Cover

Inhaltsverzeichnis & Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung

Prolog

Kapitel  1

Kapitel  2

Kapitel  3

Kapitel  4

Kapitel  5

Kapitel  6

Kapitel  7

Kapitel  8

Kapitel  9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Epilog

Nachwort

 

 


**Vorwort**

 

Die Erhabenheit der Wildnis von Montana, ungezähmt und doch durchdrungen von einer stillen Schönheit, birgt Geheimnisse, die über Generationen hinweg verborgen blieben. Es ist eine Landschaft, die sowohl Trost als auch Schrecken bieten kann – ein Ort, an dem sich die Grenzen zwischen Himmel und Erde in einem ständigen Spiel von Licht und Schatten vermischen. Doch unter dieser idyllischen Oberfläche lauern Geschichten, die von Tragik, Verrat und dem unbändigen menschlichen Willen handeln.

 

"Mord in Montana" ist mehr als ein Psychothriller. Es ist ein Kaleidoskop aus Charakteren, Emotionen und Motiven. Es ist die Erzählung einer Frau, Kathy "Shakti" Boxleitner, deren Leben von Wendungen geprägt ist, die sie nie vorhergesehen hätte. Ihre Reise beginnt nicht als Heldin, sondern als Überlebende – jemand, der durch schmerzhafte Prüfungen und die Suche nach sich selbst geformt wurde. Ihre Geschichte ist eine Geschichte von Widerstandsfähigkeit, von der Fähigkeit, sich über die eigene Vergangenheit zu erheben, um eine Zukunft zu schaffen, die von Hoffnung und Gerechtigkeit geprägt ist.

 

Die Handlung entfaltet sich in einer Gemeinschaft, die durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert wird – ein Mord, der nicht nur Leben zerstört, sondern die tief verwurzelten Geheimnisse und Korruption ans Licht bringt, die diese scheinbar idyllische Stadt plagen. Aber "Mord in Montana" ist mehr als nur die Ermittlung eines Verbrechens. Es ist die Erkundung von Beziehungen, die sich über Generationen hinweg gewebt haben, von alten Fehden und neuen Allianzen.

 

Während Shakti sich der Wahrheit stellt, wird sie von der beeindruckenden Stärke ihres Bruders Bentley begleitet, einem Mann, dessen Idealismus oft mit der harten Realität kollidiert. Ihre Beziehung – voller Konflikte und doch unerschütterlich in ihrer gegenseitigen Loyalität – ist das Herzstück dieser Erzählung. Es sind diese komplexen Beziehungen, die die Lesenden durch die Höhen und Tiefen der Handlung führen, die die Charaktere lebendig und tiefgründig erscheinen lassen.

 

Montana selbst wird zu einem Charakter in dieser Geschichte, ein Ort voller Kontraste: von den endlosen Weiten der Prärie bis zu den engen Tälern, die Geheimnisse und Gefahren verbergen. Die Landschaft wird zum Spiegelbild der inneren Kämpfe der Figuren, ein stiller Beobachter ihrer Triumphe und Tragödien.

 

"Mord in Montana" lädt dich ein, Teil dieser Welt zu werden. Es fordert dich heraus, nicht nur die Wahrheit zu suchen, sondern dich auf die Frage einzulassen, was Gerechtigkeit wirklich bedeutet – und welchen Preis wir bereit sind, dafür zu zahlen. Durch die Augen von Shakti wirst du die Dunkelheit der menschlichen Natur erkennen, aber auch das Licht, das durch Mut und Entschlossenheit erstrahlen kann.

 

Diese Geschichte beginnt in einem Moment des Schreckens, doch sie ist geprägt von einer unerschütterlichen Hoffnung – der Hoffnung, dass selbst in den dunkelsten Zeiten der Geist des Menschen fähig ist, sich zu erheben und das Unmögliche zu erreichen.

Einführung

 

**Einführung**

 

Das Leben ist eine Kette aus Entscheidungen, und für Kathy "Shakti" Boxleitner haben diese Entscheidungen sie auf einen Pfad geführt, der sowohl erleuchtend als auch dunkel war. Geboren und aufgewachsen in Berkeley, Kalifornien, erlebte Kathy eine Kindheit, die von Freiheit, Chaos und einem Hauch von Rebellion geprägt war. Ihre Eltern, beide leidenschaftliche Umweltschützer und soziale Aktivisten, hatten eine Erziehung geschaffen, die für Kreativität und Individualität stand, jedoch auch oft die Schattenseiten der Unkonventionalität offenbarte.

 

Kathy und ihr älterer Bruder Bentley wuchsen in einem Zuhause voller Ideen und Inspirationen auf. Doch während Bentley früh eine Leidenschaft für die Fotografie und die Tierwelt entwickelte, war Kathy immer auf der Suche nach etwas Tieferem – einer Verbindung, die über das Sichtbare hinausging. Ihre Reise führte sie durch verschiedene spirituelle Bewegungen, Experimente mit Meditation und den Versuch, innere Ruhe in einer Welt voller Ablenkungen zu finden. Mit ihrem Humor und ihrer unverwechselbaren Persönlichkeit wurde sie eine Frau, die ihren Weg nicht nur selbstbewusst, sondern auch mit einer einzigartigen Perspektive ging.

 

Die Sommer auf der Ranch ihrer Tante Agnes in Montana waren jedoch ein Wendepunkt für beide Geschwister. Es war dort, in den weiten Ebenen, wo der Wind durch das hohe Gras strich und die Sterne am Nachthimmel funkelten, dass Kathy und Bentley das Abenteuer spürten. Diese Ranch war nicht nur ein Rückzugsort, sondern ein Ort, an dem Geheimnisse lauerten und die Geschichten der Vergangenheit eine dunkle Schicht bildeten.

 

Ein unerklärliches Ereignis – ein verschwundenes Tagebuch, seltsame Geräusche in der Nacht und die Entdeckung eines alten Minenschachtes – begann, ihre Neugierde zu wecken. Es war Bentley, der mit seiner Kamera die ungewöhnlichsten Momente festhielt, während Kathy die Intuition hatte, dass sich unter der Oberfläche dieser Idylle etwas bewegte.

 

Zurück in Berkeley entschied sich Kathy, ihre Faszination für Geheimnisse und ihre Fähigkeit, Menschen zu verstehen, in eine Karriere als Privatdetektivin umzuwandeln. Sie tauchte ein in die Schattenseiten der Gesellschaft, ermittelte in Fällen, die anderen zu kompliziert oder zu düster erschienen. Ihre Methoden, unkonventionell und oft durch ihre spirituellen Praktiken untermauert, machten sie nicht zur typischsten Detektivin, aber zu einer der effektivsten.

 

Bentley, der mittlerweile als Fotograf für *National Geographic* arbeitete, reiste in entlegene Teile der Welt, um die Schönheit der Tierwelt einzufangen. Doch selbst in den exotischsten Landschaften konnte er die Schatten seiner Vergangenheit nicht abschütteln – und die Verbindung zu Montana, die ihn nie wirklich losgelassen hatte.

 

Ihre Leben schienen parallel zu verlaufen, getrennt und doch untrennbar verbunden durch ihre gemeinsame Geschichte. Doch das Schicksal, ein unvorhersehbares und oft gnadenloses Element, hatte andere Pläne. Als Bentley unerwartet in Montana unter Mordverdacht gerät, sieht sich Kathy gezwungen, in eine Welt zurückzukehren, die sie glaubte, hinter sich gelassen zu haben. Ihre Rückkehr ist nicht nur ein Versuch, ihren Bruder zu retten, sondern auch eine Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit und den Geistern, die dort warten.

 

Die Einführung in die komplexen Beziehungen und die verborgenen Geheimnisse der Stadt, gepaart mit Kathys unerschütterlichem Entschlossenheit, bildet die Grundlage für eine Geschichte, die die Lesenden nicht nur in die Handlung, sondern auch in die Tiefe der Charaktere zieht. Es ist der Beginn einer Reise, die nicht nur nach Wahrheit sucht, sondern auch die dunklen Seiten der menschlichen Natur enthüllt.

Prolog:

 

**Prolog**

 

Die Dunkelheit in Montana hatte eine eigene Qualität. Sie schien dicker, dichter zu sein, als ob die endlosen Prärien und waldreichen Täler das Licht der Sterne mit einer leisen Bosheit verschluckten. Der Himmel war schwer, unendlich weit, und doch bedrückend – ein stiller Zeuge für das, was kommen sollte.

 

Es begann, wie so oft, ganz harmlos. Ein zarter Wind raschelte durch die Wipfel der Kiefern, trug den Duft von Erde und harzigen Nadeln mit sich. Im Schatten des dichten Waldes verharrte ein Rabe, reglos und wachsam, seine schwarzen Augen leuchteten wie winzige Ölflecken im Zwielicht. Kevin, der stumme Beobachter, ein Prophet des Unheils.

 

Nicht weit entfernt, inmitten einer Lichtung, senkte sich das letzte warme Glühen der Sonne über eine verlassene Hütte. Ihre einst weißen Wände waren inzwischen grau und morsch, die Fenster eingeschlagen, das Dach von Moos überwuchert. Es war ein Ort, der Geschichten in seinen Mauern trug – Geschichten von Hoffnung, Verlust und Schmerz.

 

Doch an diesem Abend schrie die Stille.

 

Ein dumpfer Aufprall, ein leises Knacken – das Geräusch von Fleisch, das auf Holz trifft. Ein Flüstern durchbrach die Luft, heiser und voller Eile. Die Worte waren unklar, fast ein Gebet, doch sie brachen mitten in einem Satz ab. Dann wieder Stille, die nur von dem entfernten Heulen eines Coyoten unterbrochen wurde.

 

Unter den dürren Ästen des Waldbodens lag etwas Verlorenes. Der Schatten eines Mannes, gekleidet in abgenutzte Jeans und ein Hemd, das an den Ärmeln zerrissen war, zog etwas Schweres durch das Laub. Sein Atem ging in schnellen, unregelmäßigen Zügen, und seine Hände – groß und kräftig – waren mit einer Mischung aus Schmutz und Blut bedeckt. Das Gesicht des Mannes blieb verborgen, eine Kapuze verbarg seine Züge im Schatten.

 

Er stoppte, hob den Blick und lauschte. Überall um ihn herum flüsterte der Wind, aber seine Ohren suchten etwas anderes – ein Geräusch, das verraten könnte, dass er nicht allein war. Doch die Dunkelheit blieb still.

 

Die Füße des Mannes gruben sich in die feuchte Erde, als er seine Last an den Rand der Lichtung schleppte. Dort, im Schutz eines umgestürzten Baumes, begann er zu graben. Jeder Hieb des Spatens schien tiefer in die Nacht zu schneiden, bis eine Vertiefung im Boden entstand, gerade groß genug für das, was er mit sich brachte.

 

Als das Werk getan war, richtete sich der Mann auf, ein Schweißfilm glänzte auf seiner Haut, trotz der Kälte der Nacht. Er ließ den Blick über die Lichtung wandern, als suche er nach Absolution – oder vielleicht einem stillen Komplizen in der Wildnis.

 

Dann ließ er das, was er trug, in das flache Grab gleiten.

 

Der Rabe, Kevin, krächzte plötzlich und brach den Bann. Der Mann erstarrte, sein Kopf ruckte nach oben, und für einen Moment schien es, als würde der Rabe seine Seele verschlingen. Doch dann verschwand das Tier, lautlos wie ein Schatten, und der Mann begann hastig, die Erde zurückzuschaufeln.

 

Als er fertig war, warf er die Schaufel in die Dunkelheit und zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Ohne zurückzublicken verschwand er im Dickicht, seine Schritte wurden leiser, bis die Lichtung wieder in jener gespenstischen Ruhe lag, die so typisch für diese Wildnis war.

 

In der Erde, an diesem unscheinbaren Ort, lag ein Geheimnis begraben – eines, das nicht lange verborgen bleiben würde. Montana würde Zeuge werden, wie Schicksale kollidierten und die Wahrheit sich ihren Weg durch Lügen und Dunkelheit bahnte. Es war der Beginn eines Sturms, der alles, was er berührte, zerstören würde.

Kapitel 1:

 

# Mord in Montana
## Kapitel 1: Visionen im Nebel

Die Sonne schien durch die bunten Glasfenster des alten Viktorianischen Hauses und malte regenbogenfarbene Muster auf den Holzboden des Meditationsraums. Das sanfte Klingeln einer Klangschale verhallte langsam in der Stille. Kathy „Shakti" Boxleitner atmete tief ein, ihr schmaler Brustkorb hob und senkte sich unter dem locker fallenden Batikkleid. Ihre langen braunen Haare fielen wie ein Wasserfall über ihre Schultern und ihr Rücken bildete eine perfekte gerade Linie, während sie vor einer Gruppe von Senioren auf einem weinroten Kissen saß.

„Atmet tief ein und stellt euch vor, wie der Atem euren Körper mit golden schimmerndem Licht füllt", sagte sie mit einer Stimme, die so sanft war wie das Plätschern eines Bachs. Ihre großen blauen Augen waren halb geschlossen, während sie die Gruppe anleitete. „Bei jedem Ausatmen lasst ihr all eure Sorgen los, wie Blätter, die auf einem Fluss davontreiben."

Hertha Weinstein, eine 82-jährige Dame mit einer beeindruckenden Sammlung von Yogahosen in Neonfarben, stieß ein zufriedenes Seufzen aus. Die anderen fünf Teilnehmer – der ehemalige Universitätsprofessor Herman, das Ehepaar Garcia und die Schwestern Thompson – schienen ebenfalls in einen Zustand tiefer Entspannung gesunken zu sein.

Shakti lächelte in sich hinein. Das war es, wofür sie lebte: Menschen dabei zu helfen, ihren inneren Frieden zu finden. Nach all den Kämpfen und Rückschlägen in ihrem Leben hatte sie endlich ihren Weg gefunden – als Bhakta, eine Suchende auf einem spirituellen Pfad der Hingabe.

Sie schloss ihre Augen vollständig und ließ sich tiefer in die Meditation sinken. Die vertraute Wärme breitete sich in ihrem Körper aus, während ihr Geist sich weitete. Normalerweise sah sie in dieser Phase sanfte Farben oder gelegentlich Bilder von Wiesen und Wäldern.

Doch heute war etwas anders.

Das goldene Licht ihrer Meditation verdunkelte sich plötzlich, wurde blutrot und dann schwarz wie Tinte. Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Die Dunkelheit formte sich zu einem Bild: ein Mann, auf dem Boden liegend, sich vor Schmerzen windend. Und dann sah sie es – anstelle eines menschlichen Kopfes trug die Gestalt den Kopf eines Elchs, dessen geweihgekrönter Schädel sich unnatürlich verdrehte, während der Körper zuckte.

Shakti riss die Augen auf, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Der Meditationsraum war noch da, ihre Schüler saßen friedlich vor ihr. Niemand schien ihre Erschütterung bemerkt zu haben.

*Ein böses Omen.* Der Gedanke schoss durch ihren Kopf, bevor sie ihn unterdrücken konnte. Sie hatte von solchen Visionen gehört – Warnungen aus dem Universum, die sich in die Meditation einschlichen. Aber ihr waren sie noch nie begegnet.

Mit zitternden Händen hob sie die Klangschale an. „Lasst uns... langsam zurückkommen", sagte sie und schlug sanft gegen das Metall. Die harmonischen Schwingungen erfüllten den Raum, während sie verzweifelt versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen.

„Bewegt sanft eure Finger und Zehen, dann öffnet langsam eure Augen."

---

„Ein Elchkopf? Wie bei diesem alten Film... wie hieß er noch gleich? 'The Evil Dead'? Nein, das waren andere Monster..." Punjan Singh nippte nachdenklich an seinem dampfenden Chai-Tee aus einem abgenutzten Star-Wars-Thermobecher mit Yoda-Motiv. Der ältere Sikh mit seinem leuchtend pinken Turban und dem wallenden weißen Bart war eine ungewöhnliche Erscheinung, selbst für Berkeley-Standards.

„Es war so real, Punjan-ji", flüsterte Shakti, während sie in seinem chaotischen Büro auf einem Stapel Meditationskissen saß. Durch das Fenster drang der Lärm des Nachmittagsverkehrs. „Es fühlte sich an, als würde jemand... sterben."

„Hmm", machte Punjan und strich sich über den Bart. „Weißt du, Shakti, Omens sind wie Tinder-Matches – zu 99 Prozent Schwindel." Seine Augen zwinkerten humorvoll hinter seinen runden Brillengläsern. „Aber ich sollte vielleicht nicht über Tinder sprechen, was weiß ich alter Mann schon davon?"

Shakti musste trotz ihrer Anspannung lächeln. Ihr spiritueller Lehrer hatte die Gabe, selbst in den beunruhigendsten Momenten etwas Leichtigkeit zu bringen.

„Aber ernsthaft", fuhr er fort und stellte seinen Becher ab, „diese Vision kam wahrscheinlich von deinem Affenhirn."

„Meinem was?"

„Deinem Affenhirn! So nennen wir es, wenn die Gedanken beim Meditieren wild hin und her springen, wie ein Affe, der von Ast zu Ast hüpft." Er ahmte mit seinen Händen Affenbewegungen nach. „Du versuchst, tiefer zu gehen, und dein Geist wehrt sich mit wilden Bildern. Das ist alles."

Shakti atmete erleichtert aus. „Das macht Sinn. Danke, Punjan-ji."

Als sie sein Büro verließ, fühlte sie sich leichter. Die Vision war nichts weiter als ein Produkt ihres überaktiven Geistes. Sie würde heute Abend eine Tasse Kamillentee trinken, früh ins Bett gehen und morgen würde alles wieder normal sein.

Doch tief in ihrem Inneren nagte ein unruhiges Gefühl.

---

In ihrer kleinen Wohnung im dritten Stock eines umgebauten viktorianischen Hauses stand Shakti vor ihrem geöffneten Kühlschrank und starrte auf das leere Eisfach.

„Bleib stark", murmelte sie zu sich selbst. Ihr ewiger Kampf gegen die Versuchung namens Schokoladeneis – ihre einzige verbliebene Schwäche seit sie vor drei Jahren begonnen hatte, ernsthaft zu meditieren und ihre Ernährung umzustellen.

Sie schloss den Kühlschrank, setzte sich im Lotussitz auf ihr Meditationskissen in der Mitte des spärlich möblierten Zimmers und zündete eine Kerze an. Vielleicht würde eine abendliche Meditation ihr helfen, dieses nagende Gefühl loszuwerden.

Die Flamme tanzte vor ihren Augen, als sie ihren Atem verlangsamte und in den vertrauten Rhythmus fand. *Ein, aus. Ein, aus.*

Die Welt um sie herum verblasste, und sie spürte, wie ihr Geist sich weitete...

Diesmal kam die Vision wie ein elektrischer Schlag.

Ein klinisch weißer Raum. Metallische Oberflächen, die im harten Licht glänzten. Ein Mann lag auf einer Art Liege, Lederriemen um seine Handgelenke und Knöchel. An seinem Arm war eine Infusion befestigt. Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, aber er wand sich, kämpfte gegen die Fesseln.

„Kathy!", rief er. „Kathy, hilf mir!"

Diese Stimme. Sie würde sie überall erkennen.

„Bentley?", flüsterte sie entsetzt.

Der Mann auf der Liege drehte seinen Kopf, und Shakti blickte in die Augen ihres Bruders – weit aufgerissen vor Todesangst.

Sie riss sich aus der Meditation, ihr ganzer Körper zitterte. Schweißperlen rannen ihr über die Stirn, und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Das war keine Einbildung ihres „Affenhirns". Das war etwas anderes.

Mit zitternden Fingern griff sie nach ihrem Handy und wählte Bentleys Nummer. Ein Klingeln. Zwei. Drei.

„Kommen Sie, Bent", flüsterte sie verzweifelt. „Gehen Sie ran!"

Nach dem fünften Klingeln sprang die Mailbox an.

„Hi, hier ist Bentley! Ich bin gerade damit beschäftigt, die Welt zu retten oder großartige Fotos zu machen – oder beides. Hinterlassen Sie eine Nachricht!"

„Bent, ich bin's", sagte sie hastig. „Ruf mich sofort zurück, egal wie spät es ist. Es ist wichtig!"

Sie beendete den Anruf und starrte auf das Telefon. Bentley antwortete immer, wenn sie anrief. Immer.

Sie musste sichergehen, dass es ihm gut ging.

---

Die kühle Nachtluft von Berkeley strich über ihr Gesicht, als Shakti mit ihrem alten Fahrrad durch die Straßen fuhr. Die bunten Häuser und die Cafés waren größtenteils dunkel; nur vereinzelt brannten noch Lichter in den Fenstern. Ihre Beine traten energisch in die Pedale, während die Sorge um ihren Bruder wie ein schwerer Stein in ihrem Magen lag.

Bentleys Apartment lag in einem umgebauten Lagerhaus nur wenige Blocks entfernt. Als sie vor dem rostigen Metalltor ankam, bemerkte sie, dass ein Fenster im dritten Stock erleuchtet war – Bentleys Wohnung. Erleichterung durchströmte sie. Er war zu Hause!

Sie klingelte mehrmals, aber niemand antwortete. Schließlich öffnete sich die Tür mit einem metallischen Quietschen.

„Trag dein Fahrrad selbst hoch", murmelte ein junger Mann mit Dreadlocks, der offensichtlich auf dem Weg nach draußen war, und hielt ihr die Tür auf.

Sie schleppte ihr Rad die drei Treppen hinauf und klopfte an die Tür mit der Nummer 307.

Nach einem Moment öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, und der Geruch von Marihuana schlug ihr entgegen. Ulrike Friedrichs, Bentleys neueste Freundin, blinzelte sie mit geröteten Augen an.

„Shakti?" Ihre deutsche Aussprache machte aus dem Namen etwas, das klang wie „Schakti". „Was zum Teufel machst du hier? Es ist fast Mitternacht."

„Ist Bentley da?", fragte Shakti und versuchte, an ihr vorbei in die Wohnung zu spähen.

Ulrike zog an einem Joint und blies den Rauch zur Seite. „Nein, Mann. Er ist weg."

„Weg? Wohin?"

„Montana oder so. Irgendein Foto-Job." Sie zuckte mit den Schultern. „Willst du reinkommen oder was?"

Shakti trat in die Wohnung, die nach einer Mischung aus Kaffee, Cannabis und Entwicklerchemikalien roch. Auf dem Boden lagen überall Kleidungsstücke und leere Pizzakartons. An den Wänden hingen Bentleys beeindruckende Naturfotografien – majestätische Landschaften und Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum.

„Wann ist er gefahren?", fragte Shakti und versuchte, ihre wachsende Panik zu unterdrücken.

„Gestern Morgen, glaube ich." Ulrike ließ sich auf das zerwühlte Sofa fallen. „Er hat gesagt, er ruft an, wenn er angekommen ist, aber..." Sie zuckte wieder mit den Schultern.

Shakti ging zielstrebig zu Bentleys Schreibtisch, auf dem sein zweiter Laptop stand – den ersten hatte er vermutlich mitgenommen.

„Hey, was machst du da?", protestierte Ulrike schwach.

„Ich muss wissen, wohin genau er gefahren ist", antwortete Shakti, während sie den Computer einschaltete. Zu ihrer Erleichterung war er nicht passwortgeschützt.

Sie durchsuchte Bentleys E-Mails und fand schnell, wonach sie suchte – eine Nachricht vom National Geographic mit dem Betreff: „Auftrag: Anti-Jagd-Demonstration, Virginia City, Montana".

Shakti erstarrte. „Er hat mir versprochen, dass er zu keiner Anti-Jagd-Kundgebung mehr geht!", sagte sie entsetzt.

Beim letzten Mal hatte Bentley bei einer solchen Veranstaltung einen Jäger konfrontiert und war fast erschossen worden. Er hatte ihr hoch und heilig versprochen, dass er keine solchen Risiken mehr eingehen würde.

„Er ist ein großer Junge", murmelte Ulrike und nahm einen weiteren Zug. „Er kann tun, was er will."

Shakti ignorierte sie und las die E-Mail. Die Demonstration sollte in zwei Tagen in Virginia City stattfinden – einer kleinen Stadt in Montana, die für ihre Goldgräbergeschichte bekannt war und offenbar jetzt ein Zentrum für Elchjagd-Tourismus. Der National Geographic wollte eine Fotoreportage über den wachsenden Konflikt zwischen Umweltschützern und der lokalen Jagdgemeinschaft.

„Hat er dir gesagt, wo er übernachtet?"

„Nein", antwortete Ulrike gleichgültig. „Er wollte irgendwo zelten, glaube ich. Um nah an der Natur zu sein oder so einen Scheiß."

Typisch Bentley. Er würde selbst im tiefsten Winter lieber in einem Zelt schlafen als in einem Hotel, wenn es bedeutete, dass er den Sonnenaufgang über den Bergen fotografieren konnte.

Shakti griff nach dem Telefon neben dem Computer und wählte die Nummer des National Geographic-Redakteurs, die in der E-Mail stand. Es war weit nach Mitternacht, aber das war ihr egal.

Zu ihrer Überraschung nahm jemand nach dem dritten Klingeln ab.

„Jim Watkins", antwortete eine müde Stimme.

„Mr. Watkins? Hier spricht Kathy Boxleitner, Bentleys Schwester. Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich muss dringend mit meinem Bruder sprechen. Haben Sie eine Kontaktnummer für ihn in Montana?"

„Kathy? Oh, ja, Bentley hat Sie erwähnt." Der Mann klang jetzt wacher. „Leider nein. Er meinte, er würde irgendwo in der Wildnis zelten, wo es keinen Empfang gibt. Typisch Bentley, nicht wahr? Er wollte die Morgenstimmung einfangen."

Shakti spürte, wie sich ein kalter Knoten in ihrem Magen bildete. „Wissen Sie genau, wo in Virginia City er ist?"

„Er wollte im Stadthotel übernachten, wenn er ankommt, und dann einen Campingplatz in der Nähe des Alder Gulch finden, wo die Demonstration stattfinden soll. Ist alles in Ordnung?"

„Ich... ich bin mir nicht sicher", antwortete Shakti ehrlich. „Ich habe ein sehr schlechtes Gefühl."

---

„Du glaubst also, dein Bruder ist in Gefahr, weil du eine Vision von einem Mann mit einem Elchkopf hattest?" Punjan Singh rieb sich müde die Augen. Es war fast zwei Uhr morgens, und er trug einen flauschigen Bademantel mit Jedi-Muster über seinem Schlafanzug.

Shakti hatte den ganzen Weg zurück zum Meditationszentrum radelt, nachdem sie Bentleys Wohnung verlassen hatte. Sie konnte nicht warten bis zum Morgen.

„Und dann die zweite Vision – ich bin mir sicher, es war Bentley auf dieser... dieser Hinrichtungsliege", sagte sie verzweifelt. „Er hat mich beim Namen gerufen, Punjan-ji. Bei meinem alten Namen."

Der ältere Mann betrachtete sie nachdenklich. Shakti hatte ihren Geburtsnamen „Kathy" vor Jahren abgelegt, als sie ihren spirituellen Weg begonnen hatte. Nur Bentley nannte sie manchmal noch so, meist wenn er sie ärgern wollte.

„Weißt du", sagte Punjan schließlich, „ich glaube nicht an Zufälle. Wenn das Universum dir diese Bilder sendet und dein Herz so stark reagiert, dann solltest du darauf hören."

Er ging zu einem kleinen Schrank, öffnete ihn und holte einen Schlüsselbund hervor. „Nimm den Zentrumsvan. Er ist vollgetankt."

„Was? Ich kann nicht einfach nach Montana fahren!", protestierte Shakti, obwohl genau das ihr Plan gewesen war.

„Warum nicht? Wenn dein Bruder in Gefahr ist, musst du ihm helfen." Punjan öffnete eine abgewetzte Brieftasche und nahm alle Geldscheine heraus. „Das ist nicht viel, aber es sollte für Benzin und ein paar Mahlzeiten reichen."

Tränen stiegen in Shaktis Augen auf. „Aber der Meditationskurs..."

„Ich übernehme ihn. Hertha wird enttäuscht sein – sie schwärmt für dich, weißt du – aber ich werde ihr erklären, dass du eine wichtige Mission hast." Er zwinkerte, dann wurde sein Gesicht ernst. „Aber versprich mir etwas, Shakti. Sei vorsichtig. Wenn deine Visionen wahr sind, dann begibst du dich vielleicht selbst in Gefahr."

Er ging zu einem kleinen Altar in der Ecke seines Büros und nahm ein großes goldenes Medaillon an einer Kette. In seiner Mitte war das Bildnis einer vielarmigen Göttin eingraviert.

„Die göttliche Mutter wird dich beschützen", sagte er und legte ihr die Kette um den Hals. „Trage sie immer bei dir, und vergiss nie zu beten."

Shakti umarmte ihren Lehrer fest. „Danke, Punjan-ji. Ich werde Bentley finden und zurückbringen."

„Das wirst du", nickte er. „Und vielleicht findest du auf diesem Weg noch etwas anderes."

„Was meinst du?"

Er lächelte geheimnisvoll. „Das wirst du sehen, wenn die Zeit gekommen ist."

---

Über tausend Meilen entfernt kämpfte Bentley Boxleitner mit den ungewohnten Wetterbedingungen, während er seinen alten Toyota durch die verschneiten Straßen von Virginia City, Montana, lenkte. Der Schneefall hatte sich in den letzten Stunden verstärkt – ungewöhnlich für diese Jahreszeit, wie der Radiomoderator immer wieder betonte.

„...und bleiben Sie dran für weitere Updates zu diesem unerwarteten Frühlingsschnee. Die Behörden raten, unnötige Fahrten zu vermeiden..."

Bentley schaltete das Radio aus und konzentrierte sich auf die Straße. Seine Hände klammerten sich am Lenkrad fest, während der Wagen auf dem vereisten Asphalt ins Rutschen geriet. In Kalifornien aufgewachsen, hatte er wenig Erfahrung mit Schnee und Eis.

„Verdammtes Wetter", murmelte er und blinzelte müde. Die Fahrt von Berkeley hatte über 15 Stunden gedauert, mit nur wenigen kurzen Pausen.

Als er in die Hauptstraße von Virginia City einbog, fiel sein Blick auf mehrere Schilder, die an Laternenmasten befestigt waren: „NEIN zu radikalen Tierschützern!" und „Jagt Elche, nicht Jobs!" stand auf ihnen.

„Großartig", seufzte er. Die Stimmung war also bereits aufgeheizt. Er hoffte, dass seine Anwesenheit die Situation nicht noch verschlimmern würde, obwohl es genau das war, was National Geographic wollte – emotionale, konfliktreiche Bilder.

Die Stadt schien wie ausgestorben. Kein Wunder, es war weit nach Mitternacht. Bentleys Augen fielen fast zu vor Müdigkeit, als er vor dem einzigen Hotel der Stadt hielt – einem viktorianischen Gebäude, das aussah, als wäre es direkt aus einem Western-Film entsprungen.

Ein Schild an der Eingangstür informierte späte Gäste, dass sie sich in der „Eagle Tavern" gegenüber anmelden sollten. Bentley seufzte. Er wollte eigentlich nur noch ins Bett fallen, aber anscheinend musste er noch einmal los.

Er fuhr auf den Parkplatz hinter der Taverne und versuchte, einzuparken. Die Reifen seines Toyotas rutschten auf dem Eis, und bevor er reagieren konnte, krachte er mit geringer Geschwindigkeit in einen alten Pick-up, der bereits mit Beulen und Rostflecken übersät war.

Bentley stieg aus und inspizierte den Schaden. Es war nur eine kleine Beule mehr in einer Sammlung von Dellen. Der Pick-up sah aus, als hätte er bereits mehrere Kriege hinter sich.

„Zum Teufel damit", murmelte er. Es war spät, er war erschöpft, und der Besitzer würde die neue Beule zwischen all den alten wahrscheinlich nicht einmal bemerken. Morgen würde er sich darum kümmern.

Die Eagle Tavern war überraschend gut besucht für diese späte Stunde. Der Raum war in warmes Licht getaucht, und der Geruch von Bier, Whiskey und Zigarettenrauch hing in der Luft. An der Holztheke saßen mehrere Männer, die meisten in Flanellhemden und mit Baseballkappen. In einer Ecke spielten zwei ältere Männer Billard, während aus einer Jukebox ein Country-Song dröhnte.

Alle Gespräche verstummten, als Bentley eintrat. Mehrere Augenpaare musterten ihn von Kopf bis Fuß – den Fremden mit dem Kalifornien-Akzent und dem Sweatshirt mit der Aufschrift „Tiere sind auch Menschen".

Bentley ignorierte die Blicke und ging zur Bar. „Guten Abend", sagte er zu dem massigen Mann hinter der Theke, der ihn freundlicher ansah als die anderen Gäste. „Ich suche ein Zimmer im Hotel. Man sagte mir, ich solle mich hier melden."

„Klar, kein Problem", antwortete der bärenhafte Mann mit überraschend sanfter Stimme. „Forest Volner, ich bin der Besitzer. Ein Zimmer für eine Nacht?"

„Vielleicht mehr, ich bin wegen der Demonstration hier", antwortete Bentley und bereute seine Worte sofort, als er spürte, wie sich die Atmosphäre im Raum weiter verdichtete.

„Ah, einer von den Tierschützern", sagte ein rothaariger Mann am Ende der Theke laut genug, dass jeder es hören konnte. „Kommt her, um uns zu sagen, wie wir leben sollen."

Bentley atmete tief ein. Er würde sich nicht provozieren lassen. „Ich bin Fotograf für National Geographic", sagte er ruhig. „Ich bin hier, um zu dokumentieren, nicht zu demonstrieren."

„Oh, und was steht auf deinem Shirt, Fotograf?" Der Rothaarige – auf seinem verwaschenen Baseballcap stand „Red" – deutete auf Bentleys Sweatshirt. „'Tiere sind auch Menschen'? Klingt für mich ziemlich nach einer Meinung."

Bentley biss sich auf die Zunge. *Ruhig bleiben*, ermahnte er sich. *Du bist müde und nicht in Form für eine Auseinandersetzung.*

„Red, lass den Jungen in Ruhe", mischte sich Forest ein. „Er ist müde von der langen Fahrt."

„Scheiß auf ihn und seine Hippie-Freunde", knurrte Red. „Sie kommen hierher und wollen uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Diese Elche sind unser Lebensunterhalt, verstehst du das, Kalifornien-Boy?"

Bentley wollte gerade antworten, als ein verwahrloser Mann von einem Tisch in der Ecke aufstand und auf ihn zukam. Er war etwa 45, mit einem ungepflegten Bart und Augen, die von jahrelangem Alkoholkonsum getrübt waren.

„Hey, bist du der Typ, der gerade meinen Truck angefahren hat?", fragte er mit rauer Stimme.

Bentley erstarrte. Wie hatte er das so schnell herausgefunden?

„Ich... es tut mir leid", stammelte er. „Es war ein kleiner Zusammenstoß. Ich wollte mich morgen darum kümmern."

„Billy hier hat's gesehen", sagte der Mann und deutete auf einen jungen Kerl, der am Fenster saß. „Sagte, du hättest meinen Camper beschädigt und wolltest dich einfach verdrücken."

„Es war nur eine kleine Beule", verteidigte sich Bentley. „Dein Truck hat schon überall Dellen."

„Eine kleine Beule?", wiederholte der Mann, und sein Gesicht verzerrte sich vor Wut. „Weißt du was, Mr. Kalifornien? Das wird dich fünfhundert Dollar kosten."

„Fünfhundert Dollar? Das ist lächerlich!"

„Caleb, komm schon", sagte Forest beschwichtigend. „Dein Truck ist ein Wrack, und du weißt es."

„Halt dich da raus, Volner", knurrte Caleb Hegg – denn das musste er sein, der Name war auf seine schmutzige Jacke gestickt. „Das ist zwischen mir und dem Tierschützer hier."

Er machte einen Schritt auf Bentley zu und packte ihn am Kragen. „Zahlst du, oder muss ich dir Manieren beibringen?"

Ein kollektives „Ooooh" ging durch den Raum, und Bentley spürte, wie sein eigenes Temperament zu kochen begann. Er war müde, er war genervt, und er war es leid, sich herumschubsen zu lassen.

„Nimm deine Hände von mir", sagte er leise, aber mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.

Hegg lachte nur und schubste ihn grob. „Was willst du tun, kleiner Hippie? Mir einen Vortrag über Gewaltlosigkeit halten?"

Was Caleb Hegg nicht wusste: Bentley Boxleitner mochte ein Tierschützer und Fotograf sein, aber er war auch Träger des schwarzen Gürtels vierten Grades in Judo. Seine Schwester Shakti hatte einmal gesagt, dass er seine spirituelle Mitte auf der Judomatte fände, nicht in der Meditation.

Als Hegg erneut nach ihm griff, bewegte sich Bentley blitzschnell. Er packte Heggs Arm, drehte sich und nutzte den Schwung des größeren Mannes gegen ihn. Mit einer eleganten Bewegung hob er ihn aus dem Gleichgewicht und beförderte ihn mit einem klassischen Hüftwurf auf den Boden.

Die Taverne wurde totenstill.

Hegg stöhnte und versuchte, sich aufzurappeln, das Gesicht rot vor Wut und Verlegenheit. „Du verdammter..."

Er stürzte sich auf Bentley, aber der war vorbereitet. Mit einer fließenden Bewegung fing er Heggs Angriff ab, drehte sich und brachte ihn in einen präzisen Würgegriff. Er drückte gerade fest genug, um Hegg zu signalisieren, dass er jederzeit das Bewusstsein verlieren könnte, wenn Bentley den Druck erhöhen würde.

„Es reicht", sagte Bentley ruhig. „Ich zahle für den Schaden an deinem Truck – einen angemessenen Betrag, nicht deine übertriebene Forderung. Und dann lässt du mich in Ruhe. Verstanden?"

Hegg gurgelte etwas Unverständliches, und Bentley lockerte den Griff leicht.

„Ich sagte: Verstanden?"

„Ja, verdammt!", keuchte Hegg.

Bentley ließ ihn los und trat zurück, die Hände immer noch in Verteidigungsposition. Hegg rappelte sich auf, rieb sich den Hals und starrte Bentley hasserfüllt an.

„Das wirst du bereuen, Kalifornien-Boy", zischte er.

„Genug!" Forest Volner trat zwischen die beiden Männer. Mit seiner Größe von fast zwei Metern und seinem Gewicht von fast 140 Kilo war er eine imposante Erscheinung. „Caleb, du gehst jetzt nach Hause und kühlst deinen Kopf ab. Und Sie, Mr...?"

„Boxleitner. Bentley Boxleitner", sagte er und versuchte, seinen rasenden Puls zu beruhigen. Er hatte nicht vorgehabt, gleich in der ersten Nacht eine Szene zu verursachen.

Forest nickte. „Mr. Boxleitner, ich gebe Ihnen ein Zimmer im Hotel, und morgen klären wir die Sache mit Calebs Truck in Ruhe. Einverstanden?"

Caleb Hegg spuckte auf den Boden. „Forest, du stellst dich auf die Seite dieser Stadtmenschen? Diese verfluchten Tierschützer werden unser ganzes Tal ruinieren!"

„Ich stelle mich auf niemandes Seite", antwortete Forest ruhig. „Ich will nur keinen Ärger in meinem Lokal."

Ein schlanker Mann mittleren Alters mit einer Arzttasche unter dem Arm bahnte sich einen Weg durch die Menge. „Lassen Sie mich mal durchschauen", sagte er mit ruhiger Autorität in der Stimme. Er beugte sich zu Hegg hinunter. „Caleb, lassen Sie mich Ihren Hals untersuchen."

„Ich brauche keinen verdammten Arzt, Manoli", knurrte Hegg, ließ die Untersuchung aber widerwillig zu.

Dr. Eric Manoli tastete vorsichtig Heggs Hals ab. „Keine ernsten Verletzungen", verkündete er. „Nur ein paar blaue Flecken."

Er wandte sich an Bentley. „Und Sie? Irgendwelche Verletzungen?"

„Mir geht's gut", antwortete Bentley steif.

„Sind Sie sicher? Sie wirken ein wenig blass." Der Arzt musterte ihn prüfend. „Kommen Sie morgen in meine Praxis, wenn Sie Schmerzen haben."

Forest griff unter die Theke und holte einen altmodischen Schlüssel hervor. „Zimmer 12, zweiter Stock. Das Frühstück gibt's von sieben bis neun." Er senkte die Stimme. „Und ein Rat von mir: Tragen Sie morgen ein anderes Shirt."

Bentley nahm den Schlüssel. „Danke." Er drehte sich zu Hegg um. „Was den Truck betrifft – hundert Dollar für die Beule. Das ist mehr als fair."

Heggs Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wir sind noch nicht fertig miteinander, Judokämpfer."

„Für heute schon", mischte sich Forest ein und deutete zur Tür. „Raus mit dir, Caleb."

Mit einem letzten giftigen Blick auf Bentley schlurfte Hegg zur Tür hinaus, gefolgt von Red, der Bentley im Vorbeigehen rempelte.

„Tut mir leid wegen des Empfangs", sagte Forest, als sich die Tür hinter ihnen schloss. „Virginia City ist eigentlich ein freundlicher Ort. Aber die Sache mit der Demonstration hat die Gemüter erhitzt."

„Scheint so", murmelte Bentley.

Dr. Manoli trat näher. „Sind Sie wirklich von National Geographic? Ich bin ein großer Fan."

„Ja, ich mache eine Fotoreportage über den Konflikt zwischen Tierschützern und Jägern."

„Interessantes Thema", nickte der Arzt. „Beide Seiten haben ihre Argumente. Die Jagd ist seit Generationen Teil unserer Kultur hier, aber die Tierschützer haben auch Recht, wenn sie sagen, dass wir nachhaltiger jagen müssen."

„Eine vernünftige Einstellung", sagte Bentley überrascht.

„Eric ist einer der wenigen Gemäßigten hier", lachte Forest. „Aber seien Sie vorsichtig, wenn die Protestierenden morgen eintreffen. Manche Leute hier haben ein heißes Temperament."

Bentley nickte müde. „Danke für den Rat." Er nahm seine Kameratasche und seinen Rucksack. „Wie komme ich zum Hotel?"

„Direkt gegenüber, der viktorianische Bau. Gehen Sie durch den Haupteingang und die Treppe hoch. Zimmer 12 ist am Ende des Flurs." Forest lächelte freundlich. „Schlafen Sie gut, Mr. Boxleitner."

Als Bentley die Taverne verließ, fiel ihm nicht auf, dass Forest Volner und Dr. Manoli einen bedeutungsvollen Blick austauschten, oder dass der Barkeeper zu seinem Telefon griff, sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.

---

Die Morgendämmerung kroch langsam über die verschneiten Berge, als Shakti ihren gepackten Rucksack in den Van des Meditationszentrums warf. Das Fahrzeug – ein alter VW-Bus mit einem verblassten Mandala auf der Seite – war nicht gerade ein Rennwagen, aber er würde sie nach Montana bringen.

Sie hatte die ganze Nacht damit verbracht, ihre Route zu planen und Informationen über Virginia City zu sammeln. Die kleine Stadt war einst ein blühender Goldgräberort gewesen und hatte in den letzten Jahren versucht, durch Jagdtourismus wieder auf die Beine zu kommen – sehr zum Leidwesen von Tierschützern wie ihrem Bruder.

Punjan Singh erschien in der Tür des Zentrums, in einen dicken Mantel gehüllt. „Du bist früh dran."

„Ich will keine Zeit verlieren", antwortete Shakti und umarmte ihren Lehrer. „Danke für alles, Punjan-ji."

„Denk daran, was ich dir gesagt habe – sei vorsichtig." Er legte seine Hände auf ihre Schultern. „Und vergiss nicht zu meditieren, auch wenn du unterwegs bist. Die Antworten, die du suchst, könnten in der Stille zu finden sein."

Sie nickte und berührte das goldene Medaillon, das um ihren Hals hing. „Ich werde auf mich aufpassen."

Als sie in den Van stieg und den Motor startete, bemerkte sie einen großen schwarzen Raben, der auf dem Dach des Zentrums saß und sie mit glänzenden Augen beobachtete. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. In vielen Kulturen waren Raben Omen – manchmal Boten des Todes, manchmal Führer auf einer spirituellen Reise.

Der Vogel krächzte laut, breitete seine glänzenden Flügel aus und flog davon.

„Ein Zeichen?", murmelte Shakti zu sich selbst und lenkte den Van auf die Straße. Sie wusste nicht, was sie in Montana erwarten würde, aber sie war entschlossen, ihren Bruder zu finden – bevor ihre Vision Wirklichkeit werden konnte.

---

Bentley wachte mit pochendem Kopf auf. Die Morgensonne strömte durch die dünnen Vorhänge des Hotelzimmers und malte helle Streifen auf den abgenutzten Teppich. Für einen Moment war er desorientiert, bis die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurückkehrten – die lange Fahrt, der Zusammenstoß mit Heggs Truck, die Konfrontation in der Bar.

„Großartiger Start", murmelte er und schwang die Beine aus dem Bett.

Das Zimmer war klein, aber sauber, mit einer altmodischen Einrichtung, die zum historischen Charakter des Hotels passte. An der Wand hing ein vergilbtes Foto von Virginia City aus der Goldgräberzeit – Männer mit Schaufeln und Pickeln, die vor Holzhütten posierten.

Bentley griff nach seinem Handy. Kein Empfang. Er seufzte und beschloss, nach dem Frühstück in die Stadt zu fahren, um einen Ort mit besserer Verbindung zu finden. Er musste die Redaktion informieren, dass er angekommen war, und wollte seiner Schwester eine Nachricht schicken.

Shakti würde ihn umbringen, wenn sie wüsste, dass er bei einer Anti-Jagd-Demonstration fotografierte, nachdem er ihr versprochen hatte, solche Veranstaltungen zu meiden. Aber dieser Auftrag war wichtig für seine Karriere – eine Titelgeschichte beim National Geographic könnte ihn endlich als seriösen Fotografen etablieren, nicht nur als talentierten Amateur.

Nach einer schnellen Dusche zog er sich an – diesmal mit einem neutralen grauen T-Shirt unter seiner Jeansjacke, Forest Volners Rat befolgend. Er packte seine Kameras und ging hinunter zum Frühstücksraum.

Das Restaurant des Hotels war überraschend voll. Mehrere Tische waren besetzt mit einer Mischung aus Einheimischen und offensichtlichen Besuchern – vermutlich früh eingetroffene Demonstranten oder Journalisten.

Forest Volner stand hinter einem kleinen Buffet und servierte Kaffee. Er winkte Bentley zu. „Guten Morgen, Mr. Boxleitner! Gut geschlafen?"

„So gut wie möglich nach der Nacht", antwortete Bentley und nahm sich eine Tasse Kaffee.

„Nehmen Sie sich, was Sie möchten. Das Frühstück ist im Zimmerpreis inbegriffen." Forest deutete auf das Buffet mit Eiern, Speck, Pfannkuchen und Obst.

Während Bentley seinen Teller füllte, bemerkte er ein älteres Ehepaar am Nachbartisch, das sich leise auf Deutsch unterhielt. Die Frau trug eine bunte Strickmütze, und der Mann studierte eine Karte mit gerunzelter Stirn.

„Ich bin mir sicher, dass wir falsch abgebogen sind, Helga", sagte er. „Dies ist nicht Nevada."

„Aber das Schild sagte 'Virginia City'", antwortete die Frau verwirrt.

Bentley, der in der Highschool ein wenig Deutsch gelernt hatte, lächelte. „Entschuldigung", sagte er in gebrochenem Deutsch. „Dies ist Virginia City, aber in Montana, nicht Nevada."

Die beiden starrten ihn an. „Montana?", wiederholte der Mann ungläubig. „Aber wir wollten nach Nevada!"

„Sie sind etwa 600 Meilen vom Ziel entfernt", erklärte Bentley und wechselte ins Englische. „Es gibt zwei Städte namens Virginia City."

„Oh mein Gott, Hans!" Die Frau schlug die Hände vors Gesicht. „Ich habe dir gesagt, wir sollten GPS benutzen!"

Bentley unterdrückte ein Lachen und setzte sich mit seinem Frühstück an einen freien Tisch. Während er aß, beobachtete er die anderen Gäste. An einem Tisch saßen drei Männer, die sich mit irischem Akzent unterhielten – wahrscheinlich Touristen. An einem anderen bemerkte er einen Mann, der in eine Zeitung vertieft war, aber immer wieder über den Rand zu ihm herüberschielte.

Die Tür zum Restaurant öffnete sich, und zwei Männer in Anzügen traten ein. Sie wirkten fehl am Platz in der rustikalen Umgebung. Der eine war groß und schlank mit einem scharf geschnittenen Gesicht, der andere kleiner mit einem nervösen Blick. Beide ließen ihre Augen durch den Raum schweifen, als würden sie jemanden suchen.

„Interpol", flüsterte eine Stimme neben Bentley, und er zuckte zusammen. Forest Volner war an seinen Tisch getreten. „Zumindest behaupten sie das. Sind gestern Abend angekommen, kurz nach Ihnen."

„Interpol? Hier in Virginia City?"

Forest zuckte mit den Schultern. „Seltsame Dinge passieren in letzter Zeit. Die Stadt wird immer voller – die Demonstration, Journalisten, Touristen, und jetzt anscheinend auch internationale Ermittler." Er senkte die Stimme. „Und wegen gestern Abend – machen Sie sich keine Sorgen wegen Caleb Hegg. Er ist ein Schwätzer, wenn er getrunken hat."

„Ich hoffe, Sie haben Recht." Bentley nahm einen Schluck Kaffee. „Wissen Sie, wo ich einen guten Handyempfang finden kann? Ich muss ein paar Anrufe tätigen."

„Auf dem Hügel hinter dem Friedhof ist der beste Ort", antwortete Forest. „Oder Sie können unser Festnetztelefon in der Lobby benutzen."

„Danke, ich nehme das Angebot an." Bentley stand auf. „Und noch einmal Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten gestern Abend."

Forest winkte ab. „In einer kleinen Stadt wie unserer sorgt jede Aufregung für Gesprächsstoff. In einer Woche wird niemand mehr davon reden."

Als Bentley den Frühstücksraum verließ, bemerkte er nicht, wie der Mann mit der Zeitung aufstand und ihm in einigem Abstand folgte.

In der Lobby wählte Bentley die Nummer des National Geographic und hinterließ eine Nachricht, dass er angekommen sei und heute mit den ersten Aufnahmen beginnen würde. Dann wählte er Shaktis Nummer, aber es sprang nur die Mailbox an.

„Hey Shakti, ich bin's", sagte er. „Ich bin gut in Montana angekommen. Mach dir keine Sorgen um mich, alles läuft nach Plan. Ich rufe dich in ein paar Tagen wieder an, wenn ich einen besseren Empfang habe. Namaste, Schwesterherz."

Er legte auf und drehte sich um – und stand plötzlich Caleb Hegg gegenüber.

Der verwahrloste Mann trug dieselben schmutzigen Kleider wie am Vorabend, aber sein Gesicht wirkte nüchterner, seine Augen klarer. Um seinen Hals war ein dünner Verband gewickelt.

„Du schuldest mir noch Geld für meinen Truck", sagte er ohne Vorrede.

Bentley seufzte. „Wie ich gestern sagte, hundert Dollar sind mehr als fair für den Schaden."

Zu seiner Überraschung nickte Hegg. „In Ordnung. Hundert Dollar."

Bentley blinzelte verwirrt. Nach dem Zusammenstoß am Vorabend hatte er mit mehr Widerstand gerechnet. Er zog seine Brieftasche heraus und reichte Hegg fünf Zwanziger.

Hegg nahm das Geld und steckte es ein. Dann trat er näher und senkte die Stimme. „Hör zu, Kalifornien-Boy. Du solltest verschwinden, solange du noch kannst."

„Was meinst du damit?"

Hegg blickte sich nervös um. „Diese Stadt ist nicht gut für Leute wie dich. Besonders nicht jetzt, mit all den Verrückten, die hier eintreffen."

„Ich bin hier, um meinen Job zu machen", erwiderte Bentley. „Ich habe nicht vor, Probleme zu verursachen."

„Das spielt keine Rolle." Heggs Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Es gibt Dinge, die du nicht verstehst. Gefährliche Dinge."

Bevor Bentley nachfragen konnte, trat ein großer Mann in Sheriffuniform durch die Tür. Er hatte einen buschigen Schnurrbart und einen beachtlichen Bauch, der seine Uniform spannte.

„Caleb Hegg", bellte der Sheriff. „Belästigst du unsere Gäste?"

Hegg wich zurück. „Nein, Sheriff Blogett. Ich habe nur mein Geld für den Truck abgeholt."

Sheriff Lyle Blogett musterte Bentley mit einem abschätzenden Blick. „Sie müssen der Fotograf sein. Ich habe von Ihrem kleinen Auftritt gestern Abend gehört."

„Es war ein Missverständnis", antwortete Bentley vorsichtig.

„Hmm." Der Sheriff trat näher. „Hören Sie, Mr. ..."

„Boxleitner."

„Mr. Boxleitner. Wir heißen Besucher in Virginia City willkommen, aber wir mögen keine Unruhestifter. Verstehen Sie mich?"

„Vollkommen", sagte Bentley. „Ich bin nur hier, um zu fotografieren, nicht um Ärger zu machen."

„Das freut mich zu hören." Blogett lächelte, aber es erreichte seine Augen nicht. „Übrigens, haben Sie eine Genehmigung für professionelle Fotografie in unserer Stadt?"

„Eine was?"

„Eine Genehmigung. Wir haben eine lokale Verordnung, die professionelle Fotografen verpflichtet, eine Genehmigung zu beantragen."

Bentley runzelte die Stirn. „Davon hat mir niemand etwas gesagt."

„Nun, jetzt wissen Sie es." Der Sheriff zog ein Formular aus seiner Tasche. „Fünfzig Dollar Bearbeitungsgebühr. Bar."

Bentley war sich ziemlich sicher, dass diese „Verordnung" eine Erfindung war, aber er wollte keinen Streit mit dem örtlichen Sheriff anfangen. Widerwillig zahlte er die Gebühr.

„Schön." Blogett steckte das Geld ein, ohne eine Quittung auszustellen. „Willkommen in Virginia City, Mr. Boxleitner. Genießen Sie Ihren Aufenthalt." Er tippte an seinen Hut und verließ das Hotel.

Hegg, der während des ganzen Austauschs wie versteinert dagestanden hatte, schüttelte den Kopf. „Siehst du, was ich meine? Verschwinde, solange du noch kannst."

Er eilte zur Tür hinaus und ließ einen verwirrten Bentley zurück.

---

Zum Mittag hatte sich der Himmel verdunkelt, und neuer Schnee begann zu fallen. Bentley stand auf dem Hauptplatz von Virginia City und fotografierte die historischen Gebäude unter dem grauen Himmel. Die Kombination aus viktorianischer Architektur und winterlicher Stimmung ergab dramatische Bilder.

Die Stadt füllte sich langsam mit Menschen. Mehrere Busse waren eingetroffen, und Gruppen von Demonstranten mit selbstgemalten Schildern sammelten sich vor dem Rathaus. „Stoppt die Elchjagd!", „Respektiert alle Lebewesen!" und „Elche sind keine Trophäen!" stand auf ihren Plakaten.

Auf der anderen Seite des Platzes hatten sich Gegendemonstranten versammelt – Einheimische mit eigenen Schildern: „Jagd ist Tradition", „Schützt unsere Lebensgrundlage" und „Hippies raus!".

Bentley dokumentierte beide Seiten, bemüht, neutral zu bleiben, obwohl sein Herz eindeutig bei den Tierschützern war. Er hatte schon zu viele Grausamkeiten gegen Tiere fotografiert, um nicht emotional involviert zu sein.

Als er gerade ein Bild von einem älteren Mann mit einem „Jagd ist Mord"-Schild machte, tippte ihm jemand auf die Schulter.

„Excuse me, are you with the press?"

Bentley drehte sich um und fand sich einer Frau mittleren Alters gegenüber, die einen schrillen Glitzeranzug und eine auffällige Sonnenbrille trug. An ihrer Seite saß ein kleiner Dackel mit einem karierten Mäntelchen.

„Ja, National Geographic", antwortete er.

„Oh, wie wunderbar!" Die Frau klatschte in die Hände. „Sharon Sundance, spirituelle Beraterin und Tierschützerin. Und das ist Mr. Wiggles." Sie deutete auf den Hund. „Wir sind hier, um gegen diese schreckliche Elchjagd zu protestieren. Möchten Sie ein Interview mit mir führen?"

Bentley unterdrückte ein Seufzen. Er hatte schon viele selbsternannte „spirituelle Berater" getroffen, die hauptsächlich nach Aufmerksamkeit suchten.

„Im Moment sammle ich nur visuelle Eindrücke", sagte er höflich. „Aber vielleicht später."

„Natürlich, natürlich." Sharon beugte sich näher. „Aber Sie sollten wissen, dass ich über Insiderinformationen verfüge. Die Jagdlobby hat dunkle Geheimnisse in dieser Stadt. Sehr dunkle Geheimnisse."

Bevor Bentley antworten konnte, wurde er erneut unterbrochen – diesmal von einem Mann in einem schwarzen Anzug und einer roten Krawatte, der aussah, als hätte er sich aus einer Immobilienmesse verirrt.

„Mike Martin", stellte sich der Mann vor und reichte Bentley eine Visitenkarte. „Lokaler Geschäftsmann. Darf ich fragen, für welche Publikation Sie arbeiten?"

„National Geographic", antwortete Bentley erneut.

Martins Augen leuchteten auf. „Ausgezeichnet! Virginia City wird bald im Rampenlicht stehen. Wussten Sie, dass Donald Trump Junior sich für unsere lokalen Goldminen interessiert? Eine enorme Chance für unsere kleine Stadt!"

Sharon Sundance schnaubte. „Natürlich interessiert er sich dafür. Um goldene Toiletten für seine Hotels zu bauen!"

„Mrs. Sundance", sagte Martin kühl. „Ich sehe, Sie verbreiten wieder Ihre... alternativen Fakten."

Die beiden begannen zu streiten, und Bentley nutzte die Gelegenheit, sich diskret zurückzuziehen. Er hatte genug Bilder vom Hauptplatz und wollte zum Alder Gulch fahren, wo die Hauptdemonstration am nächsten Tag stattfinden sollte.

Als er zu seinem Auto ging, bemerkte er eine Gruppe von Männern, die auf der anderen Straßenseite standen und ihn beobachteten. Einer von ihnen war Red, der Rothaarige aus der Bar. Sie machten keine Anstalten, ihre Feindseligkeit zu verbergen.

Bentley beschleunigte seine Schritte. Die Warnung von Caleb Hegg hallte in seinen Ohren wider: *„Diese Stadt ist nicht gut für Leute wie dich."*

Was hatte er damit gemeint? Und was waren die „dunklen Geheimnisse", von denen Sharon Sundance gesprochen hatte?

Als er in seinen Toyota stieg, bemerkte er nicht den schwarzen Raben, der auf einem Laternenpfahl saß und ihm mit glänzenden Augen zusah – derselbe Rabe, der Tausende von Meilen entfernt seine Schwester beobachtet hatte, als sie ihre Reise begann.

Eine schwarze Feder löste sich von seinem Gefieder und segelte langsam zu Boden – genau vor Bentleys Autoreifen.

Ein Omen.

---

Shakti lenkte den Van über den verschneiten Highway Richtung Montana. Sie hatte Berkeley vor fast zwölf Stunden verlassen und hatte noch eine lange Strecke vor sich. Ihr Rücken schmerzte vom langen Sitzen, und ihre Augen brannten von der Anstrengung, durch den immer dichter werdenden Schneefall zu sehen.

„Was mache ich hier eigentlich?", murmelte sie zu sich selbst. Die Vernunft sagte ihr, dass sie überreagierte – dass ihre „Visionen" nichts weiter waren als die Produkte eines überaktiven Geistes, wie Punjan gesagt hatte.

Und doch konnte sie das Gefühl der Dringlichkeit nicht abschütteln. Etwas stimmte nicht, und ihr Bruder war in Gefahr. Sie fühlte es mit jeder Faser ihres Körpers.

Sie schaltete das Radio ein, auf der Suche nach Ablenkung, und fand einen lokalen Sender mit Nachrichten.

„...und der ungewöhnliche Frühlingssturm setzt sich fort, mit Rekordschneefällen in Teilen von Montana und Wyoming. Reisende werden gewarnt, dass mehrere Straßen gesperrt sind. In anderen Neuigkeiten: Die Kontroverse um die geplante Demonstration gegen die Elchjagd in Virginia City spitzt sich zu, während Demonstranten aus dem ganzen Land eintreffen..."

Shakti drehte die Lautstärke höher. Der Reporter sprach über wachsende Spannungen zwischen Tierschützern und Einheimischen, über die wirtschaftliche Bedeutung der Jagd für die Region und über Befürchtungen, dass es zu Gewalt kommen könnte.

„Oh Bentley", seufzte sie. „In was für einen Hornissenschwarm hast du dich diesmal gestürzt?"

Ihr Bruder hatte schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gehabt, aber manchmal fehlte es ihm an Vorsicht. Sein Temperament hatte ihn schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht.

Sie fuhr weiter durch die zunehmende Dunkelheit, entschlossen, ihn zu finden, bevor es zu spät war – obwohl sie selbst nicht genau wusste, was „zu spät" bedeuten könnte.

Sie berührte das goldene Medaillon an ihrem Hals und begann leise zu beten.

---

Die Dämmerung senkte sich über Virginia City, als Bentley vom Alder Gulch zurückkehrte. Er hatte den Nachmittag damit verbracht, die Umgebung zu erkunden und mögliche Standorte für die Aufnahmen am nächsten Tag zu identifizieren. Der Schneefall hatte nachgelassen, aber der Himmel war noch immer bleigrau.

Als er die Hauptstraße entlangfuhr, bemerkte er eine ungewöhnliche Versammlung vor einer kleinen Holzkirche. Ein Mann in einem Predigerkragen stand auf den Stufen und sprach zu einer Gruppe von etwa zwanzig Personen.

Neugierig parkte Bentley sein Auto und näherte sich, die Kamera bereit.

„...und diese Heiden kommen in unsere Stadt, um unsere Lebensweise zu bedrohen!", donnerte der Prediger. „Sie verhöhnen unsere Traditionen und unsere Werte mit ihrem gottlosen Umweltfanatismus!"

Reverend Diggs, wie Bentley später erfahren sollte, hielt eine Brandrede gegen die Demonstranten, die er als „Werkzeuge des Teufels" bezeichnete. Seine Gemeinde – hauptsächlich ältere Einwohner der Stadt – nickte zustimmend.

Bentley hob seine Kamera und machte ein paar Aufnahmen. Das grelle Licht des Blitzes zog die Aufmerksamkeit des Predigers auf ihn.

„Da! Einer von ihnen!", rief Diggs und zeigte auf Bentley. „Gekommen, um uns zu verspotten und zu verleumden!"

Die Gemeinde drehte sich zu ihm um, und Bentley spürte die Feindseligkeit wie eine physische Welle.

„Ich bin Journalist", sagte er und hielt seine Kamera hoch. „Ich dokumentiere nur."

„Lügenpresse!", rief jemand aus der Menge. „Ihr verdreht immer alles!"

Die Situation drohte zu eskalieren, als eine tiefe Stimme hinter Bentley erklang.

„Reverend Diggs, ist das die christliche Nächstenliebe, die Sie predigen?"

Bentley drehte sich um und sah einen großen, schlanken Mann in Jeans und Jeanshemd, der sich lässig gegen einen Pickup lehnte. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht und ein entspanntes Lächeln, das nicht zu der angespannten Situation passte.

„Matt Dillon", stellte er sich vor und reichte Bentley die Hand. „Anwalt hier in der Stadt."

„Bentley Boxleitner."

„Mr. Dillon", knurrte Reverend Diggs. „Sie sollten nicht mit diesem... diesem Agitator fraternisieren!"

„Ich fraternisiere mit wem ich will, Reverend", antwortete Matt gelassen. „Und ich glaube, in der Bibel steht etwas über Gastfreundschaft gegenüber Fremden, oder irre ich mich da?"

Einige der Gemeindemitglieder wirkten beschämt, und die Spannung ließ etwas nach.

„Kommen Sie", sagte Matt zu Bentley. „Ich lade Sie auf einen Drink ein."

Dankbar folgte Bentley dem Anwalt zu einem kleinen Café auf der anderen Straßenseite, während Reverend Diggs seine Predigt fortsetzte.

„Danke", sagte Bentley, als sie sich an einen Tisch setzten. „Das wurde ungemütlich."

„Virginia City kann ungemütlich sein für Außenseiter", antwortete Matt. „Besonders in Zeiten wie diesen." Er bestellte zwei Kaffee. „Sie fotografieren die Demonstration für National Geographic, habe ich gehört."

Bentley nickte. „Neuigkeiten verbreiten sich schnell hier."

„Es ist eine kleine Stadt." Matt lehnte sich zurück und betrachtete Bentley mit einem nachdenklichen Blick. „Hier bleibt nichts lange geheim. Spätestens beim Frühstück im Diner weiß jeder, wer Sie sind und warum Sie hier sind."

Bentley nippte an seinem Kaffee. „Und was halten Sie von den Protesten?"

Matt lächelte dünn. „Komplizierte Frage. Die Kupfermine ist seit Generationen das wirtschaftliche Rückgrat dieser Stadt. Die Leute hier fürchten um ihre Existenz." Er machte eine Pause. „Andererseits haben die Umweltschützer nicht ganz unrecht mit ihren Bedenken."

„Sie scheinen zwischen den Fronten zu stehen."

„Das ist mein Job." Matt zuckte mit den Schultern. „Als Anwalt vertrete ich manchmal die Mine, manchmal Einwohner mit Umweltschäden auf ihrem Land. Macht mich nicht unbedingt beliebt."

Durch das Fenster konnten sie sehen, wie sich die Gemeinde von Reverend Diggs auflöste. Der Prediger warf einen letzten missbilligenden Blick in Richtung des Cafés, bevor er zu seinem alten Cadillac ging.

„Diggs ist nicht so schlimm, wie er scheint", sagte Matt überraschend. „Er hat Angst. Alle hier haben Angst."

„Vor Veränderung?"

„Vor dem Unbekannten. Virginia City war schon immer eine Bergbaustadt. Ohne die Mine..." Er ließ den Satz unvollendet.

Die Bedienung brachte zwei Stücke Apfelkuchen, die Bentley nicht bestellt hatte.

„Von Marge", erklärte sie mit einem Nicken zur Theke, wo eine ältere Frau mit einem freundlichen Lächeln winkte. „Sie sagt, Sie sehen aus, als könnten Sie etwas Zucker vertragen nach Ihrer Begegnung mit dem Reverend."

Bentley winkte dankbar zurück.

„Sehen Sie", sagte Matt leise, „nicht alle hier sind wie Diggs. Die meisten sind gute Menschen, gefangen in einem Konflikt, den sie nicht geschaffen haben."

„Das würde ich gerne dokumentieren", erwiderte Bentley. „Die menschliche Seite des Konflikts. Nicht nur Demonstranten gegen Minenarbeiter."

Matt betrachtete ihn einen Moment lang, dann nickte er langsam. „Ich könnte Ihnen helfen, mit einigen Leuten zu sprechen. Menschen, die normalerweise nicht mit Journalisten reden würden."

Bentley spürte den ersten Funken echter Hoffnung seit seiner Ankunft. „Das wäre großartig."

„Unter einer Bedingung", fügte Matt hinzu, und sein Blick wurde ernst. „Sie zeigen die ganze Geschichte. Nicht nur die spektakulären Momente, die Schlagzeilen machen."

„Das ist genau, was ich will."

Ein plötzlicher Tumult auf der Straße unterbrach ihr Gespräch. Sie drehten sich zum Fenster und sahen eine Gruppe von Minenarbeitern in Arbeitskleidung, die auf die Umweltaktivisten zusteuerten. Die Spannung war selbst aus der Entfernung spürbar.

„Das sieht nicht gut aus", murmelte Matt und stand auf.

Bentley griff nach seiner Kamera, zögerte dann aber. „Sollte ich...?"

Matt warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Das ist Ihre Entscheidung. Aber denken Sie daran – in Virginia City macht es einen Unterschied, auf welcher Seite der Kamera man steht."

Kapitel 2:

 

# Mord in Montana

## Kapitel 2: Elchköpfe, Ermittlungen und Erpresserbriefe

### Virginia City (Montana) - Parkplatz des Eagle:

Francis Drake fluchte leise vor sich hin. Der Schneesturm der vergangenen Nacht hatte ihm einen Haufen Extraarbeit beschert. Sein Schneepflug kämpfte sich durch die weiße Pracht auf dem Parkplatz des Eagle, als plötzlich etwas die Schaufel blockierte.

"Verdammter Mist! Nicht schon wieder ein besoffener Tourist, der sein Auto vergessen hat."

Drake stieg aus, stapfte durch den kniehohen Schnee und blickte unter die Schaufel. Was er sah, ließ ihn erstarren – genau wie die Leiche, die dort lag. Ein Mann, steif gefroren, mit einem grotesken Elchkopf anstelle seines eigenen. Drake taumelte rückwärts, rutschte aus und landete mit dem Hintern im Schnee.

"Heilige Scheiße!"

Er rappelte sich auf und starrte auf den Toten. Der Elchkopf thronte wie ein makabrer Witz auf dem Körper. Drake kniete sich hin und berührte vorsichtig die eisige Hand des Opfers.

"Steif wie meine Schwiegermutter beim Kirchgang," murmelte er.

Dann rannte er los, so schnell seine alten Knie es zuließen, in Richtung des Sheriff-Büros.

### Virginia City (Montana) - Hotelzimmer:

"WUMM!!"

Die Tür zu Bentley Boxleitners Zimmer flog auf, als hätte ein Tornado sie erfasst. Bentley schoss aus seinem Tiefschlaf hoch, Traumfetzen von Fotografien bedrohter Tierarten noch vor seinem inneren Auge.

"Aufwachen, Mörder!" Sheriff Lyle Blogett, ein bulliger Mann mit einem Schnurrbart, der aussah, als hätte sich ein kleines Nagetier unter seiner Nase eingenistet, packte Bentley am Kragen seines "Rettet die Wölfe"-Schlafshirts und zerrte ihn aus dem Bett.

"Was zum...?!" Bentley stolperte, als die zwei weiteren Hilfssheriffs ihn grob gegen die Wand drückten.

"Du dachtest wohl, du könntest in meiner Stadt einen Mord begehen und damit durchkommen, was? Mit deinem verdammten Elchkopf-Fetisch!" Blogetts Gesicht lief rot an, Speicheltropfen landeten auf Bentleys Gesicht.

Forest Volner, ein bärenhafter Mann mit täuschend freundlichem Gesicht, schob sich zwischen sie. "Sheriff, vielleicht sollten wir ihn erst einmal anhören?"

"Anhören?! Du hast den armen Kerl gesehen, Forest! Mit einem Elchkopf!"

Bentley, dessen Gehirn endlich aufholte, hob abwehrend die Hände. "Moment mal! Ich hab niemanden umgebracht! Und was zum Teufel soll das mit dem Elchkopf?!"

"Oh, spiel nicht den Unschuldigen," fauchte Blogett. "Wir wissen, dass du der Einzige in der Stadt bist, der diese verdammten Elchköpfe mit sich herumschleppt!"

Bentley blickte von einem zum anderen. Jahre des Fernsehkonsums von Krimiserien zahlten sich endlich aus. "Ich sage gar nichts mehr. Ich will einen Anwalt."

Blogett lachte bellend. "Hier in Virginia City? Viel Glück dabei!"

Während die Hilfssheriffs Bentley Handschellen anlegten und aus dem Zimmer führten, rief er laut: "Ich bin unschuldig! Das ist eine Farce! Eine Verschwörung gegen Tierschützer!"

Ein Gast öffnete seine Zimmertür und lugte heraus. "Können Sie bitte leiser sein? Manche versuchen hier, ihren Kater auszuschlafen!"

### Virginia City (Montana) - Sheriff Office:

"Also nochmal von vorn, Boxleitner. Du willst mir erzählen, dass du nichts mit dem toten Caleb Hegg zu tun hast?" Sheriff Blogett knallte seine Faust auf den Tisch. Eine Kaffeetasse hüpfte und verschüttete ihren Inhalt auf Blogetts Uniform. "Verdammt!"

Bentley, der mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt war, verdrehte die Augen. "Wie oft soll ich es noch sagen? Ich kenne keinen Caleb Hegg, und ich habe sicher niemanden umgebracht und ihm einen Elchkopf aufgesetzt. Das ist absurd!"

Die Tür öffnete sich, und ein schlaksiger Mann in einem abgetragenen Anzug trat ein. Sein Lächeln hatte etwas von einem Cowboy, der gerade einen besonders guten Handel abgeschlossen hatte.

"Marshall Dillon," stellte er sich vor und reichte Bentley die Hand. "Aber alle nennen mich Matt. Ich bin der einzige Strafverteidiger im Umkreis von dreihundert Meilen, der nicht gleichzeitig Rinder züchtet oder Moonshine brennt."

"Gott sei Dank!" Bentley schüttelte erleichtert seine Hand. "Diese Leute hier haben komplett den Verstand verloren."

Matt setzte sich neben Bentley und flüsterte: "Regel Nummer eins: Halt die Klappe, wenn der Sheriff im Raum ist."

Hilfssheriff Volner betrat den Raum, ein Beweisstück in der Hand. "Wir haben die Elchköpfe in seinem Wagen gefunden, Sheriff. Genauso einer wie der auf dem Opfer."

Blogett grinste triumphierend. "Da haben wir's! Wer außer dir hatte noch Zugang zu deinem Wagen, Boxleitner?"

"Niemand," antwortete Bentley. "Aber das beweist gar nichts! Ich bin vom Eagle direkt ins Hotel gegangen, habe mich schlafen gelegt und wurde dann von Ihren Gorillas geweckt. Ich bin doch nicht so blöd, jemanden umzubringen und ihm dann einen Elchkopf aufzusetzen, der eindeutig zu mir zurückverfolgt werden kann!"

"Vielleicht hast du es genau deshalb getan," konterte Blogett. "Um es so aussehen zu lassen, als würde dir jemand etwas anhängen. Eine doppelte Täuschung!"

"Sie sind ein ignoranter Idiot!" platzte Bentley heraus.

Matt legte eine Hand auf Bentleys Arm. "Was mein Mandant sagen wollte, ist—"

"Nein, was ich sagen wollte, ist genau das! Er ist ein ignoranter—"

Die Tür flog zum zweiten Mal an diesem Tag auf. Eine zierliche Frau mit langen braunen Haaren und einem leuchtend goldenen Medaillon um den Hals stand im Türrahmen. Ihre batikgefärbte Kleidung bildete einen grellen Kontrast zu den grauen Wänden des Büros.

"Wo ist mein Bruder, und warum zum Teufel ist er verhaftet worden?!" Ihre Stimme war überraschend kraftvoll für ihre zierliche Gestalt.

Matt Dillon erhob sich sofort, wie von einer unsichtbaren Kraft gezogen. "Shakti Boxleitner, nehme ich an?"

Shakti ignorierte ihn und fixierte Sheriff Blogett mit einem Blick, der Stahl schmelzen könnte. "Sie haben zehn Sekunden, um mir zu erklären, warum mein Bruder in Handschellen sitzt, bevor ich jeden einzelnen Tierschutzverein in diesem Land anrufe und ihnen erzähle, wie Montana mit Umweltaktivisten umgeht."

Blogett sah aus, als würde er gleich platzen. Matt nutzte die Gelegenheit. "Vielleicht könnten wir diese Diskussion in einem privateren Rahmen fortsetzen? Mit weniger... Handschellen?"

### Zeitgleich in Virginia City (Montana):

Clyde Apple kämpfte sich durch den Schnee, sein Gesicht rot vom Schneegestöber und der Anstrengung. Die gestohlenen Briefe aus Heggs Wagen knisterten in seiner Jackentasche. Seine Gefängnis-Tattoos leuchteten blau unter der Winterkleidung.

"Irgendwo hier muss sie sein," murmelte er, während er die Koordinaten auf seiner zerknitterten Karte überprüfte. "Swiftys Mine... voller Gold... und diese Idioten haben keine Ahnung!"

Ein Rabe krächzte über ihm. Clyde zuckte zusammen und fluchte. "Verschwinde, du schwarzes Biest!"

---

Sharon Sundance saß an ihrem Küchentisch, ihr Dackel Mr. Wiggles schnarchte zu ihren Füßen. Mit einer Schere schnitt sie sorgfältig Buchstaben aus verschiedenen Zeitschriften aus.

"V-O-L-N-E-R," buchstabierte sie, während sie die Buchstaben auf ein Blatt Papier klebte. "I-C-H W-E-I-ß W-A-S D-U M-I-T S-W-I-F-T-Y G-E-T-A-N H-A-S-T."

Sie lächelte zufrieden. Wenn Volner auf diesen Brief reagierte, hatte sie ihren Mörder. "Wäre nicht das erste Mal, dass dieser Barkeeper jemanden um die Ecke bringt," flüsterte sie Mr. Wiggles zu, der im Schlaf mit den Pfoten zuckte.

---

In ihrem bescheidenen Haus am Stadtrand durchsuchte Penny Sue Volner die Asche des Kaminfeuers. Ihre Hände waren schwarz vom Ruß, als sie vorsichtig nach Überresten suchte.

"Bitte lass mich irren," murmelte sie, während ihre Finger über etwas Hartes strichen. Sie zog es heraus – ein verkohlter Metallknopf von einer Jeans. Die gleiche Art, die ihr Mann getragen hatte, als er gestern Nacht angeblich "die Bar aufgeräumt" hatte.

Eine Träne rollte über ihre Wange. "Oh Forest, was hast du getan?"

---

Mike Martin saß in seinem protzigen Büro mit Blick auf die verschneite Hauptstraße. An der Wand hing ein Foto von ihm und Donald Trump Jr. beim Fliegenfischen – beide mit perfekt sitzenden Frisuren trotz des Windes.

"Ja, genau, ein Tierschützer hat einen Mann ermordet und ihm einen Elchkopf aufgesetzt!" Er lachte ins Telefon. "Die nationale Presse wird das lieben! PETA-Aktivist dreht durch! Kann es dir nicht sagen, wie sehr ich diese Tierschutz-Spinner hasse."

Er legte auf und wählte eine neue Nummer. "Cindy? Mike hier. Ruf CNN an, Fox News, jeden. Sag ihnen, wir haben hier eine Story, die Trump Jr. interessieren wird. Ja, genau, die Mine... und jetzt auch noch ein Mord. Die Immobilienpreise werden durch die Decke gehen, wenn erst einmal all die Schaulustigen hier sind!"

---

Tschubai und Anime Tschato, die beiden Detektive, saßen im Zug nach Virginia City. Tschubai, ein groß gewachsener Mann mit ernster Miene, las die Fallakte. Anime, seine quirlige Partnerin, tippte hektisch auf ihrem Laptop.

"Laut unseren Informationen," sagte Tschubai, "ist der Hauptverdächtige ein Tierfotograf namens Bentley Boxleitner. Aber Don Redhorse vermutet, dass da mehr dahintersteckt."

Anime nickte. "Der Besitzer der Bar, dieser Volner, war der Letzte, der mit dem Opfer gesprochen hat. Und die Elchkopf-Sache ist einfach zu... offensichtlich."

"Wir müssen vorsichtig sein," warnte Tschubai. "Wenn der Sheriff korrupt ist, wie wir vermuten, dürfen wir nicht auffallen."

Anime zeigte auf ihren gefälschten Presseausweis. "Keine Sorge. Die New York Times ist über jeden Verdacht erhaben."

Im gleichen Moment, nur einen Waggon weiter, saßen die echten Reporter von CNN, Tucker Carlson und Wolf Blitzer, unwissend über die falschen Kollegen.

"Virginia City soll ein wunderbarer Ort für eine Story über lokale Politik sein," meinte Blitzer.

Carlson nickte abwesend, während er auf sein Handy starrte. "Hast du das schon gehört? Ein Mord mit einem Elchkopf... Das ist besser als lokale Politik! Das ist national!"

---

Auf der verschneiten Landstraße kämpfte ein altersschwacher Winnebago gegen den Wind. Drinnen stritten sich Helga und Klaus Müller.

"Ich sage dir, wir sind falsch abgebogen!" Klaus gestikulierte wild mit der Karte.

"Und ich sage dir, Virginia City ist Virginia City!" konterte Helga. "Wie viele Städte mit diesem Namen kann es schon geben?"

"In Amerika? Wahrscheinlich zwanzig!"

Der Winnebago rutschte auf dem Eis, und Klaus korrigierte hastig die Lenkung. "Wenn wir ankommen, frage ich nach. Nevada kann nicht weit sein."

Little did they know...

---

In der Pathologie des örtlichen Krankenhauses packte Dr. Molly Runningwolf gerade ihre Ausrüstung aus. Ihr scharfer Blick erfasste den Raum, der bestenfalls als primitiv bezeichnet werden konnte.

"Staatspolizei von Montana," murmelte sie. "Schicken mich hierher, um einen Fall zu lösen, bei dem die Beweise so offensichtlich sind, dass selbst ein Blinder sie sehen könnte."

Sie zog Handschuhe an und näherte sich der abgedeckten Leiche. Mit einem Ruck zog sie das Laken weg und starrte in die Glasaugen des Elchkopfes.

"Na gut, Mr. Hegg," sagte sie zum Toten. "Lassen Sie uns herausfinden, was wirklich mit Ihnen passiert ist. Denn eines ist sicher – das hier," sie deutete auf den Elchkopf, "ist die schlechteste Verschleierungstaktik, die ich je gesehen habe."

Sie nahm ein Skalpell und begann mit der Autopsie, während draußen der Schnee unaufhörlich fiel und Virginia City langsam unter einer weißen Decke verschwand – genau wie die Wahrheit über den Mord an Caleb Hegg.

### In einem abgelegenen Motelzimmer am Stadtrand:

Die fünf O'Murphys – Jason, John, Paddy, Patricia und Patrick – starrten auf die Waffen, die auf dem Bett ausgebreitet lagen.

"Das ist nicht genug," knurrte Jason, das Familienoberhaupt der IRA-Sympathisanten. "RFK Jr. hat uns mehr versprochen."

"Ich habe nie verstanden, warum ein Kennedy uns überhaupt hilft," murmelte Patricia, die zusammen mit Patrick den moderaten Flügel der Familie vertrat.

"Weil er glaubt, wir kämpfen für Freiheit," lachte Paddy. "Amerikaner und ihre romantischen Vorstellungen vom irischen Freiheitskampf!"

Patrick warf einen nervösen Blick aus dem Fenster. "Wir sollten vorsichtig sein. Der Waffenverkäufer wirkte misstrauisch."

"Noch misstrauischer wird er sein, wenn er von der Leiche mit dem Elchkopf erfährt," sagte John düster. "Die ganze Stadt wird bald voller Polizei sein."

"Und Medien," ergänzte Patricia. "Habt ihr gehört? CNN ist schon unterwegs."

Die fünf O'Murphys tauschten besorgte Blicke aus. Ihr Plan, unbemerkt Waffen zu kaufen, wurde immer komplizierter.

Und keiner von ihnen ahnte, dass zwei Interpol-Agenten, Ernst Ellerrt und Mildred Orsons, bereits in der Stadt waren, auf der Suche nach genau dieser IRA-Zelle.

Der Schnee fiel weiter, bedeckte Spuren, verwischte Grenzen – aber nicht alle Geheimnisse konnten für immer begraben bleiben.

Kapitel 3:

# Mord in Montana

## Kapitel 3: Affenhirn auf Hochtouren

### Virginia City (Montana), Sheriffsbüro am nächsten Tag:

Das Sheriffsbüro von Virginia City war etwa so einladend wie ein Zahnarztwartezimmer mit Foltergeräten an den Wänden. Die Luft roch nach kaltem Kaffee, Schweiß und einer Prise Verzweiflung. Als Shakti den Raum betrat, verstummten die Gespräche schlagartig. Ein Deputy mit einem Gesichtsausdruck, der vermuten ließ, dass sein Frühstück aus Zitronensaft und Nägeln bestanden hatte, beäugte sie misstrauisch.

Bentley saß gefesselt an einem Metalltisch, sein normalerweise rebellischer Blick nun getrübt von Erschöpfung und Resignation. Als er seine Schwester erblickte, weiteten sich seine Augen vor Überraschung.

"Shakti? Was zum Teufel machst du hier?" Er beugte sich vor, soweit die Handschellen es erlaubten.

Sie setzte sich ihm gegenüber, ihre Batik-Tunika ein Farbtupfer in dem trostlosen Raum. Das goldene Medaillon der göttlichen Mutter schimmerte an ihrem Hals. "Ich bin hier, um dich zu sehen. Du hattest mir versprochen, dich von Protesten gegen die Elchjagd fernzuhalten. Das hat ja offensichtlich prächtig funktioniert."

Ihre Visionen, die sie hierher geführt hatten – Bentley auf einer Hinrichtungsliege, der Sheriff mit einem blutigen Messer, ein schwarzer Rabe, der eine Patrone fallen ließ – behielt sie für sich. Bentley betrachtete Visionen bestenfalls als "esoterischen Quatsch" und würde nur die Augen verdrehen.

"Diese Rednecks haben mich reingelegt! Es war eine verdammte Falle!" zischte Bentley und schlug mit seiner freien Hand auf den Tisch. Der Deputy am Eingang legte demonstrativ die Hand auf seinen Dienstrevolver. "Die ganze Sache wird bundesweit in den Nachrichten sein. Ein vernichtender Schlag für die Tierschutzbewegung!"

Shakti bemerkte, dass ihn das offenbar mehr quälte als die Mordanklage. Typisch Bentley – die Sache über das eigene Schicksal stellen.

"Du musst sofort wieder abreisen," fuhr er fort, seine Stimme nun flehend. "Das hier ist ein gefährlicher Ort. Diese elchmordenden erzkonservativen Hinterwäldler sind zu allem fähig."

Ein Deputy mit einem "Make America Great Again"-Aufnäher auf der Uniform warf ihnen einen giftigen Blick zu.

"Zeit abgelaufen," verkündete er und trat näher.

Bentley packte Shaktis Hand. "Bitte, fahr zurück nach Berkeley. Kontaktiere meine Freunde von der Tierschutzbewegung. Ich brauche Geld für richtig gute Anwälte."

Als der Deputy Bentley unsanft hochzerrte, sah Shakti eine schwarze Feder, die langsam zu Boden segelte. Genau wie in ihrer Vision. Kevin, ihr Rabenbegleiter aus der spirituellen Welt, schickte ihr ein Zeichen. Bentley war nicht nur in Gefahr – er war in Lebensgefahr.

---

### Virginia City (Montana), gleichzeitig im Hotel:

Shakti saß im Lotussitz auf dem abgewetzten Hotelbett, Augen geschlossen, während sie versuchte, ihre spirituelle Gelassenheit zurückzugewinnen. Das "Affenhirn", wie Punjan Singh ihre springenden Gedanken nannte, ließ sich heute nicht bändigen.

"Ruhig. Fokussiert. Zen. Ommmm," murmelte sie, während ihr Handy bereits in ihrer Hand lag. Mit einem Seufzer gab sie auf und begann, Anrufe zu tätigen.

Nach dem fünften erfolglosen Versuch, finanzielle Unterstützung für Bentleys Anwalt zu bekommen, wählte sie die Nummer ihres spirituellen Lehrers Punjan Singh.

"Namaste, mein kleines Chamäleon," begrüßte er sie mit seiner beruhigenden Stimme. Im Hintergrund hörte sie das vertraute *woosh* seiner Espressomaschine.

"Punjan-ji, ich bin in Montana. Bentley wurde des Mordes beschuldigt, und... ich hatte eine Vision." Sie schluckte. "Ich sah ihn auf einer Hinrichtungsliege."

Eine Pause. Das Klirren einer Tasse.

"Meine Kleine, wenn dein 'Affenhirn' tatsächlich so eine klare Vision empfangen hat, dann bist du mit deinen spirituellen Übungen viel weiter, als wir beide vermutet haben."

"Meinst du, die Vision wird wahr werden? Wird Bentley tatsächlich..." Sie konnte den Satz nicht beenden.

"Das weiß ich nicht, Shakti. Visionen sind wie Warnschilder an einer Gabelung der Realität. Sie zeigen eine mögliche Zukunft, nicht die einzige."

"Was soll ich tun?"

"Lass dein Herz sprechen, aber deinen Kopf die Route planen. Kevin wird dir helfen."

"Der Rabe aus meinen Meditationen?"

"Er ist mehr als das. Er ist dein Verbündeter zwischen den Welten. Aber genug mystische Kryptik – praktische Schritte sind jetzt wichtig. Hast du schon einen Anwalt?"

"Ja, einen schlaksigen Cowboy namens Matt Dillon."

"Klingt wie jemand aus einer Fernsehserie," kicherte Punjan. "Vertrau deinem Instinkt, aber überprüfe die Fakten. Und vergiss nicht: Omens sind wie Tinder-Matches – 99% Schwindel, aber manchmal findest du einen Volltreffer."

Nach dem Gespräch fühlte sich Shakti seltsam ermutigt. Sie würde heute noch Matt treffen und einen Plan schmieden.

---

### Virginia City (Montana), Sheriffsbüro, zur gleichen Zeit:

Sheriff Lyle Blogett lehnte sich in seinem knarrenden Bürostuhl zurück, sein massiger Körper sprengte fast die Nähte seiner Uniform. Der buschige Schnurrbart zuckte, während er Forest Volner anstarrte, der seine bärenhafte Gestalt auf einen viel zu kleinen Besucherstuhl gezwängt hatte.

"Die Schwester ist in der Stadt," knurrte Blogett und wischte sich Donut-Krümel aus dem Schnurrbart. "Eine verdammte Hippie-Priesterin oder so ein Quatsch."

Volner zuckte mit den Schultern, sein freundliches Gesicht eine perfekte Maske. "Und? Was kann eine einzelne Frau schon ausrichten?"

"Sie hat mit Dillon gesprochen."

Volner runzelte die Stirn. "Der Anwalt? Mach dir keine Sorgen. Der ist hier in Montana so fehl am Platz wie ein Vegetarier beim Barbecue-Wettbewerb."

"Unterschätz ihn nicht. Er hat diesen umweltschützerischen Hippie-Scheiß drauf. Könnte sympathisieren."

"Wir haben alle Beweise gegen den Tierschutz-Freak. Das Messer mit seinen Fingerabdrücken, die Bilder auf seiner Kamera, die zeigen, wie er Hegg verfolgt hat, die Blutspuren an seiner Kleidung." Volner lehnte sich vor, sein Stuhl protestierte gefährlich. "Alles wasserdicht."

Blogett rieb sich das Kinn. "Da ist noch was anderes. Die Staatspolizei schickt Molly Runningwolf für die Autopsie."

"Die Indianerin?" Volners freundliche Maske verrutschte für einen Moment, zeigte ein Aufblitzen von Panik. "Die ist verdammt gründlich."

"Genau. Sie wird morgen hier sein. Wir müssen sicherstellen, dass die Beweise so klar sind, dass selbst sie nichts finden kann."

"Was ist mit Sharon?" fragte Volner, seine Stimme plötzlich leise.

"Deine kleine Erpresserin? Sie will mehr Geld. Sagt, sie hätte noch mehr über Hegg und deine... Geschäfte."

Volner fluchte leise. "Ich kümmere mich darum. Und um die Schwester, wenn nötig."

"Keine voreiligen Aktionen. Wir brauchen keinen zweiten Verdächtigen. Und Dillon könnte gefährlich werden."

Ein Klopfen unterbrach sie. Deputy Rawlins steckte seinen Kopf zur Tür herein. "Sheriff, die CNN-Reporter sind hier. Und irgendwelche Iren wollen eine Genehmigung für eine Demonstration."

Blogett stöhnte. "Was zum Teufel haben wir getan, um diesen Zirkus zu verdienen?"

Volner stand auf, sein Stuhl ächzte erleichtert. "Das haben wir davon, wenn wir einen Umweltschützer des Mordes beschuldigen. Alle Spinner des Landes versammeln sich wie Motten um eine Flamme."

Als Volner ging, blickte er kurz aus dem Fenster und sah eine zierliche Frau in Batikkleidung die Straße entlanggehen. Shakti Boxleitner. Sein freundliches Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Noch eine Variable in seiner bereits komplizierten Gleichung.

---

### Virginia City (Montana), Café, Mittag:

Das "Silver Dollar Café" war ein nostalgisches Relikt aus den 1950er Jahren, komplett mit quietschenden Kunstlederbänken und einer Jukebox, die Elvis-Songs röchelte. Shakti rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her, während Matt Dillon gegenüber von ihr Platz nahm.

Er trug ein abgewetztes Jeanshemd, sein Haar war vom Wind zerzaust, und sein lässiges Lächeln zeigte perfekte Zähne. Er sah aus wie ein Cowboy aus einer Werbung für Marlboro Light.

"Ich empfehle den Apfelkuchen," sagte er, während er die Speisekarte durchblätterte. "Der ist hier praktisch Gesetz."

"Haben Sie Eis?" fragte Shakti die vorbeieilende Kellnerin. "Am besten Schokolade. Mit Marshmallowsauce?"

Matt hob eine Augenbraue. "Für jemanden, der Batik trägt und vermutlich Tofu isst, hast du einen überraschend ungesunden Nachtischgeschmack."

"Spiritualität und Schokoladeneis schließen sich nicht aus," erwiderte sie und beobachtete, wie die Kellnerin einen Berg aus braunem Eis und weißer Sauce vor ihr abstellte. "Außerdem ist das mein einziges Laster."

Sie hatte eigentlich vorgehabt, Matt sofort über Bentleys Fall auszufragen, aber etwas an der Art, wie seine Augen ihre Bewegungen verfolgten, ließ sie innehalten. Zum ersten Mal seit Monaten bemerkte sie einen Mann als... nun ja, als Mann. Als BHAKTA – spirituelle Suchende – hatte sie viel Zeit mit Meditation und wenig Zeit mit Dating verbracht.

"Also," begann Matt, während er seinen Kaffee umrührte, "du willst wissen, ob ich glaube, dass dein Bruder unschuldig ist."

Sie nickte, überrascht von seiner Direktheit.

"Als sein Anwalt ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er die bestmögliche Verteidigung erhält. Ob er schuldig oder unschuldig ist – das ist nicht meine Entscheidung."

"Aber du musst doch eine Meinung haben," drängte Shakti.

Matt seufzte. "Die Beweislage spricht stark gegen ihn. Sein Messer, seine Fingerabdrücke, Bilder auf seiner Kamera, die zeigen, wie er Hegg verfolgt hat. Und die Geschichte mit dem Tierschutz gibt ein plausibles Motiv."

"Das ist absurd! Bentley würde niemals—"

"Seine größte Chance, der Todesstrafe zu entgehen, besteht darin, sich auf eine Urteilsabsprache einzulassen. Montana hat kein Interesse an einer bundesweiten Medienberichterstattung, die dieser Fall auslösen würde. Die Ankläger haben keine Lust, als Waffennarren dazustehen, die einen idealistische Umweltschützer hinrichten wollen."

Shakti spürte, wie etwas in ihr überkochte. "Mein Bruder wird sich auf keinerlei Absprachen einlassen! Er ist unschuldig!"

Ihre Stimme war lauter geworden als beabsichtigt. Ein älteres Paar am Nebentisch starrte sie an. Sofort schämte sie sich für ihren Ausbruch. Eine BHAKTA sollte ihre Beherrschung nie verlieren.

"Tut mir leid," murmelte sie.

Matt zuckte mit den Schultern. "Die meisten Leute hier in Montana würden einen Jagdsport-Gegner am liebsten schon aufhängen, wenn er bloß bei Rot über die Straße geht. Ich versuche nur, das Beste für deinen Bruder zu erreichen."

"Wir sollten herausfinden, wer es wirklich getan hat," sagte Shakti, während sie ihr Eis umrührte, bis es zu einer matschigen braunen Suppe wurde.

"Ein Privatdetektiv kostet 500 Dollar pro Tag," erklärte Matt. "Der Staat stellt uns erst Mittel zur Verfügung, wenn es darum geht, bestimmte Punkte der Anklageschrift zu widerlegen, und die wird erst in vier oder fünf Monaten fertig sein. Kannst du dir einen Privatdetektiv leisten?"

Shakti schüttelte den Kopf. "Bentley und ich haben kein Geld, aber ich versuche welches aufzutreiben. Bis dahin muss ich sehen, was ich selbst herausfinden kann."

Matt lachte kurz auf. "Du willst Detective spielen? In Montana? Als Kalifornierin mit Batikkleidung und spirituellen Ambitionen?"

"Was weißt du schon über forensische Analysen?" fragte er spöttisch. "Kennst du dich mit Ballistik aus? Weißt du, wie man einen Tatort richtig untersucht? Wie man Zeugen befragt?"

Shakti lächelte ironisch. "Ich habe als Kind viel Nancy Drew gelesen."

"Okay," seufzte Matt und hob kapitulierend die Hände. "Wo will unsere Nancy Drew anfangen?"

"Was meinst du damit?"

"Man sollte immer mit dem Tatort anfangen," sagte er. "Das haben auch immer die Hardy Boys in der Detektivserie getan."

Für einen Moment sah er aus wie ein schuldbewusster Junge, der zugeben musste, dass er heimlich die Bravo gelesen hatte.

"Du kennst die Hardy Boys?" fragte Shakti erstaunt.

"Ich war ein einsames Kind in einem Haus voller Bücher," gab er zu. "Also, der Tatort ist eine alte Goldmine etwa zehn Meilen außerhalb der Stadt. 'Swifty's Last Chance' heißt sie. Ironischer Name, wenn man bedenkt, dass dort jemand seine letzte Chance verwirkt hat."

Shakti schob ihr halbgegessenes Eis beiseite. "Können wir dorthin?"

"Theoretisch ja. Praktisch ist es ein aktiver Tatort, und Sheriff Blogett würde uns eher erschießen als reinlassen."

"Dann brauchen wir einen Plan."

Matt betrachtete sie mit neuem Interesse. "Du gibst nicht so leicht auf, oder?"

"Wenn es um meinen Bruder geht? Niemals."

---

### Virginia City (Montana), Eagle Tavern, zur gleichen Zeit:

Die "Eagle Tavern" war das, was passierte, wenn ein Western-Saloon und eine Sport-Bar ein besoffenes Kind zeugten. Ausgestopfte Tierköpfe starrten von den Wänden, während Neonreklamen für billiges Bier flackerten. Hinter der Bar stand Forest Volner, polierte Gläser und verteilte sein freundliches Lächeln wie Bonbons.

In der Ecke saßen drei Männer mit identischen rötlichen Haaren und irischen Akzenten so dick, dass man sie hätte schneiden können.

"Also nochmal," sagte der älteste O'Murphy, Jason, während er sein Guinness schwenkte. "Wir brauchen die Waffen bis Donnerstag."

"Und warum sollte ich euch helfen?" fragte Volner leise, sein freundliches Gesicht unverändert.

"RFK jr. hat das Geschäft vermittelt," antwortete John O'Murphy. "Er sagte, Sie wären diskret und hätten Zugang zu allem, was wir brauchen."

Volner nickte langsam. "Und was genau braucht die IRA in Virginia City, Montana?"

"Das geht Sie einen Scheißdreck an," knurrte Paddy O'Murphy.

Die Tür schwang auf und Penny Sue Volner kam herein, eine matronenhafte Frau mit Backen wie "frisch aufgebackene Brötchen". Sie warf ihrem Mann einen nervösen Blick zu, dann den drei Iren.

"Forest, Schatz, Reverend Diggs ist am Telefon. Er sagt, es gäbe ein Problem mit dieser... Hippie-Frau."

Volners Lächeln verrutschte für einen Sekundenbruchteil. "Sag ihm, ich rufe zurück."

Als Penny Sue verschwand, senkte Volner seine Stimme. "Donnerstag ist zu früh. Ich kann euch die Ware frühestens nächste Woche besorgen."

"Das ist zu spät," zischte Jason. "Patricia und Patrick werden bis dahin hier sein und alles ruinieren."

"Nicht mein Problem," erwiderte Volner schulterzuckend. "Nehmt es oder lasst es."

Die drei Iren tauschten finstere Blicke aus. Schließlich nickte Jason widerwillig. "In Ordnung. Aber wenn wir einen besseren Deal finden..."

"Werdet ihr nicht," unterbrach Volner selbstsicher. "Nicht in Montana."

Als die Iren gegangen waren, trat Penny Sue wieder zu ihm. "Forest, wir müssen reden. Über die Mädchen."

"Nicht jetzt," knurrte er, seine freundliche Fassade bröckelte. "Ich habe zu tun."

"Es geht um Sharon. Sie war hier, hat nach dir gefragt. Sie sagt, sie hätte Beweise gegen dich wegen Heggs Tod. Und wegen Swifty."

Volner erstarrte. "Wo ist sie jetzt?"

"Ich weiß es nicht. Aber sie sah aus, als hätte sie Angst. Und sie hatte Mr. Wiggles dabei."

"Den verdammten Dackel?" Volner lachte humorlos. "Diese Frau ist verrückt."

"Sie sagte, sie hätte Swiftys Tagebuch gefunden. Und sie wüsste, was in der Mine passiert ist."

Volners Augen wurden kalt. "Wenn sie wiederkommt, ruf mich sofort an. Verstanden?"

Penny Sue nickte, aber in ihren Augen lag etwas Entschlossenes. Etwas, das Forest noch nie bei seiner Frau gesehen hatte. Und es machte ihm Angst.

---

### Virginia City (Montana), Café-Parkplatz, später:

Shakti und Matt standen neben seinem abgenutzten Pickup-Truck, als ein schriller Schrei die Nachmittagsluft durchschnitt. Ein verwahrlost aussehender Mann mit Gefängnis-Tattoos rannte die Hauptstraße entlang, verfolgt von zwei Deputies.

"SWIFTYS TAGEBUCH!" brüllte er. "ICH HAB'S GEFUNDEN! GOLD UND BLUT! GOLD UND BLUT!"

"Clyde Apple," murmelte Matt. "Lokaler Tierpräparator und Schatzsucher. Verbringt die Hälfte seiner Zeit in Swiftys Mine, die andere Hälfte im Gefängnis wegen Trunkenheit."

Die Deputies packten Clyde und schleiften ihn weg, während er weiter schrie: "DIE WAHRHEIT IST IN DER MINE! DER SHERIFF IST EIN MÖRDER!"

Shakti und Matt tauschten einen Blick aus.

"Scheint, als hätten wir unseren ersten Hinweis," sagte Shakti.

Gleichzeitig bemerkte sie auf der anderen Straßenseite eine exzentrisch gekleidete Frau mit einem Dackel an der Leine, die Clyde Apple mit einem merkwürdigen Interesse beobachtete. Die Frau blickte sich nervös um, dann zog sie einen Umschlag aus ihrer Handtasche und steckte ihn in einen Briefkasten.

"Wer ist das?" fragte Shakti.

Matt folgte ihrem Blick. "Sharon Sundance. Locals sagen, sie war Heggs Geliebte. Exzentrisch, aber harmlos."

Shakti beobachtete, wie Sharon hastig davoneilte, ihren Dackel hinter sich herziehend. Etwas an der Frau schien... verzweifelt.

"Matt," sagte Shakti langsam, "ich glaube, wir sollten zwei Dinge tun: herausfinden, was in Swiftys Tagebuch steht und... mit dieser Sharon reden."

Matt seufzte theatralisch. "Nancy Drew in Aktion. Warum nicht? Es ist ja nicht so, als hätte ich einen Mordprozess vorzubereiten."

Über ihnen flog ein schwarzer Rabe. Kevin. Shakti lächelte. Ihr spiritueller Begleiter war bei ihr. Das bedeutete, sie war auf dem richtigen Weg.

Was sie nicht sehen konnte: Aus dem Fenster der "Eagle Tavern" beobachteten Forest Volner und Sheriff Blogett jede ihrer Bewegungen. Und sie waren alles andere als erfreut über diese Entwicklung.

---

### Gleichzeitig am Stadtrand von Virginia City:

Ein älterer Winnebago mit deutschem Kennzeichen holperte die staubige Straße entlang. Drinnen starrte ein verwirrtes deutsches Paar auf eine ausgebreitete Papierkarte.

"Ich glaube, wir haben die falsche Abzweigung genommen," sagte der Mann auf Deutsch. "Das kann nicht Nevada sein. Die Berge sehen anders aus."

"Frag doch jemanden," schlug die Frau vor.

"Niemals! Ein deutscher Mann fragt nicht nach dem Weg!"

Sie seufzte. "Hansi, wir sind komplett verloren. Seit drei Tagen. Ohne GPS."

"Es ist ein Abenteuer, Gisela! Wir wollten doch Amerika erleben!"

Der Winnebago rumpelte weiter in Richtung Virginia City, Montana – ein Ort, der in den nächsten Tagen mehr Drama erleben würde, als in den letzten hundert Jahren zusammen.

Keiner von ihnen bemerkte den schwarzen SUV, der ihnen folgte. Darin saßen zwei Interpol-Agenten: Ernst Ellerrt und Mildred Orsons, deren Blicke mehr auf den Straßen nach irischen Terroristen suchten als nach verlorenen deutschen Touristen.

Und hinter ihnen, nur durch Zufall in derselben Richtung unterwegs, fuhr ein Wagen mit Secret Service Agenten, die RFK jr. auf seiner geheimnisvollen Mission begleiteten.

Virginia City, Montana, war plötzlich der unwahrscheinliche Mittelpunkt eines Sturms, der sich aus Mord, Intrige, internationaler Kriminalität und verwirrten Touristen zusammenbraute. Und mittendrin eine Frau in Batikkleidung, die versuchte, ihr "Affenhirn" lange genug zu beruhigen, um ihren Bruder zu retten.

Der Rabe namens Kevin kreiste über allem, ein stiller Beobachter des Chaos, das sich entfalten würde.

 

Kapitel 4:

 

# Mord in Montana

## Kapitel 4: Elchköpfe und andere Komplikationen

Forest Volner stand wie versteinert in seinem kleinen Büro hinter der Bar und starrte auf den Fernseher, auf dem der lokale Nachrichtensender flimmerte. Die blonde Reporterin, deren Haare trotz des stürmischen Wetters kein bisschen verrutscht waren, sprach mit ernster Miene in die Kamera: "...und in einer bizarren Wendung wurde die Leiche mit einem Elchkopf aufgefunden, der wie eine makabre Trophäe über dem Kopf des Opfers platziert worden war..."

"Heilige Scheiße," murmelte Volner und fuhr sich mit seiner prankenartigen Hand über sein fleischiges Gesicht. Mit seinen 1,91 Metern und drei Zentnern Gewicht füllte er den kleinen Raum fast komplett aus. Normalerweise strahlte sein bärenhaftes Gesicht Gemütlichkeit aus – ein Eindruck, den er sorgfältig kultivierte. Doch jetzt verzerrten sich seine Züge zu einer Maske purer Panik.

Ein Elchkopf? Er hatte Hegg erwürgt und liegengelassen. Kein Elchkopf. Das bedeutete, dass jemand nach ihm dort gewesen war. Jemand, der wusste, was passiert war. Jemand, der ein krankes Statement setzen wollte.

Mit zitternden Fingern schenkte er sich einen doppelten Bourbon ein und kippte ihn in einem Zug hinunter. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit brannte in seiner Kehle, aber das war nichts im Vergleich zu der Angst, die in ihm aufstieg wie Galle.

*Wer zum Teufel hatte das getan?*

---

Im selben Moment stand Penny Sue Volner in ihrer blitzblanken Küche, deren mintgrüne Wände sie vor Jahren selbst gestrichen hatte, und starrte auf das Messer in ihrer Hand. Es war eines der guten aus der Hochzeitsgeschenk-Garnitur. Ein Messer, mit dem sie tausendmal Karotten geschnitten und Äpfel geschält hatte. Sie drehte es in ihrer Hand und beobachtete, wie das Licht auf der Klinge tanzte.

Penny Sue war keine schöne Frau im klassischen Sinne. Ihre Wangen, die wie "frisch aufgebackene Brötchen" aussahen, wie Forest früher immer sagte, waren von feinen roten Äderchen durchzogen – das Ergebnis von zu viel Alkohol und zu viel Angst. Ihre Haare, einst glänzend blond, hatten längst die Farbe von vergilbtem Zeitungspapier angenommen.

Mit 52 Jahren hatte sie aufgehört zu träumen. Außer von einem: dass ihre Töchter es einmal besser haben würden. Amanda, die Älteste, studierte Medizin in Bozeman. Chloe, die Jüngste, würde nächstes Jahr die Highschool abschließen. Beide klug, beide mit einer Zukunft vor sich.

Eine Zukunft, die jetzt auf dem Spiel stand.

Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie hatte immer gewusst, dass Forest ein hartherziger Mann war, ein Mann mit Geheimnissen und dunklen Ecken in seiner Seele. Aber ein Mörder? Das hatte sie nicht kommen sehen, obwohl es sie nicht so schockierte, wie es sollte.

Als er gestern nachts nach Hause gekommen war, hatte sein Hemd dunkle Flecken gehabt, die er hastig im Waschbecken ausgespült hatte. Als sie gefragt hatte, was passiert sei, hatte er nur "Ein Reh, Penny Sue. Ein verdammtes Reh auf der Straße" geknurrt. Aber sie hatte den Blick in seinen Augen gesehen. Denselben Blick, den er hatte, wenn er ihre Wangen rot schlug, weil das Essen zu kalt oder das Bier zu warm war.

Penny Sue wusste, dass sie vorsichtig sein musste. Forest, der in der Stadt als gemütlicher Bär bekannt war, konnte sich in Sekundenschnelle in einen wütenden Grizzly verwandeln. Und wenn er herausfand, dass sie etwas wusste – dass sie Verdacht hegte – würde er nicht zögern, sie zum Schweigen zu bringen. Für immer.

Sie schaute auf die Uhr. Er würde erst spät zurückkommen. Die Eagle Taverne schloss um zwei Uhr morgens, und Forest blieb immer noch eine Stunde länger, um die Abrechnung zu machen.

Zeit genug für sie, um das blutbefleckte Hemd aus dem Wäschekorb zu nehmen und in einer Plastiktüte unter dem losen Brett im Wandschrank zu verstecken. Es war nicht viel, aber es war ein Anfang.

---

Zur selben Zeit lief Sharon Sundance mit einem Hochgefühl durch die verschneiten Straßen von Virginia City, das sie seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Ihr Mr. Wiggles, ein übergewichtiger Dackel mit schwer hängenden Augenlidern, hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten und japste melodramatisch bei jedem Schritt.

"Komm schon,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Die Autoren
Bildmaterialien: Peter Jonalik
Cover: Jonalik Pictures, Dorsten * Essen * Münster
Satz: Jonalik Books, Rybnik * Pinellas Park* Los Angeles * Dorsten
Tag der Veröffentlichung: 06.05.2025
ISBN: 978-3-7554-8075-4

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle die erstklassige Thriller mögen Mai 2025 Die Autoren

Nächste Seite
Seite 1 /