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Von der Hölle in die Hölle

 

Ich knallte die Tür hinter mir zu. Konnte es noch schlimmer kommen? Ich ließ meine Tasche fallen und ging zu dem großen Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Der Hebel klemmte zuerst aber ich schafft es schließlich das doofe Fenster zu öffnen. Kalte Luft schlug mir entgegen. Gut es war ja auch erst Februar. Ich betrachtete die Landschaft. Ewig weite langweilige Felder. Ganz weit in der Ferne konnte ich einen Kirchturm ausmachen. Rechts befand sich ein, soweit ich das von meinem Fenster aus beurteilen konnte, ziemlich großer Wald und links lagen noch weitere Gebäude. Unten spazierten ein paar Mädchen herum, lachten und hörten Musik. Wie langweilig. Ich beobachtete sie noch ein bisschen. Was wirklich spannenderes würde ich hier bestimmt nicht finden.

„Wer hat das Fenster aufgemacht? Wollt ihr dass ich erfriere?“ Ein Mädchen stand plötzlich in der Badezimmertür. Ihre Haare waren nass und sie hatte sich ein Handtuch um den zierlichen Körper geschlungen. „Sorry!“ murmelte ich und schloss das Fenster wieder. „Du musst Sabrina sein! Ich bin Lea!“ sie lächelte und streckt mir die Hand entgegen. „Sabrina!“ antwortete ich unnötiger Weise. „Das ist dein Bett, dein Schreibtisch und dein Schrank!“ sie zeigte auf das obere von einem der insgesamt zwei Stockbetten. Ich nickte. „Ich mach mir nur kurz fertig dann bist du hier allein!“ wieder nickte ich. Ich kramte mein Handy aus meiner Tasche. Kein Netz. Wie konnte das sein? Jetzt war ich endgültig von der Zivilisation abgeschnitten.

„So fertig!“ Lea hatte ihre Haare zu einem Dutt zusammen gedreht und trug Jeans, T-Shirt und eine Jacke. „Ich bin im Aufenthaltsraum! Falls du was brauchst, du kannst eigentlich jeden hier fragen!“ damit verschwand sie aus dem Zimmer. Ich hob meine Sporttasche auf und schleift sie zu meinem Schrank. Aber warum sollte ich überhaupt auspacken? Ich wollte doch gar nicht lange bleiben.

Ich ließ meinen Koffer unausgepackt und machte mich auf den Weg das Gelände mal ein bisschen zu erkunden. Wenn ich hier schon, zumindest vorerst, nicht wegkam sollte ich vielleicht wissen, wohin ich mich verkriechen konnte.

Auf dem Flur lief ich auch gleich einer Gruppe Mädchen in die Arme, sie kicherten und verschwanden dann in das nächste Zimmer. Super. Zicken. Ich ging die Treppe runter in die große Halle. Hier standen mehrere Sofas in kleinen Sitzecken zusammen. An den abgehenden Türen waren Schilder angebracht. „Bibliothek“, „Küche“, „Aufenthaltsraum“, „Sanitätsraum“

Ich entschied mich für die fünfte Tür. Nach draußen. Es war kalt und der Schnee knirschte unter meinen Schuhen. Ich wählte den Weg nach rechts, in Richtung der anderen Gebäude. Nach ein paar Schritten, bei denen es mir unnötiger Weise auch noch in den Nacken schneite, traf mich ein Schneeball an der Schulter. Ich wirbelte herum. Eine Gruppe jüngerer Mädchen und Jungs rannte lachend davon. Die Kleinen haben auch immer weniger Respekt. Ich setzte meinen Weg fort.

Das Haupthaus war enorm. Ich stieß die Tür auf und trat in das gut geheizte Gebäude. Alles hier war riesig. Andächtig schritt ich durch die Halle. Auch hier standen Sitzgruppen, allerdings nicht in diesem mädchenhaften hellblau gehalten, sondern in einem schlichten Schwarz-weiß. Auf dem Tisch lagen einige Zeitschriften. Ich nahm mir eine und setzte mich. Zeit totschlagen. Was sollte ich auch machen? Es war Samstag Nachmittag. Irgendwie war niemand da und außerdem kannte mich ja auch niemand.

Ich checkte mein Handy nochmal. Immer noch kein Empfang. So ein Mist. Wie sollte ich hier überleben. Abgeschnitten von den Mädels und meinen Jungs? Auch wenn ich es nie zugeben würde, vermisste ich Paula, Sofie, JJ, Luca, Olli und Jo.

 

 Plötzlich war um mich herum die Hölle los. Ich sah mich ein bisschen verwirrt um. Dann ertönte eine Glocke und die anderen drängen durch die zwei Türen, über denen jeweils ein Schild „Speisesaal“ hing. Ich wartete. Worauf wusste ich selbst nich so genau, aber es interessierte sich auch niemand für mich. „Sabrina, komm mit herein! Du musst hungrig sein!“ Die Sekretärin, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte, tauchte neben mir auf. Ich nickte und trottete hinter ihr her.

Drinnen standen die Schüler entweder noch an der Essensausgabe an, oder saßen bereits an den Tischen. „Da drüben ist die Essensausgabe. Frühstück ist unter der Woche um sieben, Mittag um zwei und Abendessen um neunzehn Uhr!“ sie lächelte mir zu, wünschte mir guten Appetit und ging zu ein paar Kollegen.

Ich stellte mich auch an, um was zu essen zu bekommen. Dann sah ich mich ein bisschen verloren nach einem Platz um. Ich entdeckte die Kleinen, mich vorhin mit dem Schneeball abgeworfen hatten und auch die Mädchen, die unten vor meinem Fenster vorbeigelaufen waren.

„Sabrina!“ brüllte Lea durch den ganzen Saal. Super. Jetzt wussten auch die ganze Schule meinen Namen. Danke Lea. Ich ging zu ihnen hinüber. „Das sind Antonia und Kathrin sie wohnen auch in unserem Zimmer!“ erklärte Lea als ich mich neben sie setzte. Die beiden Vorgestellten nickten mir freundlich zu und nahmen ihr Gespräch wieder auf. Es ging um Jungs, das war nicht schwer herauszuhören.

Nach dem Essen hatte ich keine Ahnung was ich machen sollte. Ich würde ja gerne mal mit meinen Leuten telefonieren, aber hier schien es keinen Handyempfang zu geben. „Lea, kann man hier irgendwo telefonieren oder ins Internet?“ sie nickte. „In der Bibliothek gibt's nen Computer!“ Sie deutete auf die Bibliothek gegenüber des Speisesaals. „Danke!“ Sie und die anderen Mädchen verschwanden und ich machte mich auf den Weg zum Computer. Anscheinend meiner einzigen Verbindung nach draußen.

Computer war schon fast übertrieben. Es dauerte bestimmt fünf Minuten bis er endlich soweit hochgefahren war, dass ich mich anmelden konnte. Benutzername: Mein Name und Passwort: Mein Geburtsdatum. Die Daten hatten auf einem der vielen Blätter gestanden, die mir bei meiner Ankunft in die Hand gedrückt worden waren.

Saaaaaaabi!!!“

Alles okay bei dir?“

Warum gehst du nicht an dein Handy???“

Du fehlst voll!“

Sabi!!!!!!! Antworte mal!!! Wir machen uns übelst Sorgen!!!! Wie is das Internat??“

So ungefähr sahen die Nachrichten meiner allerbesten Freunde aus. Ich musste grinsen und dann war ich eine Ewigkeit damit beschäftigt ihnen zu antworten.

Ich kam in mein neues Zimmer. Meine drei Zimmerpartnerinnen saßen zusammen und redeten mal wieder. Ich kramte Zahnbürste und Zahnpasta aus meinem Koffer und ging ins Bad. Im Spiegel sah mich eine ziemlich müde Sabrina an. Ich lächelte mein Spiegelbild an.

Zurück im Zimmer wollte ich eigentlich nur in mein Bett und schlafen. Was leider unmöglich war, bei der Gesprächslautstärke. Doch plötzlich fingen sie an zu tuscheln, ich konnte kein Wort verstehen. Und dann verließen sie das Zimmer. Endlich war ich allein und es war still. Gut, von nebenan hörte man Stimmen, aber das war lange nicht so nervtötend wie das Gequatsche meiner Zimmergenossinnen. Aber schlafen konnte ich auch nicht. Ich schlug die Decke zurück und tapste zu meinem Rucksack. Irgendwo hatte ich noch das Buch eingesteckt, das mir meine Mutter zu meinem Geburtstag vor zwei Wochen geschenkt hatte. Liebesroman. Nicht so meins, außer... Ich stockte, als ich das Cover sah. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Vielleicht war es doch lesenswert. Ich kroch zurück in mein Bett, schaltete die Nachttischlampe an und schlug die erste Seite auf.

 

 Das Klingeln meines Weckers riss mich aus dem Schlaf. Och ne. Es war doch Sonntag. Meine drei Mitbewohnerinnen waren schon hellwach und quatschten ausgelassen. Ich zog mir die Decke wieder über den Kopf. Aber dann beschloss ich doch lieber ins Bad zu gehen. Gleich am ersten Tag zu spät zum Frühstück zu kommen, war vielleicht nicht die beste Idee.

Ich tapste ins Bad und erst mal unter die Dusche. Das warme Wasser lief über meinen Rücken. Danach zog ich mich an, schminkte mich und versuchte meine Haare zumindest halbwegs trocken zu kriegen. Klappte nich. Meine Haare brauchten generell ewig um zu trocknen. Ich sah auf die Uhr. 8:25. In fünf Minuten war Frühstück. Zum Glück gab es am Wochenende erst um halb neun Frühstück. Ansonsten würde ich sterben. Ich war definitiv kein Frühaufsteher.

Es gab kein festes Mittagessen. Die, die wollten bekamen Mittags Brote, alle anderen mussten sich alleine versorgen.

Es schneite schon wieder und ich war heilfroh, als die Tür des Haupthauses hinter mir ins Schloss fiel und die warme Heizungsluft in meine Jacke kroch.

Meine allerliebste Jacke. Nicht wirklich gut geeignet für dieses Scheißwetter, aber ich hatte sie zusammen mit meinen Mädels im Sommerschlussverkauf gekriegt und wir hatte alle die selbe. Vielleicht war es kitschig, aber ich vermisste die drei sowieso furchtbar. Ich zog sie aus und hängte sie an die große Garderobe, bevor ich in den Speisesaal ging. Ich war nicht die letzte. Das war doch schon mal was gutes.

Lea stand an der Essensausgabe. Als sie mich sah, kam sie zu mir und plapperte sofort wieder los. Ich versuchte ihren Worten zu folgen und sie in einen logischen Kontext zu setzten, aber dafür war ich eigentlich noch zu müde.

Wir kamen zu unserem angestammten Tisch. Kathrin und Antonia saßen schon mit ein paar anderen dort. Es ging schon wieder um Jungs und langsam hatte ich auch eine Ahnung um welche genau. Sie saßen drei Tische weiter und überboten sich gegenseitig geradezu mit Machosprüchen. Ich lächelte herablassend.

„Sabrina!“ Lea und die anderen sahen mich eindringlich an. „Ja?“ ich hatte ihnen nicht zugehört. „Was hast du heute vor?“ ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung!“ nuschelte ich zwischen zwei Bissen hervor. „Wir gehen ins Kino, du kannst mitkommen, wenn du Lust hast!“ „Welcher Film?“ Antonia zählte gleich drei verschiedene auf. „Wir wissen noch nicht genau welcher...“ Ich hatte alle schon gesehen. Das Kino führte die Film anscheinend später als die großen in der Stadt. „Passt schon! Ich komm zurecht! Und außerdem muss ich mir noch den ganzen Kram anschauen, den ihr bisher gemacht habt...“ Die drei nickten.

Nach dem Essen machten wir uns zusammen auf den Weg zu unserem Zimmer. Die drei holten nur ihre Sachen und verabschiedeten sich dann, während ich mich entschloss das Mädchenwohnheim zu erkunden. Am vorigen Abend hatte ich nicht mehr wirklich viel Lust dazu gehabt.

Ich ging durchs Foyer und öffnete die Tür zum Aufenthaltsraum. Es war niemand da. Eigentlich komisch. Es war Sonntag und es waren doch wohl nicht alle im Kino. Auf einem der Tische lagen einen Menge Zeitschriften. Und ich hatte ja nichts zu tun. In der großen Feuerstelle brannte ein kleines Feuer und das Sofa davor sah sehr gemütlich aus.

Nach einiger Zeit hatte ich die meistens Zeitschriften durchgeblätterte und nichts spannendes gefunden. Ich stand wieder auf und schlenderte weiter übers Gelände. Es war seltsam, dass fast niemand auf dem Campus war.

Als ich am Haupt- und Schulhaus vorbeikam sah ich die anderen Gebäude. Ein zweites Wohnheim, vermutlich das der Jungs. Aber mich interessierte mehr das andere Gebäude. Langgestreckt. Ziemlich flach. Viele Fenster. Wenn ich mich nicht stark täuschte waren hier ein Schwimmbad und vielleicht noch eine Turnhalle untergebracht.

 

Wow. Ich hatte die Zuschauertribüne gefunden. Acht 50m Bahnen. Ein Sprungbecken mit 1, 3 und 5 Meter Brett. Alles in hervorragendem Zustand. Unten holten gerade eine Gruppe Mädchen in meinem Alter ihre Taschen und verzogen sich dann in die Umkleiden.

„Tara! Warte mal! Wir müssen kurz reden!“ der Trainer hielt eines der Mädchen zurück. Sie zog sich die Schwimmkappe vom Kopf und schüttelte ihre langen blonden Haare aus. Er redete auf sie ein, aber ich konnte nichts verstehen. Offensichtlich war es nichts gutes gewesen. Tara war vollkommen am Boden zerstört. „Ich versuch's, okay?“ Dann verschwand auch sie in der Umkleide.

Der Trainer setzte sich auf eine der Bänke und blätterte in seiner Mappe. Ich stand auf und schlich hinaus. War ja nicht unbedingt nötig, dass er mitkriegt dass ich das Gespräch belauscht hatte. Im Foyer war ein großes Pinbrett und daran hefteten so einige Zettel. Ich hatte sonst nichts zu tun und betrachte die Zettel einen nach dem anderen.

 Mein Blick streifte einen folierten Plan. „Schwimmzeiten“ Beinahe jeder Tag war ausgefüllt von bunten Kästchen mit irgendwelchen Beschriftungen. Ich ging zu Sonntag. Hier war nur der Vormittag bunt. Ich schielte auf die Uhr zwischen den Türen zur Mädchen- und Jungsumkleide. 15 Uhr. Mein Blick ging zurück auf den Plan. „10.1; 13-15 Uhr“ das war also das Team gerade eben gewesen. Und jetzt war frei. In der Legende stand, dass weiß hieß, dass man freien Zutritt hatte, solange eine Aufsichtsperson da war. Woher zum Teufel sollte ich wissen, ob eine Aufsichtsperson da war?

Zwei Mädchen kamen aus der Umkleide. „Hat er nicht!“ „Doch! Und du wirst es nicht glauben...“ Jetzt hatten sie mich entdeckt. Okay, einen Versuch war es wert. „Hey, kann ich euch kurz was fragen?“ „Klar!“ beide drehte sich lächelnd zu mir um. „Wie is des mit den Schwimmzeiten?“ „Herr Howart macht Sonntags nach dem Training noch Aufsicht bis zum Abendessen!“ erklärte die mit den kurzen braunen Haaren. Sie gab mir die Hand „Ich bin Lina!“ Die andere hatte ihre feuerroten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. „Zara! Bist du neu hier?“ ich nickte. „Ach keine Angst! Wir waren alle mal neu! Sollen wir dich rumführen?“ ich nicke zustimmend. Warum auch nicht? Die beiden schienen auf den ersten Blick immerhin netter zu sein, als meine drei dauerquasselnden Zimmergenossinnen. Wir gingen hinüber zum Mädchenwohnheim. Die beiden wohnte in dritten Stock. Mein eigens Zimmer war im ersten.

Ich blieb in der Tür stehen. Es war ihr Zimmer und irgendwie war es mir unangenehm. „Komm rein und mach die Tür zu!“ Zara lächelte mich an. „Sorry, aber ich hasse es, wenn die Tür offen steht...“ Lina verdrehte die Augen. Ich folgte ihrer Bitte und stand nun mitten im Zimmer. Es war genauso groß wie meins, etwa gleich eingerichtet. Trotzdem strahlte dieses Zimmer mehr Geborgenheit aus, als meins.

Meine drei Zimmerpartnerinnen hielten anscheinend nicht viel von Dekoration. Und ich hatte es einfach damit begründet, dass es nicht erlaubt war. Internate hatten sich ja immer komische Regeln oder?

Zara und Linas Zimmer allerdings war fast komplett zugepflastert mit Postern und Fotos. „Setz dich einfach irgendwo hin. Wir beißen nicht!“ ich grinste. Nein, die beiden machten echt nicht den Anschein als würden sie beißen.

„Ich hab Hunger, glaubst du es gibt noch was?“ Lina sah ihre Freundin fragend an. „Ich hoffs mal sonst müssen wir in die Stadt fahrn!“ antwortete die, stand auf und schnappte sich ihre Jacke. „Kommst du mit?“ Ihr lächeln war ehrlich. Es war nicht so ein Du-bist-neu-also-sind-wir-freundlich-zu-dir-Lächeln. Ich lächelte zurück und folgte den beiden nach unten und rüber ins Haupthaus. Aber der Speisesaal war abgeschlossen. „Es is vier! In weniger als zwei ein halb Stunden gibt’s Essen!“ Erklärte Lina. „Vielleicht haben die Jungs noch was!“ schlug Zara vor und zog mich schon hinter sich her und hinaus in den Schnee. „Zara! Warte verdammt! Die kommen erst in ner Stunde oder so...“ Okay, jetzt war ich völlig verwirrt.

„Und was machen wir jetzt?“ fragte Zara. Die beiden sahen sich ratlos an.

Wir schlenderten durch den Park hinter dem Haupthaus. Die beiden erzählten von der Schule. Es schien ganz nett zu sein. Die Lehrer waren waren laut ihnen sympathisch und allgemein sollte der Unterricht angenehm sein.

„Hey, du hast vorhin nach den Schwimmzeiten gefragt! Schwimmst du auch?“ Platzte es ganz unvermittelt aus Lina heraus. „Ähm ja... Also ich war im Verein, bevor ich herkam...“ ich war mir nicht sicher worauf sie raus wollte. „Wir haben noch Zeit bis zum Essen! Lass uns schwimmen gehen?“ Sie war total begeistert von ihrer Idee. „Ich kann langsam kein Wasser mehr sehen!“ seufzte Zara. „Ach komm das wird lustig!“ sie erwischte meinen Jackenärmel und zog mich hinter sich her. „Du hast Schwimmsachen dabei?“ ich nickte. Klar hatte ich meinen Kram dabei.

Wenig später waren wir mit unseren Sachen wieder auf den Weg zur Schwimmhalle. „Hier sind die Umkleiden!“ erklärte Lina. „Ach ne!“ Zara war irgendwie genervt. Ich lächelte ihr zu und sie verdrehte die Augen.

Ich betrat die Halle. Wow. Von hier unten sah sie noch gigantischer aus, als von der Tribüne. Es war niemand zu sehen. Lina duschte sich ab und sprang mit einem eleganten Satz ins Wasser. Ich folgte ihr. Zara setzte sich auf einen der Startblöcke und sah uns zu.

„Was ist mit ihr?“ flüsterte ich Lina zu. „Liebeskummer!“ sie verdrehte die Augen.

Lina tauchte ab und zog mich mit sich. Wir setzten uns auf den den Boden. Sie gestikulierte wild, aber ich verstand nicht was sie meinte. Lachend tauchten wir wieder auf.

„Leute ich geh ins Außenbecken!“ sagte Zara, drehte sich um und verschwand. „Hab ich irgendwas falsch gemacht?“ Lina schüttelte den Kopf. Sie is grad echt nich gut drauf! Aber sie will sich auch nicht helfen lassen! Komm wir gehen auch raus, man hat einen wunderbaren Blick über die Stadt!“ ihre Augen blitzten abenteuerlustig.

Die Aussicht war wirklich unglaublich. Wir saßen bis zu den Schultern auf den Treppen ins Becken. Um das ganze Becken herum lag Schnee und auch die Bäume trugen schwer an der Last des Schnees. Ich atmete die kalte Winterluft ein.

Das erste Mal seit ich hier angekommen war konnte ich mich darüber freuen.

 

Ich weiß nicht wie lange wir da gesessen hatten, als ich Schritte hinter uns im Schnee knirschten. „Mädchen, es wird Zeit! In zwanzig Minuten gibt’s Essen!“ Ich drehe mich um. Hinter uns stand der Trainer. „Danke, Herr Howart!“ meinte Lina und stand auf. Wir folgten ihr.

Unter der Dusche erklärten mir die beiden, dass Herr Howart einer der beiden Schwimmtrainer war. Und wenn es nach ihnen ging, war er der bessere. Ich musste lachen. Das Problem hatte es bei uns nicht gegeben. Wir hatten nur eine uralte Schrulle, die niemanden mochte und die niemandem etwas durchgehen ließ. Nur wenn man ordentliche Leistungen bracht, ließ sie einem hin und wieder eine Verschnaufpause und sah über kleine Sachen hinweg.

„Warum lachst du?“ Zaras Laune war anscheinend wieder besser, sie lachte wieder mit uns. „Ach, ich hab nur an meine Trainerin gedacht!“ „Wie ist sie so? Erzähl mal!“ beide sahen mich interessiert an. „Ich bin froh dass ich die alte Schlampe los bin!“ Sie sahen mich fast schon fassungslos an. Okay, ich sollte in Zukunft echt aufpassen wie ich mich ausdrückte. Dann brachen die beiden in schallendes Lachen aus.

 

Beim Essen hatten die beiden drauf bestanden, dass ich mich zu ihnen setzte. Und so saß ich jetzt zwischen all den Schwimmern. Eigentlich keine neue Situation, zuhause war ich auch fast nur mit den Sportlern zusammen gewesen. Aber die Blicke, die mir Lea, Antonia und Kathrin zuwarfen waren fast schon tödlich.

Ich erzählte Zara davon, als wir später mit den anderen im Aufenthaltsraum des Haupthauses saßen. Es waren noch nicht alle mit Essen fertig und wir warteten anscheinend auf jemanden bestimmtes.

„Oh du Arme! Du wohnst mit denen in einem Zimmer, stimmt's?“ ich nickte. „Die gehören nicht zu uns und wir haben öfter mal Ärger mit denen.

Mir fiel auf, dass ich keinen von 'denen' bisher im Aufenthaltsraum hier im Haupthaus gesehen hatte. „Aber mach dir nichts draus, solange man keinen Streit mit ihnen anfängt, sind sie auszuhalten!“ Zara lächelte mir aufmunternd zu.

 

„Jenny, das ist Sabrina! Sabrina, Jenny!“ Lina stand plötzlich mit einem Mädchen vor mir. „Herzlich willkommen!“ Jenny lächelte mir freundlich zu. „Äh... Danke!“ ich grinste schief. „Schwimmst du auch?“ Jenny ließ sich neben mich fallen. „Naja, ab und zu mal!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Schon okay! Hauptsache, du bist keine von diesen Syncron-Tussis!“ „Jenny!“ Lina sah sie böse an. „Bist du?“ „Nein, nein!“ Lachte ich. „Ich bin ja nicht blöd! Wer steht schon drauf immer das gleiche, wie sieben andere zu machen?“ ich verdrehte die Augen. „Haha, du bist cool!“ meinte Jenny schmunzelnd. „Ich nehm das mal als Kompliment!“ antwortete ich.

Okay, die Fronten waren hier klar getrennt. Besser ich legte mich mit denen nicht an. Das schien hier echt wichtig zu sein, zu welcher Gruppe man gehörte. Ich persönlich hatte nichts gegen andere Sportarten. Synchronschwimmen sprach mich zwar bestimmt am wenigsten an, aber warum einen Diskussion riskieren?

Diese Jenny war mir auf Anhieb sympathisch. Hoffentlich blieb das so. Dann würde die Zeit hier vielleicht doch nicht so schlimm werden.

„Weiß irgendjemand wann die Jungs ankommen? Die sollten doch eigentlich schon längst hier sein, oder?“ ein Mädchen das ich bisher nicht kannte kam zu uns. „Chill mal Kim! Dein Lars wird schon kommen!“ antwortete Lina und alle anderen lachten. „Wo sind die denn?“ sprach ich endlich aus, was ich mich schon seit mehr als einem Tag fragte. „Wettkampf!“ antwortete Zara „Und hoffentlich haben sie gut abgeschnitten...“

„Haben wir!“ ein paar Jungs tauchten in dem Moment, als Zara das sagte, in der Tür auf. Kim stürmte sofort nach draußen. „Ach Gott muss Liebe schön sein!“ schmunzelte Jenny und schlug mit dreien von den Jungs ein. Auch die anderen Mädchen begrüßten die Jungs. „Leute, ich glaub heute steigt ne Party!“ rief Lina und erntete für den Vorschlag Applaus von allen Seiten.

Ich stand nur lächelnd daneben. Unbemerkt, aber das machte nichts. Sie kannten mich nicht und ich kannte sie nicht.

„Alle mal her hören! Wir müssen jemand vorstellen!“ Lina und Jenny kamen zu mir und stellten sich links und recht von mir auf. „Darf ich vorstellen: Sabrina! Sie ist am Samstag angekommen und sie gehört jetzt zu uns!“ allgemeiner Applaus. Super jetzt kannten mich wirklich alle. Und ich wusste gerade mal die Namen von einer handvoll Leute. Ich lächelte ein bisschen überfordert in die Runde. „Jungs, es gibt JETZT Essen!“ ein junger Lehrer schaute in den Aufenthaltstraum. „Wir bereiten schon mal alles vor!“ meinte Jenny. Die Jungs nickten und gingen hinüber in den Speisesaal.

„Das war Herr Bluhm, der andere Trainer!“ erklärte mir Lina, dann zog sie mich hinter sich her auf den Flur und auf eine Tür ohne Schild zu. „Hier is der Hausmeister Herr Teubert!“ „Und was machen wir hier?“ „Immer wenn wir von einem Wettkampf wiederkommen, dürfen wir draußen Lagerfeuer machen! Und Herr Teubert hat glücklicherweise alles dafür besorgt. Unsere lieben Trainer halten nämlich leider nicht viel davon! Aber unser Hausmeister ist einfach ein Schatz. Wir wüsste manchmal echt nicht was wir ohne ihn machen würden.“ Sie seufzte und klopfte an die schwere Eichentür.

Sie wurde geöffnet. „Ah Lina, ich hab schon auf euch gewartet!“ Der Hausmeister war schon älter. Ich schätzte ihn auf um die 50. Er winkte uns hinein. „Holz, Marshmallows und Schokokekse! Alles wie bestellt! Und es ist noch mehr Holz hinten im Schuppen!“ er lachte und hielt ihr einen Schlüssel hin. Ja, ich konnte verstehen warum Lina meinte er sei sympathisch.

Dann wünsch ich euch viel Spaß!“ Er hatte uns geholfen, alles in die Halle zu schleppen und schloss jetzt sein Büro zu. „Nochmal vielen Dank!“ sagte Lina und winkte ihm nach, als er durch die Eingangstür verschwand. „So das dürfen die Jungs rüber tragen. Lina grinste verschwörerisch und bedeutet mir, ihr zu folgen.

Im Aufenthaltsraum trafen wir wieder auf Zara. Die gerade in einer hitzigen Diskussion mit einem anderen Mädchen war. „Was kann ich denn dafür? Wenn du nicht die Leistungen bringst, die er von dir erwartet!“ „Aber du musst mir helfen, du weißt wie ich es schaffen kann, du hast es doch auch geschafft!“ „Ja, weil ich mich seit Anfang der Saison anstrenge!“ Zara drehte sich zu uns um. Ihre Miene war bitterböse. Sie stapfte an uns vorbei. „Zara, warte!“ Lina lief ihr hinterher und die beiden verschwanden aus meinem Blickfeld.

Das andere Mädchen, stapfte auch nach draußen. Dafür kam Jenny auf mich zu. „Kümmer dich nicht drum! Die Zwillingen haben ständig Streit! Habt ihr alles gekriegt?“ Ich nickte. „Die Zwillinge?“ „Zara und Tara! Naja meistens geht’s drum, dass Taras Leistungen nicht so gut sind wie die von Zara... Ich weiß es ist wahrscheinlich das überflüssigste Thema, aber sie schaffen es ständig sich deswegen in die Haare zu kriegen.“ sie verdrehte die Augen und zog mich hinter sich mit nach draußen in die Halle.

Zusammen mit ein paar anderen Mädchen brachten wir die Kekse und Marshmallows zum Lagerfeuerplatz hinter der Schwimmhalle. Jenny machte Licht über der Schuppentür an. So konnten wir wenigstens ein bisschen was sehen. Es war schon verdammt dunkel und auch nicht gerade warmes Wetter. Ich freute mich schon auf das Feuer.Wir schleppten Bänke aus dem Schuppen und stellten sich um das Feuer herum. Alles schien hier so gut organisiert und durchdacht.

Dann kamen die Jungs und brachten das Holz mit. Sie stapelten es auf und wenig später knisterte schon ein gemütliches Feuer.

Sabrina, kommst du mit? Wir gehen uns was warmes anziehen!“ fragte Zara, ich nickte. Die Jungs lachten. „Hier am Feuer ist es doch angenehm warm...“ spottete einer, der sich mir als Alex vorgestellt hatte. Wir stapften durch den Schnee zum Wohnheim.

Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer. Drei feindliche Gesichter schauten mir entgegen. Okay? Was hatte ich jetzt falsches gemacht? Sie drehten sich demonstrativ um und vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Gut, ich musste mich sowieso beeilen. Schnell suchte ich meine Winterjacke, meinen Schal und eine Mütze aus meinem Koffer, bevor ich 'mein' Zimmer wieder verließ und mich unten in eine der Sitzecken fallen ließ. Die anderen brauchten länger, als ich vermutete hatte. Naja und zudem hatte ich nicht unbedingt das Bedürfnis gehabt, länger als nötig in diesem Zimmer zu bleiben.

Ich warte, aber es kam niemand. Sollte ich noch weiter warte, oder doch schon zum Feuer gehen? Ich zögerte, entschloss mich dann aber doch dafür schon vor zu gehen.

Das Feuer brannte hell und es waren schon einige Leute da. Ich ging langsam auf sie zu. Sie lachten, aber ein Junge war deutlich heraus zu hören. Er prahlte, wenn ich auch nicht wusste worüber. Ich hielt nach den Mädels Ausschau, aber keine von ihnen war zu sehen. Ich seufzte und wollte mich umdrehen und wieder zurückgehen.

Hey, Schneggie!“ Es war der Junge, der die ganze Zeit schon so vorlaut gewesen war. Er konnte nur mich gemeint haben. Außer mir war nur Kim da und die saß auf Lars' Schoß. Unwahrscheinlich, dass er sie meinte.

Ich drehte mich wieder zu ihnen um. „Wie hast du mich grad genannt?“ ich ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Na, Schneggie?“ wiederholte er. Auf den Mund gefallen, war der schon mal nicht. „Und wie soll ich dich nennen?“ wir standen gefährlich nah voreinander. Hinter ihm hörte ich seine Kumpels lachen. „Und ihr haltet mal die Luft an!“ fuhr ich sie an. Der Proll vor mir zog die Augenbrauen hoch. „Großkotziger Arsch?“ ich sah ihn herausfordernd an.

Ja das hatte er nicht erwartet, aber da waren so oder so viele Sachen die er nicht über mich wusste. „Wenn's dir gefällt?“ er winkte lässig ab, wollte sich umdrehen und zu seinen Jungs zurück. Aber ich kam gerade erst in Fahrt. „Oder vielleicht eher Mamasöhnchen?“ er drehte sich langsam wieder zu mir um. Und sein Gesicht sah nicht gerade so aus, als wollte er jetzt mit mir ein Kaffeekränzchen halten. „Du meinst ich bin ein Muttersöhnchen?“ Er spuckte mir die Wort grade zu vor die Füße, aber alle in diesem gefährlichen Flüsterton.

Seine Kumpels hielten die Luft an. Ab jetzt befand ich mich auf dünnen Eis. Selbst sie wussten nicht mehr wie er reagieren würde. Und ich merkte langsam, dass ich mich in einer mir zu hohen Situation befand. Aber das durfte er nicht merken. Ich schluckte und dachte einen Moment nach. Diesen Moment nutze er um seinerseits los zu legen: „Ich danke mal du bist neu hier! Und wahrscheinlich hat Jenny dich zu uns eingeladen. Nur leider kommt da keine an mir vorbei!“ „Was denkst du bist du? Weil so richtig denk ich nicht, dass das normales menschliches Verhalten ist! Für wen hältst du dich?“ Er musste sich sichtlich anstrengen mir nicht an die Kehle zu springen. Ich grinste siegessicher.

Frag mal die anderen, wer ich bin, denn ich spreche nicht mit so minderbemittelten Wesen wie dir!“ zischte er mir entgegen. „Tja wenn du dich da nicht grade selbst ausgezeichnet beschrieben hast! Ach ja, vielleicht sollte ich dich 'Eingebildeter Arsch' nennen, scheint ganz gut zu passen!“ Jetzt war ich es, die gehen wollte. Ich musste nicht noch länger in diesem Kindergarten bleiben. „Geh ruhig Schneggie, ich weiß dass du wiederkommst!“ Ich zuckte mit den Schultern. Sollte er doch denken was er wollte. „So sind Schlampen nun mal!“ Ich wirbelte herum und kaum das ich mich versah, hatte er einen heißen Abdruck meiner Hand auf der Wange.

Er sah mich entsetzt an. Okay, die Aktion hatte er nicht erwartet und ich ehrlich gesagt auch nicht. Es war einfach passiert. Aber mich entschuldigen kam nicht in Frage. Er hatte es sich schon selbst zuzuschreiben.

Ich drehte mich um und wollte zurück zum Wohnheim und mich nur in meinem Zimmer verkriechen.

Aber ich kam keine drei Schritte weit. Zara, Lina, Jenny und ein paar andere standen da und sahen mich bewundernd an. Lina und Jenny kamen zu mir, nahmen mich links und rechts und zogen mich in Richtung Feuer zurück. „Ich geh in mein Zimmer! Ich glaub die wollen mich nicht mehr wirklich dabei haben!“ ich wollte mich losmachen. „Aber wir wollen dich dabei haben und dagegen können die Jungs nichts sagen!“ meinte Lina und zog mich weiter „Auch Simon nicht!“ bekräftigte Jenny.

Simon alias Arschloch.

Ich verdrehte die Augen, aber ließ mich doch überreden mich zu ihnen zu setzten. Der Abend war dann doch noch ganz entspannt. Die Jungs erzählten von ihrem Wettkampf und die Mädchen von dem Schultag, den sie verpasst hatten und von Wochenende, an dem allerdings nicht viel passiert war. Ich beobachtete die ganze Szenerie. Ich gehörte noch nicht dazu, warum auch? Ich war gerade mal ein ein halb Tage hier, was sollte ich erwarten.

 

Und wie fandest du's?“ Jenny hatte mich eingehakt und wir schlenderten lachend durch die Nacht. „Weiß nicht... ziemlich cool!“ wir grinsten uns an.

Och ne morgen is Montag...“ Lina tauchte neben mir auf. „Ja, normalerweise kommt nach Sonntag Montag...“ antwortete ich lachend. Jenny stimmte mir zu. „Was passt dir jetzt plötzlich an Montagen nicht mehr?“ Zara sah ihre Freundin fragend an. „Einfach nur die Schule! Ich hab keinen Bock mehr und vom Schuljahr ist grad erst die Hälfte rum!“ erklärte Lina und stapfte weiter durch den Schnee.

Jenny überredete mich, zu ihnen auf Zimmer zu kommen. Das Angebot nahm ich natürlich ohne zu überlegen an. Ich hatte vor, in Zukunft so wenig Zeit wie möglich in 'meinem' Zimmer zu verbringen.

Oben ließen wir uns auf die Betten fallen. „So und jetzt musst du erzählen, warum du hier bist!“ Lina sah mich erwartungsvoll an. Ich wich ihrem Blick aus, aber auch alle anderen hatten diesen fragenden Blick drauf. „Naja... is ne komische Geschichte!“ „Komische Geschichten sind immer gut!“ erwiderte Jenny.

Ich kam aus der Sache sowieso nicht mehr raus.

 

 

Alles hatte damit angefangen, dass ich mit Pauli, Sofie, Luca, Olli und Jo auf einer Party im Club bei uns in der Stadt war. Schon als, wir ankamen war die Stimmung ziemlich gut und ich hatte echt Bock zu tanzen. Die Mädels natürlich auch. Während wir auf der Tanzfläche abgingen, saßen Luca, Olli und Jo in der Sitzecke.

Irgendwann brauchte ich eine Pause und holte mir was zu trinken, womit ich mich dann zu den dreien setzten wollte. Nur so weit kam ich gar nicht erst. Nils, eines der größten Arschlöcher unserer Stufe, stand plötzlich vor mir und war anscheinend mal wieder streitlustig. Er hatte schon bisschen was getrunken und ich wusste schon, dass das für einen von uns nicht angenehm enden würde. Nach einem eigentlich ziemlich unnötigen Versuch meinerseits ihm zu erklären, dass er mich doch bitte einfach in Frieden lassen sollte, hat er mich am Arm genommen. Sich nicht daran gestört, dass ich ihm mein halbes Glas übers T-Shirt geschüttete hatte und mich nach draußen gezogen. Was hätte ich tun sollen? Die Musik war zu laut, als dass mich jemand gehört hatte und der Barkeeper war leider zu beschäftigt mit irgendeiner furchtbar aufgestylten Barbie zu flirten.

Draußen hat er dann richtig angefangen mich zu beschimpfen. Für was auch immer. Es machte null Sinn, was er da brabbelte. Das ganze endete damit, dass er versuchte mich zu küssen und ich echt keine andere Möglichkeit mehr sah, als ihm mein Knie zwischen die Beine zu rammen. Ich weiß, dass das echt nicht die beste Methode ist, aber er ließ nicht locker und in seinem Zustand hätte nichts anderes geholfen. Ja dann hat sich auch endlich Olli eingemischt. Ich war ziemlich sauer, dass er mir nicht früher geholfen hatte, aber er kümmerte sich so lieb um mich, oder eher um mein nasses Oberteil. Denn natürlich hatte ich auch was aus meinem Glas abbekommen. Ich konnte ihm generell nicht lange böse sein. Seine Jacke passte zwar so gut wie gar nicht zu meinem Outfit, aber besser, als krank zu werden.

Drinnen trafen wir wieder auf die anderen. Auch Pauli, Sofie und JJ saßen mit in der Sitzecke, wobei Pauli und Sofie nicht mehr wirklich ansprechbar waren. Sie hatten eindeutig zu viel getrunken und da die Jungs sich langsam langweilten, ich mich irgendwie doch gern umgezogen hätte und wir zudem nicht ewig auf den nächsten Bus warten wollten, beschlossen wir schon zu gehen.

Zusammen schafften wir es bis zu Luca nach Hause und er schleuste uns alle in sein Zimmer. In unserem Zustand wollten sie uns nicht nach Hause gehen lassen. Und das hatte auch nur gute Seiten. Zum einem war seine Mutter da extrem entspannt, ganz im Gegensatz zu meinen Eltern, die dachten ich würde mich jedes Wochenende ins Koma saufen.

 

Sonntag kam ich erst zum Abendessen nach Hause. Wir hatten lange ausgeschlafen und dann hatten wir noch ewig einfach herum gesessen und nichts gemacht.

Meine Mutter war nicht wirklich begeistert, aber zumindest zufrieden, dass ich meine Hausaufgaben schon fertig hatte. Nach dem Essen verzog ich mich in mein Zimmer, setzte mich mit meinem Laptop in mein Bett und zog den Vorhang davor zu. Meine Leute waren natürlich online und wir schrieben eine Weile. Nebenher las ich in ein paar Blogs. Als ich meinen Laptop dann herunterfuhr war es schon halb zwei und ich ärgerte mich innerlich schon, dass ich nur etwa vier ein halb Stunden Schlaf kriegen würde.

 

Natürlich kam ich nicht wirklich gut aus dem Bett. Das Frühstück ließ ich einfach aus und sprintete vor der Schule vom Bus noch schnell zum Bäcker. Trotz meiner Bemühungen und natürlich auch dadurch, dass mein Bus zu spät gekommen war. Hatte die Stunde schon angefangen, als ich an der Schule ankam.

Ich wollte die Abkürzung durch den Schulgarten nehmen und meistens war dort auch niemand, vor allem zu der Zeit. Ich hatte nicht drauf geachtet ob jemand da war. Ich hatte Mathe und mein Mathelehrer sah das Zuspätkommen immer sehr eng. Ich hatte es mir schon ein paarmal geleistet und ein weiteres mal musste eigentlich nicht unbedingt sein.

 

Ich flog durch die Luft, mein Ordner, den ich immer in der Hand trug landete ein paar Meter weiter und mein Kinn machte eine unangenehme Begegnung mit dem Steinpflaster. „Was soll das? Ich habs eilig!“ „Das war für den Kick, Samstag!“ antwortete mir eine gehässige Stimme direkt neben meinem Ohr. Ich rappelte mich auf. War ja klar. Nils und seine Gang. Hatten die keinen Unterricht? „Den hattest du verdient!“ zischte ich, wollte mich umdrehen und gehen, aber er hielt mich am Arm fest. „Fass mich nicht an!“ kreischte ich. Tat er aber nicht. Es interessiert ihn ja generell nicht, was ich sagte. Ich war so froh, dass er nicht in meiner Klasse war. Er zog an meinem Arm und ich hatte keine Möglichkeit als mich wieder umzudrehen. Er stand nur Zentimeter von mir entfernt. „Du wirst schon sehen was du davon hast!“ seine Stimme klang irgendwie einschüchternd. Ich versuchte das zu überhören. „Schlampen sollte nicht so aufmüpfig sein! Und ich weiß doch ganz genau was du willst!“ flüsterte er mir zu. Schon klar, das war nicht für die Ohren seiner Kumpels bestimmt.

Das war mir dann doch zu viel. Ich schubste ihn von mir weg. Vielleicht doch ein bisschen zu fest. Er verlor das Gleichgewicht, versuchte sich noch fest zuhalten, aber es gab keine Hilfe mehr. Er stolperte in den Schulgartenteich. Ich lachte. Und hinter mir hörte ich auch seine Kumpels ein Lachen unterdrücken. Ein bitterböses schmerzverzerrtes Gesicht sah mir aus der braunen Brühe entgegen. „Pass nächstes mal auf, was du sagst!“ zischte ich ihm zu, sammelte meine Tasche und meinen Ordner von Boden und rannte ins Schulhaus. Ich würde immer noch zu spät kommen, aber das war nicht so schlimm. Ich hatte gerade meinen größten Triumph über Nils gehabt.

Mein Mathelehrer war, wie zu erwarten verdammt sauer und drückte mir gleich noch ein Strafarbeit rein. Ich ließ mich zwischen Jo und Pauli auf meinen Platz fallen. „Was is mit deinem Kinn passiert?“ Jo sah mich besorgt an. Erst jetzt fiel mir auf, dass es weh tat. Paula tupfte es mir mit einem Taschentuch ab. „Ich hatte eine unerfreuliche Begegnung mit Nils...“ „Sabrina, wenn du schon zu spät kommst, kannst du dich jetzt bitte auf den Unterricht konzentrieren?“ unser Lehrer fixierte uns mit seinem Blick. Wir nickten, mit dem legte man sich besser nicht an. Ich würde es ihnen in der Pause erklären.

 

Nur soweit kam ich gar nicht. Nach etwa zwanzig Minuten klopfte es. Unser Lehrer öffnete und verschwand kurz um mit unserem Direktor zu reden. Ich wollte gerade anfangen meinen Freuden endlich die Begegnung mit Nils zu schildern, als sie mich hinausriefen. Alle sahen mich komisch an, als ich aus der Tür verschwand.

 

Naja um es kurz zu fassen. Nils hatte sich bei seinem eleganten Sturz den Arm gebrochen und beschuldigte mich. War klar gewesen. Und da ich im Laufe der letzten zwei Jahre schon ein bisschen Mist gebaut hatte war unser Schulleiter echt stinksauer.

Meine Mutter musste kommen. Sie war auch richtig sauer. An dem Tag ging ich nicht wieder in die Klasse. Die Sekretärin holte meine Tasche und dann nahm meine Mutter mich mit nach Hause.

Sie nahm mir mein Handy, meinen Laptop und meinen IPod weg. Ich war echt abgeschnitten von der Welt." Ich beendete meinen Vortrag und sah in die erstaunten Gesichter der Mädchen, doch bevor noch ein weiteres Wort gesprochen werden konnte, flog die Tür auf. "Ab ins Bett! Alle!" Eine Lehrerin, die ich noch nciht kannte, stand in der Tür und bedachte und alle mit grimmiger Miene.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.03.2014

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Widmung:
Für die dich mich zu solchen Ideen inspririeren!

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