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Van Helsing in Love

Fassungslos starre ich auf die Einladung und kann es immer noch nicht glauben. Das muss ein dummer Scherz sein oder ich träume. Ja, ganz sicher träume ich. Um mich zu überzeugen kneife ich mir in den Arm.

Der Schmerz lässt mich die Augen schließen, als ich sie allerdings wieder öffne, ist das Papier immer noch in meiner zitternden Hand.

Eine Einladung zu der größten und beliebtesten Halloween-Party der Stadt, die vom Schwarm der Schule ausgerichtet wird.

Nein, das kann nicht wahr sein. Ich bin ein Außenseiter, der größte Nerd der Schule.

„Hey Marco, was ist los?”

Erschrocken zucke ich zusammen und starre meinen besten Freund Jan wortlos an. Dieser wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht und fragt erneut: „Marco, was ist los?“

Immer noch stumm, reiche ich ihm die Karte.

Nach kurzem Zögern nimmt er sie und liest. Aufgekratzt sagt er: „Marco, das ist ja der Hammer. Was wirst du anziehen?“ Geschockt frage ich: „Was ich anziehe? Ich geh da ganz sicher nicht hin.“ Damit reiße ich ihm die Karte aus den Fingern, stopfe sie ungeschickt in meinen Rucksack, den ich mir auf den Rücken schnalle und gehe davon.

„Was, warum nicht? Manch einer würde sich eine Hand abhacken, um da hingehen zu dürfen.“ Jan holt auf und läuft nun neben mir. Ohne innezuhalten frage ich:

„Ach ja, nenn mir einen.“ Jan hält mich an der Schulter und wir stoppen.

„Ich zum Beispiel. Marco, das ist wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl.“ Der kapiert das nicht. Wird Zeit es ihm zu erklären. „Jan, glaubst du wirklich, dass die Einladung echt ist?“

Verwundert schaut er mich an „Was sollte sie denn sonst sein?“

Ich seufze und teile ihm meine Befürchtung mit:  „Vielleicht so ne Themen Party: Bring den größten Loser als Begleitung mit.“

Er scheint kurz zu überlegen. Seine blauen Augen wandern hinter seinen dicken Brillengläsern hin und her. Wow, wie können Augen nur so blau sein? Ich wundere mich immer wieder, wenn ich in sie schaue und dabei in ihnen versinke.

„Na und? Einen Versuch ist es doch wert. Außerdem steht kein Name drauf. Nur dein heimlicher Verehrer.“

Ich schnaube verächtlich. „Ja, und wer soll das sein? Robert, der beliebteste Junge der Schule? Das glaubst du doch wohl selber nicht?“

Schulterzuckend erwidert Jan: „Na klar. Warum nicht? Auch jetzt hat er gerade wieder ein Auge auf dich geworfen.“

Mit dem Kopf zeigt er in eine Richtung hinter mir. Langsam drehe ich meinen Kopf. Am anderen Ende des Flurs steht er. Robert, der geilste Junge der Schule. Schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Ich kann sehen, wie sein Blick an mir hoch und runter gleitet. Gut, ich gebe ja zu, dass mir in letzter Zeit häufiger aufgefallen ist, dass Robert mich beobachtet.

Aber da ich Realist bin, habe ich dem nicht wirklich eine Bedeutung zugemessen. Vor allem stellt sich die Frage, wer sollte mich sonst einladen? Es ist ja seine Party und so viel ich weiß, muss er seine Zustimmung geben.

„Marco an Erde. Ist da noch jemand da?“

Ich wende mich wieder Jan zu. „Du glaubst wirklich, das er mich ...?“

Er zuckt mit den Schultern und erwidert: „Keine Ahnung, aber einen Versuch ist es wert.“ Mist, warum gibt es da diese kleine Flamme der Hoffnung. Kann nicht mal jemand die Feuerwehr rufen, um sie zu löschen.

Pah, das hier ist doch nicht irgendeine billige Liebesschnulze. Wo sich der heißeste Typ der Schule in den größten Loser, was ich wäre, verliebt.

„Marco, Marco.“ Ich blicke in Jans azurblaue Augen. „Was hast du zu verlieren?“

Was ich zu verlieren habe? „Mein Würde, zum Beispiel. Wenn Robert und seine Freunde mich nur verarschen und ich irgendwo, mitten in der Nacht, nackt auf der Straße sitze.“

Jan schüttelt den Kopf, wobei seine blonden Locken wippen. „Du bist so ein Pessimist.“

Ich tippe mit dem Zeigefinger auf seine Brust. „Nein, nur vorsichtig.“

Er packt meinen Finger, kommt mit seinem Gesicht noch näher und sagt: „Dadurch könntest du das Leben verpassen. Denk drüber nach.“ Dann lässt er mich wieder los.

Mist, was mach ich nur? „Na gut, ich überlege es mir.“

Jan strahlt mich an und wuschelt mir durch meine braunen Haare.

„Na bitte, geht doch.“ Er legt mir seinen Arm über die Schulter und wir setzen scherzend unseren Weg fort.

„Was hast du eigentlich davon, wenn ich da hingehe?“

„Na, entweder hole ich dich um Mitternacht nackt von der Straße ab oder ich bin der Freund eines Freundes, der die geilste Halloween-Party der Stadt besucht hat. Ich hoffe, danach bist du nicht zu cool um mit mir abzuhängen.“

„Nein, natürlich nicht. Wir bleiben immer Freunde. So schnell wirst du mich nicht los.“ Wir sind seit fast einem Jahr die besten Freunde, hatten nur uns. Jan hatte genauso Probleme Freunde zu finden. Seine Hornbrille und die weiten Klamotten, die immer drei Nummern zu groß sind, machen ihn zum Außenseiter. Bei mir liegt es daran, dass ich klein, schmächtig und sehr schüchtern bin.

Wir haben uns gefunden und sofort verstanden. Na gut, er hat ne Weile gebraucht, bis ich warm geworden bin und wenigstens „Hallo“ gesagt habe. Er hat einfach nicht aufgegeben. Trotz meiner abweisenden Haltung hat er sich jeden Tag neben mich gesetzt bis mein Eispanzer endlich geschmolzen war und seitdem verbindet uns eine enge Freundschaft.

 

Die ganze Zeit geht mir die Party nicht aus dem Kopf. Auch jetzt, wo ich auf der Tribüne des Football Stadions sitze, meine Hausaufgaben mache und den Footballspielern, darunter natürlich auch Robert, beim Training zuschaue. Immer noch weiß ich nicht, was ich tun soll.

„Vorsicht!“

Ich blicke auf und da wird mir auch schon schwarz vor Augen. Hart lande ich auf dem Boden. Sanfte Hände streicheln über mein Gesicht.

„Nicht bewegen, ich hole schnell Eis.“

Was für eine schöne Stimme. Wer ist das? Die Stimme kenne ich nicht. Aber sie beruhigt mich und die zärtlichen Hände tun ihr übriges.

Ich drifte ab in eine Bewusstlosigkeit bis etwas Kaltes und Schweres auf meinen schmerzenden Kopf gelegt wird. Vor Schmerz stöhne ich auf und öffne die Augen.

„Hey, sei vorsichtig, du tust ihm ja weh!“ Das ist Jan, der mit besorgtem Gesicht neben mir hockt.

„Ich mach das schon.“ Diese Stimme kommt von der anderen Seite und von dem Kerl, in dessen Armen ich liege. Das ist Robert. Ich blicke direkt in seine schönen dunklen Augen.

„Tut mir leid, wollte dich nicht treffen.“

Deutlich kann ich spüren, wie ich anfange debil zu grinsen, als ich sage: „Nicht so schlimm.“ „Nicht schlimm. Du hast ein blaues Auge!“,  echauffiert sich Jan. Mit Kopfschmerzen wende ich mich ihm zu und versuche ihn zu beruhigen.

„Jan, ist okay, das ist nicht so schlimm.“ Ich kann sehen, dass es Jan sehr missfällt.

„Komm, ich helfe dir auf.“ Damit packt mich Jan unter den Armen und hievt mich hoch. Stöhnend, komme ich auf meine Füße und schwanke noch ein wenig. Zum Glück ist Jan da um mich zu stützen.

Natürlich bringt er mich nach Hause und wartet, bis meine Eltern da sind. Wie eine Glucke, umgibt er mich und sorgt dafür, dass es mir an nichts fehlt. Meine Eltern sind ihm natürlich dankbar und er bleibt, wie schon so oft, zum Abendessen.

Erst nachdem ich ihm einige Male versichert habe, dass es mir gut geht, verabschiedet er sich und geht.

Nach der Einnahme einer Kopfschmerztablette gehe ich schlafen. Zum Glück lässt das Hämmern in meinem Kopf nach und ich schlafe ein.

Meine Kopfschmerzen sind am nächsten Morgen weg, mein Problem mit der Party noch nicht. Diese kleine ungelöste Tatsache verfolgt mich bis in die Schule, wo Jan auf mich zukommt. „Wie geht es dir?“ Die Sorge ist in seinen schönen blauen Augen zu sehen.

„Hey, mir geht es gut.“ Er streift mir eine Haarsträhne aus der Stirn um sich mein blaues Auge genau anzuschauen.

Erleichtert atmet er aus. „Los, komm schon, Mama. Der Unterricht geht gleich los“, foppe ich Jan. Grinsend gehen wir  zu unseren Spinden.

„Hast du die Mathehausaufgabe gemacht? Nach dem Totalausfall gestern konnte ich sie nicht mehr beenden.“

Jan lacht auf.  „Ja, habe ich. Was zahlste denn, wenn ich dich abschreiben lasse?“ Lachend boxe ich ihm gegen die Schulter.

„Was soll das? Gestern hast du mich noch wie ne Mutter umsorgt und heute so herzlos.“

„Du hast selber gesagt, dass es dir gut geht.“ Ich bekomme einen Schlag zurück, der mich taumeln lässt. Jan ist sofort da um mich abzufangen. Etwas beleidigt, reibe ich mir über die schmerzende Stelle und maule: „Hey, das hat weh getan.“ Woher hat er nur die Kraft?

Er schmunzelt und reicht mir sein Matheheft. „Sorry, wollte ich nicht.“

„Ist schon in Ordnung.“ Ich nehme das Heft und öffne meinen Spind.

„Was ist das?“ Ein großer, weißer Karton nimmt fast den ganzen Schrank ein. Jan tritt neben mich.

„Na, wenn du wissen möchtest, was da drin ist, solltest du es rausholen und öffnen.“ Kommt es altklug von meinem Freund.

Mit zitternden Händen lege ich das Heft beiseite und hole den Karton raus. Der ist richtig schwer und so stelle ich  ihn auf den Boden, wo ich ihn öffne. Da ist ein Hut, irgendwie kommt er mir bekannt vor. Ich setzte ihn auf und er passt mir sogar. Fühlt sich gut an.

„Da ist noch mehr drin.“, reißt mich Jan aus meiner Euphorie.

Ein langer, schwarzer Mantel kommt zum Vorschein. Ich richte mich auf und halte ihn vor mich. Woher kenn ich den Mantel nur?

Jan kommt eher drauf als ich. „Hey, das ist Van Helsing.“

„Was?“ Er hat Recht, das ist das Kostüm aus dem Blockbuster Van Helsing mit Hugh Jackman. Ich liebe diesen Film. Jan holt noch die Hose, sowie die Weste und den Pullover heraus. Alles auf meine Maße zugeschnitten. Ich bin so fasziniert, dass ich Robert erst wahrnehme als er neben mir steht und mich anspricht. „Wow, sieht gut aus! Steht dir! Wie geht es dir?“

Ich benötige etwas um seine Frage zu beantworten, weil ich so überrascht bin. „Die Kopfschmerzen sind weg, aber das blaue Auge wird mich noch ne Weile begleiten.“

Er lacht auf, sieht das hammer aus. „Sorry, tut mir wirklich leid.“

Ich bin verlegen, da er mich so besorgt anschaut. „Kein Problem, kann ja mal passieren.“ „Gut, bin froh, dass du nicht sauer bist. Freu mich schon, dich in dem Kostüm zu sehen.“ Damit geht er, aber vorher, mustert er mich noch einmal. Perplex schaue ich ihm nach.

„Hast du das gehört?“, wende ich mich Jan zu.

„Ja, habe ich.“

Mein Herz klopft wild gegen meine Brust. „Als was er dann wohl kommt?“

„Ah, du glaubst also langsam, dass er dich eingeladen hat?“

Glaube ich es? Keine Ahnung. Ein Teil von mir ja, aber der Pessimist in mir glaubt immer noch an eine Verarsche.

„Ich weiß es nicht genau.“

„Wirst du hingehen?“

Nickend sage ich: „Ja, ich werde es tun. Wie du schon sagtest, was habe ich zu verlieren?“

Damit war meine Entscheidung getroffen.

 

Heute Abend ist es also soweit. Leider war Jan gestern nicht in der Schule. Natürlich habe ich ihn angerufen und erfahren, dass er mit einer Erkältung im Bett liegt. Ich wollte ihn besuchen, jedoch hat er es nicht erlaubt. Aus Angst, ich könnte mich anstecken. Zu gern hätte ich mich von ihm ablenken lassen, denn meine Nerven liegen blank.

Nun sitze ich hier im Bad und lasse mich von meinem Bruder, er ist Friseur und genauso schwul wie ich, herrichten. Schon seit Tagen sieht er traurig aus. Als ich ihn gefragt habe, hat er nur etwas von Liebeskummer genuschelt.

Leider hat er kein Glück bei Männern. Aber ich weiß, dass er heute auch zu einer Halloween Party geht. Ich drücke ihm die Daumen, dass er da endlich seinen Mister Right findet. Als er endlich fertig ist, bin ich kaum wiederzuerkennen. Kleider machen doch Leute.

„Keine Angst, kleiner Bruder. Das wird schon.“

Mit der Maske bin ich kaum zu erkennen. Das Zittern meiner Stimme ist nicht zu überhören. „Das ist leichter gesagt als getan.“ Mein Bruder schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, das mich ein wenig beruhigt.

„Los, es wird Zeit.“ Mein Blick fällt auf die Uhr und ich zucke zusammen.

Dankbar umarme ich meinen Bruder. Als ich die Haustüre öffne, traue ich meinen Augen kaum. Auf der Straße steht eine weiße Limousine. Ein Mann in einer Chauffeuruniform kommt auf mich zu. „Guten Abend, sind Sie Marco?“

Ich nicke nur und ernte ein kleines Lächeln von meinem Gegenüber. „Dann möchte ich Sie bitten einzusteigen. Ich bringe Sie zur Party.“

Meine Beine werden weich als ich dem Mann folge. Er öffnet mir sogar die Tür und ich steige ein. Noch nie habe ich in einer Limousine gesessen.

Das ist purer Luxus. Weiße Ledersitze, eine Minibar, die sich selber öffnet und in der einige Snacks sind. „Sie dürfen sich gern bedienen.“ Kommt es aus einem Lautsprecher.

Ein gestammeltes „Danke“, bekomme ich noch raus und ich nehme mir eine kleine Tüte Erdnüsse. Das Kauen beruhigt mich ein wenig. Zum Glück dauert die Fahrt nicht lange, denn ich halte die Spannung langsam nicht mehr aus.

Mein Herz klopft mir bis zum Hals als ich aus der Limousine steige.

„Wow!“ Ich hab ja gehört, dass Robert in einem Palast wohnt, aber das ist der Hammer. Eine weiße Villa. Es ist kein Neubau, sondern im historischen Stil erbaut, mit Türmchen und Seitenflügeln. Über eine große Freitreppe, die mit rotem Teppich belegt ist, steige ich bis vor die Haustür. Halloween-Deko soweit das Auge reicht. Dort ein Kürbis, hier ein Skelett. Noch bevor ich Läuten kann, wird die Tür geöffnet. Ein Mann, gekleidet wie Quasimodo, bittet mich mit den Worten „Guten Abend, Mister van Helsing“ hinein.

Ich folge der Aufforderung. Dunkel ist es hier drin. Fackeln und Kerzen, auf großen Kerzenständern, spenden Licht. Stöhnen und Kettengerassel ist zu hören.

Die ersten Partygäste kommen mir entgegen. Mumien, Monster und sexy Krankenschwestern. Ich betrete einen großen Saal.

Meine Augen gehen mir über. Ich habe das Gefühl, einen alten Rittersaal zu betreten.

„Guten Abend, Gabriel.“

Ein Schauer geht durch meinen Körper.

Nur langsam drehe ich mich um und mein Atem stockt. Da steht er, Dracula. Die langen schwarzen Haaren nach hinten gekämmt und der lange Umhang lässt ihn noch beeindruckender wirken. Sein Gesicht wird von einer Maske verdeckt. Langsam kommt er auf mich zu. Mit einer geschmeidigen Bewegung nimmt er meine Hand und küsst sie.

“Ich bin erfreut, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.“ Er schaut mich an, leider kann ich durch die Dunkelheit seine Augen nicht sehen.

„Ich habe für die Einladung zu danken.“ Die Aufregung ist in meiner Stimme zu hören, aber das ist mir egal. Nah tritt er an mich heran und legt seinen Arme um meine Hüfte.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Ich nicke nur und schon bewegen wir uns durch den Saal.

Keine Ahnung, wie lange wir schon tanzen, ich bin einfach hin und weg von meinem

Tanzpartner. Ist das wirklich Robert? So richtig kann ich es nicht glauben, aber leider erkenne ich ihn nicht. Jedoch fühlt es sich gut an in seinen Armen zu sein. Unsere Körper scheinen perfekt zusammenzupassen. Ob schnelle Lieder oder langsame, unsere Leiber drängen sich dicht aneinander. Seine Erregung ist für mich genauso deutlich zu spüren, wie meine für ihn. Immer lasziver wird unser Tanz.

Ich kann mein Glück kaum fassen. Immer näher kommen sich unsere Gesichter. Meine Hände legen sich in seinen Nacken. Sein Atem streift meine Lippen bevor er mich küsst. Ich schließe die Augen und kann es nicht glauben. Mein erster Kuss geht mir durch und durch. Nie hätte ich gedacht, dass es sich so gut anfühlt. Wie sanft seine Lippen sind als sie sich an meine schmiegen. Wir trennen uns nur wenige Zentimeter. Ich will noch mal und ergreife die Initiative, indem ich meinen Mund auf seinen lege. Der Kuss ist noch besser als der Erste.

Ich lege meine Stirn an seine, um zu Atem zu kommen. Erst als wir unsanft angerempelt werden, weichen wir auseinander. Verlegen streicht sich mein Gegenüber durch sein dunkles Haar.

„Möchtest du was trinken?“

Erst jetzt bemerke ich, wie trocken meine Kehle ist. Gemeinsam gehen wir zur Bar, wo ich um eine Cola bitte. Da ich vor Aufregung nichts gegessen habe, ist Alkohol nicht so gut.

Mein Tanzpartner reicht mir mein Getränk und wir gehen nach draußen, um der Musik zu entkommen.

Die Nacht ist mild und wir gehen durch den Garten. Überall Lichter und Deko. Immer wieder treffen wir andere Pärchen. Seine Hand greift nach meiner und unsere Finger schlingen sich ineinander.

Immer wieder schiele ich zu ihm hinüber. Ich kann es nicht glauben, dass ich mit ihm Händchen halte.

„Warum ich?“

„Weil ich mich auf den ersten Blick in dich verliebt habe.“

Mein Herz setzt mehrere Schläge aus. Wie kann er das nur so einfach sagen?

Wir kommen an einem hell beleuchtetet Pavillon vorbei. Jetzt will ich es wissen. Will meinen Verehrer in die Augen schauen. Ich ziehe ihn einfach hinter mir her und ohne Protest lässt er sich führen. Die Musik ist bis hier zu hören und deshalb lege ich die Arme um ihn. Lange lässt er sich nicht bitten und wir tanzen wieder.

Tief blicke ich in seine Augen, endlich kann ich ihre Farbe erkennen. Ich weiche zurück. Nein, das kann nicht sein.

„Hallo Bruderherz, was machst du hier mit der Schwuchtel?“ Robert und zwei weitere Kerle kommen auf uns zu. Mein Tanzpartner stellt sich schützend vor mich und erwidert:

„Was willst du? Lass uns in Ruhe.“

„Oh, tschuldigung. Störe ich dich etwa bei deinem Date?“ Der angewiderte Ton von Robert ist nicht zu überhören. Ebenso wenig ist das Grinsen seiner Begleiter zu übersehen.

„Bist du also auch eine Schwuchtel geworden?“, kommt es abfällig von Robert.

„Na wenigstens stehe ich offen dazu und ficke nicht heimlich mit meinen besten Freunden herum.“ Dabei deutet mein Date auf Roberts Begleiter.

„Außerdem bist du doch selber scharf auf Marco.“

Roberts Freunde schauen sich an. „Er hat auch mit dir?“

„Du hast gesagt, du würdest nur mit mir.“ Innerhalb von Augenblicken entflammt ein Streit zwischen den dreien.

„Du Penner, kannst mich mal.“

„Mich auch.“ Damit verabschieden sich die beiden.

Robert wendet sich uns zu und schreit: „Das wirst du noch bereuen, Bruder!“ Daraufhin folgt er den anderen.

Lachend dreht sich mein Begleiter zu mir um. Doch das Lachen bleibt ihm  im Halse stecken als er mich anschaut.

Langsam nimmt er die Maske ab. „Marco, bitte sei nicht böse.“

„Du hast mich die ganze Zeit belogen, Jan.“ Ja, mir gegenüber steht Jan, mein bester Freund.

Er tritt näher, aber ich weiche zurück.

„Bitte. Ich wollte nicht, dass du mich nur wegen meines Geldes magst.“

„Aber dein Name?“

„Mein Vater hat das, auf meine Bitte hin, so gemacht. Ich wollte keine falschen Freunde. Wie in meiner letzten Schule.“

Ich kann es nicht glauben. Er hat mich die ganze Zeit belogen. „Was ist mit deiner Brille?“ Verlegen streicht er sich durchs Haar. „Hatte gestern ne Laser-OP.“

„Darum warst du nicht in der Schule.“ Er nickt nur und ich begreife: „Du hast mich belogen.“ Flehend schaut er mich an und bittet: „Marco, versteh mich doch, in meiner alten Schule

da …“

„Du hast mich belogen!“, schreie ich ihn an und stoße ihm meine Hände immer wieder gegen die Brust. Er weicht zurück, bis er genug hat und meine Arme festhält.

Ich versuche, mich loszureißen, aber es gelingt mir nicht.

Fest zieht er mich an sich ran. Ich wehre mich als er beginnt mich zu küssen. Aber das fühlt sich so gut an, so vertraut. Sein Duft, sein warmer Körper. Er war immer für mich da, hat mich aus meinem Schneckenhaus befreit. Hat mir gezeigt was Leben ist. Nein, ich kann ihm nicht böse sein. Ich war es mal einen Tag lang und es war die Hölle auf Erden für mich. Ich fühlte mich so einsam. Nein, ich kann nicht.

Ja, ich liebe ihn. Vom ersten Tag an hat er sich in mein Herz geschlichen. Mich mit seinen blauen Augen eingefangen und mit seiner liebenswerten Art umgarnt.

Meine Gegenwehr lässt nach und ich lasse mich in den Kuss fallen. Lege die Arme um ihn als er sie endlich freigibt. Fest schmiege ich mich an ihn, ich brauche ihn. Will nicht ohne ihn sein. Ich weiß, dass es verrückt ist. Ich sollte toben, sauer auf ihn sein, aber ich kann nicht, er ist immer noch mein Jan.

Seine Zunge fährt über meine Lippen und ich öffne sie.

Vorsichtig tastet sie sich vor und regt meine Zunge zu einem Spiel an, das an Leidenschaft schnell zunimmt.

Erst als die Luft knapp wird, trennen wir uns. Tief versinke ich, wie schon so oft, in seinen azurblauen Augen als er mir sagt: „Ich liebe dich, Marco.“

Mehr brauche ich nicht zu wissen. Ich ziehe ihn zu einem Kuss an mich heran.

„Ich liebe dich auch und dir ist schon bewusst, dass du einiges wiedergutzumachen hast.“

Er lächelt mich an. „Ja, das weiß ich und ich werde mein Bestes geben. Ich verspreche dir, ich werde dich nie wieder belügen.“

„Das hoffe ich doch.“ Erneut treffen sich unsere Lippen zu einem Kuss.

 

Ende

Impressum

Bildmaterialien: 123rf.com, Pixabay bearbeitet Caro Sodar
Lektorat: Catwomen, Sabrina
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2014

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