, es ist nichts Schlimmes ... versuchte ich mir einzureden.
Im Zimmer saß schon ein Junge. Er war sehr dünn und sonnen gebräunt. Seine Braunen Haare fielen im ins Gesicht und waren wirr durcheinander gewuschelt. Seine blauen Augen schauen mich traurig an. Er sieht verdammt gut aus! Die Mädchen mussten ihn lieben.
„Ah, Samantha da bist du ja, darf ich dir Ben Leery vorstellen?“
Fortsetzung folgt ..
Ben war anders, als alle Menschen, die ich kannte. Er war verschlossen, still und redete nicht mit ihm. Ich konnte sagen was ich wollte, eine Antwort bekam ich nicht. So ging das mehrere Wochen. Ich lebte mein normales Teenagerleben und er was auch immer er lebte. Es schien nicht schön zu sein, denn er war immer alleine, seit ich nicht mehr die Schule zeigte und er saß sehr unglücklich aus und etwas hatte er an sich, das ich nicht beschreiben konnte, etwas, dass allen Menschen fehlte, die ich kannte. Ich mochte dieses Etwas. Ich mochte ihn, warum konnte ich zwar nicht sagen, aber ich mochte ihn. Meine Freunden lästerten über ihn ab, nannten ihn verkorkst und arrogant. Für sie war er einer, der sich für etwas besseres hielt. Ich war eher der Meinung, dass er sein wahres ich vor uns allen verbergen wollte warum auch immer. Der einzige Punkt bei dem sich alle einig waren ist der, das er verdammt heiß ist. Um ehrlich zu sein ist er heißer als mein Freund und das will was heißen.
Tag der Veröffentlichung: 08.03.2012
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