1
Immer wieder diese starren und durchdringenden Blicke. Warum gerade ich? Svenja Mäkelä, das schüchternste Mädchen unter dieser Sonne. Ich konnte mich kaum auf meinem Dozenten konzentrieren, obwohl dieses Jahr das Wichtigste war. Ich befand mich im vorletzten Semester meines Germanistikstudiums. Noch einmal wanderten meine braunen Augen zu den beiden fremden Männern. Sie starrten mich immer noch an.
Verlegen schaute ich wieder nach vorne. Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Mir wurde mit einem Mal heiß. Ich hasste es angestarrt zu werden. Es war anstrengend so dem Erzählfluss des Dozenten zu folgen.
Ich seufzte innerlich und sah auf mein leeres Notizbuch hinab. Na toll. Eine halbe Stunde war schon vergangen und ich hatte noch nichts aufgeschrieben. Diese Blicke spürte ich weiterhin in meinem Rücken. Aber ich musste mich jetzt konzentrieren und durfte mich davon nicht weiter verunsichern lassen. Ich nahm meinen Kugelschreiber und begann mir Notizen zu machen. Eine viertel Stunde ging es gut. Sechs Sätze hatte ich geschrieben, dann musste ich doch wieder zu den beiden Fremden schauen. Die Augen waren immer noch auf mich gerichtet.
Ich drehte mich wieder um und stützte meinen Kopf auf meine Handfläche. Meine schwarzen, langen Haare verschleierten meine rechte Gesichtshälfte. Warum war es mir bloß so peinlich? Vielleicht weil die beiden gutaussehend waren. Der Mann auf der linken Seite faszinierte mich. Wenn ich mich nicht irrte, gehörte er ebenfalls der Gothicszene an. Jedenfalls ließen das die schwarze Kleidung und sein schwarzes schulterlanges Haar vermuten. Was wollen sie ausgerechnet von mir? Na ja, die hässlichste bin ich nun auch wieder nicht. Doch würden die Männer sich näher mit mir befassen, wenn sie mich ansprechen würden? Mir war bislang niemand begegnet, der sich für längere Zeit für mich interessierte. Räuspernd versuchte ich den Gedanken beiseite zu schieben und blickte erneut auf mein Notizbuch. Ich musste mich wirklich zusammenreißen. Das Studium war oberste Priorität. Ich spitzte die Ohren und hörte den Dozenten zu. Ich zwang mich dazu Notizen aufzuschreiben, was schwieriger war als erwartet. Diese Situation überforderte mich. Aber ich schaffte es doch den Rest der Zeit über konzentriert zu bleiben. Die Blicke hatte ich so gut es ging ignoriert.
Als die Vorlesung endete, atmete ich erleichtert auf. Hier herauszukommen war momentan mein einziger Wunsch. Eilig steckte ich meine Sachen in die Handtasche. Während ich aufstand, wagte ich nochmals einen Blick zu den beiden Fremden. Sie saßen nach wie vor auf ihren Plätzen und starrten mich an. Ich warf meine Tasche über meine Schulter und wandte mich ab. Mit weiten Schritten steuerte ich die Tür an. Eine große Last fiel von mir, als ich den hellen Korridor betrat. Endlich raus aus diesem Raum und verschont vor den Blicken. Auf dem Flur verlangsamten sich meine Schritte allmählich.
„Svenja!“, hörte ich meinen Namen hinter mir. „Warte mal!“
Sofort blieb ich stehen und drehte mich um. Meine Kommilitonin Claudia kam auf mich zu. Und wie es der Zufall will, folgten hinter ihr die beiden unbekannten Männer. Im selben Augenblick kehrte die Anspannung zurück.
„Du scheinst den Neuen ja ganz schön den Kopf verdreht zu haben“, sagte Claudia flüsternd und deutete mit einem Kopfnicken auf die Fremden. Musste sie das so deutlich machen? Ich hätte auch so verstanden, wen sie meinte. Ich ließ verlegen den Kopf sinken.
„Nun sei nicht so schüchtern! Alle haben gesehen, wie sie dich angestarrt haben.“ Erneut schoss mir das Blut in die Wangen. Noch immer war ich nicht fähig etwas zu erwidern.
„Also ich würde die nicht von der Bettkante schubsen“, fuhr Claudia fort. Was soll ich darauf antworten? Würde ich sie von der Bettkante schubsen? Man, sie gehen hinter uns und Claudia spricht so laut. Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken.
„Sie kommen übrigens aus Finnland.“
Finnland? Ich machte große Augen. Kennen die beiden mich? Das würden die Blicke erklären. Aber das ist doch unmöglich. Als ich vier Jahre alt war, war meine Mutter mit mir von Finnland nach Deutschland zurückgezogen. Mein Vater hatte nach der Scheidung den Kontakt zu uns abgebrochen. Zudem war Finnland auch groß. Die Wahrscheinlichkeit mich zu kennen war also sehr gering. Noch immer wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte. Es wurde von Sekunde zu Sekunde peinlicher.
„Echt?“, brachte ich gequält hervor.
Claudia nickte. „Vor der Lesung habe ich mit ihnen gequatscht.“
Schweigend verließen wir die Uni.
„Wenn du kein Interesse an ihnen hast, schnappe ich sie mir gerne“, sagte Claudia, als wir auf dem Parkplatz ankamen.
„Du kannst sie gerne haben.“ Interesse hatte ich nicht. Mein Herz hatte ich schon seit vielen Jahren an einem anderen Mann verloren. Doch bei ihm hatte ich noch weniger Chancen. Ich hatte gedacht, dass würde sich ändern, wenn ich meinen Nebenjob im Fitnesscenter anfange. Aber Pusteblume. Er interessierte sich eher für die Praktikantin. Die Welt war doch unfair.
„Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.“ Claudia blieb bei ihrem Auto stehen. Ich drehte mich zu ihr und auch die beiden Fremden hielten inne. Ob sie das Gespräch mitbekommen hatten? Ich hoffte nicht. „Okay, bis morgen!“, verabschiedete sich Claudia.
„Bis morgen!“, erwiderte ich kleinlaut. Ich wartete noch bis Claudia eingestiegen war. Die beiden Finnen ebenfalls. Dann drehte ich mich um und setzte meinen Weg fort. Hinter mir hörte ich ihre Schritte. Mit gesenktem Kopf ging ich weiter. Meine Hand umklammerte unwillkürlich fester den Henkel meiner Tasche. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Natürlich konnte meine Angst unbegründet sein und die beiden hatten einfach nur denselben Weg. Doch meinem Unterbewusstsein war dies nicht klar. An einem Schaufenster blickte ich hinein und sah die Spiegelbilder der beiden Finnen hinter mir. Die beiden sprachen kein Wort miteinander, sondern folgten mir stumm.
Konnten sie nicht wenigstens die Straßenseite wechseln? Dann wäre ich schon etwas beruhigter. Aber warum sie? Ich konnte es genauso tun. Entschlossen drehte ich mich zur Straße und wartete bis ich rüber konnte. Die beiden Finnen hielten ebenfalls an. Aber es sah nicht so aus, als wollten sie die Straße überqueren. Sie sahen in eins der Schaufenster. Sobald die Straße frei war, eilte ich auf den anderen Bürgersteig und ging weiter. Noch einmal drehte ich mich um und erkannte, dass die beiden ihren Weg weitergingen. Dann war es wohl doch nur Einbildung gewesen. Ich glaube, ich brauch bald wirklich einen Psychiater. Nicht nur wegen meines mangelnden Selbstbewusstseins, sondern auch wegen Paranoia. Vielleicht war ich einfach zu viel allein.
2
Zu meinem Übel gingen sie dort lang, wo auch ich lang musste. Natürlich drehten sie sich auch immer wieder zu mir um. Langsam nervte es. Mir lag schon auf der Zunge zu rufen, ob sie ein Passbild bräuchten. Aber meine Angst ließ es nicht zu. Wer weiß wie die beiden darauf reagierten. Das war mir wirklich zu heikel. Nach einigen weiteren Straßen kamen wir zum Bartholomäus Friedhof an. Als die beiden nach vorne sahen, nutzte ich meine Chance und bog in dem Friedhof ein. Erleichtert schlenderte ich zwischen den Gräbern und den prächtigen Grabbauten. Friedhöfe hatten eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Kein Stress, kein Lärm, keine Hektik. Hier war man eins mit der Natur. Die Ruhe war himmlisch. Genüsslich sog ich den Geruch von frischem Laub ein. Der Duft löste meine Anspannung. Mein rasendes Herz verlangsamte sich, bis zur normalen Geschwindigkeit. Selbst die Fremden hier machten mir nichts aus. Ich war wie ein neuer Mensch.
Ich setzte mich auf eine der Bänke. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich zurück und lauschte dem Gezwitscher der Vögel. Erst jetzt fiel mir auf, dass es hier keine Totenstille herrschte. Mit einem Mal fiel mir ein feuchter Tropfen auf der Nase. Sofort öffnete ich die Augen. Regen hatte mir gerade noch gefehlt. Kann der Tag eigentlich noch schlimmer werden? Ich sah zum Himmel empor. Graue Wolken verdunkelten den Himmel. Das Wetter passte zu meiner Laune. Klischeehafter ging es wohl nicht mehr. Seufzend stand ich von der Bank auf. Bloß schnell weg, bevor ich noch nass werde. In einer guten Stunde musste ich zwar erst im Fitnesscenter anfangen, aber vielleicht bekam ich dann früher Feierabend. Zwei Vorteile auf einmal wären doch perfekt. Ich drehte mich Richtung Ausgang und erschrak. Mein Herz setzte für ein paar Sekunden aus, um gleich danach wie wild in meiner Brust zu hämmern. Der Tag konnte also doch noch schlimmer werden. Vor mir ging Manuel mit einem aufgespannten Regenschirm. Der Mann, in den ich schon seit Jahren unglücklich verliebt war. Sofort kehrte meine Anspannung zurück.
Ich musste... Ich musste... So schnell wie möglich weg. Hinter dem nächsten Baum versteckte ich mich und atmete erleichtert auf. Verstohlen sah ich Manuel hinterher. Dieser Mann machte mich wahnsinnig. Mein Herz beschleunigte sich noch mehr. Wenn ich an Herzinfarkt sterben sollte, wäre er schuld. Der Regen wurde schlimmer. Anstatt von vereinzelten Tropfen wurde ich von hunderten bombardiert. Ich verengte meine Augenbrauen. Wenn ich nicht nass werden wollte, musste ich jetzt dringend los.
Ich atmete tief durch und trat von der Eiche hervor. Auf leisen Sohlen folgte ich Manuel. Hoffentlich drehte er sich nicht um. Was machte er überhaupt hier? Müsste er nicht schon längst arbeiten? Konnte dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden? Lange brauchte ich nicht auf einer Antwort warten. Manuel hielt inne und drehte sich um. Oh mein Gott? Warum nur? Ich will sterben. Sofort. Auf der Stelle. Gewitter komm und erschlage mich mit deinem Blitz, bettelte ich. Okay, ruhig bleiben! Ich tue relaxt und selbstbewusst. Wenn das nur so einfach wäre. Entschlossen erhob ich die Brust und den Kopf. Dazu setzte ich ein Lächeln auf. Dies war gar nicht mal so schwer. Es war meine antrainierte Fassade. Ich könnte manchmal heulen, aber lächlte dafür, um die Trauer zu verbergen. Manuel erwiderte es. Ich könnte gerade vor Rührung dahin schmelzen. Jetzt reiß dich endlich zusammen, ermahnte mich mein Unterbewusstsein. Er lächelt nur. Das macht jeder zweite Mensch auf der Straße den wir begegnen. Nun bin ich auch schon so verrückt und kommuniziere mit meinem Unterbewusstsein.
„Hey”, begrüßte mich Manuel. Ich sah zu ihm auf.
„Hallo”, erwiderte ich kleinlaut. Schnurstracks ging ich an ihn vorbei.
„Svenja“, hörte ich seine Stimme hinter mir. Auf der Stelle wo ich war, erstarrte ich. Mein Herz hatte sich so schön beruhigt gehabt. Und nun raste es wieder in meiner Brust. Ich will doch nur schnell weg hier. Das ist so peinlich. Automatisch drehte ich mich zu ihm um und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
„Hast du vor durchnässt auf der Arbeit zu erscheinen?“, fragte er.
Unsicher sah ich zum Himmel. Dieser zog sich immer weiter mit grauen Wolken zu. Unaufhörlich prasselten große Regentropfen auf meinem Gesicht herab. Manuel hatte Recht. Trocken würde ich nie beim Fitnesscenter ankommen.
„Eigentlich nicht“, sagte ich und senkte verlegen den Blick.
„Komm mitunter! Mein Schirm ist groß genug für zwei. Ich warte noch auf Frank und Jan und dann können wir gemeinsam gehen.“
Was? Hab ich mich verhört? Wir beide unter einem Schirm? Ich glaub, ich sterbe. Meine Knie wurden weich. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Nicht mehr lange und ich würde umfallen.
„Was ist? Brauchst du eine schriftliche Einladung?“, fragte er lachend.
Ich schluckte und schüttelte den Kopf. In gebückter Haltung ging ich zu ihm und stellte mich mit unter seinem Schirm. Ich wagte es nicht ihn anzusehen. Hoffentlich fängt er jetzt nur nicht an mit mir zu erzählen. Vor Aufregung würde ich nie ein Wort herausbekommen.
„Die beiden müssten sicherlich gleichkommen.“
Heute blieb mir wirklich nichts erspart. Ich schaute mit hochrotem Kopf zu ihm auf. Er war ein halber Riese. Mit muss zwei Köpfe größer als ich.
„Aber irgendwie kommen die immer zu spät. Und du kommst…“, fuhr er fort, doch ich hörte gar nicht mehr zu. Ich verirrte mich in seinen dunkelbraunen Augen. Noch nie war ich ihm so nahe gewesen. Meine Aufregung war mit einem Mal weg. Wie gerne würde ich mich jetzt an ihn lehnen oder ihn einfach nur umarmen. Mein Körper und Geist sehnten sich danach. Aber wenigstens konnte mein Verstand noch klar denken und bewahrte mich vor der Blamage.
„Svenja? Hörst du mir überhaupt zu?“
„Was?“ Noch immer starrte ich ihn an.
„Ich habe gefragt, ob du gerade aus der Uni kommst.“
„Ich... äh...“
„Hey, ihr Nulpen! Wartet ihr schon lange?“, erklang eine männliche Stimme.
Ich drehte mich um und erkannte Jan und Frank. Erleichtert atmete ich auf. Jetzt war ich endlich erlöst. Nun hatte Manuel welche zum Erzählen und ich musste nicht mehr eifrig nach Worten suchen.
„Nö, lange sind wir auch noch nicht hier“, antwortete Manuel.
„Sorry, ich habe gedacht du wärst Karin“, wandte sich Frank an mich.
Karin? Pah, da würde ich mich lieber erschießen. Dennoch traf der Satz mich hart. Die Gewissheit, dass unsere Praktikantin ihre Freizeit mit Manuel genießen durfte bereitete mir Bauchschmerzen. Ich hatte fürchterliche Angst. Angst ihn zu verlieren. Dieser Gedanke war doch absurd. Ich war noch nie mit ihm zusammen, also konnte ich ihn auch nicht verlieren. Und genau da lag der Punkt, der mich innerlich schmerzhaft von Tag zu Tag auffraß.
„Haben wir irgendetwas verpasst?“, fragte Jan und sah abwechselnd von Manuel zu mir.
„Nö. Wieso?“, stellte Manuel eine Gegenfrage.
Wieso? Was war das denn für eine Frage? Du beachtest mich nie und dann stehe ich plötzlich unter deinem Schirm. Kein Wunder, warum die beiden so verwirrt aussehen. Ich verschränkte die Arme vor Wut über mich selbst. Nun weiß ich schon mal, was ich sagen könnte, aber war zu feige es über meine Lippen zu bringen.
„Nur so.“
„Wollen wir los? Ich hab kein Bock drauf, dass meine Sportsachen pitschnass werden“, meinte Frank und hob seine Trainingstasche hoch.
Ich musste unwillkürlich lächeln. In dieser Pose glich er einem trotzigen Kleinkind. Fehlte nur noch der Schmollmund.
„Hör auf zu heulen! Wetten du sitzt wieder mehr an der Bar, als das du Sport machst“, antwortete Manuel.
„Woran das wohl liegt?“, schaltete sich Jan mit ein.
„Karin ist nun mal eine geile Schnitte.“ Frank zuckte mit den Schultern. „Aber als Freundin wäre sie mir zu stressig. Einmal gefickt weitergeschickt. Darauf steht sie doch.“
Jan verzog angewidert das Gesicht. „Bald müsste sie doch wirklich alle durchhaben. Ich will ja mal nicht wissen was die für Krankheiten unten hat.“
„Wofür gibt es Kondome?“, erwiderte Manuel.
„Komm Svenja! Jetzt wird es mir zu pervers.“ Jan legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich mit unter seinem Regenschirm. Zusammen gingen wir schweigend vor. Hinter uns hörten wir Manuel und Frank quatschen. Es ging um Sport, Fußball, Basketball und Autos. Alles Themen wofür ich mich nicht interessierte. Wie sollte ich da auch mitreden? Doch dies gefiel mir besser als das nächste Thema. Sie kamen natürlich wieder auf Karin und schwärmten wie heiß sie doch wäre. Ich könnte kotzen. Was fanden die beiden nur an ihr? Jan schien der vernünftigste von den drein zu sein. Aber mein dämliches Herz musste sich ja unbedingt Manuel aussuchen.
3
Eine halbe Stunde später kamen wir im Fitnesscenter an. Der Regen hatte noch immer nicht aufgehört. Typisches Herbstwetter halt. Eigentlich wollte ich mir auf dem Weg noch etwas zum Mittagessen kaufen. Aber ich bin nicht dazu gekommen. Dann hätten sie ja auf mich warten müssen und ich wollte niemanden zur Last fallen. Und zudem sieht das verfressen aus. Vielleicht hatte ich ja Glück und mein Magen blieb ruhig.
Die Jungs gingen voran. Ich folgte ihnen. Wir schüttelten den Mitgliedern die Hand zur Begrüßung. Diese Geste hatte mir am Anfang große Überwindung gekostet. Mein Chef hatte es jedoch von mir verlangt. Deshalb musste ich meine Angst überwinden und mittlerweile ist es zur Gewohnheit geworden.
Danach gingen wir zur Bar und begrüßten unseren Chef. Frank und Manuel umarmten natürlich ihre Karin. Von mir bekam sie nur einen gleichgültigen Blick zugeworfen. Was fanden sie nur an der? Stehen die Männer heutzutage nur noch auf magersüchtige und lederhäutige Schlampen? Was war bloß mit dem anderen Geschlecht los? Vielleicht sollte ich auch mal alles vögeln was bei drei nicht auf dem Baum ist und im Solarium einziehen. Ob sich dann auch mehr Männer für mich interessierten?
Während Frank und Jan unten in den Umkleidekabinen verschwanden, ging ich in den Personalraum und verstaute meine Handtasche. Aus der Küche schnupperte es lecker. Ich warf einen kurzen Blick hinein. Mein Chef briet gerade Schnitzel. Bei diesem Geruch fing mein Magen nun doch an zu knurren. Ich sollte wohl lieber doch etwas essen. Nur musste ich mich irgendwie überwinden meinem Chef darum zu bitten.
Räuspernd betrat ich die Küche. Mein Chef drehte sich auch sogleich zu mir um.
„Svenja, du kannst dir gleich ein Eimer mit Wasser und ein Lappen nehmen. Die Geräte müssten mal wieder abgeputzt werden.“ Ich kam gar nicht zu Wort. Gleich darauf wandte er sich an Manuel und Karin. „Nachher kommen zwei Jungs zum Probetraining. Dann kann Karin ja mal dabei zusehen.“
Manuel nickte. „Okay, Chef.“
„Aber erst muss ich etwas essen. Ich habe einen Bärenhunger“, sagte Karin und holte sich aus dem Küchenschrank einen Teller heraus.
„Bediene dich ruhig“, sagte unser Chef. Dann wandte er sich an mir. Seine blauen Augen starrten mich durch die Brille abwertend an. „Und was ist mit dir? Mach dich an die Arbeit! Löcher in die Wand gucken kannst du zuhause.“
„Ich...“
„Du weißt doch wo der Eimer steht. Stell dich mal nicht noch dümmer an, als du bist“, fuhr er mir direkt ins Wort.
Noch einmal sah ich zu Manuel. Er schüttelte grinsend den Kopf. Betroffen drehte ich mich um und ging zur Abstellkammer. Was ich gerade fühlte war ein riesiges Durcheinander. Ich verspürte Wut, Scham und Traurigkeit zu gleich. Meine Augen wurden glasig. Jetzt bloß nicht heulen, sagte ich mir und biss mich auf meiner bebenden Unterlippe. Kein Wunder warum mir niemand Respekt gegenüber brachte, wenn mein Chef mich stets und ständig so behandelte. Und Manuel? Der muss mich wohl für völlig unterbelichtet halten. Wenn ich das Geld nicht für meine Studiengebühren bräuchte, hätte ich schon längst das Handtuch geworfen. Aber so bin ich darauf angewiesen. Es hat ewig gedauert bis ich einen Nebenjob gefunden habe. Zudem würde ich dann Manuel nicht wiedersehen können. Ich würde vor Sehnsucht sterben. Wenn ich ihn schon nicht haben kann, dann will ich ihn wenigstens sehen.
Energisch griff ich nach dem Eimer und den Lappen. Ich stellte mir vor, wie ich diesen links und rechts um die Ohren meines Chefs schlug. Wie gerne würde ich das jetzt machen. Ich schluckte die Demütigung hinunter und ging zurück in die Küche, die zum Glück leer war. Am Waschbecken ließ ich Wasser in den Eimer und ging damit hinaus zu den Geräten.
Vor der Bar sah ich, wie Karin mit Manuel und unserem Chef an einem Tisch saß und Mittag aß. Natürlich versammelten sich auch viele männliche Mitglieder drum herum. Was mir natürlich schon von vorn herein klar war. Die sabberten doch schon alle wie Lassie. Und wer kann die Pfütze dann wieder aufwischen? Richtig, ich. Die kotzen mich an. Aus meinen gemischten Gefühlen blieb nur noch Wut übrig. Wie gerne würde ich sie hinausschreien.
Ich wandte mich von dem Elend ab und tauchte den Lappen im Eimer. Mit einem Klatsch wickelte sich der Lappen um die Halterung des Crosstrainers. Ein finsteres Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.
„Der Crosstrainer kann auch nichts für deine schlechte Laune“, erklang eine männliche, träge Stimme hinter mir.
Erschrocken drehte ich mich um und blickte direkt in ein Maulwurfsgesicht. Natürlich, Judas. Ich hatte ihn vorhin noch gar nicht gesehen. Eigentlich hieß er richtig Johannes. Aber aus irgendeinem fragwürdigen Grund, nannten ihn alle Judas.
„Ich weiß“, sagte ich leise und wandte mich wieder dem Gerät zu. Vielleicht verschwand er ja, wenn ich nicht mit ihm kommunizierte. Der ging mir schon seit Monaten auf die Nerven. Aber er war auch der einzige, der versuchte mit mir ins Gespräch zu kommen. Mit einem Mal spürte ich seine Hand auf meinem Gesäß. Dem wich ich schnell aus. Um ein Haar wäre ich über den Eimer gestolpert, doch ich konnte mich gerade noch fangen. Gelächter drang in meinen Gehörgang. Geschockt sah ich mich um und erkannte, dass ich mich mal wieder zur Lachnummer gemacht hatte. Meine Hand krallte sich in den Lappen fest. Im Gedanken zählte ich bis drei und atmete tief ein und aus.
„Hast du dir weh getan?“, fragte Judas. Unter seiner Brille erschienen seine Augen noch größer.
Ich seufzte. „Nein.“
„Dann bin ich ja beruhigt.“
Genervt verdrehte ich die Augen und schrubbte den Crosstrainer weiter. Ich glaubte allmählich, dass ich nur für entflohene aus der Geisterbahn geboren wurde.
„Kann ich dir irgendwie helfen?”, fragte Judas weiter.
„Geht schon.” Er kann mir helfen, indem er mich in Ruhe lässt und weiter Sport machte.
„Okay. Wenn du fertig bist, können wir ja zusammen eine Rauchen gehen.”
„Gerne”, erwiderte ich und setzte mein antrainiertes Lächeln auf.
Er lächelte zurück und ging dann zur Bar. Na endlich.
Als ich beim Rudergerät weiter machen wollte, vibrierte es in meiner Hose. Wer rief denn jetzt an? Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und sah auf dem Display. Es war meine Mutter. Was wollte sie denn jetzt? Sie wusste doch, dass ich arbeiten musste.
„Hallo”, sagte ich in dem Hörer, als ich abgenommen hatte.
„Bist du noch arbeiten?”, erklang es im fremden Ton. Sie hörte sich geschockt an.
„Ja. Was ist denn los?”
„Das kann ich am Telefon nicht sagen. Kannst du nach der Arbeit vorbeikommen?”
„Ist etwas passiert?”
„Kann man so sagen.”
„Etwas schlimmes?” Langsam machte meine Mutter mir Angst. Was war los? Hat sie sich von meinem Stiefvater getrennt? Liegt jemand im Krankenhaus? Oder noch schlimmer. Ist jemand gestorben? Tausend Fragen gingen mir durch den Kopf.
„Je nachdem.“
„Was ist los? Jetzt kann ich mich so und so nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren.“
„Nicht am Telefon. Kommst du nun nachher vorbei?“
Ich seufzte. Blieb mir denn etwas anderes übrig? „Ja, zum Abendessen bin ich da.“
Essen. Das erinnerte meinen Magen ans Hungergefühl und meldete sich sofort mit einem Knurren.
„Okay Süße, dann bis nachher!“
„Bis nachher!“, murmelte ich und legte auf.
Nur mühsam arbeitete ich weiter. Meine Gedanken kreisten um meine Mutter. Aus dem Grübeln kam ich nicht mehr heraus. Irgendetwas schlimmes musste passiert sein. Sonst würde sie nicht so ein Geheimnis daraus machen. Mit der Arbeit kam ich somit nur sehr langsam voran. Als ich die Hälfte der Geräte fertig geputzt hatte, sah ich auf die Uhr. Es waren mittlerweile zwei Stunden vergangen. Normalerweise bräuchte ich für die Hälfte der Geräte nur knapp über eine Stunde.
Mein Blick wanderte zur Bar. Schlagartig versteinerte sich mein Gesicht. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und der Lappen musste wieder unter meiner Faust leiden. Karin durfte auf Manuels Schoss sitzen. Ich könnte die schlagen. Das war doch nicht fair. Wie ich die Welt hasste. Wie ich mich hasste. Warum musste ich nur so verklemmt sein?
Mit einem Mal tauchten die beiden Finnen in mein Blickfeld auf. Ich erschrak und drehte mich schnell um. Mein Herz schlug mir wieder bis zum Hals. Hoffentlich sahen sie mich nicht. Ich duckte mich und putzte die Beine der Hantelbank.
„Einen wunderschönen guten Tag“, hörte ich die Stimme meines Chefs.
„Hyvää päivää! Wir haben einen Termin zum Probetraining“, erklang eine Stimme mit finnischem Akzent.
„Alles schon vorbereitet.“
Ich spähte aus meinem Versteck. Mein Chef überreichte den beiden Papierkram. Womöglich die Trainingspläne.
„Wenn Sie sich umgezogen haben, wird Manuel mit Ihnen das Probetraining machen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn unsere Praktikantin dabei zusieht?“
Der Finne im Gothic-Style schaute zu mir. „Svenja Mäkelä?“
„Nein, das ist nur unsere Aushilfskraft.“
Moment mal. Woher kannte er meinen Namen? Claudia? Ich bring sie um. Die kann sich morgen warm anziehen.
„Eine studierende Aushilfskraft.“ Jetzt starrte er zu Karin. „Und wo kommt sie her? Eine Praktikantin, geschickt vom Arbeitsamt!?“
Nun wurde es spannend. Ich konnte mir ein süffisantes Grinsen einfach nicht verkneifen.
„Wir geben uns doch nicht mit Amateuren ab. Wir wollen ein professionelles Probetraining. Wenn Svenja nicht dabei ist, dann suchen wir uns halt ein anderes Fitnesscenter“, sagte der andere Finne.
Sofort errötete ich. Ich war so gerührt davon, wie sie sich für mich einsetzten.
„Svenja, kommst du mal bitte?“, rief mein Chef mich.
Ich tat den Lappen in den Eimer und stand auf. Ich hörte wie meine Knochen knackten. Mein Rücken tat schon vom ewigen bücken weh. Mit versuchtem selbstbewussten Gang schritt ich zur Bar.
„Du wirst mit Manuel das Probetraining machen.“
„Okay“, erwiderte ich und lächelte meinen Chef an.
„Muss das sein?“, murrte Manuel.
Was labbert der? Als ob es mir gefallen würde mit ihm zusammenzuarbeiten. Er ist doch nur enttäuscht, dass er es nicht mit seiner süßen Lederhaut machen konnte. Demonstrativ verschränkte ich meine Arme vor der Brust.
„Ja, muss es“, antwortete unser Chef und wandte sich dann an Karin. „Du putzt die Geräte weiter.“
„Kann sie das nicht nachher weiter machen?“ Karin deutete mit einem Kopfnicken zu mir.
„Nein, bis dahin ist Feierabend.“
Seufzend stand sie auf und stampfte davon. Nun musste sie sich auch mal die Hände schmutzig machen. Ach, tat sie mir leid.
„Dann werden wir uns mal umziehen gehen.“ Der Finne im Gothicstyle gab mir ein Handkuss. Sofort schoss mir das Blut erneut ins Gesicht. Zaghaft lächelte ich ihn an. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Manuel ihn grimmig anstarrte. Was war denn nun in ihn gefahren? Neidisch weil die Finnen einen besseren Frauengeschmack hatten und sie Kavaliere waren? Am liebsten würde ich meine schwarze Mähne arrogant nach hinten werfen. Aber ich ließ es lieber bleiben.
„Ich bin übrigens Julian und das ist mein Bruder Christian. Deinen bezaubernden Namen hatte uns Claudia schon verraten“, fuhr er fort.
„Das konnte ich mir schon denken“, antwortete ich. Sie warfen mir ein Lächeln zu und verschwanden unten in den Umkleidekabinen. Wie benebelt ließ ich mich auf Karins Platz sinken. Meine Angst ihnen gegenüber war wie weggeblasen. Die Vermutung, dass zumindest Julian an mir Interesse hatte stieg enorm. Es war wie im Rausch. Noch nie war ich jemand so vorkommendes begegnet. Einen Moment lang hatte ich weiche Knie bekommen, als seine Lippen meine Hand berührt hatten.
4
Um 20 Uhr verließ ich das Fitnessstudio. Irgendwie schwebte ich auf Wolke sieben. Auf jeden Fall kam es mir nicht so vor, als würde ich gehen. Den Boden spürte ich nicht unter meinen Füßen. Wenn alle Finnen so waren, konnte ich mir gut vorstellen warum mein Vater die große Liebe für meine Mutter gewesen war. Sie hatten sich vernünftig mit mir unterhalten. Vor allem Julian. Er hatte mich mit Komplimenten regelrecht überschüttet. Ich konnte das immer noch nicht begreifen, was er an mir fand. Aber es war schön. Ich fühlte mich endlich mal begehrenswert und sogar selbstbewusster. Das war wirklich ein super Gefühl. Auf den Vorlesungen morgen freute ich mich richtig. Woran Julian nicht ganz unschuldig war. Er das komplette Gegenteil von Manuel.
Wobei dieser die ganze Zeit über sehr merkwürdig war. Wenn Blicke töten könnten, dann hätte er jetzt Julian und Christian auf dem Gewissen. Auch hatten sie sich gegenseitig mit sarkastischen Ausdrücken bombardiert. Manuel war doch sonst nicht so. Ich fragte mich echt, was in ihn gefahren war. Obwohl ich es mir denken könnte. Er war eingeschnappt, weil ich anstatt Lederhaut beim Probetraining mit machen durfte. Dennoch fand ich es lustig. Ich hatte auch mal Beachtung bekommen. Vor Stolz hob sich meine Brust. Es könnte aber auch eine zweite Theorie geben. Die drei kannten sich und lebten in Feindschaft. Ach Quatsch! Das war absurd. Vollkommen unmöglich. Die beiden waren Austauschstudenten aus Finnland und erst wenige Tage in Deutschland. Also konnte es nur an Karin liegen.
Ich überquerte die letzte Straße und sah das Haus meiner Mutter. Je näher ich der Tür kam, umso ängstlicher wurde ich. Es musste etwas schlimmes passiert sein. Das machte mir Angst. Genau wie die Ungewissheit. Es machte mich verrückt. Aber nun würde ich es endlich erfahren. An der Haustür atmete ich noch einmal tief durch und betätigte dann die Klingel. Es dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich.
„Da bist du ja endlich“, begrüßte mich meine Mutter und zog mich am Handgelenk hinein. Das ging echt mal schnell. Hatte sie auf mich hinter der Tür gelauert? Sie hatte keine roten Augen. Also schon mal keine schlechte Nachricht zum Heulen, stellte ich erleichtert fest.
„Komm mit in die Stube! Dietmar ist auch gerade von der Arbeit gekommen.“
Meine Mutter ging voraus, ich folgte ihr. Also war mein Stiefvater schon mal nicht gestorben, lag nicht im Krankenhaus, noch sind sie getrennt. Er saß in der Stube auf dem Sofa und las einen Brief. Meine Mutter setzte sich neben ihm.
„Svenja!“ Meine fünfjährige Halbschwester Alina kam angelaufen und sprang mir in die Arme.
„Na du. Wie geht es dir?“, fragte ich sie und nahm sie auf den Arm.
„Mir geht es gut. Und dir?“
„Mir auch.“ Also war mit ihr auch alles in Ordnung. Ganz schlimm kann es also nicht kommen. Ich setzte mich neben meiner Mutter. Alina kuschelte sich an mich.
„Was ist nun los?“, fragte ich.
Dietmar gab mir den Brief. Mit gerunzelter Stirn nahm ich ihn in den Händen. Er war auf Finnisch. Ich musste schlucken. Mein leiblicher Vater. Von wem sonst? Da ich zweisprachig aufgewachsen war, konnte ich den Brief mit Leichtigkeit übersetzen. Doch der Inhalt ließ mich erstarren. Ich wusste nicht was ich fühlen sollte. Er war nicht von meinem Vater, sondern von meinem Großvater. Mein Vater war verstorben und am Wochenende war die Beerdigung. Trauer empfand ich kein bisschen. Das letzte Mal als ich ihn gesehen hatte, war ich vier Jahre alt. Ich konnte mich kaum an ihn erinnern. Es waren seitdem knapp 20 Jahre vergangen. Deshalb traf es das Wort „entsetzen“ viel besser. Ohne ein Wort zu sagen gab ich meiner Mutter den Brief.
„Wir wurden zur Beerdigung eingeladen. Und sollen eine Woche dableiben. Wie du gelesen hast wollen sie dringend mit dir reden. Sie haben vier Flugtickets hineingepackt. Aber Alina wird bei Onkel Fabian in Gardelegen bleiben“, sagte meine Mutter.
„Über was könnten sie mit mir reden wollen?“, fragte ich sie.
„Ich habe dir doch gesagt, dass dein Vater der Stammesführer ist.“ Meine Mutter senkte den Kopf. „Und du bist der einzige älteste Nachkomme. Somit die nächste Erbin.“
Oh nein. Fing das schon wieder an? Nicht wieder diese Werwolfsgeschichten. Deshalb war sie vor vielen Jahren in psychiatrische Behandlung gewesen, weil sie stark daran glaubte. Die Ärzte hatten vermutet, dass sie die Scheidung nicht so einfach wegstecken konnte und sie so in einer eigenen Welt geflüchtet war. Zum Glück war zu der Zeit schon Dietmar da. Er und meine Mutter waren die besten Freunde gewesen und irgendwann ist zwischen ihnen Liebe entstanden. Wer weiß was ohne ihn aus mir geworden wäre.
„Mama, bitte.“
Sie nahm meine und Dietmars Hand in ihre. „Ihr müsst mir glauben. Kommt mit und ihr werdet es mit eigenen Augen sehen.“
„Sabine. Fängt es schon wieder an?“ Mein Stiefvater tauschte mit mir sorgenvolle Blicke aus.
Ich seufzte. „Am besten wir fliegen nicht.“
„Er war dein Vater“, fuhr meine Mutter mir ins Wort.
„Ich habe Angst. Ich will einfach nicht, dass du einen Rückfall bekommst.“
„Komm Alina. Wir gehen schon mal ins Bett. Ich lese dir noch etwas vor“, sagte mein Stiefvater und stand auf.
Alina tat es ihm nach und nahm ihn an der Hand. „Wieso Rückfall? Ist Mama krank?“
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Svenja hat sich nur versprochen.“
„Wirklich?“ Meine Halbschwester sah mich ängstlich an.
Auf meinem Gesicht erschien mein berühmtes antrainiertes Lächeln. „Ja, wirklich.“
„Okay.“ Alina gab jedem ein Gute-Nacht-Küsschen und ging dann mit Dietmar nach oben.
„Denk an Alina. Sie ist ungefähr genauso alt wie ich es war“, wandte ich mich an meiner Mutter, als die beiden außer Hörweite waren.
„Warum glaubt ihr mir nicht?“ Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Ich legte meinen Arm um sie. „Weil es keine Werwölfe gibt.“
„Okay, okay. Es gibt keine. Es geht gleich vorbei.“ Sie schaute auf und direkt in meine braunen Augen.
Ich hob eine Augenbraue. „Wirklich?“
Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ja, mein Schatz. Das war nur eine kurze Phase.“
„Ich finde trotzdem wir sollten hierbleiben. Schließlich hat mein Vater sich gar nicht mehr für uns interessiert. Keine Besuche, keine Telefonate, nicht mal Briefe oder Karten.“
„Er ist aber trotzdem dein Vater und er hat dich geliebt.“
„Wenn er mich geliebt hätte, hätte er den Kontakt zu mir gehalten oder mindestens wieder aufgenommen.“
Meine Mutter hob mit dem Zeigefinger mein Kinn an. „Vielleicht hatte er Angst. Es ist die letzte Chance Abschied zu nehmen. Lass uns fliegen.“
Ich fuhr mir durch meine schwarzen Haare. „Na gut, dann lass uns fliegen. Im Fitnesscenter werde ich mir Urlaub nehmen und morgen rede ich mit Claudia, damit sie für mich mitschreibt.“
„Das finde ich gut. Willst
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Lektorat: Silvia Staschok
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1610-5
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Widmung:
Diese Buch widme ich meiner geheimen Jugendliebe, da er mich zu dieser Geschichte inspiriert hat. Und vielen Dank an meiner Mutter für die Unterstützung beim Überarbeiten.