PROLOG
„Es hat nicht sein sollen....!“
Was für ein scheiss Satz dachte Thorben, als er am Fenster seines Appartments im 3 Stockwerk stand und das Treiben auf der Strasse verfolgte. Er beobachtete gerne die einzelnen Menschen in seinem Umfeld, wenn er sich alleine fühlte. Es lenkte ihn von den Gedanken ab, warum er alleine vor dem Fenster stand, warum er sich in letzter Zeit immer einsamer fühlte, nachdem ihm Anna diesen verdammten Satz während ihres letzten Telefongespräches gesagt hatte. Anna ! Jene Anna von der Thorben geglaubt hatte, das er mit ihr den Rest seines Lebens verbringen würde...!
Er beobachtete den alten Mann von gegenüber, der mit seinen Krücken unbeholfen zum Taxi humpelte. Er schien heute noch unglücklicher auszusehen, als die Tage zuvor, an denen er von Thorben beobachtet wurde. In seinem Gesicht spiegelten sich die ungeheuren Anstrengungen wider, die er jedesmal aufbringen musste, wenn er sich auf die Strasse wagte. Thorben war sich sicher, dass der alte Mann mit seinem Leben unzufrieden war. Wie oft hatte er ihn mit diesem ausdruckslosen, traurigem Gesicht vor dem Haus sitzen sehen, während das Leben an ihm vorbeirauschte. Wie oft hatte er ich gefragt, warum der alte Mann sich vor das Haus setzte und mit sich selber sprach. War er verbittert, des Lebens müde oder einfach nur einsam und allein, so wie Thorben...?
„Es hat nicht sein sollen...!“ Warum hat Anna ausgerechnet diesen Satz benutzt ? Thorben dachte wieder darüber nach, nachdem der alte Mann mit dem Taxi davongefahren war und er keine Ablenkung mehr hatte. Er versuchte sich zu erklären warum man diesen Satz benutzte. Er fand es ist eine Ausrede für Dinge, die man nicht wollte oder sich nicht getraut hat zu tun. Eine Beschreibung für ich könnte, aber ich will nicht. Eine Beschreibung für Dinge, die ich nicht erklären will, weil ich sie nicht erklären kann. Eine Beschreibung für, weil ich mich nicht bemühen wollte es zu erklären. Eine Beschreibung für ich will dir nicht weh tun, denn ich weiss nicht, wie ich es sagen soll...!
Es reichte. Thorben hatte keine Lust mehr sich Gedanken über diesen scheiss Satz zu machen. Die Beziehung mit Anna hatte ihre Spuren hinterlassen. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken warum eine Partnerschaft mit bedingungsloser Liebe, die Fähigkeit den anderen zu verstehen, ihm zu verzeihen, der Wille Opfer zu bringen, sich mit ihm zu freuen oder mit ihm zu weinen, Verständnis aufzubringen und ihm zu vertrauen und all der ganze andere Schmalz, den man sich vorgaukelt, um eine Beziehung zu umschreiben, nicht mehr funktionierte. Er war bereit den nächsten Schritt zu gehen. Den Schritt der ihm eine Erleichterung, wenn nicht sogar Erlösung von all dem Schmerz der letzten Monate geben konnte.
Das Appartment war aufgeräumt, sauber und ordentlich. Er hatte sogar noch den Abwasch vom Frühstück erledigt und den Müll nach unten gebracht. Als er heute morgen aufgewacht war, auf dem kalten gekachelten Fussboden, direkt neben der Kloschüssel mit einem Foto von Anna in der Hand, da wusste er, dass es jetzt so weit war. Dass er nicht mehr konnte. Nicht mehr wollte. Dabei ging es ihm weniger um das Aufwachen als um den ewig anhaltenden Schmerz, den er nicht mehr ohne die regelmässigen Saufexzesse ertragen konnte.
Thorben stellte fest, dass er beim Nachdenken über Annas Foto die Luft angehalten hatte und atmete schwer aus. Der Verkehr in seiner Strasse kam zum erliegen, weil die Stadt es immer noch nicht verstanden hatte, die Ampelphasen dem Verkehrsfluss zur Mittagszeit anzupassen. Wenn das mal kein Zeichen ist. Der Verkehr stand so still, wie sein Leben. Thorben ging auf den Balkon. Im Radio lief in diesem Moment Razorlight mit Wire to Wire. Ein Song über jemanden, der eigentlich nur lieben und geliebt werden möchte. Noch ein Zeichen.? Verdammt ! Er hatte vergessen das Radio auszuschalten. Scheiss drauf, dachte er und kletterte über das Geländer. Er sah die fragenden, zum Teil entsetzten Blicke einiger Autofahrer, zeigte ihnen lächelnd den Mittelfinger und sprang....!
2 1/2 Jahre zuvor
„Hi Thorben, haste heut nicht mal Lust bei uns vorbeizukommen ? Wir wollen heute was schönes zusammen kochen und haben gedacht du hättest vielleicht Lust mitzumachen. Wird bestimmt lustig. Eine Freundin von meiner Arbeit ist auch mit dabei.“ Steffi rief immer zu den unmöglichsten Zeiten an. Es war 08.00 Uhr morgens am Samstag und Thorben war erst vor wenigen Stunden ins Bett gekommen. „ Zusammen was kochen ? Hört sich ja echt spannend an. Kannste mich nicht zu einem Pornoabend mit anschliessenden anfassen einladen ? Und ausserdem, weißt du eigentlich wie spät es ist ?“ Thorben war noch im Halbschlaf und hörte nur wie Steffi lachend sagte: „ Stell dich mal nicht so an. Schliesslich is Wochende und du kannst ruhig mal spontan sein !“ Er musste zugeben dass Steffi Recht hatte und ausserdem konnte er ihre Einladung nicht ausschlagen, da er sie zu gern hatte und eigentlich ja auch nix anderes vor hatte, ausser vielleicht einen Pornoabend mit anschliessenden selbst anfassen....! Er stand auf machte sich Abmarschbereit und fuhr los. Die 1 ½ Stunden Autofahrt tun bestimmt gut um wieder fit zu werden, dachte er noch, nachdem er sich im Spiegel gemustert hatte und feststellen musste, dass er mit seinen 35 jahren noch immer sehr jung aussah. Ausser heute vielleicht...!
Der erste Eindruck geht immer über das Äussere. Is halt so ! Wer etwas anderes behauptet ist ein Lügner. Thorben fand Anna äusserlich weder besonders hübsch noch irgendwie aussergewöhnlich. Das diese Frau sein Leben in vielen Dingen verändern sollte, war ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Und wäre es ihm bewusst gewesen, hätte er trotzdem nicht die „Arena des Unvorhersehbaren“ verlassen. Was ihm zum Bleiben bewegte, war dieses gewisse Etwas von dem er schon so oft gehört, aber es noch nie gesehen oder gespürt, geschweige denn erlebt hatte.
Der Tag verlief besser als Thorben gedacht hatte. Steffi und Anna übernahmen die Lufthoheit in der Küche und er schaute zusammen mit Steffis Mann Jens Motorradrennen im TV.“ So macht gemeinsames kochen spass“, witzelte er noch während des Essens und nahm mit vergnügen wahr, wie er immer mehr die Aufmerksamkeit und das Interesse von Anna gewann. Es war eine lockere Stimmung. Es wurde viel gelacht, diskutiert und erzählt. Thorben war in seinem Element. Durch sein Charme und Witz war er mal wieder derjenige, der den Tag rettete. So kam er sich jedenfalls vor. Das er durch seine oberflächigen Witze und seinem Zynismus eine tragische Art von Traurigkeit ausstrahlte und damit die Aufmerksamkeit von Anna erlangte, wurde ihm erst viel später klar.
Nachdem der bisherige Tag so gut verlaufen war, überredete Steffi die anderen 3 noch in die Stadt zu fahren, um wie sie es immer so schön nannte, einen Druff zu machen. Thorben war nicht so begeistert von der Idee und bemerkte, dass Anna ebenfalls keine große Lust hatte mitzukommen. Steffi schaffte es dennoch Anna zu überzeugen und Thorben hatte ja sowieso nix vor und beugte sich dann halt der überzeugenden Mehrheit von 2:1 Stimmen...!. Sie verabredeten sich für einen späteren Zeitpunkt, damit Anna noch Zeit hatte um sich noch, wie sie sagte aufstylen zu können und um ein paar Freunden Bescheid zu geben.
Als Anna das 2. mal an diesem Tag die Bühne in Thorbens Leben betrat, bemerkte er erst jetzt wie interessant und auf ihre Art schön sie doch eigentlich war. Sie hatte ihre tiefblauen Augen dezent, aber sehr wirkungsvoll, geschminkt, ihre kurzen dunklen Haare frech gestylt und trug eine enge Jeans mit einem schwarzen, enganliegendem T-shirt mit einem gewagtem Ausschnitt. „Was ein wenig Make up und ein paar coole Klamotten alles ausmachen können... !“ bemerkte er. Prompt kam die Antwort „ Täte dir auch mal gut, Herzchen !“ Zack das saß. Thorben war ihre offene, spontane und schlagfertige Art schon am Nachmittag aufgefallen, aber auf seine Kosten ? Das war eine neue Erfahrung für Ihn und von diesem Moment an, genoss Anna seine volle Aufmerksamkeit. Er beobachtete sie den ganzen Abend, mehr oder weniger heimlich, beim Tanzen, Reden, Lachen und was sie sonst noch so tat. Sie gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar sehr gut. Später fuhr er mit ihrer Handy-Nummer in der Tasche und einem Lächeln auf den Lippen zufrieden nach Haus. Das sie ihm ihre Nummer beim Abschied ohne zu fragen zugesteckt hatte, spielte für ihn keine Rolle...
Schon am nächsten Tag bekam er eine SMS mit den Worten „Hey wann haste denn mal Zeit mir deine Stadt zu zeigen?“ LG Anna. Von der 3-Tage-Regel, die Männer für sehr schlau halten, um sich interessant zu machen, aber meistens genau das Gegenteil bewirken, hatte sie also auch noch nix gehört, dachte Thorben und antwortete gleich, auch wenn dass seinem Ego widersprach, weil er ja eigentlich derjenige sein wollte, der sich zuerst melden sollte, dass er ihr sehr gerne am Wochende seine Stadt zeigen könne. Sie sagte auch sofort zu und so hatte Thorben zwar die erste, wie er es nannte, „Verabredung“ seid langem mal wieder mit dem weiblichem Geschlecht, fand es aber völlig normal und total unverbindlich, sich mit Anna zu treffen, da er ja fest davon überzeugt war, dass sie nur nach Bremen kam, um sich die Stadt von ihm zeigen zu lassen.
Das Treffen verlief aber ein wenig anders, als er es sich vorgestellt hatte...! Da Anna zur Zeit übergangsweise als Messehostess jobbte, hatte sie erst spät frei und kam daher erst zum Abend hin nach Bremen. Thorben war wie immer pünktlich am verabredeten Ort und wartete auf sie, als Anna um die Ecke am Hauptbahnhof kam.
Nun ist es ja so, dass sich Vorstellung und Realität oft nicht decken und eigentlich niemand genau weiss, wie man sich richtig verhalten soll, wenn man jemanden zum ersten mal alleine trifft, den man eigentlich nicht kennt. Entweder man geht völlig entspannt an die Sache heran, bleibt sich selber treu, improvisiert und macht Dinge, die einem gerade einfallen und hat Erfolg damit, oder man weiss nicht wie einem gerade geschieht, da man sich unsicher und ein wenig unbeholfen fühlt und macht sich zum „Vollhonk“ !
Thorben entschied sich ungewollt für die 2. Variante! Er begrüßte Anna mit einem krächzendem, völlig überdrehten „Hallihalllo“ und einer unsicheren, zu heftigen Umarmung mit Küßchen links und Küßchen rechts...! Nach dieser unmännlichsten aller Begrüßungsarten des Universums, fühlte Thorben sich sowas von bescheuert und war heilfroh, als er registrierte, dass Anna sich genauso über sich wunderte wie er. Beide fingen lauthals zu lachen an und entschieden sich, weil das Wetter gerade mal wieder das tat, was es im Norden am besten kann, nämlich unbeständig zu sein, auf eine Stadtbesichtigung zu verzichten und gingen stattdessen in eine der angesagtesten Cocktailbars in Bremen.
Die Lemon-Lounge war sehr gut besucht und Anna sorgte mit ihrem Charme und Esprit dafür, dass sie 2 Sitzplätze bekamen. Andere würden sagen es wäre frech und kokett, sich mit den Worten „Hier is doch noch frei, wenn ihr beide noch etwas zur Seite rückt !“, einen Platz zu verschaffen, aber das sah Thorben anders und war sehr beeindruckt von der Art und Weise, wie sie das managte.
Der Abend verlief aus Sicht von Thorben sehr viel entspannter und schöner, als die Begrüßung am Bahnhof. So viel besser, als er sich vorgestellt hatte, denn sie quatschten den ganzen Abend über Gott und die Welt und entdeckten viele Gemeinsamkeiten. Anna liebte Bücher, war davon überzeugt ihr Leben irgendwann im Ausland zu leben, war interessiert und neugierig auf alles was neu war und sie noch nicht kannte und sie hatte die Träume und Wünsche, die Thorben schon lange mit sich führte und noch niemandem erzählt oder schon wieder vergessen hatte.
Der einzige Moment an dem Thorben kurz stutzte war, als sie ihm sagte, dass sie ja bald 21 Jahre alt werden würde. „Wow, sie ist tatsächlich erst 20 ? Ist sie zu jung für mich?“ fragte er sich, aber entschied schon 1 Sekunde später, dass ihm das völlig egal ist, denn sie benahm sich wirklich nicht wie eine 20 jährige , sondern wie eine vernünftige, reife und tolle Frau. Ausserdem hatte sie ja etwas an sich, dass er näher kennenlernen wollte und kennenlernen musste. Anna erweckte in ihm durch ihre lockere, unverbrauchte Frische eine Sehnsucht nach mehr. Unter anderem eine Sichtweise auf die Dinge des Alltags, die er seid langem ignoriert oder vergessen hatte. Er hatte irgendwie das Gefühl gefunden worden zu sein...!
An diesem Abend verliebte er sich in die Frau, die sein Denken, sein Fühlen, seine Sicht der Dinge, ja sein gesamtes Leben verändern sollte....!
Als Thorben am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich einfach nur gut und hiess diese, sogenannte und oft zitierte rosarote Welt der Verliebten herzlich willkommen. Er überlegte wann er das letzte Mal so eine Welt gesehen hatte und fing an zu schmunzeln, als ihm bewusst wurde, dass er diese wunderbare Welt das letzte Mal wahrgenommen hatte, als er mit 16 Jahren seine Unschuld mit dem tollstem Mädchen der Gesamtschule verlor. Sie hiess Sonja, war einige Jahre älter als er und hatte schon „Erfahrung“! Für ihn war es nicht die grosse Liebe, sondern ein Muss, um nicht als Vollidiot bei seinen Jungs dazustehen und für sie nur der Kick einem schüchternen Teenager die Unschuld zu nehmen. Aber dennoch ging sie damals sehr behutsam mit Thorben um und begleitete, oder besser gesagt führte ihn so gut sie konnte, in die Welt der körperlichen Liebe ein. Er empfand noch heute eine gewisse Dankbarkeit gegenüber Sonja für diesen kurzen aber lehrreichen Sommer, denn ihre vorsichtige, fürsorgliche Art und Weise der „aktiven Aufklärung“ sorgte dafür, dass Thorben in all den darauf folgenden Beziehungen in seinem Leben, den Frauen immer Respekt und Aufmerksamkeit zukommen liess.
„Sie haben Post !“ Die nette Frauenstimme aus dem Computer holte Thorben wieder zurück in die „Jetzt-Welt“. Er stand auf und schaute nach, wer ihm in seinem Urlaub um 08.00 Uhr morgens eine E-mail schickte. Es war Anna um ihm mitzuteilen, dass sie seine Einladung das kommende Wochenende bei ihm zu verbringen gerne annehmen würde, damit sie endlich mal die Zeit hat um Bremen richtig gezeigt zu bekommen. Er musste die E-mail mehrmals hintereinander lesen, um zu begreifen, dass sie wirklch zugesagt hatte und freute sich jedesmal, wie der Bremer zu sagen pflegt, ein büschen mehr auf das Wochende. Das es erst Sonntagmorgen war und er noch fast eine gesamte Woche warten musste, spielte dabei keine wesentliche Rolle für ihn. Denn ein Jeder weiss ja, dass verliebte Menschen so manches Mal den Bezug zu Raum und Zeit verlieren können, wenn sie an den Anderen denken. So auch bei Thorben ! Er verbrachte den Rest der Woche in seiner rosaroten Welt, indem er mit Anna rosarote SMS austauschte, rosarote Dinge des Alltags, wie z.B. einkaufen für das rosarote Wochenende erledigte, sich mit seinen rosaroten Freunden traf und sich an den rosaroten Träumen jeder rosaroten Nacht erfreute.
Und dann war es soweit. Endlich war Freitag. Thorben war ungewöhnlich stark aufgeregt und wartete auf Anna. Sie hatte sich für den frühen Abend angekündigt und so musste er sich den lieben langen Tag irgendwie beschäftigen. Das fiel ihm nicht besonders schwer, da er in einem grossen, finnischen Holzhaus auf einem grosszügigen Grundstück wohnte und eigentlich immer etwas zu tun hatte. Sei es den Rasen zu mähen oder anderen Gartenarbeiten nachzugehen, Holz für den grossen Specksteinofen, mit dem er das ganze Haus beheizte, zu hacken und zu stapeln, oder einfach nur die alltäglichen Sachen zu erledigen, wie einkaufen, kochen, saubermachen. Heute allerdings war er mit dem Ofen in der Sauna beschäftigt. Er funktionierte mal wieder nicht so wie er sollte und Thorben war ganz in der Reparatur vertieft, als Anna mit einem lautem Hupkonzert vor seinem Haus hielt. Das war ihre Art zu sagen. Ey, hier bin ich, gebt mir ab sofort vollste Aufmerksamkeit ! Was ihr bei Thorben auch sofort gelang. Eiligst ging, nein eigentlich rannte er zur Vordertür hinaus, um Anna zu begrüssen. Sie sah einfach nur toll aus in ihren verwaschenen Jeans und der schwarzen Bluse und duftete fantastisch, obwohl sie geradewegs vom Job kam. Die Begrüssung fiel weit entspannter aus, als beim ersten Treffen am Hauptbahnhof und Thorben beruhigte sich langsam. Seine Nervosität merkte Anna ihm nicht mal an, da sie ebenfalls sehr angspannt und aufgeregt war. Er führte sie zuerst übers Grundstück und danach durchs gesamte Haus und ertappte sich immer wieder dabei, wie er sie intensiv beobachtete während sie sich die einzelnen Zimmer interessiert und aufmerksam ansah, die Treppe hinauf oder wieder herab ging, einfach wie sie sich in seiner Gegenwart gab. Wie sie über seine Witze und Erzählungen lachte und wie ihre Augen strahlten. Dieser Glanz fesselte Thorben auf eine Art und Weise, die er nicht beschreiben konnte. Nach der Hausbesichtigung holte Thorben Annas Sachen aus dem Auto und kochte beiden einen Tee. Sie mochten beide keinen herkömmlichen Bohnenkaffee, sondern, wenns sein musste, eher diese sogenannten neuen Kaffeekompositionen, wie Caramel Cappucino ( dem sie gerne noch eine Brise Zimt untermischte ) oder einem Latte Macciato. Eine der ersten kleinen Gemeinsamkeiten, die sie zusammen feststellten. Und der noch viele Folgen sollten...!
Mittlerweile war Thorben super gelassen und sie unterhielten sich dann wieder genauso ungezwungen, locker und intensiv, wie in der Cocktailbar. „Es macht mir wirklich sehr viel spass mit dir zusammen zu sein. Ich habe jetzt schon das Gefühl, dich länger zu kennen !“ bemerkte Thorben, nachdem sie es sich beide auf dem Sofa bequem gemacht hatten. Er war nachwievor von dieser Frau begeistert. Durch ihre ungezwungene, offene, lebensbejahende Frische brachte sie eine neue Komponente in Thorbens Leben, das er in Gedanken nur als ein strahlendes Licht beschreiben konnte, das sein bis dahin geführtes Dasein in einem neuen Glanz darstellte. Er hatte auf einmal wieder Spass an den profanen Dingen des Lebens. Es machte ihm Spass den Ofen anzuheizen, weil er es für Anna tat. Es bereitete ihm Freude einen Tee zu kochen, weil er es für Anna tat. Selbst das, für ihn ungeliebte, zubereiten des Abendbrotes genoss er, weil er es für Anna tat.
An diesem Abend beschloss er sich für einen besonderen Menschen mehr zu öffnen, als er es je getan hatte...! Er wusste nicht warum er es tat. Er wusste nur, das er es tun musste.
Nachdem sie gegessen, getrunken und viele, teilweise auch intime, Gedanken ausgetauscht hatten, einigten sie sich darauf, am nächsten Morgen früh in die City von Bremen zu fahren, damit dem ursprünglichen Gedanken des Wochenendes Folge geleistet werden konnte. Danach begleitete er Anna zum Gästezimmer. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, bedankte sich für den tollen Abend, wünschte ihr eine schöne Nacht und ging die Treppe hinunter in sein Zimmer. Den erstaunten Blick von Anna nahm er nicht wahr, da es für ihn überhaupt nicht in Frage kam die Nacht mit ihr zu verbringen, auch wenn er den ganzen Abend verspürt hatte, dass Anna, genau wie er selbst, durchaus Lust darauf gehabt hätte, ihren verbalen Annäherungen auch körperliche Nähe folgen zu lassen. Aber 1. war er noch zu schüchtern, um seinen Gefühlen diesbezüglich Ausdruck verleihen zu können und 2. entsprach es nicht seiner, vielleicht konservativen, Erziehung, gleich am ersten Abend einer Begegnung mit der Person ins Bett zu hüpfen, die man gerade erst kennenlernen darf. Es hatte Thorbens Meinung nach mit Respekt und Anstand zu tun, wenn man so handelte wie er es tat. Eine Meinung, die Anna zwar zuerst erstaunte, weil sie so etwas noch nicht erlebt hatte, aber dann als sehr liebenswert und gentlemanlike empfand.
Am nächsten Morgen machten sie sich also zusammen auf den Weg nach Bremen. Thorben führte Anna zu all den Sehenswürdigkeiten, die die Hansestadt zu bieten hatte. Er zeigte ihr unter anderem die Stadtmusikanten, den Schnoor, eine urige kleine Gasse, mit vielen aussergewöhnlichen Läden, Restaurants und Cafes, die Bötcherstrasse, in der eine Reihe von kleinen handwerklichen Geschäften ansässig sind, das altertümliche Rathaus, den Marktplatz mit dem Roland von Bremen, den Domshof, den Bremer Dom und die Schlachte, eine Bar - und Restaurantmeile direkt an der Weser. Zu allem hatte er etwas zu erzählen und zu berichten. Er war hellauf begeistert und sehr aufgeregt, dass er den ganzen Tag mit ihr verbringen durfte. Damit es Anna nicht zu langweilig wurde verpackte er all die Geschichten in eigene Erlebnisse und spiekte sie mit einigen Anekdoten mit viel Witz und all den Charme, den er aufbringen konnte. Er beeindruckte damit Anna um so einige Male, da er sehr sicher in der Geschichte von Bremen war und dabei auch noch viel von sich Preis gab, sowie viel von seiner Person erzählte. Rundum war es ein schöner Tag, an dem sich die beiden um ein vielfaches näherkamen.
Zum Abend hin hatte Thorben eine Einladung von seinem Cousin zum Geburtstag seiner Tochter erhalten und fragte Anna, ob sie gern mitkommen wolle, oder ob er die Einladung absagen solle, damit sie noch ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen könnten. Da Anna ein sehr aufgeschlossener und neugieriger Mensch war, entschied sie, zu dem Geburtstag zu fahren. Sie hatte sich zwar bis jetzt schon ein erstes Bild von Thorben machen können, aber wollte gern noch mehr über ihn wissen und nahm daher die sich bietene Gelegenheit gerne wahr, um noch mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Denn wo kann man mehr über jemanden erfahren, als während eines Besuches bei der Verwandschaft...?
Fortsetzung folgt...!
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2009
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