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...seid doch froh, dass es uns gibt!

Meine Sicht als Pflegekraft auf Pflegebedürftige, Angehörige, Kollegen, Vorgesetzte und auf meine Mitmenschen, ist keine Anschuldigung oder Verurteilung. Alle Eindrücke und Erfahrungen möchte ich zu gerne mitteilen, damit sich vielleicht doch mal etwas ändern kann.

Pflegekräfte haben diese verdammte Schweigepflicht. Uns wird der Mund verboten; aber Angehörige zerreißen sich den Mund bei allen Möglichkeiten zu gerne, um darzustellen, wie intensiv sie sich kümmern (und darüber hinweg zu täuschen, wie hilflos sie wirklich sind). Ob ein Nachbar nachfragt, wie die Pflege in der Einrichtung ist oder beim Bier in der Kneipe die Gedanken vor fremden Zuhörern ausgetauscht werden. Da werden gerne alle Schweigepflichtgrundsätze missachtet. Diese Leute haben keine Klagen z. B. wegen Datenschutz zu befürchten. Jeder sollte aber einfach mal erfahren, wie es den Menschen geht, die körperliche und geistige Dienstleistungen rund um die Uhr erbringen; erbringen müssen, um den Job nicht zu verlieren.

 

Der Alltag mit Menschen, die sich teilweise gar nicht mehr mitteilen können, kann erfüllend und frustrierend sein. Von einer Minute zur anderen. Als „gesunder“ Mensch sieht und empfindet man sehr vieles ganz anders. Ich bin dankbar, dass ich so viele Erfahrungen in meinem Job sammeln konnte, weil es mich unendlich bereichert hat. Die eigene Wahrnehmung verändert sich, wenn man versucht, sich in andere rein zu denken. Dabei stellt man fest, dass man die wertvollsten Dinge nicht kaufen kann; man erlebt sie nur, wenn man sie geschenkt bekommt.

 

Jeder Mensch (jeden Alters) kann plötzlich zum Pflegefall werden. Ein Bekannter ist auf der Treppe gestolpert und schlug sich die Halswirbelsäule an einer Stufenkante; querschnittsgelähmt mit 55 Jahren.... eine Bekannte erlitt mit 52 Jahren einen Schlaganfall... ein 28 Jahre alter Mann wurde vor 20 Jahren nach einem Autounfall zum Vollpflegefall... jeder kennt solche Fälle. Jeder verdrängt diese Gedanken. Ich tue das auch; obwohl ich mich seit Jahren täglich damit konfrontiere.

 

Die Pflegebranche bietet gute Gewinne – z. B. für Betreiber von Pflegeeinrichtungen oder der Pharmaindustrie; z. B. auf Kosten der Pflegebedürftigen und Pflegekräfte, welche kaum eine Chance haben, persönlich ihre Situation positiv zu ändern. Geld spielt hier die große Rolle. Kaufen kann man sich die Pflege, die man will; mit Geld und ggf. einem Betreuer auch realisieren.

 

Viele Pflegekräfte können schnell zu Opfern werden. Aus dem Ausland werden Menschen nach Deutschland geholt, weil deutsche Arbeitnehmer für den Arbeitgeber häufig unbequemer sind. Hat man erst mal billige Arbeitskräfte ins Land gelockt, macht man sie leicht abhängig. Sie kennen kaum ihre Rechte und halten brav still; das macht fast jeder Arbeitnehmer, die seinen Job nicht verlieren darf.

 

Die geläufige Bezeichnung Pflege-KRAFT vermittelt durch den Ausdruck Kraft der Pflegekraft, dass sie stark zu sein hat. „Kraft“ man sollte man ersetzen und Pflege-HELFER sind erst recht am …

 

In meinen Schilderungen möchte ich absolut keine Fachbegriffe verwenden; alles bis ins Detail schildern. So könnte sich auch jemand ein genaues Bild machen, der in diesen Angelegenheiten völlig fremd ist und sich für diese Schilderungen interessiert.

 

Ich möchte einfach aus meiner Berufserfahrung berichten und hoffe, dass es mir gelingt, Veränderungen anzutreiben.

 

Etwas über mich

 

möchte ich aufschreiben, weil es zum beruflichen Werdegang gehört.

 

Eine kaufmännische Ausbildung war mein erster Berufsweg; bis ein ganz lieber Mensch schwer krank wurde. Mit diesem Wissen änderte ich mit Mitte Zwanzig meine ganze Zukunft sehr entscheidend.

 

Durch unbezahltem Urlaub ermöglichte ich mir eine Ausbildung zur Schwesternhelferin und bekam nach u. a. einigen Wochen Praktikum in einem Krankenhaus die Möglichkeit, in einem neu eröffneten Pflegeheim von Anfang an dabei zu sein. Das war eine fantastische Zeit und hat mich sehr viel gelehrt, weil ich dort als eine der ersten Dauernachtwachen quasi den Nachtdienst mit aufbauen durfte.

 

Ende der neunziger Jahre kam mein nicht geplantes Wunschkind und ich nahm damals ehrenamtlich gerichtliche Betreuungen an, weil ich immer irgendwie produktiv sein musste; ein Arbeitsplatz aber schwer zu finden war, weil ich mein Kind allein erzog. Außerdem wollte ich durch die ehrenamtliche Arbeit einen Beitrag an die Gesellschaft leisten, durch welche ich schließlich auch meine Sozialleistungen erhielt.

 

Später nahm ich eine Teilzeitstelle in einer Einrichtung für Spezialpflege von Wachkomapatienten und Schädel-Hirn-Verletzte an.

 

Inzwischen bin ich (wie viel zu viele Pflegekräfte) körperlich und psychisch weit über meine Grenzen gekommen. Ich habe Erfahrungen gesammelt; diese möchte ich nun nutzen und einige Situationen darstellen, um Denkanstöße für Veränderungen zu geben und ggf. Verständnis zu schaffen.

 

Natürlich könnte ich einen anderen beruflichen Weg gehen. Damit wäre das Problem aber nicht aus der Welt, gerade für die Menschen, die unter der aktuellen Pflegesituation leiden. Darum hoffe ich so sehr auf positive Veränderungen durch Mitteilung von Situationen und Problemen.

 

 

Der schöne Teil der Arbeit

 

Interessante Persönlichkeiten faszinierten mich immer; gerade in besonderen Situationen. Es gibt Persönlichkeiten, die sind griesgrämig und starrsinnig; es gibt arrogante,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 11.07.2017
ISBN: 978-3-7438-2230-6

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