Das Geheimnis des Kameliengartens
Evelyn Kühne
1
Tief tauchte Simone ihr Gesicht in die würzig duftenden Tannenzweige. Gerade noch rechtzeitig, bevor ein heftiger Schneeschauer niedergegangen war, hatte sie das Grün aus dem Garten geholt. Ganz hinten, als Schutz vor den rauen Winden, die immer vom Feld wehten, hatten sie vor einigen Jahren die Tannenhecke gepflanzt. Nun waren die Bäume groß geworden und mussten regelmäßig verschnitten werden. Simone hatte einige besonders schöne Zweige ausgesucht und diese in ihrer Bodenvase drapiert. Eine kleinere Vase wurde für den Esstisch zurechtgemacht. Zusammen mit den leuchtendroten Blüten der Amaryllis ergab sich ein tolles Farbspiel. Die meisten Menschen verbanden Tannenzweige allein mit der Weihnachtszeit, aber Simone sah das anders.
Gedankenverloren strich sie einige Falten in der schneeweißen Tischdecke glatt und musterte noch einmal das Arrangement im Speisezimmer. Das Silberbesteck glänzte, die Gläser waren frisch poliert, die Kerzenleuchter standen in Reih und Glied – Tim wäre stolz auf sie gewesen. Er hatte edel gedeckte Tische immer gemocht, und oftmals hatte Simone die sonntägliche Tafel hergerichtet, als wohnten sie in einem Schloss und vornehme Gäste kämen zu Besuch. Lachend hatte Tim sie dann immer angesehen und ihr mit dem gefüllten Weinglas zugeprostet. ›Fein hast du das gemacht, meine Mone.‹
Beim Gedanken an ihren verstorbenen Mann Tim bildete sich ein Knoten in ihrem Magen. Es verging kein Tag, an dem Simone ihn nicht unendlich vermisste. Manchmal schien es ihr, als würde die Trauer nie enden.
Doch gerade rechtzeitig, ehe sie weitere düstere Gedanken heimsuchen konnten, klingelte es. Voller Freude eilte sie durch den Flur, öffnete die Haustür und prallte zurück. Erstaunt musterte Simone die junge Frau im langen modischen Mantel, die auf der Eingangstreppe stand. Die fiel ihr freudestrahlend um den Hals und drückte die kalte Wange an ihr Gesicht.
»Mama, schön, dich zu sehen. Ich freue mich riesig, dass es endlich geklappt hat.«
Der Geruch eines teuren Parfüms stieg in Simones Nase. Unverkennbar war das Sarah, ihre Tochter. Verwirrt musterte sie deren Kopf. »Sarah, was ist denn mit deinen Haaren passiert?«
Sarah wuschelte sich durch die Frisur. »Cool, oder? Schnipp, schnapp, Haare ab.« Mit den Fingern machte sie die typische Handbewegung der Friseure. »Na, was sagst du? Kurz vor Silvester hatte ich doch diesen Job in Paris, und ein befreundeter Friseur meinte, ich bräuchte dringend mal eine Typveränderung. Und das ist das Resultat. Was sagst du? Also ich finde, es steht mir, und praktisch ist es außerdem. Am Morgen bin ich ruckzuck fertig.«
»Ja ja, das kann ja sein. Aber deine schönen blonden Haare, deine Locken«, rang Simone sich ab. Die Locken ihrer Tochter waren schon immer ihr größter Stolz gewesen. Bereits im Kindergarten hatte sie die neidischen Blicke der anderen Mütter sehr wohl wahrgenommen. Sarah hatte stets wie ein Engel gewirkt. Dazu passten die großen blauen Augen von Tim und der sinnliche Mund, den sie von ihr geerbt hatte. Voller Liebe hatte sie früher die Haare ihres Kindes gebürstet und wunderschöne Frisuren gezaubert. Sogar von einem Kinderfotografen waren sie eines Tages angesprochen worden, wegen Werbefotos.
Und nun das. Die Locken waren einer Kurzhaarfrisur gewichen. Selbst die Farbe hatte sich verändert, rötlich mit pinken Strähnen darin. Sarah wirkte nun noch schmaler und blasser, trug dafür aber umso mehr Make-up.
»Es ist halt ein wenig ungewohnt«, stammelte Simone unsicher und musterte ihre Tochter immer noch entgeistert.
»Ach Mama, nun komm.« Noch einmal wurde sie heftig gedrückt. »He, es ist nur eine Frisur, und ich gefalle mir. Ab und zu ist es Zeit für eine Veränderung. Immerhin hab ich die blonde Mähne fast fünfundzwanzig Jahre geschleppt. Vielleicht lasse ich sie mir irgendwann mal wieder wachsen, wer weiß das schon.« Sarah drehte sich um und winkte einem jungen Mann zu, der ein wenig abseits im Schneegestöber wartete. »Und Sören gefällt es auch. Das ist er übrigens.« Dann senkte sie ihre Stimme und flüsterte: »Er ist schrecklich aufgeregt wegen unseres Besuchs. Und weil er nicht so gut Deutsch spricht.«
Sören kam näher und hinterließ im Schnee riesige Fußabdrücke. Er war groß, bestimmt an die zwei Meter, trug eine rote Pudelmütze auf dem Kopf und hatte einen dazu passenden Schal mehrmals um seinen Hals geschlungen. Mit einer kleinen Verbeugung übergab er Simone einen dick eingewickelten Blumentopf.
»Danke für die Einladung«, sagte er in hartem Deutsch und lächelte verschmitzt. Seine Augen zwinkerten, und einen Moment erinnerte er sie an Tim.
Simone nahm das Geschenk entgegen, während Sarah sich bereits an ihnen vorbei ins Haus quetschte.
»Ich hab dir einen Blumentopf mitgebracht, so eine Pflanze mit roten Blüten.« Ihre Tochter legte die Stirn in Falten. »Ähm, ach ja, eine Azalee glaube ich. Aber irgendwie hab ich vergessen sie zu gießen. Na ja, du kennst mich ja.«
»Danke«, sagte Simone zum Freund ihrer Tochter, unsicher, ob der sie überhaupt verstand. »Ich freue mich, dass wir uns endlich kennenlernen. Na, da kommen Sie mal rein. Ihre Jacke können Sie dort an die Garderobe hängen.« Der blonde Hüne nickte knapp und wickelte den Schal von seinem Hals.
Aus der Küche ertönten bereits klappernde Geräusche. »Oh, ich glaub es nicht. Du hast wirklich Rouladen gemacht und auch noch deine berühmten Klöße dazu.« Die Stimme ihrer Tochter klang undeutlich. »Mama, du bist einfach die Beste. Ich fühle mich regelrecht ausgehungert«, nuschelte Sarah mit vollem Mund. »Bei den letzten Jobs war das Essen wirklich grottenschlecht. Teilweise denken die Leute vermutlich, ich wollte auch nur Salat zu mir nehmen, wie die Models, die ich schminke.« Sarah hatte sich einen Löffel aus dem Schieber genommen, spitzte die Lippen und ließ eine Portion Rotkraut in ihrem Mund verschwinden. Nicht ohne dieses vorher in die Sauce zu tauchen. »Oh mein Gott.« Sie stöhnte und verdrehte genüsslich die Augen. »Es geht doch nichts über ein Essen bei Mama.«
Während Simone den Blumentopf vom Papier befreite, betrat Sören die Küche und ließ sich auf einem der Hocker am Küchentresen nieder. Mit einem Lächeln beobachtete er seine Freundin.
Beim Entfernen des Papiers kam tatsächlich eine Azalee zum Vorschein. Simone musste schmunzeln. Sarah hatte noch nie einen grünen Daumen gehabt. Entsprechend dürftig sah die Pflanze aus. Die vermutlich vorher prächtigen Blüten welkten bräunlich vor sich hin. Dieser Pflanze fehlte schlicht und ergreifend Wasser und vermutlich auch Licht. Augenblicklich meldete sich Simones Gärtnerherz. Sie verschwand in ihrem Wintergarten, suchte den passenden Platz zwischen einigen Pflanzen auf einer Holzbank. Dort wo es kühl, aber nicht zu kalt war, ganz wie Azaleen es liebten. Dann gab sie behutsam Dünger in eine kleine Kanne und goss die Pflanze. Mit viel guter Pflege und entsprechendem Zureden würde sie Sarahs Geschenk wieder zum Leben erwecken. Denn inzwischen hatte sich ihr grüner Daumen herumgesprochen, und immer mehr Menschen brachten ihr mehr oder minder angeschlagene Pflanzen vorbei. In der Hoffnung, Simone könnte diese aufpäppeln. Und meist gelang ihr dies auch.
Sarah war mittlerweile bei den Rouladen angekommen und pulte ein wenig Fleisch aus dem Topf. Spielerisch klopfte Simone ihr mit dem Rührlöffel auf die Finger. »Wenn du so weiterfutterst, bist du vor dem Essen schon satt.« Dann schielte sie zu dem blonden Mann am Tresen. »Das ist also Sören.«
Ihre Tochter folgte ihren Blicken. »Ja, das ist er, ich hab dir ja schon von ihm erzählt«, flüsterte sie. »Er ist Schwede, Fotograf, und wir haben uns bei einem meiner Jobs kennengelernt. Sören spricht leider nur wenig Deutsch und hat immer Angst, nix zu verstehen.«
Aufgeregt – davon nahm Simone nichts wahr. Aus ihrer Sicht ruhte der Mann in sich selbst und checkte gerade die Nachrichten auf seinem Handy. Von Zeit zu Zeit warf er Sarah einen verliebten Blick zu.
In ihrem Bekanntenkreis hatte es früher ein Paar aus Schweden gegeben. Schon damals hatte Simone die beiden um ihre entspannte Art beneidet. Die deutsche Hektik war ihnen fremd gewesen. Sie erinnerte sich an wunderbare Sommertage, die sie mit Tim während eines Urlaubes in Schweden verbracht hatten. Die Tage schienen damals endlos lang und entschleunigt gewesen zu sein. Und bei Sören verspürte Simone die gleiche nordisch gelassene Haltung.
Eine Haltung, die einen guten Gegenpol zu Sarahs manchmal überdrehter Art bildete. Zum ersten Mal beschlich Simone das Gefühl, dass aus dieser Beziehung etwas Ernstes werden könnte. Schon einige Male hatte Sarah ihre Partner zu Hause präsentiert. Es waren Strohfeuer gewesen, die hell gelodert hatten, aber auch schnell wieder erloschen waren. Nicht zuletzt war der Job ihrer Tochter schuld daran gewesen. Sie reiste als Stylistin rund um die Welt, war permanent unterwegs und lebte aus dem Koffer. Das war eine Belastungsprobe für jede Beziehung. In letzter Zeit schien Sarah die Partnersuche aufgegeben zu haben. Zumindest hatte sie bei den wenigen Telefonaten mit Simone nichts von einem Mann an ihrer Seite erwähnt.
Vorige Woche, als sie überraschend aus New York angerufen und ihren Besuch für den heutigen Sonntag angekündigt hatte, war die Rede zum ersten Mal auf Sören gekommen. Sarah hatte von dem Typen geschwärmt, mit Worten, die sie nie vorher gebraucht hatte. Sogar von einer gemeinsamen Wohnung, irgendwo auf dieser Welt, träumte sie schon. Simone beschlich das unbestimmte Gefühl, als ob ihr kleines Mädchen endlich erwachsen wurde, auch wenn sie im Job schon lange ihren Mann stand.
In diesem Augenblick ertönte ein lautes Stöhnen. Sarah betrachtete deprimiert ihren Busen. Dort prangte unübersehbar ein Klecks der heutigen Vorsuppe auf der hellen Bluse. Sören begann schallend zu lachen. Er warf seinen Kopf zurück und entblößte eine Reihe strahlendweißer Zähne. Dann sprang er auf, eilte um den Herd und nahm Sarah in seine Arme. Immer noch lachend wiegte er sie hin und her und sagte einige Worte auf Schwedisch.
Fragend sah Simone die beiden an. »Er meint, ich wäre sein kleines Schweinchen. Na ja, was das Kleckern betrifft, hat er damit ganz sicher recht«, übersetzte Sarah kleinlaut. »Ich schaffe es noch immer, jedes Outfit zu versauen.«
Minuten später saßen alle im Esszimmer und ließen sich Simones Vorsuppe schmecken. Es gab ein Pilzrahmsüppchen mit einem Türmchen saurer Sahne darauf, ein Gericht, das Sarah schon als Kind gerne gegessen hatte. Sören schien es ebenfalls zu schmecken, denn Löffel um Löffel verschwand in seinem Mund, und er bat zweimal um Nachschlag.
»Es gibt noch ein Hauptgericht«, versuchte Simone, ihm begreiflich zu machen, doch er nickte nur lachend.
»Mach dir keine Sorgen, Sören hat einen guten Appetit, und er liebt die deutsche Küche. Du wirst erstaunt sein, was der alles vertilgen kann.«
»Wenn das so ist, sollte ich dir vielleicht so langsam mal das Kochen beibringen«, sagte Simone grinsend zu ihrer Tochter.
Sarah sah sie geschockt an. »Oh Gott, mir? Lieber nicht. Glaub mir, ich lasse sogar Wasser anbrennen. Ich hab vielleicht einiges von dir geerbt, aber das Talent zum Kochen ganz sicher nicht.«
Lachen erfüllte den Raum. Es wurde ein wundervoller Sonntag. Nach dem Essen saßen alle mit dicken Bäuchen im Wintergarten und schauten in die prasselnden Flammen des Kamins, den Sören mit geschickter Hand entzündet hatte.
Sarah schlenderte umher und bewunderte die zahlreichen üppigen Pflanzen ihrer Mutter. »Mama, du hast wirklich einen grünen Daumen. Wahnsinn, bei dir sieht es aus wie im botanischen Garten. Eigentlich müsstest du daraus was machen.«
»Es bereitet mir eben Freude«, sagte Simone. »Aber es ist nur ein Hobby. Was soll man daraus schon machen?«
»Na, du könntest zum Beispiel als Pflanzenretterin arbeiten? Immerhin schleppen ja schon alle möglichen Leute ihre Krücken bei dir an. Ich finde, meine Pflanze sieht jetzt schon besser aus als vorhin.« Sarah bückte sich und musterte ihre Azalee genau.
Simone winkte ab. »Ach, das mache ich doch gerne. Und letzten Endes hätte das jeder hinbekommen. Die Pflanze brauchte einfach nur ein wenig Wasser.«
»Findest du? Ich denke, es ist ein Talent.« Sarah strich über einen Palmenwedel. »Wie läuft es eigentlich in der Firma?«
Simone seufzte still. Genau auf diese Frage hatte sie gewartet. Tim hatte vor einigen Jahren eine Firma zusammen mit seinem besten Freund Alexander gegründet. Nach Tims Tod waren die Anteile ihres Mannes an Simone übergegangen. Seitdem führte Alexander das Unternehmen allein und machte dies auch sehr gut. Simone hielt sich zurück, bekam finanzielle Ausschüttungen, die ihr ein ganz angenehmes Leben ermöglichten.
Als Tim noch gelebt hatte, war sie aktiver Teil der Firma gewesen. Hatte Schriftkram erledigt und Zuarbeiten gemacht. Aber nun befiel sie eine bleierne Schwere, wenn sie nur in die Nähe des Gebäudes kam, in dem sich einst Tims Büro befunden hatte.
»Ach, es läuft.«
»Wollte Alexander nicht mit dir sprechen, wegen der Anteile?«
Simone, die wusste, dass Alexander schon immer einen guten Draht zu ihren Kindern gehabt hatte, schaute Sarah forschend an. »Hat er mit dir geredet?«
Ihre Tochter zuckte die Schultern und setzte sich wieder in den Korbsessel. »Er hat mich vor einigen Tagen mal angerufen. Mama, er braucht irgendwann eine Entscheidung. Entweder du steigst wieder mit ein, so wie früher, oder du verkaufst ihm deine Anteile.«
Simone nippte an ihrem Rotwein.
»Ja, ich weiß aber …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Es ist so schwer«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Sarah legte ihre Finger auf Simones Hand. »Das weiß ich doch, und niemand will dich drängen.«
Sie warf einen kurzen Blick zu Sören, der sie ernst ansah. Vermutlich spürten beide, wie dünn das Eis bei diesem Thema war.
Ihre Tochter erzählte dann lieber von ihren zahlreichen Jobs auf der ganzen Welt. Allmählich entspannte Simone sich wieder, auch wenn sie wusste, dass irgendwann eine Entscheidung anstand. Sarah schilderte ihre Reisen so gut, dass sie oft das Gefühl hatte, direkt mit dabei zu sein. An manchen Stellen überkam sie regelrechtes Fernweh. Da ging es um traumhafte Strände, pulsierende Städte und Fotoshootings an einmaligen Orten. Fast unbemerkt sank die Dämmerung herab.
Irgendwann erhob Sarah sich.
»Mama, es wird Zeit.« Noch einmal schaute sie Sören an und tauschte mit ihm einen langen Blick. Unauffällig nickte er ihr zu. Dann holte Sarah tief Luft und setzte sich erneut auf ihren Platz. »Aber vorher müssen wir noch etwas mit dir besprechen, Mama. Es geht um deinen Geburtstag«, druckste sie herum.
Simone drehte ein Glas Rotwein in ihrer Hand und lächelte. Es war ihr drittes, und sie fühlte sich ungewohnt entspannt und leicht.
»Stimmt, mein Geburtstag.« Sie kicherte leise. »Ich hätte beinahe vergessen, dich zu fragen, wann du kommst. David kann ja leider nicht, er hat dringende Geschäfte, die ihn in London festhalten.« Simone seufzte.
»Ja stimmt, ich hab vorige Woche mit ihm telefoniert, da sagte er mir das auch«, meinte Sarah gedehnt, wieder flatterte ihr Blick zu Sören.
»Na, immerhin kommt ihr. Gut, dass du genau zu der Zeit einen Job in Deutschland hast.« Simone deutete auf den Schweden. »Sören ist natürlich auch herzlich willkommen, ich würde mich so sehr freuen. Wenn mich mein ältester Sohn schon versetzt, wäre wenigstens ein bisschen Leben am Tisch und nicht so eine Trauerstimmung wie am Heiligen Abend.«
Sarah nahm sich noch etwas Tee aus der Kanne, trank und schluckte heftig. Langsam bemerkte sogar Simone, dass sich die Stimmung im Raum verändert hatte. Automatisch setzte sie sich gerade hin. Das eben noch so leichte Gefühl begann zu verfliegen.
»Es ist so, Mama, ich werde dieses Jahr leider auch nicht kommen können.« Sarah rang die Hände und verkrampfte sie im Schoß. »Ich habe einen anderen Job in New York reinbekommen, direkt an deinem Geburtstag. Es ist ein megatoller Auftrag für ein großes Modehaus. Wenn alles gut läuft, hab ich die Chance auf weitere Jobs.« Sie machte eine Pause und flüsterte dann: »Mama, es tut mir ehrlich leid.«
Simone starrte aus dem Fenster. Im Schein einer Gartenlampe sah sie, dass es erneut zu schneien angefangen hatte. Dicke Flocken segelten langsam zu Boden und hüllten die Landschaft in ein weißes Kleid.
Weihnachten allein, wie sehr hatte ihr davor gegraut, aber sie hatte sich abgefunden und nur mit ihrer Mutter am Tisch gesessen. Zu ihrem Geburtstag im Februar würden sie alle bei ihr sein. Immer wieder hatte sie sich das mantramäßig gesagt.
Und nun? Dabei hatte sie gewusst, dass dieser Moment eines Tages kommen würde. Tim war über drei Jahre tot, Simone konnte nicht ewig erwarten, dass ihre erwachsenen Kinder bei ihr daheim hockten und Händchen hielten. Trotzdem traf die Enttäuschung sie schwer. Wie ein fetter Klumpen bildete sie sich in ihrem Magen und wurde immer größer.
Da verspürte Simone eine Hand auf ihrer Schulter. Sarah hockte sich auf die Sessellehne und schmiegte den Kopf an ihren Körper. »Ach Mama, es tut mir so leid. Aber es passt einfach nicht. Und es ist auch so, Papa kommt nie mehr wieder. Vielleicht …« Sie stockte und schluckte heftig. »Vielleicht solltest du langsam beginnen, wieder ins Leben zu finden. Irgendwie muss das doch gehen. Du warst in den letzten Monaten so tapfer und traurig, hast so gelitten. Aber … Ist es nicht Zeit, einfach wieder zu leben, glücklich zu sein? Immerhin bist du erst fünfundvierzig.«
Sören erhob sich und ging nach draußen. Es war eine hilflose, aber auch eine rücksichtsvolle Geste. Simone war sich sicher, der Schwede hatte jedes Wort verstanden.
Immer noch starrte sie aus dem Fenster. Was sollte sie erzählen? Dass sie ihren Mann unsäglich vermisste? Dass sie fast jeden Tag zu seinem Grab ging und mit ihm sprach? Dass sie die Kartoffeln immer noch für ihn mitschälte und dann die Hälfte wegwarf? Dass sein Shirt noch auf dem Kissen neben ihr lag, obwohl es schon lange nicht mehr nach ihm roch?
Nein, darüber zu sprechen brachte nichts. Sie wischte sich über ihr Gesicht und lächelte gezwungen.
»Ich werde schon klarkommen. Mach dir keine Gedanken«, brachte Simone mit rauer Stimme heraus. Mit aller Macht versuchte sie die Tränen nach unten zu schlucken.
Ihre Tochter verdrehte die Augen. »Ach Mama, ich mach mir aber Gedanken, und David macht sich auch welche. Er kann das bloß nicht so zeigen«, sagte Sarah eindringlich und ergriff ihre Hände. Tief schaute sie ihrer Mutter in die Augen. »Mama, wir wollen nicht, dass du an deinem Geburtstag hier ganz allein sitzt. Wir wollen nicht, dass du jeden Tag nur rumhängst und zu Papas Grab gehst. Und wir wollen auch nicht, dass Oma kommt und dich mit ihren traurigen Geschichten noch weiter deprimiert.«
Simone musste innerlich schmunzeln. Sarah hatte recht. Ihre Mutter Antje hatte wirklich ein Händchen dafür, einen jeden schönen Moment binnen Sekunden zu verderben. Dabei hatte sie in der letzten Zeit auf ein stärkendes Wort von Antje gehofft, auf ein wenig Mut und Unterstützung, aber dies war nie gekommen. Wenn Simone nun an ihren Ehrentag dachte, sank ihre Vorfreude schlagartig in den tiefsten Keller. Nur sie und ihre Mutter, hier am Kaffeetisch, das konnte heiter werden. Das gleiche Szenario wie an Weihnachten würde sich wiederholen. Endlose Klagen und wehmütige Erinnerungen, die nicht dankbar, sondern schmerzhaft waren.
»Und deswegen hatten David und ich eine Idee.« Aufmunternd schaute Sarah sie an. »Vielleicht könntest du der ganzen Sache aus dem Weg gehen und irgendwohin verreisen?«, schlug sie vor.
»Verreisen, im Februar?« Simone starrte ihre Tochter verwirrt an. »Ich soll ganz allein irgendwohin fahren?«
»Warum denn nicht, viele machen das. Es gibt sogar Reiseunternehmen, die sich nur auf Alleinreisende spezialisiert haben. Ich hab da mal ein bisschen im Internet recherchiert und war erstaunt, was man alles machen kann. Schau es dir doch einfach mal an. Mach irgendwas, Mama.« Sarahs Stimme wurde eindringlicher. »Du warst früher immer so viel unterwegs, hattest deinen Job in Papas Firma, und nun bist du nur noch hier. Das kann doch nicht das Leben sein?«
›Doch‹, wollte Simone sagen, das war jetzt ihr Leben. Aber sie wusste, das stimmte nicht. Das wahre Leben wartete dort draußen, hinter dem Gartenzaun, jenseits des kleinen Reiches, das sie sich künstlich geschaffen hatte und in dem sie die Erinnerung an Tim krampfhaft aufrechterhielt. Hier war sie ihm nah, hier glaubte sie, ihn zu spüren, zu hören, zu riechen. Doch Tim war nicht mehr hier.
»Und weißt du was, Mama, ich bin mir sicher, Papa hätte das nicht gewollt. Er hätte dir Mut gemacht, wieder nach draußen zu gehen.« Dieser Satz saß, er erreichte einen Punkt in Simone, an den sanfte Worte nicht gelangen würden.
Sarahs Ansage klang immer noch in ihr nach, als Sarah und Sören schon längst gegangen waren. Sie hatte ihnen hinterhergewunken, und dabei waren dicke Tränen über Simones Wangen gelaufen.
›Papa hätte das nicht gewollt‹ – immer und immer wieder hörte sie Sarahs Stimme.
Später, im Bett, konnte sie nicht schlafen. Simone fand einfach keine Ruhe, wälzte sich hin und her und stand schließlich gegen fünf Uhr auf. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand hockte sie sich in den alten Lehnsessel im Wintergarten, schlang ihre Arme um die Beine und starrte aus dem Fenster. Wieder schneite es. Dicke Flocken segelten herab. Zum Glück wehte kein Wind, sonst konnte es schon mal passieren, dass die Hauptstraße zur nächsten Stadt blockiert war und kein Räumdienst durchkam. Hier draußen auf dem Lande tickten die Uhren anders. Bewusst hatten sie sich damals für Einsamkeit und Stille entschieden, da in der Firma genug Trubel geherrscht hatte.
Simone fand die Stille immer noch tröstlich, sie gab ihr Zeit zum Nachdenken und Grübeln. Im Grunde grübelte sie den ganzen Tag. Doch konnte es sein, dass sie bei allem Nachdenken vergessen hatte zu leben?
Eine Stunde später setzte sie ihre dicke Mütze auf, zog eine Strickjacke an und begann Schnee zu schippen. Sie schippte wie eine Wilde, und obwohl ihr der Schweiß ausbrach, machte Simone keine Pause. Ihre Lungen brannten vor Anstrengung, die Arme schmerzten, doch sie schippte weiter an der dichten Hecke entlang. Schaufel um Schaufel wanderte auf die Schneehaufen am Wegesrand, bis sie schließlich an der letzten Grundstücksecke angelangt war. Schwer atmend lehnte Simone sich einen Moment gegen einen Baum und blickte Richtung Feld. Ihr Herz hämmerte, und dennoch fühlte sie sich seltsam wach. Sie spürte ihren Körper, jede einzelne Faser – sie war am Leben.
In der Ferne sah sie das graue Band der Autobahn, wie ein Lindwurm wand es sich durch die Landschaft. Einzelne Lichter flackerten bis zu ihr und lockten sie in die Ferne, genau wie Sarahs Erzählungen über ihre Reisen. Langsam schlich sie zurück zum Haus und zog sich um.
Dann öffnete Simone das Garagentor und holte Tims schweren Geländewagen heraus. Für gewöhnlich fuhr sie nie mit seinem Auto, es war ihr einfach zu groß und sperrig. Aber heute, bei dem Schneefall, schien er ihr die bessere Wahl als ihr leichter Flitzer zu sein. Eine halbe Stunde später gelangte sie am Friedhof an. Niemand war zu sehen, kein Wunder, um diese Zeit und bei dem Wetter. Der von Bäumen umrandete Parkplatz lag verlassen. Auf den Stufen der kleinen Kapelle hatte sich eine riesige Schneewehe aufgetürmt.
Simone öffnete das quietschende Tor und setzte die ersten Fußspuren in die unberührte Schneedecke. Automatisch liefen ihre Beine. Erst geradeaus, dann an der dritten Reihe rechts, an der nächsten Gabelung links und dort, unter der alten Buche, lag Tims Grab. Unzählige Male war sie diesen Weg in den letzten Monaten gegangen. Manchmal drei- oder viermal an einem Tag.
Auf Tims Grabstein hatte sich eine hohe Haube aus Schnee gebildet. Erst wollte Simone sie fortwischen, besann sich dann aber und sank in die Knie. Die Tannenzweige, die sie Anfang November akkurat in den Boden gesteckt hatte, und das selbstgefertigte Gesteck lagen unter einer weißen Decke verborgen. Stumm musterte sie den Grabstein.
Anfangs war es ihr oft vorgekommen, als würde Tim direkt neben ihr stehen, so intensiv war seine Nähe gewesen. Manchmal hatte sie fast geglaubt, eine Berührung an ihrer Schulter zu spüren. Doch in den letzten Tagen veränderte sich etwas. Tim war nicht mehr präsent. Er war fort, an einem unbekannten Ort. Dort war er schon lange, diese vertraulichen Empfindungen gaukelte ihr nur ihre Fantasie vor. Simone schaute in den grauen Himmel. Eine herabfallende Schneeflocke landete auf ihrer Unterlippe, und sie leckte sie mit der Zunge weg.
Tim hätte der Schnee gefallen, er war für sein Leben gerne Ski gefahren. Er hatte es geliebt, wenn der Wind ums Haus heulte und das Auto beinahe in Schneewehen steckenblieb. Dann hatte er immer gelacht. ›Ach Mone, ist es nicht herrlich, so über den Schnee zu rutschen?‹ Und sie hatte sich am Sitz festgehalten und die Augen vor Angst fest zusammengepresst.
Simone holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich energisch.
»Sarah war gestern da, mit ihrem neuen Freund, Sören, einem Schweden. Sie passen gut zusammen, ich glaube, ihr beide hättet euch prima verstanden«, begann sie zu erzählen. »Ich hab Zweige von den Tannen abgeschnitten, sie sind so groß geworden. Und ich hab Sarahs Lieblingsessen gekocht, Roulade mit Klößen. Sören hat reingehauen, dass es mir angst und bange wurde. Das hättest du sehen sollen. Und heute Morgen hab ich schon Schnee geschippt, bis zum alten Meier. Der kommt kaum noch aus dem Haus, die Beine bereiten ihm arge Sorgen.« Dann machte Simone eine Pause und seufzte. »Sarah kommt an meinem Geburtstag nicht, David auch nicht – ich bin also mal wieder allein. Na ja, Mutter will kommen. Ich weiß gar nicht, ob ich mich darauf freuen soll. Am Geburtstag allein, schon der Gedanke ist, ist … Ach Scheiße ist das.« Simone schluckte hart. »Sarah sagt, ich soll verreisen, was für ein Quatsch. Da fühl ich mich ja noch einsamer.«
Trotzig wischte sie sich über das Gesicht.
Auf Tims Grabstein landete eine dicke Amsel. Mit energischen Bewegungen fegte sie den Schnee beiseite, reckte ihren Schnabel nach oben und sah sich um. Dann blickte sie genau in Simones Richtung. Ihre kleinen schwarzen Knopfaugen schauten sie intensiv an. Die Amsel legte den Kopf ein wenig schief und putzte sich. Dann plusterte sie ihr Federkleid auf und zwitscherte fröhlich.
Es war eine unwirkliche Situation. Simone hockte im Schnee und starrte das Tier an. Der Vogel war zum Greifen nahe, schien sie sehr wohl wahrzunehmen, aber keinerlei Angst zu verspüren. Sie fühlte eine eigenartige Verbundenheit mit dem Tier. Dann legte die Amsel ihren Kopf schief, sah sie ein letztes Mal an, breitete ihre Flügel weit aus und flog davon.
Solange sie konnte, fixierte Simone den schwarzen Punkt, der am bleigrauen Himmel immer kleiner wurde. Mit einem eigenartigen Gefühl kam sie nach oben.
Unsicher musterte sie den Grabstein, berührte ihn sanft und machte sich dann auf den Heimweg. Vorher hielt sie am Supermarkt des Nachbarortes und legte wahllos irgendwelche Dinge in ihren Wagen. Simone irrte durch die Gänge, während über ihr diskrete Musik aus den Lautsprechern dudelte und die Kunden in Kauflaune versetzen sollte. Beim Bäcker holte Simone noch ein paar Brötchen für ihren alten Nachbarn Herrn Meier und tuckerte dann vorsichtig nach Hause. Der schwere Wagen fuhr sich ungewohnt für sie, und ein paarmal schaltete sie krachend in den nächsten Gang. Doch sie bewältigte alle Schneewehen sicher und gelangte heil daheim an.
Gerhard Meier öffnete nach dem ersten Klingeln die Eingangstür seines kleinen Häuschens, das immer ein wenig windschief wirkte. Er wohnte schon sein ganzes Leben hier draußen und hatte damals die neuen Nachbarn mit offenen Armen empfangen. »Ach Simone, ich hab dich schon kommen sehen. Was für ein Wetter.«
»Ja, es hat ganz schön geschneit, ich hab Ihnen ein paar Brötchen mitgebracht.« Sie schnaufte und trampelte sich den Schnee von den Stiefeln.
Lächelnd sah der alte Mann sie an. Dicke Runzeln zogen sich über sein Gesicht. Vorne links fehlte ein Zahn. Da kaue er eben mehr rechts, sagte er immer lachend zu ihr.
»Willste einen Kaffee trinken?«
Erst wollte Simone ablehnen, besann sich dann aber und nickte zustimmend.
»Warst wohl wieder auf dem Friedhof?«, fragte Herr Meier, während er in der kleinen Küche herumwuselte.
»Ja, ich besuch Tim eben gern.« Simone strich über die Wachstuchdecke mit dem Rosenmuster.
»Versteh schon, da bist du ihm nahe. Denkst du zumindest. Ist aber Quatsch. Da liegt nur der Körper, Tims Seele ist dadrin.« Er deutete auf ihre Brust. »Simone, er kommt nicht wieder, und du bist noch so jung.«
Hatten sich momentan denn alle verschworen, das gleiche Thema anzusprechen?
Simone nickte vage. »Weiß ich ja.«
»Na, dann mach was. Geh raus, such dir irgendeinen Job, was weiß ich, irgendeine Aufgabe. Es ist nicht gut, nur mit uns Alten im Dorf zu tun zu haben. Die Kinder sind weit weg, die haben ihr eigenes Leben.«
Sie drehte den heißen Kaffeepott in ihren Händen und schwieg.
»Musst nix sagen, aber glaub einem alten Mann. Jeder kann noch einmal eine neue Liebe finden. Und manchmal, wenn man gar nicht danach sucht. Das Leben ist nicht dafür da, allein zu bleiben. Tim hätte das nicht gewollt.«
Jetzt war es genug, sie wollte das nicht hören. Diese Ratschläge, immer und immer wieder. Niemand wusste, wie es ihr ging. Keiner konnte sich in ihre Gefühlswelt hineinversetzen.
Simone wollte den Kaffeepott auf den Tisch knallen, besann sich aber in letzter Sekunde. Versöhnlich schob sie die Tasse Richtung Tischmitte und schaute ihrem Nachbarn in die Augen. Sie wusste, er meinte es nur gut. Alle meinten es nur gut, und das regte sie am meisten auf. »Ich muss dann mal, Herr Meier«, murmelte sie leise. »Hab die Einkäufe noch im Auto.«
Lächelnd sah er sie an. »Willst es nicht mehr hören, ich weiß schon.«
Simone stürzte nach draußen und sog die eiskalte Luft tief in ihre Lungen. Zurück ins Leben kehren, verreisen – leichter gesagt als getan. Doch die immer gleichen Worte ließen sie nicht mehr los.
Selbst als sie sich am Abend eine heiße Wanne einfüllte und ihren Kopf unter Wasser tauchte, waren sie in ihrem Schädel und wollten einfach nicht verstummen. Hoch türmte sich der Schaum vor Simones Gesicht, und sie pustete ihn mit spitzen Lippen nach hinten. Weiche Flöckchen flogen davon und landeten auf ihren herausschauenden Zehen.
Sarah hatte sicher recht, Tim hätte das nicht gewollt, und Simone wusste das. Er würde sie schütteln und rütteln, sie vielleicht sogar anschreien und auf ihre unglaubliche Sturheit verweisen. Und doch war da diese lähmende Schwere. Die Angst, es ohne ihn nicht zu schaffen. Immer hatten sie alles zusammen gemacht. Ohne ihn? Da fehlte doch ein Teil, wie sollte das gehen?
Vielleicht musste sie es einfach nur wollen, sich zwingen. Hatte ihre Ärztin vor Kurzem nicht auch so etwas zu ihr gesagt? Dass sie in einer neuen Trauerphase angekommen sei oder so?
Simone stierte die Wand an, genauer die Fliesen, die sie von einem Urlaub aus Italien mitgebracht hatten. Tim hatte sie in einem kleinen Laden in der Toskana entdeckt, und sie hatten sich augenblicklich verliebt. Alles hier erinnerte sie an ihn, jeder Quadratzentimeter. Aber trug sie ihn nicht sowieso in ihrem Herzen? War er nicht automatisch bei allem, was sie tat, mit dabei? Was wäre, wenn sie ihn einfach mitnahm auf eine Reise? Der Gedanke gefiel Simone von Minute zu Minute mehr. Mittlerweile war das Badewasser kalt geworden. Mit einem Ruck trank sie das Glas Rotwein aus, stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und hüllte sich in ihren weichen Bademantel. Mit nackten Füßen tappte Simone in das kleine Büro und schaltete den Rechner ein.
Dann fixierte sie den Bildschirm. Im Februar verreisen, was für eine Schnapsidee, darauf konnte auch wirklich nur Sarah kommen. Simones Finger schwebte über der Ausschalttaste. Doch irgendetwas in ihr ließ sie eine Suchmaschine aufrufen.
Simone starrte den Bildschirm an und dachte nach. Wonach sollte sie suchen? Reisen für Alleinstehende tippte sie schließlich ein und registrierte erstaunt, wie viele Angebote es gab.
Wahllos klickte sie auf verschiedene Homepages und schaute sich die Angebote an. Da gab es Kreuzfahrten für Singles. Simone vergrößerte eines der Bilder und musterte die Reisenden. Erstaunlich viele Männer und Frauen aller Altersklassen lachten in die Kamera. Doch eine Kreuzfahrt – sie hatte in ihrem Leben eine einzige gemacht, und dabei war ihr furchtbar schlecht geworden. Tim hatte sie endlos damit aufgezogen, denn ihm war es gutgegangen. Also fiel eine Kreuzfahrt schon mal aus.
Die zahlreichen Busreisen wählte sie ebenfalls augenblicklich ab, denn das Alter der Teilnehmer schien zum großen Teil jenseits der siebzig zu liegen. Da waren haufenweise Rentner mit Rollatoren und Krücken. Das war vermutlich eher was für ihre Mutter. Mit einem Haufen Rentner durch die Welt zu reisen kam nicht infrage.
Dann gab es noch ganz spezielle Singlereisen. Aber irgendwie zielten die aus ihrer Sicht alle darauf ab, einen neuen Partner zu finden. Zumindest deutete sie die Texte so. Da gab es Tanzabende, intime Abendessen und sonst was. Diese Ambitionen hatte Simone nicht im Geringsten und spürte sogleich eine starke Abwehr.
Als sie die Suche schon fast aufgeben wollte, stieß sie auf eine letzte Seite, die den Namen Utas Reiseblog trug. Der fettgedruckte Text zog ihre Blicke geradezu magisch an.
Wir, drei reiselustige Damen, suchen eine Mitreisende, damit unser Kleeblatt endlich wieder vierblättrig ist. Wenn Du Lust hast, Anfang des Jahres mit uns auf Reisen zu gehen, melde Dich.
Ein großes Foto prangte darunter. Vier Frauen saßen auf einer flachen Steinmauer mit dem Meer im Rücken. Alle lachten glücklich in die Kamera und hielten sich im Arm. ›Griechenland zweitausendsechzehn‹, stand unter dem Foto.
Neugierig klickte Simone sich durch alle Menüpunkte. Eins musste man den Damen lassen, sie kamen ganz schön in der Welt herum – Thailand, USA, Dubai, Frankreich und so weiter. Die Berichte über die einzelnen Reisen waren total witzig verfasst und weckten die Sehnsucht, all diese Orte eines Tages mal selbst aufzusuchen.
Simone nagte an ihrer Unterlippe und sprang auf der Homepage hin und her. Wenn sie ehrlich war, gefiel ihr der Gedanke, so zu reisen. Die Frauen wirkten sympathisch, das Konzept irgendwie entspannt.
›Warum allein die Welt entdecken, wenn man es gemeinsam tun kann?‹, stand da. ›Gemeinsam macht alles mehr Spaß.‹ Da war definitiv irgendwas dran.
Doch auf dem Bild waren vier Frauen zu sehen. Hatte eine von ihnen die Gruppe verlassen? Was war mit ihr geschehen? Vielleicht war der Aufruf schon vollkommen veraltet? Simone scrollte die Seite hoch und runter, immer und immer wieder. Dabei fiel ihr Blick auf die unten angegebenen Kontaktdaten. Erstaunlicherweise wohnte diese Uta nicht weit von ihr entfernt, in der nächsten größeren Stadt.
Simone überlegte, sollte sie oder sollte sie nicht? Anfang des Jahres, das war ein dehnbarer Begriff. Vielleicht waren die reiselustigen Damen jetzt schon unterwegs. Der Drang, den Laptop zu schließen, wurde stärker. Dann fiel ihr Blick auf Tims Foto, das auf ihrem Schreibtisch stand. Lachend schaute er in die Kamera. Sie selbst hatte dieses Bild geschossen, während eines ihrer letzten Urlaube an der Ostsee. Sie waren damals in ein kleines Hotel nach Ahrenshoop gefahren, im November, bei schrecklichem Wetter. Fast die ganzen Tage hatte es wie aus Kannen geschüttet und gestürmt, dass ihnen fast die Luft weggeblieben war. Und doch war es einer ihrer schönsten Urlaube gewesen. Halbe Tage hatten sie im Bett verbracht und dem Heulen des Sturmes gelauscht. Oder sie hatten lange Strandwanderungen gemacht und anschließend heißen Grog in einem winzigen Café getrunken. An einem Nachmittag hatte sich dann doch für einen kleinen Moment die Sonne gezeigt, und Simone hatte spontan auf den Auslöser gedrückt. Tim lachte, während hinter ihm das Meer tobte. Verliebt sah er sie an, und ihr Herz schmerzte wieder. Es war nur ein Foto, nur ein Stück Papier. Und doch glaubte sie, seine Stimme zu hören, die fast ein wenig spöttisch klang.
Nun komm schon, Mone, schreib diese verdammte Mail und hör endlich auf mir hinterherzutrauern.
Simone straffte sich und begann zu schreiben. Wenn sie es jetzt nicht tat, würde sie es nie machen. Außerdem war es nur ein Versuch, vermutlich würde sich sowieso niemand melden.
Hallo, mein Name ist Simone. Suchen Sie noch eine Ergänzung für Ihr Reisequartett? Wenn ja, ich hätte Interesse. Dann drückte sie auf die Absende-Taste und lehnte sich zurück. Obwohl noch gar nichts passiert war, klopfte ihr Herz bis zum Hals. Soeben hatte sie einen wichtigen Schritt gemacht, raus aus diesen vier Wänden. Beschwingt lief Simone Richtung Küche und goss sich den letzten Rest Rotwein von gestern Nachmittag in ihr Glas. Sie fühlte sich gut, ihre Tochter Sarah hatte recht gehabt.
Ein leises ›Kling‹ aus dem Arbeitszimmer ertönte. Unmöglich, sollte sie etwa schon eine Antwort haben? Hektisch stürzte Simone zum Laptop und fiel dabei fast über die Teppichkante. Der Nachrichtenbutton ihres Postfaches blinkte. Gespannt klickte sie ihn an.
Hallo Simone! Ja, wir sind immer noch auf der Suche. Wie alt bist du denn?
Ihr Herz klopfte und schlug schneller.
Ich bin fünfundvierzig, schrieb sie zurück.
Kurze Zeit später kam die Antwort: Das passt hervorragend, wir sind alle zwischen vierzig und fünfzig. Nun würde ich gern wissen, Simone, bist du eine spontane Frau?
Augenblicklich rutschte ihr Herz in die Hose. Was für eine Frage. Oh Gott, was meinte die andere denn? Sie überlegte kurz und schrieb dann: Ganz ehrlich, keine Ahnung. In den letzten Monaten war ich zumindest nicht sehr spontan.
Ein Lachsmiley kam zurück und folgende Zeilen. Da würde ich sagen, auch das passt. Wer ist schon immer spontan? Wir sehen uns Mittwochabend, neunzehn Uhr, im Goldenen Wagen. Entweder du kommst oder du kommst nicht. Und dann schauen wir mal, ob wir alle zueinanderpassen. Liebe Grüße Uta
Simones Finger schwebte über der Tastatur. Noch einmal schaute sie Tims Bild an.
Ich komme, bis nächste Woche, liebe Grüße zurück. Mit festen Fingern hämmerte sie die wenigen Worte und spürte augenblicklich eine unglaubliche Befreiung.
Im Bett kuschelte sie sich auf Tims Shirt, so wie sie es jeden Abend tat. Simone vergrub ihr Gesicht in dem weichen Stoff. Dann hielt sie inne. Und aus einer inneren Eingebung heraus schob sie das Shirt zur Seite und heulte, bis sie der Schlaf in sein Reich holte.
2
Mittwochabend irrte Simone mit ihrem Auto auf der Suche nach einem Parkplatz durch die Straßen. Schon lange war sie nicht mehr in der Altstadt gewesen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, einen Bus zu nehmen. Der Platz, den sie für heute Abend anvisiert hatte, war blockiert mit den Buden eines Marktes – ›Wintergaudi‹ stand da.
Hektisch sah Simone sich um, während hinter ihr ein Autofahrer hupte. Ungeduldig hob sie den Arm und gestikulierte nach hinten.
»Nun hör doch endlich auf, du Arsch«, murmelte Simone vor sich hin.
Schließlich tuckerte sie im Schritttempo die Hauptstraße entlang und betete, dass im nahegelegenen Parkhaus des Einkaufszentrums noch ein Plätzchen für sie frei war und auf dem Weg dahin kein Fußgänger vor ihr Auto rannte. Menschen walzten über die Gehwege, viele mit Einkaufstüten in ihren Händen. Erstaunt sah Simone die Massen und stellte fest, dass sie das wahre Leben in letzter Zeit tatsächlich vergessen hatte.
Der Gott des Parkens schien dann doch ein Einsehen mit ihr zu haben. Mit viel Glück fand Simone eine reichlich schmale Lücke in der hintersten Ecke des Parkhauses. Sie kurvte unzählige Male vor und zurück, nur um am Ende genau wie vorher dazustehen. Kritisch musterte sie die anderen Autos. »Was soll`s, so muss es einfach gehen«, murmelte sie sich zu. »Der Typ neben mir kommt auf jeden Fall raus, das ist das Wichtigste.«
Ihre Uhr zeigte bereits sieben.
»Auch das noch!« Simone stöhnte. Sie war zu spät und das, wo sie sonst nie zu spät kam. Ausgerechnet heute, was würde das für einen Eindruck auf die anderen Frauen machen. Sie kam sich vor, als wäre sie auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch, und so abwegig war der Vergleich nicht mal.
So schnell sie konnte, hastete Simone über die Treppen des Parkhauses. Draußen musste sie sich einen Moment orientieren. Dann erkannte sie die kleine Buchhandlung, in der sie früher ein paarmal gewesen war. Mit knappen Schritten tippelte sie den vereisten Gehweg entlang und wäre beinahe gestürzt. Es war kalt geworden. Der am Wochenende gefallene Schnee war angetaut, in der abendlichen Kälte erneut gefroren und bedeckte nun als Eisschicht die Gehwege.
Mit einer Viertelstunde Verspätung erreichte Simone die Gaststätte Zum goldenen Wagen und riss die Tür auf. Heiße Luft schlug ihr entgegen und raubte ihr für einen Moment den knappen Atem. Der soeben absolvierte Sprint ließ sie keuchend nach Luft ringen. Lautes Stimmengewirr erfüllte die Gaststätte, die brechend voll war. Es war eines dieser typisch gutbürgerlichen Restaurants, in denen es solide Hausmannskost gab und die Teller reichlich gefüllt waren. Unsicher sah sie sich um. Wie sollte sie denn hier ihre heutige Verabredung finden?
Doch da erhob sich eine blonde Frau von einem Ecktisch und winkte wie wild in ihre Richtung?
»Bist du Simone?«, schrie sie ihr entgegen.
Simone winkte zurück und durchquerte den Gastraum. Am Ecktisch saß noch eine zweite Frau. Sie trug die grauen Haare kurzgeschnitten, eine randlose Brille saß auf ihrer Nase. Bekleidet war sie mit einem schlichten Shirt und einer dunklen Hose. Ernst, fast schon abweisend schaute sie Simone entgegen.
Die blonde Frau, die sich als Uta vorstellte, war das komplette Gegenteil ihrer Tischnachbarin. Ihre Haare waren zu einer wilden Hochsteckfrisur aufgetürmt, aus der sich einzelne Strähnen gelöst hatten. »Simone, wie schön, dass du gekommen bist. Setz dich doch. Das ist Julia, und die Dritte im Bunde, unsere liebe Inga, ist mal wieder zu spät, wie fast immer. Wir sind schon so gespannt auf dich, das glaubst du gar nicht.«
Simone setzte sich auf die Eckbank und reichte den Frauen ihre Hand. Während Uta sie fast in ihre Arme riss, gab sich Julia zurückhaltend und murmelte etwas Unverständliches.
»Ich bin leider auch zu spät. Irgendwie fand ich nirgends einen Parkplatz«, meinte Simone schweratmend. »Dieser Wintermarkt, den hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Die letzten Meter bin ich etwas schneller gelaufen, und jetzt fehlt mir die Puste.«
»Tja, das ist das Alter«, sagte Uta grinsend. »Da lässt die Kondition langsam nach. Wir sehen das nicht ganz so eng mit der Pünktlichkeit, mach dir keine Gedanken. Wir freuen uns einfach riesig, dass endlich jemand auf unsere Zeilen reagiert hat, stimmts, Julia?« Die stumme Tischgenossin bekam einen Rempler verpasst und nickte schließlich. »Was willst du trinken, Simone?«
Simone musterte die anderen Gläser. »Ich nehme eine Apfelschorle.«
Uta erhob sich halb von ihrem Sitz und winkte dem Kellner zu.
»Freddy, bring mal eine Apfelschorle«, schrie sie gegen den Lärm an. Kurze Zeit später stand ein Glas vor Simone.
In diesem Augenblick öffnete sich erneut die Tür, und eine vollschlanke Frau mit roten langen Haaren rauschte heran. Sie war in einen wallenden Fummel gehüllt, trug eine riesige Brille, und eine Kette mit großen bunten Kugeln hing vor ihrem üppigen Busen. Schweratmend sank sie auf den einzig freien Stuhl, ergriff die Speisekarte und fächelte sich Luft zu. »Guter Gott, diese Menschenmassen machen mich fertig. Keine Parkplätze, verstopfte Gehwege und das im Januar. Dann noch diese beschissenen Schuhe – hätt ich mir die nur nicht gekauft, fünfhundert Euro.« Sie hob ihr Bein ein paar Zentimeter über die Tischkante und zeigte ihre hohen Haxen. »Der Verkäufer war echt süß, aber leider schwul. Früher hab ich Mordsabsätze getragen und heute … Ich glaube, in einem Jahr kreuze ich hier mit Birkenstockschlappen auf. Nix für ungut, Julia, zu dir passen die Latschen ja auch, aber zu mir? Und dann diese Hitzewellen. Keines dieser blöden Hormonmittel bewirkt auch nur das Geringste, im Gegenteil. Oben Hitze, unten Trockenheit. Es ist echt zum Verzweifeln.«
Erst jetzt schien sie Simone zu bemerken, die den Monolog mit einer Mischung aus Sprachlosigkeit und Belustigung verfolgt hatte.
»Ach, und das ist wohl unsere neue Kandidatin. Freut mich, ich bin Inga, und du bist bestimmt Simone. Wir sind alle schon so gespannt auf dich.«
»Gespannt, das sind wir wirklich, falls wir jemals in diesem Leben nochmal zu Wort kommen werden«, meinte Uta sarkastisch und nahm einen Schluck Bier.
»Ja, Herrgott, ich bin ja schon still. Aber manchmal muss es eben raus. Mein Tag war echt fürchterlich. Nur irgendwelche orientierungslosen Kunden, die Geschenke suchen und nicht wissen, was sie wollen. Als ob ich das wüsste. Und dann empfiehlt man was, und es ist auch nicht richtig. Ich hab einen Schmuckladen«, fügte sie erklärend an. Inga fing einen knappen Blick von Uta auf und hob kapitulierend die Hände. »Schon gut, ich schweige ab sofort. Also, Simone, du bist dran. Erzähl doch mal ein bisschen was über dich. Warum würdest du gerne in unsere kleine Reisegesellschaft kommen?«
Drei Augenpaare schauten Simone gespannt an, und sie bemerkte, wie ihr Herz schneller klopfte. Mein Gott, was sollte sie sagen, was wollten die anderen denn wissen?
»Na ja, eigentlich war das die Idee meiner Tochter. Die meinte, ich müsste mal raus.« Dann sprudelten die Worte wie von allein. Simone erzählte von ihrem Leben. Wie sie ihren Mann vor über drei Jahren bei einem Motorradunfall verloren hatte, wie sie vollkommen in Trauer versunken war und dass sie nun glaubte, diese Zeit beenden zu wollen. Sie sprach von ihrem Zuhause, ihrem Garten, der Liebe zu Blumen, ihren beiden Kindern und was sie sonst so machte. Und natürlich von dem bevorstehenden Geburtstag, den sie auf keinen Fall mit ihrer Mutter verbringen wollte. Besonders für die letzte Aussage erntete Simone verständnisvolles Nicken.
Dann herrschte Stille, die Inga nach einer Weile mit den Worten »Also, wenn ihr mich fragt, ich hab jetzt Hunger« unterbrach. Eifrig blätterte sie in der Speisekarte und sah Simone fragend an. »Du auch?«
Die rang sich ein »Ich hab schon was ausgesucht, danke« ab. Unsicher blickte sie die Frauen an. Hatte sie zu viel erzählt, das Falsche oder gar zu wenig? Wie war dieses Schweigen zu deuten? Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, hierherzukommen, und sie war noch nicht so weit.
Doch in diesem Moment fuhr Inga fort: »Also, wenn ihr mich fragt, ich glaube, Simone passt hervorragend zu uns. Vier sind immer besser als drei.« Gelassen wedelte sie sich mit der Speisekarte Luft zu. »Außerdem bin ich überzeugt, dass dir ein wenig Abwechslung sehr guttut, liebe Simone. Ich hab zwar auch schon Männer verloren, aber nicht durch Tod, sondern nur durch Scheidung. Und ja, ich weiß, das kann man nicht vergleichen«, fügte sie an, als die ruhige Julia aufbegehren wollte. »Ich bin trotzdem sicher, ahnen zu können, wie es dir geht. Du wirkst todtraurig und zwanzig Jahre älter, als du eigentlich bist. Nicht böse sein, ich will nur ehrlich sein.«
Uta verdrehte die Augen. »Das ist genau das, was Simone jetzt hören will. Zwanzig Jahre älter, also wirklich. Wie auch immer, ich könnte mir ebenfalls gut vorstellen, mit dir auf Reisen zu gehen. Ich hab meinen Mann vor sechs Jahren verloren. Bleibt nur noch unsere Julia.«
Uta blickte lächelnd die stille Frau an, die bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt hatte.
Julia drehte das Glas Wasser zwischen ihren Händen und starrte auf den Tisch.
»Keine Ahnung, ich weiß nicht«, meinte sie nach einer Weile gedehnt und zuckte mit den Schultern.
»Julia, Grit kommt nicht wieder.« Uta legte ihr die Hand auf den Arm und schaute sie eindringlich an. »Sie hat eine neue Liebe gefunden. Und das müssen wir akzeptieren, ob dir dieser Typ an ihrer Seite nun gefällt oder nicht. Alles ist ihre Entscheidung.« An Simone gewandt meinte sie: »Grit war deine Vorgängerin, sie hat einen neuen Partner gefunden und ist deswegen nicht mehr mit uns unterwegs. Sie und Julia haben sich sehr gut verstanden und waren eng befreundet.«
Bei diesen Worten zuckte die stumme Frau heftig zusammen und schaute Uta finster an. Zum Glück unterbrach der Kellner das Gespräch in diesem Moment und nahm ihre Bestellungen entgegen.
»Ich weiß ja, dass Grit nicht wiederkommt. Aber ich finde, es geht alles so schnell. Vielleicht sollten wir Simone erst einmal etwas über unsere Art zu reisen erzählen«, sagte Julia nach einer Weile. »Immerhin muss sie entscheiden, ob sie mit uns unterwegs sein möchte.«
»Die spontanen Entscheidungen im Leben sind meist die allerbesten. Aber dann mach doch, erzähl ihr etwas«, meinte Uta.
Julia schaute sie ernst an. Ihre Augen waren groß und dunkel. »Also gut, wir drei, also eigentlich vier, kennen uns seit fünf Jahren. Wir haben uns auf einem Schiff kennengelernt, während einer Kreuzfahrt für Alleinreisende.«
»Die schrecklich war, nur alte Leute auf diesem Kahn«, unterbrach Inga.
»Aber wir vier verstanden uns sofort und hatten eine gute Zeit. Wir fanden es schade, einfach so auseinanderzugehen.
Deshalb beschlossen wir, probehalber zusammen eine Reise zu unternehmen. Das funktionierte so gut, dass wir unseren kleinen Reiseclub gründeten. Wir wählen also seitdem gemeinsam unsere Ziele aus, jemand macht einen Vorschlag, und dann wird abgestimmt. Das Votum muss einstimmig sein, sonst suchen wir uns ein anderes Ziel. So vermeiden wir, dass hinterher jemand rummeckert. Meist sind wir zweimal im Jahr unterwegs, je nachdem. Wir sind alle selbstständig und können uns unsere Zeit frei einteilen. Flug und Essen bezahlt jeder allein. Wir schlafen meist getrennt und teilen uns nur die Kosten für Mietwagen oder ein eventuelles Ferienhaus. Ausflüge, Wanderungen und so weiter machen wir zusammen, man kann aber auch durchaus mal allein was unternehmen.«
»Zum Beispiel, um abends tanzen zu gehen«, warf Inga grinsend dazwischen und wackelte mit den Hüften.
Julia seufzte und verdrehte die Augen. »Ja, genau. Wir machen keine wilden Shoppingtouren, sondern möchten etwas von Land und Leuten sehen. Und wenn wir zu viert unterwegs sind, gibt es keine Männergeschichten. Das bedeutet: Sollte eine von uns jemanden kennenlernen, darf sie gerne mit ihm einen Ausflug machen, sie bringt ihn aber nicht zu unseren gemeinsamen Aktivitäten mit.
Uta führt den Blog im Internet, das hat damit zu tun, dass ihr ein Reisebüro gehört. Deswegen bucht sie für uns immer Flüge und Hotels, was einiges erleichtert. Der Blog ist ihre ganz private Geschichte.
Solltest du für dich entscheiden, dass diese Art des Reisens nicht mehr zu deinem Leben passt, darfst du uns selbstverständlich jederzeit verlassen, wie Grit es getan hat. Es gibt keine Verträge oder so. Das Wichtigste kommt zum Schluss.« Julia machte eine kurze Pause. »Wir legen großen Wert auf Ehrlichkeit und ein faires Miteinander. Wer ein Problem mit einer anderen Frau hat, sollte das mit dieser Frau klären und nicht anders. Wir dulden keine Lästereien, obwohl Frauen nun mal gerne lästern – doch nicht bei uns.
Und nun musst du entscheiden, ob du dich mit unserer Art zu reisen anfreunden kannst und ob du spontan bist, denn unsere nächste Reise steht ja unmittelbar bevor.«
»Stimmt.« Uta nickte. »Eigentlich machen wir uns in zehn Tagen auf den Weg. Diesmal geht es auf die Azoren, genauer nach São Miguel.«
Simone durchforstete ihren Geist, Azoren, das hatte sie schon einmal gehört, aber eher in Verbindung mit dem Wetterbericht. War da nicht immer von einem Azorenhoch die Rede?
»Falls du dich fragst, wo um Gottes willen dieses Eiland liegt, wir können dir helfen. Denn außer Julia, die uns dieses Reiseziel vorgeschlagen hat, wusste keine von uns, wo sich die Azoren befinden.« Inga warf ihre feuerroten Haare zurück und holte Luft. »Also, stell dir die Strecke zwischen hier und Amerika vor. Und nach etwa einem Drittel des Weges lässt du einen Fliegenschiss auf die Landkarte plumpsen. Da in etwa liegen die Azoren.«
Uta, die gerade etwas getrunken hatte, prustete beinahe über den kompletten Tisch. »Treffend beschrieben. Man könnte sagen, außer schöner Landschaft ist dort nichts los. Aber wir alle brauchen dringend ein bisschen Ruhe und Erholung. Und wir wollen dem tristen Wetter in der Heimat entfliehen. Deswegen sind wir Julias Vorschlag gefolgt.«
In Simones Kopf drehte sich alles. Die Frauen waren ihr sympathisch, zwar sehr unterschiedlich, aber sie war sicher, sie würde sich mit ihnen verstehen. Genau das hatte sie gewollt – ihren Geburtstag nicht allein feiern und dem grauen Wetter entfliehen.
Tim kam ihr in den Sinn. Was würde der wohl sagen? Vermutlich wäre er erst mal verblüfft, doch dann würde er ihr zuraten und sie auf die Reise schicken.
Der Kellner brachte das Essen und verschaffte ihr noch eine Sekunde zum Nachdenken.
»Du kannst es dir ja durch den Kopf gehen lassen, vielleicht bis morgen«, nuschelte Inga und schaufelte bereits Spaghetti in ihren Mund. »Nicht dass wir dich überreden, und du überlegst es dir am Ende nochmal anders.«
Nochmal überlegen, noch eine Nacht drüber schlafen? Auf keinen Fall. »Nein«, sagte sie laut und haute mit der Hand auf den Tisch, dass die anderen zusammenzuckten. Plötzlich wusste Simone genau, was sie wollte. »Nein, wisst ihr was. Ich komme mit, ich sage Ja! Denn, wenn ich jetzt nicht zusage, überlege ich es mir vielleicht noch einmal anders, so bin ich nämlich. Ich will auf keinen Fall an meinem Geburtstag allein zu Hause sein und einsam mit meiner Mutter an der Kaffeetafel hocken. Und ich will auf keinen Fall mit irgendwelchen stockfremden Leuten oder mutterseelenallein durch die Weltgeschichte reisen – das schaffe ich nicht.«
»Ehrlich?« Uta legte das Besteck auf ihren Teller und griff zum Glas. »Ich finde das total Klasse. Du hast eine spontane Entscheidung getroffen, und ich bin sicher, du wirst es nicht bereuen. Es werden drei wundervolle Wochen auf den Azoren. Also sind alle einverstanden, wollen wir Simone in unsere Reihen aufnehmen?« Drei Köpfe nickten. »Okay, dann sag ich mal: Auf unser neues Teammitglied Simone und auf Grit. Möge sie mit ihrem neuen Partner glücklich werden, und möge Simone sich bei uns wohlfühlen.«
Drei Gläser erhoben sich. Als Letztes nahm Julia das ihre, lächelte verhalten, ließ es dann aber doch mit den anderen zusammenstoßen.
3
Die wenigen Tage bis zur Abreise vergingen wie im Flug. Es war so vieles zu organisieren, und Simone kam gar nicht richtig dazu, über alles nachzudenken.
Spät in der Nacht war sie an diesem denkwürdigen Abend in ihr Bett gesunken. Fast als Letztes hatten die Frauen die Gaststätte verlassen und vorher stundenlang Pläne für ihren Aufenthalt geschmiedet. Selbst die ruhige Julia war am Ende aufgetaut und hatte munter mitgeplaudert. Simone fühlte sich in diesem Quartett jetzt schon wohl und willkommen. Auf dem Heimweg war sie beim Friedhof vorbeigefahren und zu Tims Grab geschlichen. Normalerweise war das Betreten des Friedhofs nach Einbruch der Dunkelheit verboten, doch Simone war sicher, niemand würde sie sehen. Atemlos hatte sie ihrem Mann in stockdunkler Nacht von den Neuigkeiten berichtet. Dann hatte sie geschwiegen und spontan den Schnee vom Grabstein gewischt.
»Mach`s gut, Tim, in den nächsten Tagen werde ich nicht so häufig kommen. Es ist viel zu tun. Aber ich verspreche dir, ich nehme dich mit auf diese Reise.«
Ohne sich umzudrehen, war sie gegangen, und es fühlte sich gut an. Später im Bett hatte Simone vor lauter Aufregung kein Auge zugetan. Doch es war eine positive Vorfreude gewesen, und zum ersten Mal seit vielen Monaten glaubte sie, endlich wieder bei sich angekommen zu sein. Es gab ein Ziel, und es gab einen Plan, dem sie folgen konnte.
Gleich am nächsten Morgen fuhr sie erneut in die Stadt. Sie war mit Uta in deren Reisebüro verabredet. Diese hämmerte wie wild auf ihrer Tastatur herum. »So, da schauen wir mal, eigentlich ist der Flieger schon ausgebucht. Aber es ist immer gut, wenn man jemanden an den richtigen Stellen kennt.«
Uta schaffte es tatsächlich, ihr wie durch Zauberhand noch einen Platz im Flieger zu organisieren. Beim Hotel war das schon einfacher. Sie starrte auf den Bildschirm und klatschte dann in die Hände. »Perfekt, ich hab dir ein Doppelzimmer mit Meerblick gebucht, na ja, eigentlich gibt`s dort nur Meerblick. Schau mal.«
Die Reisebüroinhaberin drehte den Bildschirm in ihre Richtung.
Simone erblickte ein Hotel, das fast mit den dunklen Felsen verschmolz, vor denen es erbaut worden war. Direkt an den Klippen gelegen, konnte man von jedem Zimmer auf den Atlantik schauen. Simone sah das Blau des Meeres und fühlte, wie ihre Vorfreude auf diese Reise wuchs. »Wunderschön, einfach traumhaft.«
»Finde ich auch. Na hoffen wir mal, dass das Wetter mitspielt. Ganz so grün wie auf dem Bild wird es nicht sein, immerhin herrscht auf den Azoren auch Winter. Aber Temperaturen zwischen fünfzehn und achtzehn Grad sind schon mal wesentlich besser als unser Schmuddelwetter. Ach, das wäre übrigens unsere nächste Regel – über das Wetter wird nicht gemeckert. Wir packen alle regenfeste Wandersachen ein. Das solltest du auch tun. Da bist du für alle Fälle gerüstet.«
Simone legte ihre Stirn in Falten. »Wandersachen, okay, da muss ich nochmal los. Die hab ich nicht, nur reichlich Skisachen.«
»Na, mit Skisachen dürfte es dann doch ziemlich warm werden.« Uta lachte und schaute auf die Uhr. »Wenn du noch ein wenig Zeit hast, meine Mitarbeiterin kommt in einer halben Stunde. Dann könnte ich mit dir zusammen gehen. Ich brauch auch noch ein paar Dinge.«
»Ehrlich? Das wäre klasse.«
Zehn Minuten später trudelte Utas Mitarbeiterin ein, eine kleine rundliche Frau mit Hasenzähnen und üppigen Locken auf dem Kopf. Sie redete unablässig und ließ ihre eigene Chefin kaum zu Wort kommen.
»Meine Frau Lehmann, spricht ein wenig viel, verkauft aber die teuersten Reisen mit Leichtigkeit. Ich bin echt froh, dass ich sie habe. Man sollte sich nie von Äußerlichkeiten ablenken lassen«, meinte Uta schmunzelnd, während sie wenig später über den Gehsteig hasteten.
Ein paar Straßen weiter lag ein Sportgeschäft. Ein hochgewachsener Verkäufer mit schütterem Haar und leichten Froschaugen kam auf der Stelle herbeigestürzt. »Was kann ich für Sie tun?«
Hilfsbereit sah er sie an.
»Wir brauchen eine Wanderausrüstung für meine Freundin, wir fahren ein paar Tage auf die Azoren. Was können Sie uns denn empfehlen?«, fragte Uta forsch.
Amüsiert beobachteten die beiden Frauen, wie der Typ sich ins Zeug legte. Er raste durch den Laden, als hinge von dieser Beratung sein Leben ab. Aus allen Ecken des Geschäftes schleppte er Schuhe, Hosen, Jacken, Shirts und Rucksäcke herbei und breitete diese auf der Ladentafel aus.
»Ich glaub, der steht auf dich«, raunte Uta ihr zu, während Simone sich wenig später in einer Wanderhose vor dem Spiegel hin und her drehte und der Verkäufer begeistert ihr Hinterteil musterte.
Augenblicklich schoss ihr die Röte in die Wangen. »So ein Quatsch«, flüsterte Simone zurück und schielte verlegen in Richtung des Mannes. »Der kriegt bestimmt nur eine ordentliche Provision.«
»Das glaubst auch nur du. Sieh doch, wie der dich anstarrt, vor allem deinen Hintern. Würde mich nicht wundern, wenn der dich noch nach deiner Telefonnummer fragt«, sagte Uta lachend.
»Bitte nicht, das würde mir gerade noch fehlen.« Zu Simones Erleichterung tat der Mann dies nicht, suchte aber immer wieder Blickkontakt zu ihr. Eine Stunde später verließ sie um fast tausend Euro ärmer und zwei vollgepackte Tüten reicher den Laden. »Danke für deine Unterstützung, ich wäre vollkommen aufgeschmissen gewesen.«
»Freut mich, wenn ich helfen konnte. Aber jetzt muss ich zurück ins Reisebüro. Ich bin schon froh, dass meine Mitarbeiterin mich für die Zeit meiner Reise vertritt. Da will ich ihren guten Willen nicht überstrapazieren.« Die beiden Frauen umarmten sich herzlich, und beschwingt machte Simone sich auf den Heimweg.
Ein Gefühl von Freundschaft stellte sich bei ihr ein, obwohl man das nach so kurzer Zeit sicherlich noch nicht sagen konnte. Aber es tat gut, wieder mit einer Frau unbeschwert zu reden und zu lachen, einkaufen zu gehen. Viele ihrer Freundschaften waren zerbrochen. Die Menschen hatten mit ihrer Trauer nicht umgehen können. Dass Simone selbst daran nicht ganz unschuldig war, wusste sie durchaus. Wie sollte man einen Menschen erreichen, der sich vollkommen zurückzog und alle Besuche oder Gespräche abblockte? Der am Telefon einfach losheulte und kein anderes Thema als den Tod kannte? Sie hatte es ihrem Umfeld nicht leicht gemacht.
Zu Hause inspizierte sie noch einmal ihre Einkaufstüten und zog die derben Wanderschuhe an, um sie bereits ein wenig einzulaufen. Locker spazierte sie im Ankleidezimmer auf und ab. Dabei segelte ein kleiner Zettel zu Boden. Simone ergriff ihn und las:
Vielleicht haben Sie mal Lust auf ein Telefonat, ich bin Jochen, der Verkäufer aus dem Sportladen.
Darunter stand eine Telefonnummer.
Augenblicklich glühten ihre Wangen. Uta hatte also doch recht gehabt. Automatisch wanderte Simones Blick zum Spiegel. Sie sah immer noch gut aus. In ihren dunklen Haaren gab es einzelne silberne Strähnen, die aber wie hineingezaubert wirkten. Um ihre braunen Augen lagen kleine Lachfältchen, der Mund war voll und sinnlich. Die Figur war fraulicher geworden. Kleidergröße achtunddreißig war gestorben, aber sie fühlte sich wohl mit ihrem neuen Ich. Auch weil Tim diese Rundungen immer geliebt hatte.
Simone streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, ergriff ein Stück Tesa und klebte den Zettel neben ihren Spiegel. »Wer hätte gedacht, dass dir nochmal jemand kleine Zettelchen zusteckt, mit fast sechsundvierzig.«
Am Abend setzte Simone sich hin und schrieb eine lange Liste mit den Dingen, die noch zu erledigen waren. Sarah und David informierte sie per Mail, da sie beide telefonisch kaum erreichte.
Seltsamerweise antworteten sie fast augenblicklich und mit dem gleichen Wortlaut. Ihre Kinder machten ihr Mut und wünschten eine gute Reise. Sarah mit vielen Herzchensmileys, David etwas sachlicher. Sie schienen erleichtert zu sein, dass sie etwas tat.
Sinnierend schaute Simone nach draußen, eben hatte es wieder zu schneien begonnen. Und schon bald würde sie eine angenehme Brise vom Meer spüren. Was hatte Uta gesagt, irgendwas blühte immer auf den Azoren. Bei dem Gedanken schlug Simones Herz schneller. Blumen, Pflanzen, das war das, was sie liebte. Doch was sollte aus ihrem eigenen grünen Reich werden?
Am nächsten Tag rief sie eine ihrer wenigen Bekannten an. Petra und sie hatten sich vor einigen Monaten in einer Selbsthilfegruppe für Trauernde kennengelernt und hielten seitdem Kontakt. Sie waren ein paarmal zusammen im Kino oder bummeln gewesen, da sie nur wenige Minuten voneinander entfernt wohnten. Doch Simone hatte gespürt, dass Petra in ihrer Trauer noch sehr viel mehr gefangen war als sie selbst und sie dadurch mit nach unten zerrte. Deswegen war der Kontakt immer sporadischer geworden.
Nun brauchte sie Petras Hilfe. Auch, weil ihr schlicht und ergreifend niemand anders einfiel.
Nach einer kurzen Einleitung kam Simone direkt zum Punkt. »Petra, könntest du dir vorstellen, dich in den nächsten Wochen um meine Pflanzen zu kümmern? Du weißt schon, im Wintergarten und dem Rest des Hauses. Vielleicht
Verlag: Zeilenfluss
Texte: Evelyn Kühne
Bildmaterialien: www.buerosued.de
Cover: bürosüd
Korrektorat: Dr. Andreas Fischer
Satz: Zeilenfluss
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2022
ISBN: 978-3-96714-187-0
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