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Erinnerungen an Beethoven

(1844-1845.)

Ich lese einen Aufsatz von Herrn L. Rellstab: »Beethoven« überschrieben*, und finde darin meines Verhältnisses zudem genannten großen Meister, namentlich aber des Operntextes, den ich für ihn geschrieben, in einer Art erwähnt, die nicht ganz richtig ist. Diese Anschuldigung gilt nicht Herrn Rellstab, der ohne Zweifel alles, was ihm Beethoven sagte, bis auf die Worte getreu niederschrieb. Die Ursache dürfte vielmehr in dem traurigen Zustande des Meisters während seiner letzten Jahre liegen, der ihn wirklich Geschehenes und bloß Gedachtes nicht immer deutlich unterscheiden ließ. Was einen großen Mann betrifft, ist immer interessant, ich will daher unser Zusammentreffen und was daraus erfolgte, nach Möglichkeit treu erzählen. Oder vielmehr es macht mir Vergnügen, meine Erinnerungen an ihn bei dieser Gelegenheit wieder vor die Seele zu führen und sie hier aufzuzeichnen.

Das erste Mal, daß ich Beethoven sah, war in meinen Knabenjahren – es mochte in den Jahren 1804 oder 5 gewesen sein – und zwar bei einer musikalischen Abendunterhaltung im Hause meines Onkels, Joseph Sonnleithner, damaligen Gesellschafters einer Kunst- und Musikalienhandlung in Wien. Außer Beethoven befanden sich noch Cherubini und Abbé Vogler unter den Anwesenden. Er war damals noch mager, schwarz und zwar, gegen seine spätere Gewohnheit, höchst elegant gekleidet und trug Brillen, was ich mir darum so gut merkte, weil er in späterer Zeit sich dieser Hilfsmittel eines kurzen Gesichtes nicht mehr bediente. Ob er selbst oder ob Cherubini bei dieser Musik spielte, weiß ich mich nicht mehr zu erinnern, nur daß, als der Bediente bereits das Souper ankündigte, sich Abbé Vogler noch ans Klavier setzte und über ein afrikanisches Thema, das er selbst aus dem Mutterlande herübergeholt, endlose Variationen zu spielen anfing. Die Gesellschaft verlor sich nach und nach während seiner musikalischen Durchführungen in den Speisesaal. Es blieben nur Beethoven und Cherubini zurück. Endlich ging auch dieser, und Beethoven stand allein neben dem hart arbeitenden Manne. Zuletzt verlor auch er die Geduld, ohne daß Abt Vogler, nunmehr ganz allein gelassen, aufhörte, sein Thema in allen möglichen Formen zu liebkosen. Ich selbst war im dumpfen Staunen über das Ungeheuerliche der Sache zurückgeblieben. Was von diesem Augenblicke an weiter geschah, darüber verläßt mich, wie es bei Jugenderinnerungen zu gehen pflegt, mein Gedächtnis völlig. Neben wem Beethoven bei Tische saß, ob er sich mit Cherubini unterhielt, ob sich später Abt Vogler zu ihnen gesellte – es ist, als ob ein dunkler Vorhang sich mir über alles das hingezogen hätte.

Ein oder zwei Jahre darauf wohnte ich mit meinen Eltern während des Sommers in dem Dorfe Heiligenstadt bei Wien. Unsere Wohnung ging gegen den Garten, die Zimmer nach der Straße hatte Beethoven

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Lektorat: verlag.bucher@gmail.com
Tag der Veröffentlichung: 09.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2651-2

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