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Vorwort

 Ich bin ruhig, manchmal laut. Ich bin die, die alle Witze reißt und manchmal bin ich die, die gar nichts sagt. Ich sage meine Meinung, wenns drauf ankommt, aber so, dass Menschen keine Wunden davon tragen. Ich bin nicht grausam, das steht mir nicht, auch wenn alle Welt mit wehtut versuche ich das niemals. Tanzen und singen kann ich nicht,tu ich aber immer wieder. Ich lese viel, manchmal versinke ich zu sehr in mir. Manchmal vergesse ich zu atmen oder zu lächeln, aber das ist ok, es fällt niemanden auf. Stell mir am Morgen meinen Lieblingstee ans Bett und ich werde den ganzen Tag ein bisschen lächeln. Bin wohl zu oft sarkastisch, manchmal männlich, ich trinke manchmal zuviel, sage manchmal an der falschen Stelle was. Manchmal schweige ich an der falschen Stelle. Ich bin nicht offen, nicht schüchtern, ich bin irgendwas dazwischen und manchmal beides. Ich habe immer Angst alles falsch zu machen. Deswegen mache ich kaum was. Ich habe eigentlich immer Angst. Aber ich verstecke es gut. Und wenn ich Lache, dann klingt das echt, obwohl es das kaum ist. Ich bin kaputt, aber schaue ganz aus, ich bin zerbrochen und kann trotzdem noch lächeln und manchmal da bin ich stärker als ich dachte.Es gibt kein Wort für mich. Ich habe einfach zu viele Facetten und Widersprüche. Obwohl : Eigentlich bin nur komisch, durch und durch. Nennt mich einfach Mania, wie der Wahnsinn heißt.

 

''Alles was man töten will muss ein Gesicht haben'' sagte man mir,also habe ich jedem meiner Monster allmählich ein Gesicht gebastelt.

Von der Angst und dem Mond

Mit der Angst begann alles.

Meine Mutter hat mir oft gesagt, dass man keine Angst haben muss. Als Kind hab ich mich immer an sie geklammert, als wäre sie das Rettungsboot, das mich einfach fortbringen kann, wenn ich Angst habe. Sie hat mich nie fortgebracht, aber ihre Worte waren immer so warm. Die Angst geht einher mit der Kälte, so ist es jedenfalls meistens bei mir. Wenn es warm ist, dann ist sie kaum da, nur ganz leicht. Das leichte Ziepen im Herzen ist die Angst, der Schmerz nicht davon rennen zu können, weil man nicht weiß in welche Richtung. Man bleibt einfach auf der Stelle stehen, wie in einem dieser schlechten Albträume. Die Beine lassen sich nicht anheben, sind wie festgefroren. Und dann packt die Angst zu. Heftig und unkontrolliert, fährt sie mit eisigen Klauen tief ins Herz und hinterlässt klaffende Wunden auf der Seele.

Die meisten Menschen unterschätzen die Angst. Zucken mit den Schultern und sagen ''Jeder hat mal Angst, kein Grund durchzudrehen''. Das schlimme daran ist, dass man ständig mit jedem verglichen wird, dabei ist man doch gar nicht jeder. Aber dann versteckt man die Angst. Schließlich hat jeder Angst. Die ganze Welt hat Angst. Es ist das normalste der Welt und doch verstecken wir sie. Perplex habe ich die Leute immer angestarrt, mit kleinen Kinderaugen so blaugrau wie das Meer. Habe mich gefragt, wo denn da die Logik ist. Die Menschen suchen ihr ganzes Leben nach Sinn und Logik, ordnen alles, sogar die Zeit weiß genau wann sie passieren muss. Wir haben das ganze Leben in Zahlen und Terminen gegliedert, funktionieren nach Uhrwerken, nach Regeln. Es hat alles Sinn und Logik. Und dann hören Menschen einfach auf logisch zu sein und sagen, dass man das normalste der Welt verstecken soll. Das habe ich als Kind wirklich nie verstanden. Kein bisschen.

Ich verstehe es heute noch nicht. Es ist ein unerklärliches Phänomen für mich, dass Menschen ''normale'' Sachen, die jeder hat, einfach verstecken. Warum denn? ''Angst macht schwach'' haben mir so viele zugeflüstert. Mein Vater baute sich vor mir auf, ein Berg aus Fleisch und Knochen, für mich war er der unbesiegbare Ritter, den niemand verletzen kann. ''Kind, du darfst keine Angst zeigen. Sei nicht schwach'' hat er mir abfällig gesagt. Meine Schultern sanken 5 Zentimeter nach unten, die Angst hat sie herunter gedrückt. Aber ich durfte das nicht zeigen, hat man mir erklärt, also zeigte ich es nicht. Niemals. Selbst heute kann ich keine Angst zeigen.

Das schlimme ist, dass Angst nun einmal wirklich normal ist. Aber manchmal wird sie abnormal. Abnormal groß und schwer. Das passiert meistens dann, wenn man sie nie zeigen darf. Versteckte Monster wachsen schneller, denn sie haben es schön dunkel und können sich durch dich durch fressen. Genug Nahrung für ein schnelles Wachstum. Und meine Monster sind gewachsen. Sie sind übergroß geworden, fressen mich auf. Ich habe sie benannt. Alle meine Monster haben Namen. Namen die jeder kennt, aber meine Monster kennt niemand. Weil Namen relativ sind, Namen müssen ein Bedeutung haben, so sehe ich das jedenfalls. Namen brauchen ein Gesicht. Meine Monster haben kein Gesicht. Keines das ich herzeigen könnte. Ich sehe es, aber sonst sieht es keiner. Manchen Sachen muss man aber erst Namen geben, damit man dagegen kämpfen kann. Das Namenlose kann keiner besiegen. Deswegen tragen alle Namen, jeder einzelne, weil man jeden besiegen kann.

Aber so habe ich als Kind nicht gedacht. Es kam mir niemals in den Sinn, dass man meinen Vater besiegen konnte. Nicht diesen Felsen, nicht diesen Riesen. Meine kleinen Füße tapsten durch den Gang, die Angst schlich mir hinterher. ''Zeig keine Angst, keiner ist wirklich ängstlich, Angst macht schwach'' flüsterte ich. Es wurde zu einem Rythmus, ich habe geatmet nach diesem Rhythmus, die Melodie hat sich in meinen Kopf gebrannt. ''Keine Angst, keine Angst, zeig keine Angst. Angst ist Schwäche''. Zitternde Kinderhände, die die Tür des Kühlschranks aufzogen. Ein flackerndes Licht. Und dann einfach eine Hand auf meinem Rücken, ich wollte in den Kühlschrank springen. Wollte im Kühlschrank einfrieren bis das Monster mit den großen Händen fort ist. Mich einschließen, verschanzen, keine Angst zeigen.

Und mein Vater fragte mich, warum ich noch wach bin. ''Ich hatte Hunger'' flüsterte ich so leise, dass ich sicher der Wind hätte sein können, der durch die Bäume draußen raschelte. Und nach harten Worten, die mir die Ohren vergifteten flüchtete ich zurück in mein Bett. Die Decke über meinen Kopf gezogen, spürte wie das Monster Fäden über mich zog. Lange, dunkle Spinnenfäden, die mich einfangen sollten. Und sie haben mich gefangen, vom ersten Moment an. Mein Vater setzte sich an mein Bett. Und ich sagte zu ihm ''Erzählst du mir von der Angst ?''. Er hat mir darüber erzählt während sie sich in mein Herz genistet hat, sich ausgebreitet hat. Meine Venen wurden voll von Angst, mein ganzer Körper hatte Angst. Und meine Seele wollte schreien. Aber ich schwieg und hörte zu. ''In den Vollmondnächten sind die Monster am stärksten. Weil sie das Licht lieben und es zugleich verabscheuen. Manchmal schreit ein Monster den Mond an, manche singen Lieder für ihn. Menschen die Monster in sich haben fürchten sich vor dem Mond. Denn dann ist alles stärker, der Mond gehört den Monstern, der helle, schöne Mond'' hat mir mein Vater mit rauer Stimme erzählt.

Ich habe gezittert und genickt. ''Ich verstehe das schon'' habe ich zu ihm gesagt, mit einem ängstlichen Zittern in der Stimme. Er hat mir eine gute Nacht gewünscht und ich habe bis zu meiner kleinen, viel zu großen Nase, die Decke hochgezogen. Meine Augen waren ziellos, mein Blick hat sich an jede Wand, an jeden Schatten geheftet. Und mein Mund war bereit zu kreischen, wenn einer der Schatten sich in ein Monster verwandeln würde.

Aber ich habe nicht gekreischt. Nicht als einer der Schatten sich bewegt hat, nicht als einer der Schatten angefangen hat zu sprechen, nicht als einer der Schatten sich an mein Bett gesetzt und sich vorgestellt hat. ''Ich bin die Angst'', flüsterte mir der Schatten mit einer kristallklaren Stimme zu ''und ich werde dich nie verlassen''. Sie hat ihr Versprechen gehalten, denn die Angst ist weiblich für mich. Unerklärlich, aber es ist einfach so. Nein, das kleine Mädchen dass ich damals war hat nicht einmal gekreischt. Und plötzlich war alles friedlich, die ganze Welt war friedlich, alles so ruhig. Die Angst war meine neue beste Freundin. Und meine Augen sahen zuletzt das lächelnde Gesicht eines Schattens, der mich nie verlassen sollte und den Schein eines hellen, klaren Vollmondes als ich sie allmählich schloss.

 

An den folgenden Tagen war der Schatten immer da. Es war egal, dass die Sonne schien und die Kinder neben mir gelacht haben, die Angst hatte ihre Hand auf meiner Schulter und ich war betrübt, sehr betrübt, dass ich sie nicht verscheuchen konnte. Habe alles versucht und habe Leute um Rat gefragt, die mich nur erstaunt ansahen und meinten "Du bist doch viel zu jung um das zu verstehen". Aber die Angst war da und es war ihr egal, dass ich zu jung für sie war. Manche Tage wurden die Hölle. Ich musste mir Höhlen aus meiner Bettdecke und den Kissen bauen, damit sie mich in Ruhe lies. Sie flüsterte mir unentwegt alle Gefahren des Lebens zu, wie gefährlich es doch ist zu atmen hat sie mir erzählt. Sie erzählte mir von Menschen, die schlimme Dinge taten. Sie sähte in meinem Herzen so viel Angstpflanzen, dass die Ranken davon noch heute daran klammern. Ja, es war furchtbar. Und das ist es heute noch.

 

Sie geht nämlich niemals, die eisige Angst bleibt immer. Manchmal schrumpft sie, als hätte man sie zu heiß gewaschen. Manchmal wird sie riesig, was die schlimmsten Tage sind. Wenn die Angst riesig ist, dann hat sie selbst keine Angst, sondern strahlt sie regelrecht aus. Sie überträgt sich so intensiv auf mich, dass ich nicht anders kann, als mich im Bett zu verkriechen.

Wenn sie hingegen ganz klein und winzig ist, merke ich nicht viel von ihr. Dann ist es fast so, als wäre sie nicht da, aber in Wirklichkeit ist sie immer da, das habe ich gelernt. Ständig klammert sie an einem und man spürt sie immer, wenn manchmal auch nur leicht.

 

Oft habe ich sie böse angeguckt, die immer so still und voller Schmerz gelächelt hatte. Und mein weiches Kinderherz hat geschlagen wie ein Vogel im freien Fall. Sie hat mir von Abenteuern erzählt, die grausige Enden nahmen, von Menschen, die in Wirklichkeit Monster waren. Hat mich gewarnt, wenn ich zu weit ging. Oft hat sie auch so laut geschrien, dass ich nichts anderes tun konnte als weinen. Sie hat mich oft umarmt. Wie ein eiskalter Windhauch war sie, die Angst, wie das flüchtige, das jeder spürt, aber keiner fassen kann.

 

Irgendwann war es zu viel. Weil sie von Tag zu Tag kälter wird, jeden Tag mehr einfriert und mich mit verreist. ''Wieso bist du hier, wieso gehst du nicht? Ich will dich nicht hier haben! Verschwinde, Verschwinde, Verschwinde!'' habe ich ihr zugeschrien. Sie hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Saß einfach neben mir, klammerte sich an mich und mein Herz, fraß mich langsam auf, knabberte mich süß an. Verschränkte die Arme, hielt mich fest. ''Ich gehe nicht'', meinte sie ''wir sind doch Freunde''. Die Tränen wurden zu Sturzbächen. ''Du zerstörst mich, du hinderst mich am Leben. Ich bin ganz allein wegen dir'' habe ich geschluchzt und meinen Kopf im Kissen vergraben. ''Wenn du nicht allein sein willst, dann lade ich eben Freunde ein'' sagte sie nur achselzuckend. Ich starrte sie an, verstand nicht was sie meinte. Aber ich sollte es bald verstehen, wie so vieles im Leben und doch auch nicht. Es wurde Nacht, die Schatten waren da und dann fingen sie an zu sprechen. Und die Hölle begann.

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''Geöffnete Arme, die sich um meinen Hals geschlungen haben. "Ich liebe dich, liebe, liebe, liebe dich. Du bist die Beste, die allerbeste. Danke." hast du mir ins Ohr geschrien, deine Tränen waren voller zerflossenem Kajal und all dem anderen Zeugs, dass du in dein Gesicht gekleistert hattest um dem Ideal einer kaputten, schönheitswahnsinnigen Welt gerecht zu werden. "Für dich immer Schwester" habe ich ganz leise geflüstert. Neben mir schrie Emma betrunken

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Lektorat: Lucas Greymoon
Tag der Veröffentlichung: 04.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2588-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Tumblr-Seelen, an jeden der das liest. An Ela, weil sie mir das Meer gezeigt hat. An Lucas, der sich die Mühe gemacht hat und sich als Erster durch meine wirren Worte gelesen hat. An die, die die selben Monster wie ich kennengelernt haben. An die, die wie ich aufgeben wollen, aber nicht sollen. An die, die verstehen wollen und nicht können. Im Allgemeinen an alle, die Worte lieben. Und an alle, die denken die Monster gehen nie wieder. Ich kann euch sagen : Irgendwann gehen sie.

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