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Der Alte Fritz

 

 

 

 

 

Neugierig blinzelt mich der Junge durch seine dicken Brillengläser an. Nur noch selten bleibt jemand stehen, um mich genauer zu betrachten. Meist hasten sie nur laut schwatzend an mir vorbei und würdigen mich kaum eines Blickes. Zugegeben, besonders attraktiv sehe ich wirklich nicht aus. Nicht mehr, um es genauer zu sagen. Aber schließlich habe ich in meinem Leben viel erlebt, auch den letzten Krieg überstanden. Der hat eben seine Spuren hinterlassen. Meine Augen sind wohl das Faszinierendste an mir. Damit ziehe ich die Menschen auch noch nach neunzig Jahren genauso in meinen Bann wie früher. Der kleine Junge schaut mich immer noch an. Ich kenne ihn. Das ist Malte. Er hat mir schon viel von sich erzählt. Die anderen lachen ihn wegen seiner Brille aus, und er findet keinen Freund. Die Schulglocke hat bereits das letzte Mal geklingelt. Die anderen Schüler des Gymnasiums sind schon in ihren Klassenräumen, denn der Unterricht hat soeben begonnen.

 

 

 

Dutzende Rauchsäulen ließen ganze Stadtteile Osnabrücks im Dunst verschwinden. Viele Feuer brannten noch. Menschen suchten nach Angehörigen oder nach Brauchbarem, das nicht verschüttet, oder Opfer der Flammen geworden war. Ein weiterer Fliegerangriff am frühen Morgen mit vielen Bombenabwürfen hatte die Hasestadt wieder schwer getroffen. Auch Gebäudeteile des Städtischen Gymnasiums wurden dabei zerstört. Ein entsetzliches Feuer wütete durch die Bibliothek der Schule und vernichtete wertvolle Bücher. Schüler waren heute Morgen nicht zum Unterricht gekommen. Nur die, die in der Nähe wohnten, guckten sich neugierig um. Alfons Krause, der Hausmeister der Lehranstalt, hatte das vom Rektorat angeordnete große Schild an die Tür gehängt, das bekannt gab, dass der Unterricht heute ausfiele. Dieses Schild kam wegen der Fliegeralarme nun häufiger zum Einsatz. Doch sobald wieder etwas Ruhe in Osnabrück eingekehrt war, würde er mit den Oberschülern den Schutt beseitigen, damit der Unterricht weitergehen konnte.

 

„Verdammter Krieg“, grummelte Alfons Krause vor sich hin. Laut traute er sich das nicht zu sagen. Das war in diesen Zeiten gefährlich. Den Rektor Windmöller hatten sie, trotz seines Alters noch an die Front geschickt, weil er sich von den Nazis nicht vorschreiben lassen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Regina König (C) 2015
Bildmaterialien: Rebecca Anne Cain/ Pixabay
Cover: Regina König (C) 2019
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2019
ISBN: 978-3-7487-1727-0

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