1990
Erlgard hielt das Bündel Mensch fest an sich gepresst, als sie durch den Intergalaktischen Trans Ex Chanel geschleudert wird. Sie kämpft darum, ihre Ängste zu verbergen.
Das Baby schreit entsetzlich laut und aus voller Lunge. Die Unterlippe wird vor lauter Angst blutig gebissen. Diese entsetzlich schrillen Pfeiftöne, diesen tobenden Sturm, das Blitzen und Krachen, den Schmerz der glühend heißen Haut, die sich anfühlt, als würde sie von den Knochen gerissen, hatte sie total vergessen. Das starke hin- und herstürzen, der Sturm, es war einfach grauenhaft und sie waren froh und glücklich, als sie mit einem starken Luftstoß endlich aus dem Chanel ausgespuckt wurde.
Erlgard lag nun da, während sie das Bündel Leben fest an ihre Brust drückte. Doch die Erdoberfläche hatte sich stark verändert. Da, wo früher weicher Waldboden war, befand sich ein seltsamer grauer, knochenharter Belag mit einer weißen Linie in der Mitte. Rundherum gab es wenigstens Gras.
Als sie sich gerade aufrichten wollte, sah sie einen riesig großen, silbernen Vogel auf sich zu kommen. Der Vogel hatte Feuer unter den Flügeln, die er nicht bewegte und machte einen ohrenbetäubenden Lärm.
Was war das denn?
Erlgard fühlte sich zur Seite gezogen – von wem auch immer, und lag, mit ihrem kompletten „Reisegepäck“ und dem Baby auf dem Gras. Da näherte sich plötzlich, rasend schnell, mit zuckendem Licht, ein rot-weißer Kasten mit Rädern – ähnlich ihren offenen Viehwagen. Fenster hatte das Ding auch noch und es machte einen entsetzlichen Krach. Bevor Erlgard aufstehen konnte, stand der Kasten schon vor ihr.
Stolz las sie (sie konnte ja lesen)
R e t t u n g s d i e n s t
Zwei Männer in rot-weißer Kleidung kamen aus dem Kasten gesprungen und zu ihr gelaufen.
„Gute Frau, was machen sie denn hier? Wie sind sie denn auf die Start-und-Landebahn geraten? Und ein Baby haben sie auch noch dabei. Mein Gott, da hätte ihnen ja, Gott weiß was passieren können. Kommen sie, wir bringen sie erst mal in Sicherheit.“
„Sicherheit“ dachte Erlgard, das hörte sich gut an. Also ließ sie sich beim Aufstehen helfen.
Aber dann wollte ihr einer dieser Männer Regina abnehmen. Ja, da hatte er die Rechnung aber ohne Erlgard gemacht!
Erlgard, die Königin der Puffs, wurde doch mit zwei solch kleinen Kerlen ganz schnell mal klar. Sie nahm das Baby zwischen ihre Beine – ein sicherer Platz, krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch – und legte die beiden Jungs fachgerecht flach.
Doch was ihr im Eifer des Gefechtes entgangen war, da gab es noch jemanden in dem Kasten. Den hatte sie doch total übersehen. Plötzlich bemerkte sie einen kurzen Stich in ihren rechten Arm, wurde total müde und sackte in sich zusammen. Aber nicht, ohne das Baby noch fest in den Arm zu pressen.
Was dann geschah, bekam Erlgard nicht mehr mit. Sie wurde auf die Trage gelegt, ihr Reisegepäck sorgfältig eingesammelt und Baby Regina liebevoll eingewickelt. Dann fuhr der Rettungswagen zum St. Andreas Krankenhaus. Dort gab es, neben der Pädiatrie, auch eine psychiatrische Abteilung.
Über Funk verständigte die Besatzung des Rettungswagens die Klinik über die „Neuzugänge“.
Im St. Andreas-Krankenhaus bekam Dr. Haas, der aufnehmende Arzt, als erster Kontakt mit dem merkwürdigen Gespann.
Zuerst einmal untersuchte er das Baby und dann, wie er annahm, die Mutter. Dabei geschah etwas Erschreckendes – die Frau alterte innerhalb von Minuten. Die mit ihm anwesenden Pfleger und Krankenschwestern waren vollkommen verblüfft.
Geistesgegenwärtig hob Schwester Katja ihr Handy und filmte den Verfall der Frau; denn binnen zehn Minuten innerhalb des Raumes waren nur noch die zu Staub zerfallenen Knochen und Kleider vorhanden. Alle standen da, mit offenen Mündern und schauten sich entgeistert an. So etwas hatten sie nie zuvor gesehen. Alle waren wie gelähmt, standen unter Schock und brachten kein Wort heraus. Bis Dr. Haas plötzlich sagte:
"Und was ist mit dem Baby? "
"Los, sofort untersuchen und unter absolute Intensivbeobachtung". Doch mit dem Baby schien alles normal und in Ordnung zu sein.
"Da war doch noch umfangreiches Gepäck, vielleicht können wir da etwas über unsere Patienten erfahren“, sagte Dr. Haas.
Doch wo und wie lange auch gesucht wurde, das Gepäck blieb unauffindbar. (Hier hatte die Zauberscheibe ganze Arbeit geleistet und das kostbare Gepäck in Sicherheit gebracht.) Leider hatte sie Erlgard nicht mehr retten können, sie hatte die Substanz der Spritze nach viertausend Jahren nicht wirklich vertragen.
"Merkwürdig, aber wir haben keinerlei Anhaltspunkte. Man kann nur sagen, dass der Säugling maximal zwei Tage alt, weiblich, kerngesund und sehr hübsch ist“ sagte Dr. Haas mit seinem trockenen Humor.
"Wat nu?" Meinte er. „Normalerweise müssen wir jetzt die Kripo anrufen, die kümmert sich dann um den Verbleib des Säuglings“.
"Von wegen ‚SÄUGLING‘ - schaut mal, alle Windeln sind mit ihrem Namen und einer kleinen Krone bestickt, Regina Ikona heißt unsere kleine Prinzessin." Sagte Schwester Rita.
"Aha, und Verbleib, wenn ich das schon höre“, ereiferte sich Schwester Katja „die bringen die Kleine auch nur zum Jugendamt und dann wird sie in einem Kinderheim untergebracht“.
"Ja, aber was sollen wir denn machen?“ Fragte Schwester Gabi.
"Hm, ich weiß nicht, aber … druckste Pfleger Michael plötzlich herum.
"Mensch, wenn du 'ne Idee hast, lass sie hören", sagte Dr. Haas.
"Tja, ich habe da so'ne blöde Idee. Wir haben doch ein blitzschnelles Intranet und ich weiß, dass einige Kolleginnen schon sehr lange vergeblich darauf warten Mutter zu werden. Warum sollten wir das Baby nicht in die guten Hände eines Kollegenpaares geben, bevor wir es in die Anonymität einer Jugendamtsvermittlung entlassen? Ich weiß, das ist illegal und strafbar. Das ist nur dann durchzuführen, wenn sich alle hier im Raum des absoluten Schweigens verpflichten".
Nach dieser Ansprache schaute Michael sich unsicher im Raum um. Wie würden die Kollegen auf seinen Vorschlag reagieren?
Er kannte alle schon seit Jahren sehr gut und als absolut integre und zuverlässige Partner im Job und auch privat. Auf die konnte man sich verlassen, sonst hätte er sich niemals getraut eine so gewagte These in den Raum zu stellen. Eine ganze Weile herrschte Stille im Aufnahmeraum. Dann räusperte sich Dr. Haas und sagte:
"Michael, du hasst es sehr gut gemeint, aber die Frau und das Baby wurde mit einer Aufnahmenummer im PC erfasst. Die Mitarbeiter des Rettungswagens haben ebenfalls beide gesehen, wie willst du dieses Problem lösen"?
Michael dachte kurz nach. Dann erhellte sich sein Gesicht.
„Was spricht dagegen, wenn wir vom grauen Aschenhaufen der Alten, einen kleinen Teil nehmen und behaupten, dass sowohl die Alte als auch das Baby sich hier im geschlossenen Raum aufgelöst haben“.
Alle schauen sich ein wenig betreten an, doch dann beginnt eine heftige Diskussion über das Für und Wider. Letztendlich beendet Dr. Haas, mit einer energischen Handbewegung, die allgemeine Diskussion.
„Ich frage jetzt nach Handzeichen: Wer ist dafür, dass wir Michaels Vorschlag umsetzen?“
Zum Teil zögernd, dann aber überzeugt, heben alle Anwesenden – inklusive Dr. Haas – ihren Arm.
Damit ist die Sache beschlossen und wir müssen nur noch an die Umsetzung gehen. Und das mit größter Vorsicht. Wir müssen darauf setzen, dass die Kripo keine Analyse der Aschenreste vornehmen würde; denn dann würde man erkennen, dass es sich um dieselbe mit der gleichen DNA handelt. Also hoffen und beten.
„Die Idee mit dem Intranet wäre tödlich; denn dann sind circa 2.800 Mitarbeiter informiert und das Risiko ist viel zu groß. Ich schlage vor, dass wir das Baby erst einmal für ein bis zwei Wochen mit zu uns nach Hause nehmen. In dieser Zeit werden wir Kontakt aufnehmen zu den Kollegen und Kolleginnen, von denen wir wissen, dass sie sich dringend ein Kind wünschen. Auf alle Fälle müssen alle, die mit Informationen konfrontiert werden, zum Schweigen auf alle Zeit verpflichtet werden. Zudem werden wir auch sehr wenige Kollegen anfragen.“ Sagt Dr. Haas mit fester Stimme.
Dann beginnt er, typisch Arzt, mit seinen konkreten Anweisungen:
„Als Erstes müssen wir daran gehen, alles für den Anruf bei der Kripo vorzubereiten. Wir werden das Baby im Schmutzwäschewagen mit dem entsprechenden "Leihvater- oder der Leihmutter" aus dem Aufnahmeraum entlassen. Dann werden wir den Puder-Ascherest proportional aufteilen, uns alle noch einmal, kurz absprechen und dann die Kripo anrufen.“
„Wer nimmt denn nun das Baby als Erster mit?“ Schwester Gabi, Schwester Katja und auch Pfleger Michael heben gleichzeitig die Hand.
Lachend sagte Dr. Haas:
„Das könnte euch so gefallen, ihr verschwindet mit der süßen Kleinen und ich muss mich hier mit der Kripo herumschlagen. Also ich entscheide jetzt, Schwester Gabi wird das Baby als Erste mitnehmen und wir werden hier die Stellung halten.“
Die anderen murrten zwar noch ein wenig, aber es ging nicht anders „zum Wohle des Kindes“ war das Motto.
Nachdem der Doc nun endlich entschieden hatte, machte sich Schwester Gabi sofort daran, den Wäschewagen zu „packen“. Daraufhin verließ sie eilig, mit einem leisen „Tschüss“ an die Kollegen, den Raum in Richtung Personalumkleideraum.
Dort legte sie ihre Schwesternkleidung auf den Wäschewagen und nahm sie anschließend mitsamt dem Baby wieder hoch. Nachdem sie sich umgekleidet hatte, legte sie das Baby vorsichtig in ihre große Einkaufstasche, die sie heute zum Glück dabei hatte. Das Baby war ruhig, als hätte es gemerkt, dass es eine schwierige Sache war.
Gabi lief, auch wenn es ihr schwerfiel, normalen Schrittes durch die Flure. Sie wusste, dass die Überwachungskameras in der Zentrale alles überwachten. Würde sie jetzt über den Flur rennen, dann fiel das sofort auf und man würde sie fragen, ob es einen Grund dafür gab. Das
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: © I.E. KONO
Lektorat: ©
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2023
ISBN: 978-3-7554-4853-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Was einem normalem Youngster NIEMALS passieren wird. Gerade als sie ihr leben gebinnt in volen Zügen zu geniessen - gerade 18 - aus dem elterlichen Pfarrhaus ausgezogen, da geschehen plötzlich merkwürdige Dinge in ihrem Umfeld. Was will der schmierige Edwin Puff von Ihr? Und warum erhält sie geheimnissvolle Post....