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Prolog

                                     

 

 

„The loneliest moment in someone's life is when they are watching their whole world fall apart and all they can do is stare blankly.“

 

Es an einem der kältesten Tage, die der Januar mit sich brachte. Ich saß mit einer Tasse Tee in den Händen auf der Fensterbank und schaute nach draußen. Es war bereits dunkel geworden, nur noch der Mond erhellte die Landschaft. Verträumt schaute ich mir die kleinen Schneeflocken an, die leise auf die Straße fielen. Gleichzeitig warf ich immer wieder einen Blick auf mein Handy, das direkt neben mir auf der Fensterbank lag. Ich wartete auf das Klingeln, das eine Nachricht ankündigte.

 

So friedlich dieser Abend nach meiner Beschreibung auch scheinen mag, eigentlich war er das gar nicht. Mein Freund, Colin, bestand darauf, zu mir nach Hause zu kommen. Er müsse dringend mit mir reden. Das hatte er mir vor zwei Stunden geschrieben. Allerdings weigerte ich mich vehement, ihm das zu erlauben. Ich wollte nicht, dass er kam. Denn insgeheim war mir bewusst, worüber er mit mir sprechen wollte. Und das war nichts Gutes. Es ging mir nicht aus den Augen, dass er sich seit Wochen mit Emilia, seiner Projektpartnerin aus dem College, traf. Und zwar nicht wegen des Projekts. Es sei denn, das Projekt besteht darin, in einem Cafe zu sitzen und stundenlang zu plaudern, zu Konzerten oder Essen zu gehen. Normalerweise war Ich nicht die Art von Freundin, die allzu leicht eifersüchtig wurde. Es war okay, wenn er mit ihr befreundet war. Allerdings sollte er nicht seine ganze Zeit mir ihr verbringen und mir jedes mal erzählen, dass er für ein wichtiges Projekt lernen müsste.

 

Okay, ich hatte ihm nach spioniert, als er mit ihr ins Cafe ging. Und ja, ich hatte ihm auch nachspioniert, als sie gemeinsam essen gingen. Aber die Konzertkarten hatte ich durch Zufall entdeckt. Und ihn zur Rede gestellt. Eventuell könnte ich also doch etwas eifersüchtig sein. Aber zu Recht, denke Ich. Schließlich erfüllte sein Verhalten das Klischee: Freund geht seiner Freundin fremd und leugnet es, gibt vor, seine Freundin über alles zu lieben usw. Und wie wir alle aus Büchern und Filmen wissen, hat das meistens kein gutes Ende.
Nur ist es hier etwas anders. Ich vertraute Colin. Wir waren zu dem Zeitpunkt schon 4 Jahre ein Paar.

 

Ich hatte ihn auf der Highschool kennengelernt. Er war eines dieser super beliebten Schüler und Sohn reicher Eltern. Aber er war anders als die anderen Jungs. Er war bodenständig, nicht eingebildet. Er war unglaublich nett und fürsorglich und sehr höflich. Ich wusste, nein ich fühlte, dass Colin ein sehr guter Mensch war, der mich nicht verletzen würde. Und doch lief unsere Beziehung in den letzten Monaten alles andere als gut, wir stritten uns oft. Und mit Emilia vertrug er sich ganz offensichtlich prächtig. Zweifellos würde er dieses Thema ansprechen. Aber dazu sollte er nicht kommen.

 

Ich hörte das Handy klingeln und streckte bereits meine Hand aus, um nach zu sehen, was er geschrieben hatte. Doch dann klingelte es an der Tür.

 

„Caroline. Ich stehe hier vor deiner Tür und friere mir was ab. Mach sofort auf, wir müssen jetzt reden!“

 

Colin hörte auf zu schreiben und hämmerte stattdessen gegen die Tür. Ich atmete tief durch und öffnete die Tür: „Hey…“ er stand einfach nur da und starrte mich ungläubig an. Das Handy in der Hand, die Haare durchnässt vom Schnee.

 

„Hast du eine Ahnung, wie lange ich schon hier stehe?! Sag mal machst du das mit Absicht?“

 

„Nein, natürlich nicht. Ich…habe dich nicht klingeln gehört.“

 

„Machst du Witze? Mr. Parker von nebenan hat mich gehört und wollte wissen, ob alles in Ordnung ist. Und du willst es nicht gehört haben!“ Er schüttelte den Kopf und lief an mir vorbei, ins Haus.

 

Ich seufzte und schloss die Tür:
„Magst du was trinken?“
„Nein, ich werde nicht lange bleiben. Ist jemand zu Hause?“ Er sah zweifelnd ins Wohnzimmer.
„Nein. Mom und Dad sind noch in der Elternsprechstunde von John.“ Er nickte und setzte sich ins Wohnzimmer, auf die Fensterbank, auf der ich noch vor fünf Minuten saß.

 

Er fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar und sah einen Moment lang nur zu dem Kamin gegenüber des Fensters.
Ich setzte mich neben ihm. Seit Tagen hatten wir uns nicht gesehen. Nur hin und her geschrieben, ab und an telefoniert und es hatte jedes Mal in einem Streit geendet. Colin war jetzt ruhiger geworden, seine anfängliche Ärgernis schien verflogen zu sein. Er war sehr nachdenklich, fast als hätte er vergessen, worüber er sprechen wollte.

„Hör zu, Caroline. Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht.“
„Colin…“ am liebsten wäre ich einfach weggerannt und hätte mir die Ohren zugehalten, wie ein kleines Kind, nur um nicht das zu hören, was er gleich sagen würde.
„Lass mich bitte ausreden. Du weißt selbst, dass das mit uns nicht mehr so ist, wie es einmal war. Wir beide haben uns sehr verändert. Wir sehen die Dinge anders, haben zu unterschiedliche Meinungen und…sind uns irgendwie sehr fremd geworden.“
„Oder aber du hast angefangen, Emilia hinterher zu rennen und mich völlig zu vergessen. DAS ist unser eigentliches Problem, Colin. Das weißt du.“

 

„Nein, ist es nicht! Das Ganze hat mit Emilia überhaupt nichts zu tun!“ Er wurde wieder lauter. So kannte ich ihn gar nicht. Wo war der ruhige, nette Colin?
„Ich…hätte das Ganze auch ohne Emilia beendet.“ Ich ließ die Tasse in meiner Hand fallen. Sie zerbrach in Hundert Stücke und verursachte einen furchtbaren Lärm, der mich aus meiner Schockstarre heraus holte. Ich hatte damit gerechnet, dass er das sagte. Aber irgendwas in mir hatte gehofft, dass wir uns nur streiten und morgen eventuell alles wieder gut wird. Die kleine, naive Carry in mir, die die Wahrheit nicht akzeptieren konnte.

 

„Was?!“ es war kaum mehr als ein Flüstern. Colin wurde wieder ruhig, sah mir nicht mehr in die Augen.
„Du bist nicht mehr die Caroline, die ich damals in der Schule kennengelernt habe. Du bist nicht das fröhliche Mädchen von damals. Du hast dich einfach so verändert. Du ziehst dich den ganzen Tag in dein Zimmer zurück, hörst Musik und ignorierst die Außenwelt. Wann immer Ich mit dir etwas unternehmen will, um dich wieder zurück in die reale Welt zu holen, erfindest du eine Ausrede. Ich schreibe dir und bekomme erst nach Stunden- wenn überhaupt- eine Antwort. Ich rufe dich an und du bist nie erreichbar. So oft habe ich gefragt, was du hast und nie habe ich eine gescheite Antwort erhalten. Ja, ich habe mich mit Emilia getroffen. Aber nur, weil es mit dir nicht möglich war.“

 

„Wie bitte, was?! Du tauschst mich gegen eine andere aus, nur weil es mir nicht gut geht?“

 

„Du hörst mir nicht zu. Wie immer. Nicht, weil es dir nicht gut geht! Dir geht es nie gut. Niemals. Es erscheint mir wie Ewigkeit, seit ich dich das letzte mal lächeln gesehen habe. Du lächelst nie. Du lachst nicht. Du unterhältst dich nicht mit mir. Du kommst nicht mal mehr regelmäßig zu den Vorlesungen. Du bist wie eine lebendige Tote Caroline!“.

 

Ich hob die Augenbrauen und sah ihn fassungslos an. Mir stiegen die Tränen in den Augen und ich bemühte mich dennoch um eine feste Stimme: „Dann…solltest du nicht mit einer Toten zusammen sein.“ Colin schwieg. Seine smaragdgrünen Augen sahen mich traurig an. Das Licht aus dem Kamin schien auf sein Gesicht. Er presste seine schmalen Lippen aufeinander, fast, als müsse er noch mehr verletzende Worte unterdrücken. Seine mittlerweile sanfte Stimme war nur noch ein Flüstern.
„Es tut mir leid. Ich wünschte…ich könnte dir irgendwie helfen. Es tut mir weh, dich so leiden zu sehen. Emilia und Ich haben uns vielleicht getroffen, aber das heißt nicht, dass ich etwas für sie empfinde. Im Gegenteil. Sie ist zwar nett aber…sie bedeutet mir nichts. Ich muss immer an dich denken. Es ist falsch, sich mit einer anderen zu treffen aber es war rein freundschaftlich. Selbst wenn ich Emilia nie kennengelernt hätte, hätte das an unserer Situation auch nichts geändert.“

 

Na klar. Sie bedeutet ihm nichts. Und ich sollte das glauben.
„Es ist okay, Colin. Du brauchst mir nicht zu helfen. Ich komme schon zurecht.“ Meine Stimme bebte. Tränen kullerten aus meinen Augen. Ich wischte sie schnell weg, Colin sollte sie nicht sehen.
Und doch hatte er es. Er nahm mich in seine Arme und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Ich legte meine Arme um seinen Nacken und wollte ihn nie wieder loslassen.
Wir saßen eine Weile nur so da und ich hoffte innerlich immer noch, dass es keine Trennung geben würde.
„Colin? Ich…möchte nicht, dass du gehst. Ich…brauche dich.“
Er ließ mich nicht los: „Ich dich auch, Carry. Aber…ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Wirklich nicht.“

 

„Vergiss Emilia. Vergiss die Streitereien und lass uns…einfach so sein wie Früher.“

Er sah mich an: „Caroline. Emilia hat einen Freund. Wie ich dir bereits sagte, bedeutet sie mir nichts. Wir sind gute Freunde. Aber du und Ich. Ich weiß nicht mehr, was wir beide sind, verstehst du es?“
Er hatte recht. Wie sehr ich mich auch dagegen wehrte, unsere Beziehung war kurz davor, endgültig zu zerbrechen. Ich hatte kein Recht, ihn fest zu halten. Ich musste loslassen, wenn er dadurch glücklich werden würde.
„Was…hast du vor?“ ich fragte ihn, nur um sicher zu stellen, dass er das gerade wirklich ernst meinte.
„Ich werde nicht länger in der Stadt bleiben. Ich mache ein Auslandssemester in Frankreich. Das alles hier…wird mir zu viel. Ich brauche Abstand von allem.“ Er sah mir wieder nicht in die Augen.
Ich hob sein Kinn mit meinem Finger und zwang ihn, mich an zu schauen. Tränen glänzten in seinen Augen: „Ich liebe dich, Caroline Miller. Ich werde dich immer lieben.“ Er flüsterte jetzt auch.

 

Er nahm mich noch einmal in die Arme und ich fing nun an, endgültig zu weinen. Er streichelte mir über die Haare, gab mir einen letzten Kuss auf die Stirn und machte einen Schritt zurück.
„Ich…muss jetzt los.“ er wischte sich über die Augen und lief mit schnellen Schritten zur Tür.
Bevor er ging, sah er mich noch einmal an: „Leb wohl, Caroline. Pass bitte auf dich auf.“
Er schloss die Tür. Ich blieb einfach nur stehen und starrte zur Tür. Danach drehte ich mich um und lief zum Fenster. Meine Beine fühlten sich an wie Blei. Meine Schritte waren wie in Zeitlupe.
Ich sah, wie Colin durch den Schnee stapfte, nur seine Fußspuren blieben zurück. Das Bild der Schneeflocken und der verschneiten Straße verschwamm vor meinen Augen.

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Texte: Alle Rechte vorbehalten!!!
Tag der Veröffentlichung: 26.01.2017

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