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KGW November 2013

 

Ich schloss die Augen und genoss diesen perfekten Augenblick. Der warme Sommerabendwind verfing sich in meinem Haar und lies es spielerisch um mein Gesicht tanzen. Er brachte auch den schweren Duft der Blumen mit sich, der mich leicht in der Nase kitzelte. Die letzten Sonnenstrahlen, der bereits untergehenden Sonne, wärmten mein Gesicht. Ich hätte Stunden so dastehen können. Doch seine Berührung lies mich auf sehen.

Er hatte lediglich seine Hand auf meine Schulter gelegt, aber von dieser ging eine Wärme aus, die mir bis in den Bauch zu kriechen schien und überall auf ihrem Weg eine Gänsehaut hinterließ. Unwirkürlich musste ich lächeln.

Er erwiderte meinen Blick liebevoll, nahm meine Hand und zog mich ohne ein Wort sanft mit sich in den wohl üppigsten Blumengarten, den ich je gesehen hatte. Doch all diese Schönheit war nichts zu ihm. Ich starrte ihn glückselig an, während mir die Wärme von meinem Bauch bis in die Wangen hoch stieg. Er war nicht der typische Schönling. Aber groß und gut gebaut. Sein Gesicht faszinierte mich einfach und in seinen grünen Augen konnte ich mich verlieren, wenn ich nicht aufpasste. Der drei Tage Bart und die chaotischen, verwuschelten braunen Haare gaben ihm etwas schelmhaftes in das man sich einfach verlieben musste. Kurz um, war er der schönste Mann der mir je begegnet war. Und eben dieser Mann zog mich, ja, genau mich, in den wohl romantischsten Ort, den man sich vorstellen konnte.

Bereitwillig ließ ich mich mit ihm durch die Farbenpracht der großen, in voller Blüte stehenden Blumen, ziehen. Wie in Trance folgte ich ihm. Etwas abseits von den anderen Besuchern blieb er stehen. Er drehte sich zu mir um und überbrückte mit zwei großen Schritten die Distanz zwischen uns, die entstanden war, als er meine Hand los ließ. Weniger als einen halben Meter vor mir blieb er stehen und beugte sich zu mir vor. Mein Bauch fing an zu rebellieren,  Hitze stieg mir abermals in die Wangen. Was machte dieser Mann nur mit mir? Er hatte eine weiße Rose in der Hand und steckte sie mir behutsam hinters Ohr, während er mir leise zuflüsterte, dass mir eine einfache rote Rose nicht gerecht werden würde. Die Hitze seines Atems hinterließ ein kippeln auf meiner Haut. Sein männlicher Duft, der eine Mischung aus Holz, Nuss und etwas Süßem zu sein schien brachte mich fast um den Verstand. Zum Glück brachte er wieder etwas Abstand zwischen uns, sodass ich erneut etwas Fassung erringen konnte. Auch, wenn sein Lächeln nicht viel dazu beitrug.

Automatisch bewegte sich mein Körper auf ihn zu und der seinige tat es mir gleich. Nur wenige Zentimeter trennten unsere Gesichter noch voneinander. Eine gefühlte Ewigkeit standen wir so da und schauten uns in die Augen, bis er die letzten Zentimeter zwischen uns überbrückte und mir einen quälend leichten Kuss auf die Lippen hauchte. Und wieder traf mich dieser köstliche Duft, der von ihm auszugehen schien und der eine ungeahnte Leidenschaft in mir entfachte. Ich zog ihn an mich und küsste ihn stürmisch, wie von Sinnen. Im ersten Augenblick hatte ich Angst er würde sich zurückziehen, auf Abstand gehen. Mit Erleichterung registrierte ich seine Lippen, die sich hart auf meine pressten und mehr forderten.

Ich war gefangen. Gefangen in einem Strudel aus Leidenschaft, als er seine Lippen von mir löste und mich lächelnd ansah. „Mein herzlichstes Beileid!“ raunte er mir zu. Etwas verwirrt trat ich einen Schritt zurück. „Bitte, was?“ Der Nebel der Lust um waberte noch mein Denkvermögen. „Mein herzlichstes Beileid. Ich weiß, wie schwer es ist eine geliebte Person zu verlieren.“ Seine Stimme klang plötzlich so fremd. „Was soll das? Was redest du da?“ Ich flehte ihn an mir Klarheit zu geben. Ich verstand gar nichts mehr. Mit geschlossenen Augen schüttelte ich meinen Kopf. Versuchte wieder richtig denken zu können, die Spinnweben, die seine Nähe in meinem Kopf hinterlassen hatten, loszuwerden. Und wehrte mich mit Widerwillen gegen das, was mir mein Kopf sagen wollte.

Die laue wärme des Sommerabends verschwand und ich begann zu frösteln. Unliebsam öffnete ich die Augen, gezwungen wieder in die Realität zurück zu kommen. Ich nickte den Herrn vor mir dankbar zu und betrachtete mit schwerem Herzen und voller Wehmut das Grab meines Mannes, den ich vor so vielen Jahren an jenem Sommerabend kennengelernt hatte.

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Tag der Veröffentlichung: 19.11.2013

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