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in this together

Meine Mutter kennt uns nicht. Sie kennt weder ihre eigene Tochter, noch ihre beiden besten Freundinnen. Sie sagt uns kurz Hallo, wenn sie abends nach Hause kommt und wir mit unseren Sporttaschen an ihr vorbeigehen. Ihr zuwinken und die Küche im Chaos hinterlassen haben.

„Könnt ihr nicht aufräumen?“, wird sie seufzen, wenn ich später wieder da bin.„Doch, entschuldige“, wird meine Lüge lauten. Ich werde drei Teller voller Krümel und Essensreste sowie die dazugehörigen Gläser und das Besteck in die Spülmaschine stopfen. Im Mundwinkel ein Lächeln, der Geist beruhigt. Wir sind ja so raffiniert.

 

 

 

Sarahs Mutter kennt uns nicht. Sie kennt weder ihre eigene Tochter, noch ihre beiden besten Freundinnen. Sie bringt uns Kuchen und Saft und gibt Sarah reichlich Geld, wann immer wir ausgehen und unterwegs ein Häppchen essen wollen. Sarah schreibt elendig lange Einkaufslisten mit all den Dingen, die wir für den nächsten DVD-Abend haben möchten. Eine Packung Toffifee, eine Tüte Haribo und ein Sack Chips. Und Cola Light! Bitte, Ma!

„Kein Problem, Liebes.“

Alles ist da. Dann kommen wir – und bald ist alles weg.

 

 

 

Celinas Mutter kennt uns nicht. Sie kennt weder ihre eigene Tochter, noch ihre beiden besten Freundinnen. Sie lobt unsere Disziplin, wenn wir berichten, wie clean wir doch essen und wie viel Sport wir doch treiben. Sie lobt auch unsere schlanken Taillen und unseren phantastischen Modegeschmack, wann immer wir ihr unsere Shoppingausbeute vorführen. Warme Hoodies verstecken und luftige Kleidchen präsentieren, die wir selten bis nie tragen, weil uns darin viel zu kalt ist.

„Die sind aber schön!“, heißt es ein jedes Mal.

„Ja, wir gehen morgen Abend weg“, zwinkert Celina dann, und Sarah und ich nicken bestätigend. Wohl wissend, dass wir nicht feiern gehen. Dass wir das nur sagen, damit wir ungehindert zweieinhalb Stunden im Sportstudio schwitzen und uns danach bei mir Zuhause ausruhen können, während wir unsere Fitness-Apps füttern und unseren leeren Mägen beim Knurren zuhören. Keine von uns wird schwach werden, keine wird etwas Falsches essen – dafür sorgen stets zwei andere. Dafür sind beste Freundinnen schließlich da.

 

Als die Erste von uns zusammenbricht, nicht mehr atmet und nicht mehr spricht, nicht mehr sagt, dass ihr nur etwas schwindelig ist, erst da verstehe ich, dass wir einander nie wie beste Freundinnen behandelt haben.

 

ENDE

Impressum

Texte: von mir
Bildmaterialien: http://no-humanity-everywhere.tumblr.com/
Tag der Veröffentlichung: 23.05.2015

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